1. September 1997: Die Welt erwacht und Prinzessin Diana ist tot. Die wohl bekannteste Frau der Welt und Ex-Gattin des englischen Thronfolgers ist bei einem Autounfall gestorben. Die Nachricht versetzt Menschen rund um die Erde in einen Schock und schon am nächsten Tag bedeckt ein Meer von letzten Blumengrüßen an die Verstorbene den Boden vor dem Buckingham Palace. Doch der Palast steht leer. Die Royals verharren trotz der Tragödie hinter den dicken Mauern ihres schottischen Landsitzes Schloss Balmoral. In der Welt des starren Hofprotokolls sind Emotionen tabu. Die Familie wird in privater Abgeschiedenheit trauern, die beiden 13 und 15 Jahre alten Söhne der Prinzessin sollen vor der Neugier der Medien geschützt werden. Der Queen erscheint es angemessen, Dianas Tod als Privatsache zu behandeln, schließlich war sie ja nicht mehr Mitglied der königlichen Familie. Auch wenn die Queen sich samt Familie verstecken mag, für Tony Blair ist das Ereignis seine Feuertaufe als Politiker. Erst drei Monate zuvor errang er einen erdrutschartigen Wahlsieg für seine Labourpartei und er spürt, dass sich die Stimmung im Land ändert. Von Reserviertheit und Beherrschung keine Spur, statt dessen türmt sich die Woge der Gefühle zu einer wahren Sintflut auf, wie sie das Königreich noch nie zuvor erlebt hat. Diana war für alle Briten die, wie Blair sie tauft, "Prinzessin der Herzen". Als Blair ein Staatsbegräbnis für Diana vorschlägt, damit "das Volk die Trauer teilen kann", zuckt die Queen empört zusammen. Bereits am Montag der folgenden Woche watet die Palastwache durch ein knietiefes Blumenmeer vor dem Buckingham Palace. Blairs rechte Hand Alistair Campbell weidet sich schon an der Vorstellung, dass die Queen unfähig ist, die Stimmung ihres Volkes zu erkennen, während Blairs Popularität nach seinen Gesten des Mitgefühles schier ins Unermessliche steigt. Doch ausgerechnet der Premierminister fühlt Loyalität mit der Queen in sich aufsteigen, vor allem, als Prinz Charles sich von der Haltung seiner Mutter distanziert und Blair seine volle Unterstützung zusichert. Als die Queen erfahren muss, dass das Begräbnis ihrer Ex-Schwiegertochter jenem Ablaufplan gehorchen soll, der für den Tod der Queen Mum vorgesehen wurde, ist das ein Angriff auf ihre Autorität. Statt Staatsgästen und ranghoher Militärs sollen Künstler und prominente Freunde der Toten der Trauerfeier beiwohnen. Es bleibt nicht das einzige Zugeständnis an die öffentliche Trauer um Diana, das die Queen eingehen muss. Fast scheint es ihr, als ob die Prinzessin nach ihrem Tod ebenso viele Probleme wie zu Lebzeiten verursacht. Nur in Balmoral ist alles beim alten geblieben. Die Vorbereitungen für die Trauerfeier beginnen, es werden über zwei Millionen Menschen in London erwartet. Die Presse regt sich auf, dass am Buckingham Palace keine Fahne auf Halbmast zu sehen ist: "Zeigt uns, dass das Haus Windsor ein Herz besitzt!". Blair schlägt vor, trotz Abwesenheit der Königin und entgegen dem Protokoll die Fahne auf Halbmast wehen zu lassen. Er erntet damit keinen Beifall bei der Queen, die langsam frustriert ist von den Ratschlägen des Jungspund-Premiers. In Anbetracht der Lage fordert Tony Blair die Queen noch einmal auf, nach London zu kommen, um mit dem Volk "seine Trauer zu teilen". So langsam dämmert es der Queen, dass sie die Volksseele nicht mehr versteht ...
