Dichter Nebel liegt über London. Plötzlich unterbricht ein gurgelnder Schrei die Stille. Inspektor Larry Holt von Scotland Yard mag nicht mehr an einen Unfall glauben, als die Polizei nach einer Nebelnacht zum wiederholten male einen Toten aus der Themse fischt. Bei den Opfern handelt es sich stets um wohlhabende, alleinstehende Herren aus Übersee - und alle waren mit einer horrenden Summe bei der Greenwich-Insurance-Company versichert. Der scharfsinnige Inspektor entdeckt bei den Toten winzige Zettel in Blindenschrift und vermutet, dass die "toten Augen von London" - eine Verbrecherbande blinder Hausierer - wieder aktiv sind. Doch auf unerklärliche Art und Weise finden alle, die Scotland Yard wichtige Hinweise geben könnten, den Tod...
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kapitel- / SzenenanwahlFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.1997Edgar in der Markenwelt
Karsten Laskes Film über den wahren Osten im falschen
Edgar, Mitte Zwanzig, lebt in einer kleinen ostdeutschen Stadt, in der öde Trümmergrundstücke mit schmuck restaurierten Häuserzeilen abwechseln. Auch hier gibt es mittlerweile Fußgängerzonen mit Kaufhäusern und schrillen Sonderangeboten. Aber Edgar ist ein reiner Tor, dem diese von Absichten und Kalkulationen durchwirkte Welt nichts anhaben kann. Im Gegenteil: Das große Plakat, das nachts an der Hauswand gegenüber seiner Dachwohnung leuchtend für Schokolade wirbt, ist der wichtigste Stoff für seine Träume - die Markenwelt als Medium der Poesie.
Überhaupt spielt Schokolade im inneren Kosmos des großen Kindes keine geringe Rolle. "Schokolade ist gut für die Nerven wie Nüsse" ist seine bevorzugte Lebensweisheit. Die Reklamefigur verschmilzt mit der Gestalt des kleinen Muck, den Edgar immer wieder im Kino anschaut, als einziger Großer unter lauter Kindern. Und plötzlich begegnet ihm der Schokoladen-Muck im Kaufhaus und überreicht ihm auch noch eine Praline. Es handelt sich natürlich nur um ein Werbegeschenk, und der kleine Muck ist in Wirklichkeit eine jobbende Physikstudentin (Anna-Marlene Korp). Edgar aber nimmt Begegnung und Geschenk persönlich, und die Studentin, die von so viel Naivität gerührt ist, lädt ihn zu sich nach Hause ein.
Doch eine Liebesbeziehung wird daraus nicht, wie auch sonst alles, was Edgar unternimmt, in der Schwebe bleibt: Seine Arbeitsstelle bei einer Müllentsorgungsanlage (der Kehrseite gewissermaßen der kommerziellen Glitzerwelt) ist wegen seiner ständigen Träumereien gefährdet; seine Oma (Helga Göring), der einzige Mensch, der auf seine Phantastereien eingeht, stirbt. Es bleibt nur seine weiße Ratte und die Mutter, die mit ihrem Handy und ihrer Versicherungsagentur eher das Realitätsprinzip vertritt. Am Ende des Films geht Edgar traurig in die leere Wohnung der Großmutter. Da ahnt er, in was für einem Zwischenreich er lebt. Und doch ist dieser Zustand ebensowenig depressiv wie der Film als Ganzes; er führt immerhin ein Innenleben vor, das sich von den äußeren Verhältnissen nicht determinieren läßt.
