Über den Sohn eines Landwirtschaftsfunktionärs, der im Brandenburgischen Philadelphia, dann in Golzow (Oderbruch) und zuletzt in Bernau bei Berlin die sozialistische Ordnung durchsetzen half. Jochen ging darum in Golzow nur ein Jahr zur Schule. Er wurde Melker, war Grenzsoldat, heiratete und lebt mit drei Kindern in Bernau. Ebenso enttäuscht von der DDR wie über ihren Fall ist er heute quitt mit jedweder Politik.
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DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kein BonusmaterialFrankfurter Allgemeine ZeitungDer Unangepaßte
"Jochen - ein Golzower aus Philadelphia" von Barbara und Winfried Junge im Forum
Gut vierzig Jahre hat es gedauert, bis Jochen Teich einmal entschieden nein und abermals nein sagt. Der Mann ist dickköpfig durchs Leben gegangen. In der Schulbank von Golzow, wo der Sechsjährige "mit dem Gesicht eines Eisbären" 1961 Winfried Junge und seinem Kameramann schon bei seinem ersten Golzow-Film auffiel, zählte er keineswegs zu den kleinen Strebern. Später, als Melker-Lehrling in Bernau bei Berlin, verhielt sich der im märkischen, nicht im amerikanischen Philadelphia Geborene renitent. Vom Dienst in der Grenztruppe der DDR kehrte er mit einem Herzfehler an seinen alten Arbeitsplatz zurück. Mit der Verpflichtung zum dreijährigen Unteroffiziersdienst hatte er, Kind einer Funktionärsfamilie, dem Druck der Verhältnisse nachgegeben, so wie er es mit dem Eintritt in die Bauernpartei der DDR noch einmal tat.
Jochen sagte oft gutmütig ja zu dem, was man ihm antrug, auch zum Mitspielen in Winfried Junges inzwischen weltberühmter Chronik der Kinder von Golzow. Aber ausgerechnet dem Regisseur verweigert er nun, nachdem sie zusammen in der Wohnstube viele, viele Gespräche miteinander noch einmal angesehen haben, den Film seines Lebens, die weitere Mitarbeit. Ein Dutzend Mal wiederholt er das entschiedene Nein, als müsse er es sich fest einprägen, und läßt aber Junge, der nach Argumenten ringt, die Tür einen Spaltbreit offen: Zum Kaffeetrinken sei er weiter willkommen.
Man hat schnell begriffen, welcher Charaktergruppe der breitschultrige, schwere, in seinem Beruf tüchtige Mann angehört, schon bei der lärmigen Picknickszene zu Beginn. Von keinen großen Idealen oder hohen Hoffnungen beschwert, gehen diese Menschen scheinbar illusionslos durchs Leben, passen sich an, wo es nötig ist, um am Ende dank ihres Mutterwitzes als die Klügeren dazustehen, die schon immer alles durchschaut haben. Jochen Teich ist ein märkischer und darum etwas grob geratener Schwejk. Vor allem autoritäre Systeme bringen diesen Typ hervor. In der Demokratie nützt Dickfelligkeit wenig, sie führt eher ins Abseits. Womöglich ahnt der Mann, der heute sein kleines Häuschen gegen den Alteigentümer verteidigen muß, besser als der Regisseur, daß die alte Rolle nicht mehr gefragt ist.
Junge, der den zweistündigen Film wiederum mit seiner Frau Barbara aus in vierzig Jahren gewonnenen Aufnahmen zusammenfügte und kommentierte, möchte Jochen Teich ungern entlassen. Er betreibt keine Charakterstudien und will nicht die menschliche Komödie dokumentieren, sondern Lebenswege in der DDR und was von dieser Gesellschaft in der Erinnerung der "Golzower" blieb. Gern würde er von Jochen ein Wort über das Gute bei allem Schlechtem in diesem Land hören, aber die erwartete Antwort kommt von dessen Frau Manuela, die schon mit sechzehn Jochens Lebenspartner wurde.
Unter Junges biographischen Filmen über die "Kinder von Golzow" wird dieser als ein besonders unterhaltsamer in Erinnerung bleiben. Zwar beleuchtet er auch Facetten der Geschichte, indem er sich auf die Landwirtschaft einläßt und deren Perspektive nach dem krisenhaften Übergang zumindest streift, doch den größeren Gewinn zieht der Zuschauer aus der komischen Anlage der Hauptfigur: ein Kasperl, der gern über sich selbst lacht und lachen läßt, erst recht über andere, im Herzen tieftraurig ist, zum Glück aber eine gute Gretel an seiner Seite hat, die ihren Kasperl liebt, auch wenn es ihr manchmal schwerfallen mag. Als Dritter im Bunde fungiert der Regisseur, der dem Paar mit ernsten Fragen zusetzt, aber ehrlich genug ist zu zeigen, wie ihn Kasperl abfahren läßt.