Bonusmaterial
Beil.: Booklet.Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.01.2007Lob der Schwiegermutter
Zehn Jahre nach dem Tod von Diana huldigt Stephen Frears ausgerechnet der Frau, deren Kälte damals die Welt verstörte: "The Queen"
Als am 1. September 1997 bekannt wird, dass die englische Prinzessin Diana bei einem Autounfall in Paris umgekommen ist, bricht sich in ganz England eine beispiellos kollektive Trauer Bahn. Das Volk ehrt die Tote mit Blumenmeeren, das Königshaus hingegen reagiert auf den Tod der geschiedenen Frau von Prinz Charles äußerst zurückhaltend. Die Königin bricht weder ihren Sommerurlaub auf Schloss Balmoral in Schottland ab, noch gibt es irgendeine offizielle Verlautbarung. Das Volksgefühl und dessen massenmediale Vertretung sind empfindlich getroffen. Erst nach einigen Tagen und im Angesicht einer ernsthaften Krise gibt Elisabeth II. nach, kommt zurück nach London und zeigt sich öffentlich mit ihrer Familie bei Dianas Beerdigung. So weit die bekannte Episode aus der jüngeren Geschichte des Britischen Königreichs.
Als der britische Regisseur Stephen Frears und seine Hauptdarstellerin Helen Mirren letzten September auf dem Festival von Venedig mit "The Queen" Triumphe feierten, einem Film über genau jene Ereignisse, löste das gemischte Gefühle aus. Es schien nur schwer vorstellbar, dass ein Spielfilm über real lebende Personen und über die fast gegenwärtige Zeit nicht entweder in geradezu obszöner Weise persönliche Sphären verletzen oder aber schrecklicher monarchieseliger Kitsch sein würde. Die Intuition hat getäuscht. Der Film ist so zurückhaltend und gelassen, so intelligent geschrieben und nach allen Seiten wohlwollend, dass von eingefleischten Royalisten bis zu radikalen Monarchiekritikern niemand ihn ernsthaft wird hassen können. Die Queen und ihre "royal family" werden weder böse demontiert noch kritiklos bewundert, und die Kamera blickt auf die Standpunkte der sozialistischen Antimonarchisten in der Labour-Partei ebenso liebenswürdig wie auf die Würde der in ihren Körpern festgefrorenen Königlichen.
Stephen Frears, sowohl mit großen Schauspielerfilmen wie "Gefährliche Liebschaften" als auch mit unangenehmen Harmlosigkeiten wie seinem jüngsten Werk "Lady Henderson präsentiert" bekannt geworden, erreicht diese erstaunliche Allgemeinverträglichkeit vor allem dadurch, dass er sich auf die Beziehung zweier gegensätzlicher Figuren konzentriert, die er gleichermaßen sympathisch darstellt: Premierminister Tony Blair (Michael Sheen) und Königin Elisabeth II. (Helen Mirren). Da man sich Letztere als eine alte Frau vorstellen muss, die unter einem Kopftuch mürrisch durch die Wälder trottet, hätte das bei einem weniger feinfühligen Regisseur auch schnell auf etwas hinauslaufen können, was den Namen "Blair Witch Project" verdient; bei Frears ist dagegen beinahe ein Liebesfilm über dieses ungleiche Paar herausgekommen.
Er setzt mit seiner Geschichte ein paar Monate vor Dianas Tod ein, mit dem erdrutschartigen Sieg Tony Blairs und seiner Labour-Partei im Mai 1997. Nach fast zwanzig Jahren konservativer Regierung gehen die politischen Emotionen der Linken hoch. Der designierte Premierminister Tony Blair ist jung, emanzipiert, attraktiv, der Hoffnungsträger seiner Epoche. Eine der ersten Szenen, die Frears zeigt, ist der Antrittsbesuch bei der Königin, die Blair offiziell zur Regierungsbildung einladen muss. Die rigide alte Dame empfängt den jungen Politiker mit einem Übermaß an Erfahrenheit und geradezu grandioser Herablassung. Er sei ihr zehnter Premierminister. Der erste sei Winston Churchill gewesen. Dagegen kommen natürlich kein politisches Nachwuchstalent und kein Kinopublikum an. Man verliebt sich sofort. Zumindest in Frears' Darstellung kann sich Tony Blair, allen Sticheleien seiner antimonarchischen Labour-Entourage zum Trotz, dem diskreten Charme seines Staatsoberhauptes ganz und gar nicht entziehen. Und er wird in der großen Diana-Krise sein Möglichstes tun, um zwischen seiner Souveränin und ihrem Volk zu vermitteln. Die Queen wird sich ihrerseits nach etlichen inneren Kämpfen nicht nur der medialen Moderne, sondern auch ihrem neuen Premier öffnen.
