Der Fotograf Romain ist gut aussehend und erfolgreich. Gerade steht er im Begriff, die nächste Karrierestufe zu erklimmen, als sein Arzt ihm eröffnet, dass er schwer krank ist. Wegen eines Tumors in seinem Kopf bleiben ihm nur noch wenige Wochen zu leben. Der Schock sitzt tief, doch schon bald trifft Romain eine mutige Entscheidung: Statt sein Heil in einer Therapie zu suchen, die wenig aussichtsreich ist, konzentriert er sich ganz auf die Zeit, die ihm noch bleibt. Er will seine letzten Tage in Würde verbringen und die verbleibende Kraft ganz den wenigen Menschen und Dingen zuwenden, die ihm wirklich wichtig sind. So gewinnt er binnen kurzem nicht nur ein anderes Verhältnis zu seiner Arbeit, der Fotografie, sondern auch zu den Menschen, die er liebt. Insbesondere die Beziehung zu seiner wunderbaren Großmutter, der er sich rückhaltlos anvertraut, erhält für Romain auf einmal eine neue Dimension: Da sie beide auf ihre Art dem Tod nahe sind, fühlen der junge Mann und die alte Dame sich verbundener als je zuvor. Anderen Nahestehenden verrät Romain nichts von seiner Erkrankung, teils um sich, teils um sie zu schonen. Dennoch geraten die Begegnungen mit seinen Eltern, seiner Schwester und seinem Lover Sasha zu einer intensiven und zärtlichen emotionalen Reise, die Romain Schritt für Schritt einer Aussöhnung mit sich selbst und seinem Schicksal nahe bringt.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Trailer - Making of - Interview mit Francois Ozon - Fotogalerie mit MusikFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2006Die Blumen der Erinnerung
Der zweite Teil von François Ozons Trilogie der Trauer: "Die Zeit, die bleibt"
Die französische Filmkritik liebt François Ozons Filme nicht. Vermutlich ist er ihnen zu akademisch und direkt. Denn obwohl seine Geschichten nie wirklich konventionell erzählt werden, ist die Art und Weise, wie er Anleihen aus der Filmgeschichte nimmt, vergleichsweise unkompliziert, man könnte auch sagen: einfach nur liebevoll. So hat er sich in "Acht Frauen" einfach an Douglas Sirk und George Cukor orientiert, hat Emmanuelle Béart in das Kostüm gesteckt, das Jeanne Moreau in "Tagebuch einer Kammerzofe" trug, und als Sehnsuchtsbild einfach ein Foto von Romy Schneider verwendet. Was den Franzosen daran nicht gefällt, ist die Provokation, sich der Filmgeschichte als Travestie zu bedienen, bei der man sich den Vorbildern nähert, indem man sie wie Kleider anzieht.
Dabei sind seine Filme von einer verblüffenden Einfachheit: Eine Frau verliert ihren Mann, und weil sie sich weigert, an seinen Tod zu glauben, spaziert er als Geist weiter durch den Film. Oder: Das Scheitern einer Ehe wird einfach rückwärts erzählt. Das sind weder neue noch originelle erzählerische Mittel, aber durch die unangestrengte Art, sie einzusetzen, bekommen seine Filme eine geradezu provozierende Offenheit. Man merkt es daran, daß es zu seinen Filmen, seinen Figuren und ihrem Verhalten selten zwei gleiche Meinungen gibt. Man denkt dabei kurz an die wunderbaren Filme von Claude Sautet, kann aber diesen Vergleich auch gleich wieder fallenlassen, weil sich ihre Ähnlichkeit wirklich nur darin erschöpft, daß sich die beiden als Filmemacher das Leben nicht schwerer als nötig machen. Was einfach ist, wird einfach erzählt - das ist so schon kompliziert genug.
So handelt "Die Zeit, die bleibt" von nichts anderem, als was der Titel anspricht: Ein dreißigjähriger schwuler Modefotograf erfährt, daß er einen Gehirntumor, kaum Heilungschancen und nur noch drei Monate zu leben hat. Er beschließt, auf Behandlungen und Medikamente zu verzichten. Es folgen Begegnungen mit Freunden und Familie, in denen er nichts von seiner Krankheit erzählt, als wolle er seinen Abschied nicht durch Sentimentalität kompromittieren. Er ist gegen sie so hart wie gegen sich selbst. Ein gutaussehender Typ (Melvil Poupaud), aber kein sympathischer Held, so arrogant und kaltherzig wie die Branche, in der er sein Geld verdient. Man ist eher befremdet als berührt.
