Das Universum gerät aus den Fugen - in Doctor Strange in the Multiverse of Madness. Die Marvel Studios sprengen erneut die Grenzen des Marvel Cinematic Universe und laden das Publikum auf eine atemberaubende Reise ein, die alles bisher Dagewesene auf den Kopf stellt. Doctor Strange (Benedict Cumberbatch) muss einem mysteriösen neuen Widersacher entgegentreten, um das Ende aller Dimensionen zu verhindern. Machen Sie sich bereit für ein Marvel Abenteuer jenseits aller Vorstellungskraft.
Bonusmaterial
Wie das Multiversum entstand Der Wahnsinn hat Methode Gestatten: America Chavez Pannen vom Dreh Zusätzliche Szenen AudiokommentarFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2022Vom Zauber der Selbstkorrektur
Weltentaumel: "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" im Kino
Wäre jedes Genre, das im Kinouniversum für das filmische Erzählen einer Superheldengeschichte genutzt wird, eine Blüte, so hätte der Comicverlag Marvel mittlerweile ein prächtiges Bouquet beisammen, von Coming-of-Age-Komödien bis zum Spionagekrimi. Was der Horror-Regisseur Sam Raimi diesem Strauß mit "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" nun hinzufügt, wäre die blutroten Lilie, denn seine Fortsetzung der Geschichte des zwischen Eitelkeit und Tugend hin- und hergerissenen Magiers ist einer der düstersten und gruseligsten Filme im Sortiment. Raimi entwickelt die Figur des Neurochirurgen Stephen Strange, der sich dem Okkultismus verschreibt, gegen die Klischees des Genres weiter, konfrontiert sie mit der Überheblichkeit und Arroganz früherer Entscheidungen und lässt sie um längst verlorene Liebe ringen.
Gleich zu Beginn kämpft Strange vor pinkfarbenen Himmeln mit einem Monster um ein mächtiges Zauberbuch und muss sich entscheiden, entweder einer Freundin zu vertrauen oder sie für das höhere Wohl zu opfern. Was wie ein Traum aussieht, entpuppt sich als Blick in eine von vielen verschiedenen Welten. Das Monster randaliert schon bald im vermeintlich einzig wirklichen New York und verfolgt die Freundin aus dem Traum, die sich als Weltenspringerin America Chavez (Xochitl Gomez spielt diese Figur der jüngeren Marvel-Comics) vorstellt. Auf deren Fähigkeit, Portale zu Paralleluniversen zu öffnen, hat es bald auch Wanda Maximoff (Elizabeth Olsen) abgesehen, aus den "Avengers"-Filmen und der vertrackten Serie "WandaVision" als Hexe "Scarlet Witch" bekannt.
Wen die Rede von Zauberern und Hexen eher an Märchen als an Superheldenmythen denken lässt, der ist dem Regisseur bereits auf der Spur: Er krempelt das kindlich Phantastische gern ins Schreckliche um, seit er mit dem Horrorklassiker "Tanz der Teufel" (1981) berühmt wurde (in Deutschland überforderte der Film zunächst den Jugendschutz und landete auf dessen Index). In "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" winkt der Veteran in vielerlei Richtungen, grüßt zahlreiche Schulen des Gruselkinos, etwa japanische und koreanische, wenn das Grauen aus Spiegeln kriecht, und erinnert an Brian De Palmas "Carrie" (1977), wenn Scarlet Witch im weißen Leibchen blutüberströmt aus Nebeln auftaucht. Auch auf expressionistische Stummfilmvorfahren wird verwiesen, wo ein Toter wiederaufersteht und dabei seine Hand aus dem Grab gen Himmel reckt.