Dass die von der Monarchin ausgeübte Faszination auch dem Kinopublikum plausibel wird, verdankt sich der wunderbaren Helen Mirren, der es gelingt, die Verschrobenheit und Verstocktheit dieser Welt zwischen Buckingham und Balmoral als letztlich liebenswerte darzustellen. Die Schauspielerin spielt die Queen mit auffällig stechendem Schritt als bis zum äußersten pflichtbewusste, dabei mütterliche und humorvolle Person, die seit mehr als fünfzig Jahren unablässig ihr Bestes für ihr Land tut. Ihrer Position und deren Last ist sich diese Figur selbst noch im engsten Familienkreis jederzeit ganz selbstverständlich bewusst, noch auf der Treppe zwischen familiärem Fernsehen und Ehebett ist ihre Entscheidungsgewalt allen um sie herum restlos gegenwärtig. Weder ihr schrulliger Ehemann Prinz Philip noch ihr frustrierter Sohn Charles noch ihre energische Mutter haben die geringste Chance, den Ton mitanzugeben. Helen Mirrens Königin ist eine Monarchin alten Schlags, mit gottgegebenen Befugnissen und was es sonst noch dergleichen gibt (Heilung durch Handauflegung wird nicht erwähnt, ist aber denkbar). Auch das königliche Privileg, mit Tieren zu kommunizieren, kommt vor - eine ziemlich kitschige Szene bringt die Queen in der schottischen Wildnis Auge in Auge mit einem prächtigen Hirsch.
Das Genre der historischen Royalty-Lebensverfilmungen, zu dem "The Queen" letztlich auch gehört, hat in England eine lange Tradition. Kaum ein Mitglied der königlichen Familien der letzten fünf Jahrhunderte, dem nicht schon mindestens eine BBC-Miniserie gewidmet worden wäre, zuletzt auch öfters bereits zu Lebzeiten. So gab es schon 1992 einen Fernsehfilm über die Ehe von Charles und Diana, zuletzt kam 2005 die unlängst verstorbene Schwester der Königin, Prinzessin Margaret, dran. Das Interesse an diesen Geschichten mag auf einem reflexhaften Abgleich von Phantasie und Realität beruhen, erträglich werden sie aber nur, wenn sie so bewusst mit theatralischen Verfremdungen arbeiten, wie das in Frears' Film der Fall ist. Der Blick in das private Leben der Königin ist bei ihm durchwegs bühnenhaft konstruiert. Dem Film als Motto beigegeben ist ein Zitat aus Shakespeares Königsdramen - es geht hier um ein Kammerspiel, nicht um eine Dokumentation. Die Furcht, dass so einem sogenannten Biopic ein unangenehmer Voyeurismus innewohnen könnte, wird rasch abgelöst von der Erkenntnis, wie wenig so ein Biopic jemals mit realen Menschen zu tun hat. Es ist für die Zwecke des Films ganz unwesentlich, wie die dargestellten Menschen wirklich sind oder waren, die dramatische Konstruktion des Films ist nicht diejenige des Lebens. Frears benutzt wohl Archivaufnahmen für die politischen Nachrichten, aber seine Hauptgeschichte, diejenige vom inneren Kampf einer altmodischen Figur mit sich selbst und mit einer neuen Zeit, ist um diese Eckdaten herum frei erfunden. Das macht sie vielleicht gar nicht weniger wahr, nur etwas diskreter. Und gewiss auch um einiges schöner.
Niemand würde sich, um welcher Realität auch immer, der Chance berauben wollen, Helen Mirren in Gummistiefeln, mit Kopftuch und mit grimmigem Blick durch Schottland stolzieren zu sehen. Sie sieht atemberaubend aus dabei.
