Psychologische Kriegsführung und internationale politische Intrigen bilden den Hintergrund für eine packende Agentenstory, in der die junge amerikanische Schauspielerin Charlie als israelische Agentin angeworben wird. Kurtz, der skrupellose und fanatische Geheimdienstchef will sie in eine palästinensische Terrororganisation einschleusen. Unter dem Decknamen "Libelle" soll sie deren Anführer Khalil ausschalten. Man begegnet ihr ihm Palästinenserlager jedoch mit Misstrauen und unterzieht sie einer harten militärischen Schulung. Von dort reist "Die Libelle" um die halbe Welt, um ihre Mission zu erfüllen. George Roy Hill ("Der Clou", "Butch Cassidy und Sundance Kid") drehte diesen Agenten-Thriller nach dem Top-Bestseller von John Le Carré, mit hochkarätigen Akteuren an internationalen Schauplätzen.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit SoundeffektenFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.2008Auf dem Friedhof der vergessenen Filme
"Die Libelle" von George Roy Hill / Von Dominik Graf
George Roy Hill: "Die Libelle".
Warner Home Video. 125 Minuten. Format 16:9. Englisch, Deutsch, Untertitel. Keine Extras.
Sie ist amerikanische Schauspielerin und lebt in London. Sie mag arabische Männer. Sehr sogar. Sie ist ein bisschen zickig, ein bisschen linksintellektuell und ziemlich liebesbedürftig. Und sie lügt gerne und gut. Sie ist ein gefundenes Fressen für den israelischen Geheimdienst Mossad, angeführt von einem grandiosen Klaus Kinski. Sie tut, was man ihr sagt, weil sie glaubt, dass sie von einem schönen arabischen Mann geliebt wird. Und als dieser Mann, der sie benutzte und der sie beinah im entscheidenden Moment im Stich ließ, am Ende dann alles wiedergutmachen will, da sagt sie ihm: "Ich bin tot! Du hast mich getötet, erinnerst du dich?" Charlie, die Schauspielerin, läuft davon, als der Israeli Gadi Becker alias Joseph alias Michel sie in ihrem kleinen Londoner Theater schließlich in ein anderes Leben abholen will.
Er ist zweifellos an allem schuld. Auch daran, dass sie gerade auf der Bühne in ihrem Text das Wort "impending" - "unheilvoll" - nicht mehr über die Lippen brachte und die Probe deswegen abgebrochen hat. Das war kurz bevor sie ihn im Dunkeln des Zuschauerraums sitzen sah. Jetzt rennt sie panisch weg vor ihm und vor ihrer Erinnerung an das Blut eines erschossenen, anderen arabischen Mannes auf ihrem nackten Körper. Aber er holt sie ein, nimmt ihren Arm, und sie gehen stockend in eine sehr unsichere Zukunft von uns weg die dunkle, nasse englische Straße hinunter. Begleitet von Dave Grusins wunderbar traurigem Hauptthema des Films.
Es mag ja heute vielleicht vollkommen egal sein, dass man damals "Die Libelle", diesem Film, den George Roy Hill nach John le Carrés Roman "The Little Drummer Girl" 1984 in der Münchner Bavaria gedreht hatte, so ziemlich alles vorwarf, was man einem vermeintlich misslungenen Großfilm vorwerfen kann: Langatmigkeit, Umständlichkeit, Hölzernheit der Inszenierung, eine Fehlbesetzung in der Hauptrolle ("diese New Yorker Emanzen-Ziege als Untergrundkämpferin - lächerlich!"). Und doch will man förmlich noch mal "Einspruch!" schreien, wenn man den Film heute sieht. "The Little Drummer Girl" zeigt aufs Großartigste, dass man einen Mainstreamfilm machen kann mit einer extrem ambivalenten, einer gefährlich beschädigten Hauptfigur, mit einer "schwachen" Frau, die sexuell von dunkelhäutigen, mediterranen Männern angefasst werden will, die daraus auch kein Geheimnis macht und für ihr Begehren und ihr Geliebtwerdenwollen ihr Leben aufs Spiel setzt.
Den Mythos des schönen arabischen Manns zieht George Roy Hill hier wahrlich konsequent durch: Sami Frey, Yorgo Voyagis, Eli Danker - alle sind sie phantastisch aussehende schwarzhaarige Männer, die Jungen wie die Alten im Nahen Osten, die Diane Keaton begegnen, egal, welcher Partei sie angehören, Israeli oder Palästinenser. Fehlte nur noch Omar Sharif, der zur Tür reinkommt. (Tut er nicht.) Einer von ihnen wurde gefoltert. Er wird uns nackt und zitternd vor Angst präsentiert, so, als wolle der Film Keatons Begehren damit geradezu verspotten.