Er trennt sich von seinem Freund, er begegnet seiner Schwester herablassend, und auch seiner Mutter öffnet er sich nicht. Er straft sich und die Welt für die Zumutung, um seine Zukunft gebracht zu werden. Tatsache ist aber, daß die Zukunft auf diese Weise überhaupt zum ersten Mal in den Blick gerät und mit ihr die Frage, woraus eigentlich seine Gegenwart bisher bestand. Ein Mann, dessen Beruf das Bildermachen ist, stellt fest, daß er immer in ein Bild von sich geflohen ist, das mit ihm selbst womöglich weniger zu tun hat, als er wahrhaben wollte.
Nur einmal öffnet der Mann sein Herz, und das ist gleichzeitig das Herzstück des Films, gegen das der Rest ziemlich ins Ungleichgewicht gerät. Da besucht er seine Großmutter auf dem Land, und die wird gespielt von Jeanne Moreau, einer majestätischen Erscheinung, einer unwürdigen Greisin, einer wunderbaren Frau, der Summe aller Rollen, die sie bisher gespielt hat. Ihr erzählt er die Wahrheit, und sie reagiert, wie er es erhofft, indem sie einen ähnlich klaren Kopf behält und ihm nicht auch noch die eigene Trauer aufbürdet. Und als er nachts nicht schlafen kann, besucht er sie in ihrem Schlafzimmer und fragt, ob er sich zu ihr legen kann, und sie sagt nur, sie hoffe, es mache ihm nichts aus, daß sie nackt schlafe, sie habe das ihr ganzes Leben lang so gehalten. Und als er sich am nächsten Tag verabschiedet, hat sie ihm ein paar Blumen gepflückt, und beide wollen ihren Schmerz nicht zeigen, aber als sein Auto um die Ecke gebogen ist, hält sie sich die Hand vor den Mund, so heftig überfällt sie die Trauer.
Das sind großartig knapp skizzierte Szenen, die eine ganze Beziehung erzählen und Raum lassen für die Trauer und alles, was der Film und sein Held in sich verschlossen tragen. Und der magische Besuch bei der Großmutter erinnert natürlich in der ganzen Art, wie er aus der Zeit gefallen scheint, an jene Szenen aus dem Melodram "Die große Liebe meines Lebens", wenn Cary Grant und Deborah Kerr auf ihrer Kreuzfahrt ins verbotene Glück in Südfrankreich halt bei seiner Großmutter Janou machen, die dort allein mit ihren Blumen und Erinnerungen lebt. Eine ganz schlichte Hommage an eine der herzzerreißendsten Szenen der Filmgeschichte, angereichert durch alles, was Jeanne Moreau an großen filmischen Erinnerungen mit sich bringt, womöglich ein einfacher Trick, aber enorm wirkungsvoll.
"Die Zeit, die bleibt" ist nach "Unter dem Sand" der zweite Teil einer geplanten Trilogie der Trauer, und am Ende liegt der junge Mann am Strand so wie damals der Held, bevor er verschwand. Der dritte Teil soll vom Verlust eines Kindes erzählen, und man darf gespannt sein, wie sich das mit den anderen beiden Teilen verzahnt.
MICHAEL ALTHEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der zweite Teil von François Ozons Trilogie der Trauer: "Die Zeit, die bleibt"
Die französische Filmkritik liebt François Ozons Filme nicht. Vermutlich ist er ihnen zu akademisch und direkt. Denn obwohl seine Geschichten nie wirklich konventionell erzählt werden, ist die Art und Weise, wie er Anleihen aus der Filmgeschichte nimmt, vergleichsweise unkompliziert, man könnte auch sagen: einfach nur liebevoll. So hat er sich in "Acht Frauen" einfach an Douglas Sirk und George Cukor orientiert, hat Emmanuelle Béart in das Kostüm gesteckt, das Jeanne Moreau in "Tagebuch einer Kammerzofe" trug, und als Sehnsuchtsbild einfach ein Foto von Romy Schneider verwendet. Was den Franzosen daran nicht gefällt, ist die Provokation, sich der Filmgeschichte als Travestie zu bedienen, bei der man sich den Vorbildern nähert, indem man sie wie Kleider anzieht.