CATHERINE NEWMARK
Ab Donnerstag im Kino. Siehe auch Gesellschaft, Seite 47
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zehn Jahre nach dem Tod von Diana huldigt Stephen Frears ausgerechnet der Frau, deren Kälte damals die Welt verstörte: "The Queen"
Als am 1. September 1997 bekannt wird, dass die englische Prinzessin Diana bei einem Autounfall in Paris umgekommen ist, bricht sich in ganz England eine beispiellos kollektive Trauer Bahn. Das Volk ehrt die Tote mit Blumenmeeren, das Königshaus hingegen reagiert auf den Tod der geschiedenen Frau von Prinz Charles äußerst zurückhaltend. Die Königin bricht weder ihren Sommerurlaub auf Schloss Balmoral in Schottland ab, noch gibt es irgendeine offizielle Verlautbarung. Das Volksgefühl und dessen massenmediale Vertretung sind empfindlich getroffen. Erst nach einigen Tagen und im Angesicht einer ernsthaften Krise gibt Elisabeth II. nach, kommt zurück nach London und zeigt sich öffentlich mit ihrer Familie bei Dianas Beerdigung. So weit die bekannte Episode aus der jüngeren Geschichte des Britischen Königreichs.
Als der britische Regisseur Stephen Frears und seine Hauptdarstellerin Helen Mirren letzten September auf dem Festival von Venedig mit "The Queen" Triumphe feierten, einem Film über genau jene Ereignisse, löste das gemischte Gefühle aus. Es schien nur schwer vorstellbar, dass ein Spielfilm über real lebende Personen und über die fast gegenwärtige Zeit nicht entweder in geradezu obszöner Weise persönliche Sphären verletzen oder aber schrecklicher monarchieseliger Kitsch sein würde. Die Intuition hat getäuscht. Der Film ist so zurückhaltend und gelassen, so intelligent geschrieben und nach allen Seiten wohlwollend, dass von eingefleischten Royalisten bis zu radikalen Monarchiekritikern niemand ihn ernsthaft wird hassen können. Die Queen und ihre "royal family" werden weder böse demontiert noch kritiklos bewundert, und die Kamera blickt auf die Standpunkte der sozialistischen Antimonarchisten in der Labour-Partei ebenso liebenswürdig wie auf die Würde der in ihren Körpern festgefrorenen Königlichen.
Stephen Frears, sowohl mit großen Schauspielerfilmen wie "Gefährliche Liebschaften" als auch mit unangenehmen Harmlosigkeiten wie seinem jüngsten Werk "Lady Henderson präsentiert" bekannt geworden, erreicht diese erstaunliche Allgemeinverträglichkeit vor allem dadurch, dass er sich auf die Beziehung zweier gegensätzlicher Figuren konzentriert, die er gleichermaßen sympathisch darstellt: Premierminister Tony Blair (Michael Sheen) und Königin Elisabeth II. (Helen Mirren). Da man sich Letztere als eine alte Frau vorstellen muss, die unter einem Kopftuch mürrisch durch die Wälder trottet, hätte das bei einem weniger feinfühligen Regisseur auch schnell auf etwas hinauslaufen können, was den Namen "Blair Witch Project" verdient; bei Frears ist dagegen beinahe ein Liebesfilm über dieses ungleiche Paar herausgekommen.
Er setzt mit seiner Geschichte ein paar Monate vor Dianas Tod ein, mit dem erdrutschartigen Sieg Tony Blairs und seiner Labour-Partei im Mai 1997. Nach fast zwanzig Jahren konservativer Regierung gehen die politischen Emotionen der Linken hoch. Der designierte Premierminister Tony Blair ist jung, emanzipiert, attraktiv, der Hoffnungsträger seiner Epoche. Eine der ersten Szenen, die Frears zeigt, ist der Antrittsbesuch bei der Königin, die Blair offiziell zur Regierungsbildung einladen muss. Die rigide alte Dame empfängt den jungen Politiker mit einem Übermaß an Erfahrenheit und geradezu grandioser Herablassung. Er sei ihr zehnter Premierminister. Der erste sei Winston Churchill gewesen. Dagegen kommen natürlich kein politisches Nachwuchstalent und kein Kinopublikum an. Man verliebt sich sofort. Zumindest in Frears' Darstellung kann sich Tony Blair, allen Sticheleien seiner antimonarchischen Labour-Entourage zum Trotz, dem diskreten Charme seines Staatsoberhauptes ganz und gar nicht entziehen. Und er wird in der großen Diana-Krise sein Möglichstes tun, um zwischen seiner Souveränin und ihrem Volk zu vermitteln. Die Queen wird sich ihrerseits nach etlichen inneren Kämpfen nicht nur der medialen Moderne, sondern auch ihrem neuen Premier öffnen.