In der fröhlichsten Szene des Films übt Diane Keaton in einem libanesischen Ausbildungscamp mit den anderen Guerrilleros zusammen Dusty Springfields "Downtown" - und die dunkelhaarigen Jungs mit den scharfen Waffen auf dem Schoß singen alle mit, während sie eine Bergstraße mit dem Laster hochfahren. Oben auf dem Hügel steht ein junger Ziegenhirt, der lacht, als er den Song hört. Denn er hat ihn schon einmal gehört, und zwar nachdem Klaus Kinski in einer faszinierend doppelbödigen, fünfzehn-minütigen Sequenz Charlies Lebenslügen auseinandergenommen hatte. Danach war sie quasi Mitglied des Mossad und wurde mit einem roten Daimler voller Sprengstoff zu ihrem ersten Auftrag losgeschickt. Da sang sie am Steuer auch "Downtown", weil sie so nervös war, haute aber erst mal versehentlich den Rückwärtsgang rein und wäre mit dem ganzen Explosivzeug an Bord beinahe gegen einen Baum gefahren.
Der Ziegenhirt-Junge war in dem Augenblick der Einzige, der noch über sie und über das Lied gelacht hatte. Er ist nämlich auch vom Mossad. Und in seinem Ziegenhirtenzelt steht ein First-Class-Funkgerät. Fünf Minuten später im Film haben die Libanesen ihn jedoch geschnappt, furchtbar verprügelt und führen ihn ihrem Chef (Michael Christofer - ganz großartig!) vor. Diane Keaton - jetzt undercover auf der Gegenseite - steht daneben und muss ihre Bekanntschaft mit dem Jungen verschweigen. Draußen vor dem Haus wird er kurz darauf sang- und klanglos erschossen.
George Roy Hill und John le Carré, damals schon zwei ältere Männer, treiben in dieser bösen Geheimdienst-Geschichte ein doppelt schmutziges Spiel. Sie können ihre Hauptfigur, Diane Keaton, am Ende nicht mehr ganz ohne Vorbehalt in die Arme schließen. Man hat auch den Eindruck, sie will kein Happy End mehr. Sie flieht vor ihren bösen Erfindern wie Alice im Wunderland auf der Flucht vor den Alten in der Muppet-Show, raus der Geschichte. George Roy Hill war ja ein Regisseur von zumeist ziemlich erfolgreichen und sehr lustigen Filmen. Er konnte ihre Geschichten im Kern stets auf einen schön bittersüßen Geschmack herunterdestillieren. Und es gelang ihm meist gut, die knallharten Untertöne seiner Filme zu tarnen. Hier will er gar nicht verbergen, dass sowohl Autor als auch Regisseur einem bösen Impuls folgen: das Mädchen "Charlie" für ihre Sehnsüchte zu bestrafen. John le Carrés Romane haben stets solche zutiefst ambivalenten Untertöne. Zuletzt konnte man an der Verfilmung seines "Ewigen Gärtners" geradezu bestürzend gut sehen, was herauskommt, wenn man seine Stoffe auf politisch korrekte Erbauungsliteratur herunterreduziert: lahmarschiges Milchgesichter-Polit-Kino à la Meirelles, Winterbottom und Konsorten.
"The Little Drummer Girl" ist da aus ganz anderem Holz. Es ist genau die Art Mainstreamfilm, die man sich im Kino so sehr ersehnt (vor allem dann, wenn man selber in diesem Geschäft tätig ist): Der Film ist intelligent, trickreich, witzig, sexy, ehrlich, grausam - und er ist emotional auf einer dunkleren, aber dafür umso berührenderen Ebene angesiedelt als der übliche Blockbuster. Hill demonstriert hier hundertfünfundzwanzig Minuten lang die Art von vielschichtigem Mainstreamprodukt, derentwegen man das Kino einstmals liebengelernt hat und irgendwann selber Filme machen wollte. Der Film ist aber auch genau die teure, sehr komplexe Art von Film, die zu allen Zeiten kommerziell durchfallen wird und die somit dem ewig wiederkehrenden Heldentod an der Kinokasse geweiht ist.
