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Es brennt in den Vorstädten ... Schon bei seinem ersten Einsatz spürt der Polizist Stéphane, der Neuling in der Einheit für Verbrechensbekämpfung in Montfermeil, die Spannungen im Viertel, in dem es immer wieder zu hitzigen Auseinandersetzungen zwischen Gangs und Polizei kommt. Seine erfahrenen Kollegen Chris und Gwada, mit denen er Streife fährt, haben ihre Methoden den Gesetzen der Straße angepasst. Hier herrschen eigene Regeln, die Kollegen überschreiten selbst die Grenzen des Legalen, sehen sich dabei aber stets im Recht. Als im Viertel ein Löwenbaby, lebendes Maskottchen eines Clan-Chefs,…mehr

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Produktbeschreibung
Es brennt in den Vorstädten ... Schon bei seinem ersten Einsatz spürt der Polizist Stéphane, der Neuling in der Einheit für Verbrechensbekämpfung in Montfermeil, die Spannungen im Viertel, in dem es immer wieder zu hitzigen Auseinandersetzungen zwischen Gangs und Polizei kommt. Seine erfahrenen Kollegen Chris und Gwada, mit denen er Streife fährt, haben ihre Methoden den Gesetzen der Straße angepasst. Hier herrschen eigene Regeln, die Kollegen überschreiten selbst die Grenzen des Legalen, sehen sich dabei aber stets im Recht. Als im Viertel ein Löwenbaby, lebendes Maskottchen eines Clan-Chefs, gestohlen wird, droht die Situation zu eskalieren. Bei der versuchten Verhaftung eines jugendlichen Verdächtigen werden die Polizisten mit Hilfe einer Drohne gefilmt. Ihr fragwürdiges Vorgehen droht öffentlich zu werden, und aus den Gesetzeshütern werden plötzlich Gejagte...

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2020

Das Auge des Gesetzlosen
Im äußersten Fall ist auch scharfe Munition erlaubt: "Die Wütenden - Les Misérables" im Kino

Der Neue kommt aus Cherbourg, also aus der Provinz. Er kann natürlich keine Ahnung davon haben, wie es in Montfermeil zugeht, einer dieser Gemeinden im Umland von Paris, in denen der Alltag von "Brutalität" gekennzeichnet ist. So sieht das jedenfalls Chris, ein Polizist der BAC, der "Brigade anti-criminalité". Er soll mit seinem Kollegen Gwada den Neuen mit den Verhältnissen vertraut machen. Eigentlich heißt der ja Stéphane, aber weil er seine Haare mit viel Gel nach hinten runter flachlegt, hat er schnell einen Spitznamen: "Pomado" lautet die Übersetzung in den deutschen Untertiteln. Stéphane sitzt im Auto hinten, er sieht sich die Sache erst einmal an, mit einem Blick, den man nicht leicht deuten kann: Ist das unbefangene Neugierde oder eine Art Begriffsstutzigkeit? Oder ist Stéphane eben doch eingeschüchtert von dieser Welt, die sich den geläufigen Gesetzen zu entziehen scheint?

Das mit den Gesetzen ist nämlich der Punkt. Chris, Gwada und Stéphane sind die Vertreter des Staats in einer Gegend, in der die Leute vieles lieber untereinander ausmachen. Das Stichwort von der Parallelgesellschaft taucht in Ladj Lys Film "Die Wütenden - Les Misérables" gleich zu Beginn implizit auf, als Chris erläutert, wer sich in Montfermeil um was kümmert: Die Muslimbrüder haben den Drogenhandel deutlich in die Schranken gewiesen, allerdings werden die jungen Männer stattdessen aufgefordert, in die Moschee zu kommen. Und dort hören sie nichts von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

Der Regisseur kommt aus der Gegend. Er wuchs in Montfermeil auf, und er wurde dort auch zum Filmemacher, indem er die allgegenwärtige Gewalt zu dokumentieren begann. In "Les Misérables" gibt es einen Jungen namens Buzz, der mit seiner ferngesteuerten Drohne vor allem die offenen Fenster sucht, die vielleicht einen Blick in die Zimmer von Mädchen erlauben. Er ist aber auch so etwas wie das Auge über der Stadt, und tatsächlich wird die Speicherkarte seiner Drohnenkamera zu einem wichtigen Faktor in der Geschichte von "Les Misérables".