Dass die von der Monarchin ausgeübte Faszination auch dem Kinopublikum plausibel wird, verdankt sich der wunderbaren Helen Mirren, der es gelingt, die Verschrobenheit und Verstocktheit dieser Welt zwischen Buckingham und Balmoral als letztlich liebenswerte darzustellen. Die Schauspielerin spielt die Queen mit auffällig stechendem Schritt als bis zum äußersten pflichtbewusste, dabei mütterliche und humorvolle Person, die seit mehr als fünfzig Jahren unablässig ihr Bestes für ihr Land tut. Ihrer Position und deren Last ist sich diese Figur selbst noch im engsten Familienkreis jederzeit ganz selbstverständlich bewusst, noch auf der Treppe zwischen familiärem Fernsehen und Ehebett ist ihre Entscheidungsgewalt allen um sie herum restlos gegenwärtig. Weder ihr schrulliger Ehemann Prinz Philip noch ihr frustrierter Sohn Charles noch ihre energische Mutter haben die geringste Chance, den Ton mitanzugeben. Helen Mirrens Königin ist eine Monarchin alten Schlags, mit gottgegebenen Befugnissen und was es sonst noch dergleichen gibt (Heilung durch Handauflegung wird nicht erwähnt, ist aber denkbar). Auch das königliche Privileg, mit Tieren zu kommunizieren, kommt vor - eine ziemlich kitschige Szene bringt die Queen in der schottischen Wildnis Auge in Auge mit einem prächtigen Hirsch.
Das Genre der historischen Royalty-Lebensverfilmungen, zu dem "The Queen" letztlich auch gehört, hat in England eine lange Tradition. Kaum ein Mitglied der königlichen Familien der letzten fünf Jahrhunderte, dem nicht schon mindestens eine BBC-Miniserie gewidmet worden wäre, zuletzt auch öfters bereits zu Lebzeiten. So gab es schon 1992 einen Fernsehfilm über die Ehe von Charles und Diana, zuletzt kam 2005 die unlängst verstorbene Schwester der Königin, Prinzessin Margaret, dran. Das Interesse an diesen Geschichten mag auf einem reflexhaften Abgleich von Phantasie und Realität beruhen, erträglich werden sie aber nur, wenn sie so bewusst mit theatralischen Verfremdungen arbeiten, wie das in Frears' Film der Fall ist. Der Blick in das private Leben der Königin ist bei ihm durchwegs bühnenhaft konstruiert. Dem Film als Motto beigegeben ist ein Zitat aus Shakespeares Königsdramen - es geht hier um ein Kammerspiel, nicht um eine Dokumentation. Die Furcht, dass so einem sogenannten Biopic ein unangenehmer Voyeurismus innewohnen könnte, wird rasch abgelöst von der Erkenntnis, wie wenig so ein Biopic jemals mit realen Menschen zu tun hat. Es ist für die Zwecke des Films ganz unwesentlich, wie die dargestellten Menschen wirklich sind oder waren, die dramatische Konstruktion des Films ist nicht diejenige des Lebens. Frears benutzt wohl Archivaufnahmen für die politischen Nachrichten, aber seine Hauptgeschichte, diejenige vom inneren Kampf einer altmodischen Figur mit sich selbst und mit einer neuen Zeit, ist um diese Eckdaten herum frei erfunden. Das macht sie vielleicht gar nicht weniger wahr, nur etwas diskreter. Und gewiss auch um einiges schöner.
Niemand würde sich, um welcher Realität auch immer, der Chance berauben wollen, Helen Mirren in Gummistiefeln, mit Kopftuch und mit grimmigem Blick durch Schottland stolzieren zu sehen. Sie sieht atemberaubend aus dabei.
CATHERINE NEWMARK
Ab Donnerstag im Kino. Siehe auch Gesellschaft, Seite 47
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main