Lars Rudolph, der für seine Rolle als Edgar den diesjährigen Max-Ophüls-Preis für den besten Nachwuchsdarsteller bekam, hat wunderbar große und sanfte Augen. Und der Schweriner Regisseur Karsten Laske zeigt mit nüchternen, nie symbolischen Bildern, wie die Welt für jemanden aussieht, der sie sich nicht mit Funktionen vollstellt. Der Film "Edgar" plustert sich mit seinen 72 Minuten nicht auf und gerät deshalb auch nie in Kitsch-Gefahr. Er behauptet nichts. Ebensowenig wie er Edgars Debilität als Modell präsentiert, mit den neuen Lebensbedingungen fertig zu werden, läßt sich seine Perspektive als "Kulturkritik" mißverstehen. Alles flirrt in der klaren Luft heller Wintertage; auch die Bläsertöne von Bernd Jestram und Ignaz Schick deuten mehr an, als sie ausführen. Es ist nur eine kleine ironische Etüde über den wahren Osten im falschen. MARK SIEMONS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Karsten Laskes Film über den wahren Osten im falschen
Edgar, Mitte Zwanzig, lebt in einer kleinen ostdeutschen Stadt, in der öde Trümmergrundstücke mit schmuck restaurierten Häuserzeilen abwechseln. Auch hier gibt es mittlerweile Fußgängerzonen mit Kaufhäusern und schrillen Sonderangeboten. Aber Edgar ist ein reiner Tor, dem diese von Absichten und Kalkulationen durchwirkte Welt nichts anhaben kann. Im Gegenteil: Das große Plakat, das nachts an der Hauswand gegenüber seiner Dachwohnung leuchtend für Schokolade wirbt, ist der wichtigste Stoff für seine Träume - die Markenwelt als Medium der Poesie.
Überhaupt spielt Schokolade im inneren Kosmos des großen Kindes keine geringe Rolle. "Schokolade ist gut für die Nerven wie Nüsse" ist seine bevorzugte Lebensweisheit. Die Reklamefigur verschmilzt mit der Gestalt des kleinen Muck, den Edgar immer wieder im Kino anschaut, als einziger Großer unter lauter Kindern. Und plötzlich begegnet ihm der Schokoladen-Muck im Kaufhaus und überreicht ihm auch noch eine Praline. Es handelt sich natürlich nur um ein Werbegeschenk, und der kleine Muck ist in Wirklichkeit eine jobbende Physikstudentin (Anna-Marlene Korp). Edgar aber nimmt Begegnung und Geschenk persönlich, und die Studentin, die von so viel Naivität gerührt ist, lädt ihn zu sich nach Hause ein.
Doch eine Liebesbeziehung wird daraus nicht, wie auch sonst alles, was Edgar unternimmt, in der Schwebe bleibt: Seine Arbeitsstelle bei einer Müllentsorgungsanlage (der Kehrseite gewissermaßen der kommerziellen Glitzerwelt) ist wegen seiner ständigen Träumereien gefährdet; seine Oma (Helga Göring), der einzige Mensch, der auf seine Phantastereien eingeht, stirbt. Es bleibt nur seine weiße Ratte und die Mutter, die mit ihrem Handy und ihrer Versicherungsagentur eher das Realitätsprinzip vertritt. Am Ende des Films geht Edgar traurig in die leere Wohnung der Großmutter. Da ahnt er, in was für einem Zwischenreich er lebt. Und doch ist dieser Zustand ebensowenig depressiv wie der Film als Ganzes; er führt immerhin ein Innenleben vor, das sich von den äußeren Verhältnissen nicht determinieren läßt.
Lars Rudolph, der für seine Rolle als Edgar den diesjährigen Max-Ophüls-Preis für den besten Nachwuchsdarsteller bekam, hat wunderbar große und sanfte Augen. Und der Schweriner Regisseur Karsten Laske zeigt mit nüchternen, nie symbolischen Bildern, wie die Welt für jemanden aussieht, der sie sich nicht mit Funktionen vollstellt. Der Film "Edgar" plustert sich mit seinen 72 Minuten nicht auf und gerät deshalb auch nie in Kitsch-Gefahr. Er behauptet nichts. Ebensowenig wie er Edgars Debilität als Modell präsentiert, mit den neuen Lebensbedingungen fertig zu werden, läßt sich seine Perspektive als "Kulturkritik" mißverstehen. Alles flirrt in der klaren Luft heller Wintertage; auch die Bläsertöne von Bernd Jestram und Ignaz Schick deuten mehr an, als sie ausführen. Es ist nur eine kleine ironische Etüde über den wahren Osten im falschen. MARK SIEMONS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main