Dass dieses seltene Exemplar hier nun auch noch aus der einst florierenden Produktions-Verbindung Hollywood/Bavaria stammt (wie etwa auch "Cabaret" oder "Twilight's Last Gleaming" von Aldrich) - das macht die Sache noch interessanter, auch für die deutsche Filmgeschichte. "The Little Drummer Girl" könnte nun endlich aus dem Massengrab der großen Flops herausgeholt und auf dem Friedhof der schönsten und mutigsten Filme mit allen Ehren beigesetzt werden.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Die Libelle" von George Roy Hill / Von Dominik Graf
George Roy Hill: "Die Libelle".
Warner Home Video. 125 Minuten. Format 16:9. Englisch, Deutsch, Untertitel. Keine Extras.
Sie ist amerikanische Schauspielerin und lebt in London. Sie mag arabische Männer. Sehr sogar. Sie ist ein bisschen zickig, ein bisschen linksintellektuell und ziemlich liebesbedürftig. Und sie lügt gerne und gut. Sie ist ein gefundenes Fressen für den israelischen Geheimdienst Mossad, angeführt von einem grandiosen Klaus Kinski. Sie tut, was man ihr sagt, weil sie glaubt, dass sie von einem schönen arabischen Mann geliebt wird. Und als dieser Mann, der sie benutzte und der sie beinah im entscheidenden Moment im Stich ließ, am Ende dann alles wiedergutmachen will, da sagt sie ihm: "Ich bin tot! Du hast mich getötet, erinnerst du dich?" Charlie, die Schauspielerin, läuft davon, als der Israeli Gadi Becker alias Joseph alias Michel sie in ihrem kleinen Londoner Theater schließlich in ein anderes Leben abholen will.
Er ist zweifellos an allem schuld. Auch daran, dass sie gerade auf der Bühne in ihrem Text das Wort "impending" - "unheilvoll" - nicht mehr über die Lippen brachte und die Probe deswegen abgebrochen hat. Das war kurz bevor sie ihn im Dunkeln des Zuschauerraums sitzen sah. Jetzt rennt sie panisch weg vor ihm und vor ihrer Erinnerung an das Blut eines erschossenen, anderen arabischen Mannes auf ihrem nackten Körper. Aber er holt sie ein, nimmt ihren Arm, und sie gehen stockend in eine sehr unsichere Zukunft von uns weg die dunkle, nasse englische Straße hinunter. Begleitet von Dave Grusins wunderbar traurigem Hauptthema des Films.
Es mag ja heute vielleicht vollkommen egal sein, dass man damals "Die Libelle", diesem Film, den George Roy Hill nach John le Carrés Roman "The Little Drummer Girl" 1984 in der Münchner Bavaria gedreht hatte, so ziemlich alles vorwarf, was man einem vermeintlich misslungenen Großfilm vorwerfen kann: Langatmigkeit, Umständlichkeit, Hölzernheit der Inszenierung, eine Fehlbesetzung in der Hauptrolle ("diese New Yorker Emanzen-Ziege als Untergrundkämpferin - lächerlich!"). Und doch will man förmlich noch mal "Einspruch!" schreien, wenn man den Film heute sieht. "The Little Drummer Girl" zeigt aufs Großartigste, dass man einen Mainstreamfilm machen kann mit einer extrem ambivalenten, einer gefährlich beschädigten Hauptfigur, mit einer "schwachen" Frau, die sexuell von dunkelhäutigen, mediterranen Männern angefasst werden will, die daraus auch kein Geheimnis macht und für ihr Begehren und ihr Geliebtwerdenwollen ihr Leben aufs Spiel setzt.
Den Mythos des schönen arabischen Manns zieht George Roy Hill hier wahrlich konsequent durch: Sami Frey, Yorgo Voyagis, Eli Danker - alle sind sie phantastisch aussehende schwarzhaarige Männer, die Jungen wie die Alten im Nahen Osten, die Diane Keaton begegnen, egal, welcher Partei sie angehören, Israeli oder Palästinenser. Fehlte nur noch Omar Sharif, der zur Tür reinkommt. (Tut er nicht.) Einer von ihnen wurde gefoltert. Er wird uns nackt und zitternd vor Angst präsentiert, so, als wolle der Film Keatons Begehren damit geradezu verspotten.