Die drei Polizisten - einer weiß, einer afrikanischen Typs und Stéphane mit iberischem Einschlag - geben für Ladj Ly das Maß des Durchblicks vor. Sie gehören einer Einheit an, deren Mitglieder keine Uniformen tragen. Stéphane bezeugt auch dadurch seine Unerfahrenheit, dass er die Armbinde trägt, die ihn ausweist, wenn er in eine Dönerbude geht, um dort eine lokale Autorität zu befragen. "Die kennen uns auch so", sagt Chris und lässt damit anklingen, dass die Polizei in Montfermeil nicht nur Kriminalität bekämpft, sondern auch so etwas wie Feldforschung betreibt. In einer hochkomplexen Gesellschaft, in der sich die französische Kolonialgeschichte und die Migrationsbewegungen des 20. Jahrhunderts deutlich eingeschrieben haben.

Neben der BAC sorgen in Montfermeil noch verschiedene informelle Gruppen für Ordnung. Ein schwarzer "Bürgermeister" fungiert als Schiedsrichter und Informationszentrale, während ein muslimischer Frommer namens Salah in seinem Imbiss vor allem als religiöse Autorität fungiert. Er kommt ins Spiel, als ein kleiner Löwe aus einem Zirkus entführt wird. Bevor er seine Informanten mobilisiert, gibt Salah noch kund, was er von dem Dompteur hält, der um seine Attraktion bangt: "Der Löwe ist im Islam ein weises, königliches Tier. Der Mensch schafft unsinnige Zwänge." Zwar haben ein paar Jugendliche das putzige Tier vor allem an sich gebracht, um damit ein paar coole Bilder für Instagram zu machen. Aber Salah sieht in der Sache mit dem Zirkuslöwen ein Gleichnis für "la servitude", für Knechtschaft. Seine politische Theologie ist jedoch offensichtlich auf Ausgleich bedacht. Man könnte ihn sogar als muslimischen Quietisten sehen, ein weiteres Beispiel für die Nuanciertheit, mit der Ladj Ly die sozialen Welten von Montfermeil mit dokumentarischer Genauigkeit in die Form eines großen, populären Spielfilms überführt. Er stammt selbst aus einer Familie mit Wurzeln in Mali. Und er zeigt im Prolog ausdrücklich die ganze Vielfalt der französischen Gesellschaft, geeint um die Fußball-Nationalmannschaft, die schon 1998 und dann auch noch einmal 2018 als Integrationszeichen diente. Ein Spieler wie Kylian Mbappé (Marktwert 200 Millionen, familiärer Hintergrund: Kamerun, Algerien, Frankreich) verkörpert die Hoffnungen derer, die Ladj Ly in den Massenszenen zu Beginn zeigt. Er ruft allerdings mit dem Titel seines Films noch einen weiteren, eminent republikanischen Code auf: "Les Misérables" bekundet sich als heutige Version von Victor Hugos Roman aus dem 19. Jahrhundert, in dem massenhaftes Elend zu einem Aufstand führt. 2005 kam es in der Banlieue von Paris zu Unruhen, die für Ladj Ly zu einem Schlüsselerlebnis wurden: Er begann, sich als Filmemacher zu engagieren, und schließt mit "Les Misérables" bei den Ereignissen von damals an.

Polizeigewalt war ein Auslöser für den Aufstand. Ladj Ly zeigt die Dynamik zwischen seinen drei Helden auch als die Spannung, von der die BAC durchzogen ist, zwischen einer arroganten "Das Gesetz bin ich"-Haltung, die ständig neue Antagonismen schafft, und einem Ansatz, der eher an der Sozialarbeit orientiert ist. Auch die Bewaffnung der Polizisten zeugt von diesen Abstufungen: Spray, Gummigeschoss, im äußersten Fall scharfe Munition. Differenzierung ist das Grundprinzip von Ladj Lys Erzählung. Vor allem die Frauen, denen hier nur die privaten Räume gehören und in einer markanten Szene die Schwelle zwischen drinnen und draußen, lassen erkennen, dass man jederzeit auch in eine andere Richtung weitererzählen könnte.

Aber Ladj Ly sucht bei aller Vielschichtigkeit eben auch das große Publikum. "Les Misérables" wurde im vergangenen Frühling beim Filmfestival in Cannes sehr positiv aufgenommen und vertritt Frankreich demnächst bei den Oscars. Er macht deutlich, dass es nicht reicht, Schulen nach Victor Hugo zu benennen. Er nimmt das Kino als weitere Schule der Nation und adressiert das Publikum durch Identifikation: Der Neue aus Cherbourg, das sind potentiell alle, bevor sie den Film gesehen haben. Danach sind sie mittendrin in den Konflikten.

BERT REBHANDL

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