Da dabei vier Jahrzehnte durchmessen werden, vergeht viel Kinozeit, die indessen zusätzlichen Gewinn bringt: Man sieht, wie das Alter seine Zeichen in die Gesichter gräbt. Und doch bleiben die Menschen sich gleich, ein seltsam komischer Tatbestand.
HANS-JÖRG ROTHER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Jochen - ein Golzower aus Philadelphia" von Barbara und Winfried Junge im Forum
Gut vierzig Jahre hat es gedauert, bis Jochen Teich einmal entschieden nein und abermals nein sagt. Der Mann ist dickköpfig durchs Leben gegangen. In der Schulbank von Golzow, wo der Sechsjährige "mit dem Gesicht eines Eisbären" 1961 Winfried Junge und seinem Kameramann schon bei seinem ersten Golzow-Film auffiel, zählte er keineswegs zu den kleinen Strebern. Später, als Melker-Lehrling in Bernau bei Berlin, verhielt sich der im märkischen, nicht im amerikanischen Philadelphia Geborene renitent. Vom Dienst in der Grenztruppe der DDR kehrte er mit einem Herzfehler an seinen alten Arbeitsplatz zurück. Mit der Verpflichtung zum dreijährigen Unteroffiziersdienst hatte er, Kind einer Funktionärsfamilie, dem Druck der Verhältnisse nachgegeben, so wie er es mit dem Eintritt in die Bauernpartei der DDR noch einmal tat.
Jochen sagte oft gutmütig ja zu dem, was man ihm antrug, auch zum Mitspielen in Winfried Junges inzwischen weltberühmter Chronik der Kinder von Golzow. Aber ausgerechnet dem Regisseur verweigert er nun, nachdem sie zusammen in der Wohnstube viele, viele Gespräche miteinander noch einmal angesehen haben, den Film seines Lebens, die weitere Mitarbeit. Ein Dutzend Mal wiederholt er das entschiedene Nein, als müsse er es sich fest einprägen, und läßt aber Junge, der nach Argumenten ringt, die Tür einen Spaltbreit offen: Zum Kaffeetrinken sei er weiter willkommen.
Man hat schnell begriffen, welcher Charaktergruppe der breitschultrige, schwere, in seinem Beruf tüchtige Mann angehört, schon bei der lärmigen Picknickszene zu Beginn. Von keinen großen Idealen oder hohen Hoffnungen beschwert, gehen diese Menschen scheinbar illusionslos durchs Leben, passen sich an, wo es nötig ist, um am Ende dank ihres Mutterwitzes als die Klügeren dazustehen, die schon immer alles durchschaut haben. Jochen Teich ist ein märkischer und darum etwas grob geratener Schwejk. Vor allem autoritäre Systeme bringen diesen Typ hervor. In der Demokratie nützt Dickfelligkeit wenig, sie führt eher ins Abseits. Womöglich ahnt der Mann, der heute sein kleines Häuschen gegen den Alteigentümer verteidigen muß, besser als der Regisseur, daß die alte Rolle nicht mehr gefragt ist.
Junge, der den zweistündigen Film wiederum mit seiner Frau Barbara aus in vierzig Jahren gewonnenen Aufnahmen zusammenfügte und kommentierte, möchte Jochen Teich ungern entlassen. Er betreibt keine Charakterstudien und will nicht die menschliche Komödie dokumentieren, sondern Lebenswege in der DDR und was von dieser Gesellschaft in der Erinnerung der "Golzower" blieb. Gern würde er von Jochen ein Wort über das Gute bei allem Schlechtem in diesem Land hören, aber die erwartete Antwort kommt von dessen Frau Manuela, die schon mit sechzehn Jochens Lebenspartner wurde.
Unter Junges biographischen Filmen über die "Kinder von Golzow" wird dieser als ein besonders unterhaltsamer in Erinnerung bleiben. Zwar beleuchtet er auch Facetten der Geschichte, indem er sich auf die Landwirtschaft einläßt und deren Perspektive nach dem krisenhaften Übergang zumindest streift, doch den größeren Gewinn zieht der Zuschauer aus der komischen Anlage der Hauptfigur: ein Kasperl, der gern über sich selbst lacht und lachen läßt, erst recht über andere, im Herzen tieftraurig ist, zum Glück aber eine gute Gretel an seiner Seite hat, die ihren Kasperl liebt, auch wenn es ihr manchmal schwerfallen mag. Als Dritter im Bunde fungiert der Regisseur, der dem Paar mit ernsten Fragen zusetzt, aber ehrlich genug ist zu zeigen, wie ihn Kasperl abfahren läßt.
Da dabei vier Jahrzehnte durchmessen werden, vergeht viel Kinozeit, die indessen zusätzlichen Gewinn bringt: Man sieht, wie das Alter seine Zeichen in die Gesichter gräbt. Und doch bleiben die Menschen sich gleich, ein seltsam komischer Tatbestand.
HANS-JÖRG ROTHER
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