Nach einer durchzechten Nacht auf einer Segelyacht wacht Libby Parsons (Ashley Judd) blutüberströmt in ihrem Bett auf. Der Platz neben ihr, wo eigentlich ihr Ehemann Nick (Bruce Greenwood) liegen sollte, ist leer. Die Blutspur endet an der Reling. Sie wird des Mordes an ihrem Ehemann verdächtigt und auch verurteilt. Doch schon bald bemerkt sie, dass sie einem Versicherungsschwindel ihres Mannes aufgesessen ist. Sechs Jahre später. Nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis begibt sich Libby auf die Suche nach ihrem kleinen Sohn. Sie hatte ihn einer Freundin anvertraut, die jetzt gemeinsame Sache mit Nick macht. Libby schwört Rache. Und als eine Mitinsassin aus dem Gefängnis sie aufklärt, dass man nach amerikanischem Gesetz nur einmal wegen derselben Straftat verurteilt werden darf, beginnt die Jagd ...
Bonusmaterial
Enthält 4K Ultra HD & Blu-rayFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.2000Erst die Strafe, dann die Straftat: "Doppelmord" von Bruce Beresford im Kino
Still ruht der See, als zu Beginn des Films ein Kanu sanft durchs Wasser gleitet. Das wird nicht so bleiben. Eines Nachts wacht Libby Parsons (Ashley Judd) auf einem Segelboot auf. Ihr Mann ist verschwunden, und die Planken sind mit Blut beschmiert.
Eines Tages, viele Jahre später, überquert Libby, die für einen Mord, den sie nicht begangen hat, hinter Gittern saß, den See auf einer Fähre. Mit einem Auto stürzt sie von Bord ins Wasser, um ihrem Bewährungshelfer Travis Lehman zu entkommen. Die Schiffe werden in dem Film "Doppelmord" immer größer, die Geschichte zieht immer weitere Kreise, und wenn Libby langsam in die Tiefe sinkt, dann wissen wir, dass diese Frau alles tun wird, um dem Komplott, dem sie zum Opfer fiel, auf den Grund zu gehen.
Während Libby wieder an die Oberfläche kommt, zeigt der Regisseur Bruce Beresford mit seinen Komplizen, den Autoren David Weisberg und Douglas S. Cook, wie tief man sinken kann, wenn man ein Drehbuch verfilmt, das voller Löcher steckt. Angetrieben von der bestechenden Ausgangsidee, dass in den Vereinigten Staaten niemand zweimal für dieselbe Straftat verurteilt werden kann und daher - so die Fiktion des Films - einen Mord, der nie stattfand, nach Verbüßung der Haftstrafe begehen kann, wird ein Plot zurechtgezimmert, der alles ist, nur eines nicht: wasserdicht. Auf dem Segelboot findet Libby ein blutiges Messer, fasst es an (den Fehler konnten wir selbst Cary Grant im "Unsichtbaren Dritten" nur mit Mühe verzeihen) und hebt es hoch - in den Scheinwerfer eines Polizeibootes, das als Diabolus ex Machina auftaucht. Erst hat man kein Glück, und dann kommt noch das Pech dazu.
Den Gerichtsprozess streift der Film nur flüchtig, damit uns nicht zu Bewusstsein kommt, wie wenig wahrscheinlich es ist, dass Libby verurteilt wird, obwohl die Leiche ihres Mannes nie gefunden wurde. Dann kommt der Heldin in den Sinn, ihre beste Freundin zu überreden, ihren Sohn zu adoptieren. Damit wirft der Film zwar die Psychologie wie überflüssigen Ballast ab, aber was soll's: Libbys Mann Nick, der Drahtzieher der Intrige, muss schließlich einen Weg finden, an das Geld aus seiner Lebensversicherung zu kommen.
Als Libby mit ihrem Sohn, dessen Foto wir in der Hand der Heldin im Zehn-Minuten-Takt zu sehen bekommen, telefoniert und dieser am Ende des Gespräches "Daddy" ruft, ist Libby fortan überzeugt, ihr Mann sei noch am Leben. Jeder normale Mensch würde nun alles daransetzen, die Wahrheit herauszufinden, doch der Film lässt Libby nach zaghaften Versuchen resignieren und ihre Rache um Jahre vertagen. Der Film nimmt den kürzesten Weg zu dem Punkt, an dem die Geschichte überhaupt erst interessant wird: wenn Libby nach ihrer Entlassung den Plan fasst, ihren Mann zu finden und zu töten. Beresford und seine Autoren wollen auf die andere Seite des Sees, ohne das Wasser durchqueren zu müssen. Sie gehen den Weg des geringsten Widerstandes, um ihr Ziel zu erreichen, egal, was dabei zu Bruch geht.