Jede Hommage transportiert zusätzliche Informationen, aber Zeit, die gesamte Vorgeschichte der Figuren mit all ihren Wunden und Narben zu erzählen, nimmt sich der Film nicht mehr. Man geht vielmehr offenbar davon aus, dass das Publikum bereits zu den Fans gehört oder sich vorab auf dem digitalen Disney-Angebot noch schnell die entsprechenden Serien (WandaVision) und Filme (Avengers: Infinity War, Spider-Man: No Way Home) angesehen hat. Raimi genießt es offensichtlich, ein großes Staraufgebot durch surreale Phantasiewelten stürzen zu lassen und seine Energie aufs Visuelle zu konzentrieren. Dabei entstehen Bilder, an denen Dalí seine Freude gehabt hätte, wie jenes vom Ende einer Welt, in der vor einer roten Mondsichel nur noch eine freischwebende Treppe über Meeresbrandung emporsteigt. Das Drehbuch vertraut darauf, dass Olsen und Cumberbatch der flinken Dialogführung gewachsen sind. Das sind sie tatsächlich: die psychotische Mutter zieht das Publikum mit knisternder Intensität in ihre Not; der kühne Weltenspringer fasst mit einem Blick die ganze Tragik einer gescheiterten Beziehung zusammen, nur um im nächsten Moment eine Augenbraue zu heben und mit einem lässigen Spruch emotionale Distanz zu seiner Lage zu gewinnen. Die große Ernsthaftigkeit, mit der er das tut, macht dann sogar glaubhaft, dass ihm zugemutet werden kann, die Frage zu klären, ob sich aus Fehlern lernen lässt - fahrlässigen, gewohnheitsmäßigen und magischen. MARIA WIESNER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Weltentaumel: "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" im Kino
Wäre jedes Genre, das im Kinouniversum für das filmische Erzählen einer Superheldengeschichte genutzt wird, eine Blüte, so hätte der Comicverlag Marvel mittlerweile ein prächtiges Bouquet beisammen, von Coming-of-Age-Komödien bis zum Spionagekrimi. Was der Horror-Regisseur Sam Raimi diesem Strauß mit "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" nun hinzufügt, wäre die blutroten Lilie, denn seine Fortsetzung der Geschichte des zwischen Eitelkeit und Tugend hin- und hergerissenen Magiers ist einer der düstersten und gruseligsten Filme im Sortiment. Raimi entwickelt die Figur des Neurochirurgen Stephen Strange, der sich dem Okkultismus verschreibt, gegen die Klischees des Genres weiter, konfrontiert sie mit der Überheblichkeit und Arroganz früherer Entscheidungen und lässt sie um längst verlorene Liebe ringen.
Gleich zu Beginn kämpft Strange vor pinkfarbenen Himmeln mit einem Monster um ein mächtiges Zauberbuch und muss sich entscheiden, entweder einer Freundin zu vertrauen oder sie für das höhere Wohl zu opfern. Was wie ein Traum aussieht, entpuppt sich als Blick in eine von vielen verschiedenen Welten. Das Monster randaliert schon bald im vermeintlich einzig wirklichen New York und verfolgt die Freundin aus dem Traum, die sich als Weltenspringerin America Chavez (Xochitl Gomez spielt diese Figur der jüngeren Marvel-Comics) vorstellt. Auf deren Fähigkeit, Portale zu Paralleluniversen zu öffnen, hat es bald auch Wanda Maximoff (Elizabeth Olsen) abgesehen, aus den "Avengers"-Filmen und der vertrackten Serie "WandaVision" als Hexe "Scarlet Witch" bekannt.
Wen die Rede von Zauberern und Hexen eher an Märchen als an Superheldenmythen denken lässt, der ist dem Regisseur bereits auf der Spur: Er krempelt das kindlich Phantastische gern ins Schreckliche um, seit er mit dem Horrorklassiker "Tanz der Teufel" (1981) berühmt wurde (in Deutschland überforderte der Film zunächst den Jugendschutz und landete auf dessen Index). In "Doctor Strange in the Multiverse of Madness" winkt der Veteran in vielerlei Richtungen, grüßt zahlreiche Schulen des Gruselkinos, etwa japanische und koreanische, wenn das Grauen aus Spiegeln kriecht, und erinnert an Brian De Palmas "Carrie" (1977), wenn Scarlet Witch im weißen Leibchen blutüberströmt aus Nebeln auftaucht. Auch auf expressionistische Stummfilmvorfahren wird verwiesen, wo ein Toter wiederaufersteht und dabei seine Hand aus dem Grab gen Himmel reckt.
Jede Hommage transportiert zusätzliche Informationen, aber Zeit, die gesamte Vorgeschichte der Figuren mit all ihren Wunden und Narben zu erzählen, nimmt sich der Film nicht mehr. Man geht vielmehr offenbar davon aus, dass das Publikum bereits zu den Fans gehört oder sich vorab auf dem digitalen Disney-Angebot noch schnell die entsprechenden Serien (WandaVision) und Filme (Avengers: Infinity War, Spider-Man: No Way Home) angesehen hat. Raimi genießt es offensichtlich, ein großes Staraufgebot durch surreale Phantasiewelten stürzen zu lassen und seine Energie aufs Visuelle zu konzentrieren. Dabei entstehen Bilder, an denen Dalí seine Freude gehabt hätte, wie jenes vom Ende einer Welt, in der vor einer roten Mondsichel nur noch eine freischwebende Treppe über Meeresbrandung emporsteigt. Das Drehbuch vertraut darauf, dass Olsen und Cumberbatch der flinken Dialogführung gewachsen sind. Das sind sie tatsächlich: die psychotische Mutter zieht das Publikum mit knisternder Intensität in ihre Not; der kühne Weltenspringer fasst mit einem Blick die ganze Tragik einer gescheiterten Beziehung zusammen, nur um im nächsten Moment eine Augenbraue zu heben und mit einem lässigen Spruch emotionale Distanz zu seiner Lage zu gewinnen. Die große Ernsthaftigkeit, mit der er das tut, macht dann sogar glaubhaft, dass ihm zugemutet werden kann, die Frage zu klären, ob sich aus Fehlern lernen lässt - fahrlässigen, gewohnheitsmäßigen und magischen. MARIA WIESNER
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