Dabei sind seine Filme von einer verblüffenden Einfachheit: Eine Frau verliert ihren Mann, und weil sie sich weigert, an seinen Tod zu glauben, spaziert er als Geist weiter durch den Film. Oder: Das Scheitern einer Ehe wird einfach rückwärts erzählt. Das sind weder neue noch originelle erzählerische Mittel, aber durch die unangestrengte Art, sie einzusetzen, bekommen seine Filme eine geradezu provozierende Offenheit. Man merkt es daran, daß es zu seinen Filmen, seinen Figuren und ihrem Verhalten selten zwei gleiche Meinungen gibt. Man denkt dabei kurz an die wunderbaren Filme von Claude Sautet, kann aber diesen Vergleich auch gleich wieder fallenlassen, weil sich ihre Ähnlichkeit wirklich nur darin erschöpft, daß sich die beiden als Filmemacher das Leben nicht schwerer als nötig machen. Was einfach ist, wird einfach erzählt - das ist so schon kompliziert genug.
So handelt "Die Zeit, die bleibt" von nichts anderem, als was der Titel anspricht: Ein dreißigjähriger schwuler Modefotograf erfährt, daß er einen Gehirntumor, kaum Heilungschancen und nur noch drei Monate zu leben hat. Er beschließt, auf Behandlungen und Medikamente zu verzichten. Es folgen Begegnungen mit Freunden und Familie, in denen er nichts von seiner Krankheit erzählt, als wolle er seinen Abschied nicht durch Sentimentalität kompromittieren. Er ist gegen sie so hart wie gegen sich selbst. Ein gutaussehender Typ (Melvil Poupaud), aber kein sympathischer Held, so arrogant und kaltherzig wie die Branche, in der er sein Geld verdient. Man ist eher befremdet als berührt.
Er trennt sich von seinem Freund, er begegnet seiner Schwester herablassend, und auch seiner Mutter öffnet er sich nicht. Er straft sich und die Welt für die Zumutung, um seine Zukunft gebracht zu werden. Tatsache ist aber, daß die Zukunft auf diese Weise überhaupt zum ersten Mal in den Blick gerät und mit ihr die Frage, woraus eigentlich seine Gegenwart bisher bestand. Ein Mann, dessen Beruf das Bildermachen ist, stellt fest, daß er immer in ein Bild von sich geflohen ist, das mit ihm selbst womöglich weniger zu tun hat, als er wahrhaben wollte.
Nur einmal öffnet der Mann sein Herz, und das ist gleichzeitig das Herzstück des Films, gegen das der Rest ziemlich ins Ungleichgewicht gerät. Da besucht er seine Großmutter auf dem Land, und die wird gespielt von Jeanne Moreau, einer majestätischen Erscheinung, einer unwürdigen Greisin, einer wunderbaren Frau, der Summe aller Rollen, die sie bisher gespielt hat. Ihr erzählt er die Wahrheit, und sie reagiert, wie er es erhofft, indem sie einen ähnlich klaren Kopf behält und ihm nicht auch noch die eigene Trauer aufbürdet. Und als er nachts nicht schlafen kann, besucht er sie in ihrem Schlafzimmer und fragt, ob er sich zu ihr legen kann, und sie sagt nur, sie hoffe, es mache ihm nichts aus, daß sie nackt schlafe, sie habe das ihr ganzes Leben lang so gehalten. Und als er sich am nächsten Tag verabschiedet, hat sie ihm ein paar Blumen gepflückt, und beide wollen ihren Schmerz nicht zeigen, aber als sein Auto um die Ecke gebogen ist, hält sie sich die Hand vor den Mund, so heftig überfällt sie die Trauer.
Das sind großartig knapp skizzierte Szenen, die eine ganze Beziehung erzählen und Raum lassen für die Trauer und alles, was der Film und sein Held in sich verschlossen tragen. Und der magische Besuch bei der Großmutter erinnert natürlich in der ganzen Art, wie er aus der Zeit gefallen scheint, an jene Szenen aus dem Melodram "Die große Liebe meines Lebens", wenn Cary Grant und Deborah Kerr auf ihrer Kreuzfahrt ins verbotene Glück in Südfrankreich halt bei seiner Großmutter Janou machen, die dort allein mit ihren Blumen und Erinnerungen lebt. Eine ganz schlichte Hommage an eine der herzzerreißendsten Szenen der Filmgeschichte, angereichert durch alles, was Jeanne Moreau an großen filmischen Erinnerungen mit sich bringt, womöglich ein einfacher Trick, aber enorm wirkungsvoll.
"Die Zeit, die bleibt" ist nach "Unter dem Sand" der zweite Teil einer geplanten Trilogie der Trauer, und am Ende liegt der junge Mann am Strand so wie damals der Held, bevor er verschwand. Der dritte Teil soll vom Verlust eines Kindes erzählen, und man darf gespannt sein, wie sich das mit den anderen beiden Teilen verzahnt.
MICHAEL ALTHEN
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