Umso schlimmer, dass der Film am Ende seine raison d'être über Bord wirft und die Geschichte bodenlos konventionell auflöst. So wie der Film Tommy Lee Jones bloß benutzt, der seine Rolle des Marshals in "Auf der Flucht" hier als Bewährungshelfer leicht variiert, füllt er altbekannte dramaturgische Muster schlampig und phantasielos aus.
Ist "Doppelmord" an der Kasse untergegangen? Mitnichten. Er hat allein in den Vereinigten Staaten 100 Millionen Dollar eingespielt. Verbrechen lohnt sich.
LARS-OLAV BEIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Still ruht der See, als zu Beginn des Films ein Kanu sanft durchs Wasser gleitet. Das wird nicht so bleiben. Eines Nachts wacht Libby Parsons (Ashley Judd) auf einem Segelboot auf. Ihr Mann ist verschwunden, und die Planken sind mit Blut beschmiert.
Eines Tages, viele Jahre später, überquert Libby, die für einen Mord, den sie nicht begangen hat, hinter Gittern saß, den See auf einer Fähre. Mit einem Auto stürzt sie von Bord ins Wasser, um ihrem Bewährungshelfer Travis Lehman zu entkommen. Die Schiffe werden in dem Film "Doppelmord" immer größer, die Geschichte zieht immer weitere Kreise, und wenn Libby langsam in die Tiefe sinkt, dann wissen wir, dass diese Frau alles tun wird, um dem Komplott, dem sie zum Opfer fiel, auf den Grund zu gehen.
Während Libby wieder an die Oberfläche kommt, zeigt der Regisseur Bruce Beresford mit seinen Komplizen, den Autoren David Weisberg und Douglas S. Cook, wie tief man sinken kann, wenn man ein Drehbuch verfilmt, das voller Löcher steckt. Angetrieben von der bestechenden Ausgangsidee, dass in den Vereinigten Staaten niemand zweimal für dieselbe Straftat verurteilt werden kann und daher - so die Fiktion des Films - einen Mord, der nie stattfand, nach Verbüßung der Haftstrafe begehen kann, wird ein Plot zurechtgezimmert, der alles ist, nur eines nicht: wasserdicht. Auf dem Segelboot findet Libby ein blutiges Messer, fasst es an (den Fehler konnten wir selbst Cary Grant im "Unsichtbaren Dritten" nur mit Mühe verzeihen) und hebt es hoch - in den Scheinwerfer eines Polizeibootes, das als Diabolus ex Machina auftaucht. Erst hat man kein Glück, und dann kommt noch das Pech dazu.
Den Gerichtsprozess streift der Film nur flüchtig, damit uns nicht zu Bewusstsein kommt, wie wenig wahrscheinlich es ist, dass Libby verurteilt wird, obwohl die Leiche ihres Mannes nie gefunden wurde. Dann kommt der Heldin in den Sinn, ihre beste Freundin zu überreden, ihren Sohn zu adoptieren. Damit wirft der Film zwar die Psychologie wie überflüssigen Ballast ab, aber was soll's: Libbys Mann Nick, der Drahtzieher der Intrige, muss schließlich einen Weg finden, an das Geld aus seiner Lebensversicherung zu kommen.
Als Libby mit ihrem Sohn, dessen Foto wir in der Hand der Heldin im Zehn-Minuten-Takt zu sehen bekommen, telefoniert und dieser am Ende des Gespräches "Daddy" ruft, ist Libby fortan überzeugt, ihr Mann sei noch am Leben. Jeder normale Mensch würde nun alles daransetzen, die Wahrheit herauszufinden, doch der Film lässt Libby nach zaghaften Versuchen resignieren und ihre Rache um Jahre vertagen. Der Film nimmt den kürzesten Weg zu dem Punkt, an dem die Geschichte überhaupt erst interessant wird: wenn Libby nach ihrer Entlassung den Plan fasst, ihren Mann zu finden und zu töten. Beresford und seine Autoren wollen auf die andere Seite des Sees, ohne das Wasser durchqueren zu müssen. Sie gehen den Weg des geringsten Widerstandes, um ihr Ziel zu erreichen, egal, was dabei zu Bruch geht.
Umso schlimmer, dass der Film am Ende seine raison d'être über Bord wirft und die Geschichte bodenlos konventionell auflöst. So wie der Film Tommy Lee Jones bloß benutzt, der seine Rolle des Marshals in "Auf der Flucht" hier als Bewährungshelfer leicht variiert, füllt er altbekannte dramaturgische Muster schlampig und phantasielos aus.
Ist "Doppelmord" an der Kasse untergegangen? Mitnichten. Er hat allein in den Vereinigten Staaten 100 Millionen Dollar eingespielt. Verbrechen lohnt sich.
LARS-OLAV BEIER
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