In der fröhlichsten Szene des Films übt Diane Keaton in einem libanesischen Ausbildungscamp mit den anderen Guerrilleros zusammen Dusty Springfields "Downtown" - und die dunkelhaarigen Jungs mit den scharfen Waffen auf dem Schoß singen alle mit, während sie eine Bergstraße mit dem Laster hochfahren. Oben auf dem Hügel steht ein junger Ziegenhirt, der lacht, als er den Song hört. Denn er hat ihn schon einmal gehört, und zwar nachdem Klaus Kinski in einer faszinierend doppelbödigen, fünfzehn-minütigen Sequenz Charlies Lebenslügen auseinandergenommen hatte. Danach war sie quasi Mitglied des Mossad und wurde mit einem roten Daimler voller Sprengstoff zu ihrem ersten Auftrag losgeschickt. Da sang sie am Steuer auch "Downtown", weil sie so nervös war, haute aber erst mal versehentlich den Rückwärtsgang rein und wäre mit dem ganzen Explosivzeug an Bord beinahe gegen einen Baum gefahren.
Der Ziegenhirt-Junge war in dem Augenblick der Einzige, der noch über sie und über das Lied gelacht hatte. Er ist nämlich auch vom Mossad. Und in seinem Ziegenhirtenzelt steht ein First-Class-Funkgerät. Fünf Minuten später im Film haben die Libanesen ihn jedoch geschnappt, furchtbar verprügelt und führen ihn ihrem Chef (Michael Christofer - ganz großartig!) vor. Diane Keaton - jetzt undercover auf der Gegenseite - steht daneben und muss ihre Bekanntschaft mit dem Jungen verschweigen. Draußen vor dem Haus wird er kurz darauf sang- und klanglos erschossen.
George Roy Hill und John le Carré, damals schon zwei ältere Männer, treiben in dieser bösen Geheimdienst-Geschichte ein doppelt schmutziges Spiel. Sie können ihre Hauptfigur, Diane Keaton, am Ende nicht mehr ganz ohne Vorbehalt in die Arme schließen. Man hat auch den Eindruck, sie will kein Happy End mehr. Sie flieht vor ihren bösen Erfindern wie Alice im Wunderland auf der Flucht vor den Alten in der Muppet-Show, raus der Geschichte. George Roy Hill war ja ein Regisseur von zumeist ziemlich erfolgreichen und sehr lustigen Filmen. Er konnte ihre Geschichten im Kern stets auf einen schön bittersüßen Geschmack herunterdestillieren. Und es gelang ihm meist gut, die knallharten Untertöne seiner Filme zu tarnen. Hier will er gar nicht verbergen, dass sowohl Autor als auch Regisseur einem bösen Impuls folgen: das Mädchen "Charlie" für ihre Sehnsüchte zu bestrafen. John le Carrés Romane haben stets solche zutiefst ambivalenten Untertöne. Zuletzt konnte man an der Verfilmung seines "Ewigen Gärtners" geradezu bestürzend gut sehen, was herauskommt, wenn man seine Stoffe auf politisch korrekte Erbauungsliteratur herunterreduziert: lahmarschiges Milchgesichter-Polit-Kino à la Meirelles, Winterbottom und Konsorten.
"The Little Drummer Girl" ist da aus ganz anderem Holz. Es ist genau die Art Mainstreamfilm, die man sich im Kino so sehr ersehnt (vor allem dann, wenn man selber in diesem Geschäft tätig ist): Der Film ist intelligent, trickreich, witzig, sexy, ehrlich, grausam - und er ist emotional auf einer dunkleren, aber dafür umso berührenderen Ebene angesiedelt als der übliche Blockbuster. Hill demonstriert hier hundertfünfundzwanzig Minuten lang die Art von vielschichtigem Mainstreamprodukt, derentwegen man das Kino einstmals liebengelernt hat und irgendwann selber Filme machen wollte. Der Film ist aber auch genau die teure, sehr komplexe Art von Film, die zu allen Zeiten kommerziell durchfallen wird und die somit dem ewig wiederkehrenden Heldentod an der Kinokasse geweiht ist.
Dass dieses seltene Exemplar hier nun auch noch aus der einst florierenden Produktions-Verbindung Hollywood/Bavaria stammt (wie etwa auch "Cabaret" oder "Twilight's Last Gleaming" von Aldrich) - das macht die Sache noch interessanter, auch für die deutsche Filmgeschichte. "The Little Drummer Girl" könnte nun endlich aus dem Massengrab der großen Flops herausgeholt und auf dem Friedhof der schönsten und mutigsten Filme mit allen Ehren beigesetzt werden.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main