In einem südfranzösischen Dorf taucht die schöne junge Eliane (Isabelle Adjani) auf. Wo sie auf ihren Stöckelschuhen im dünnen, kurzen Kleid zu sehen ist, bringt sie die Männer um den Verstand. Schließlich heiratet sie den schüchternen Automechaniker Pin Pon (Alain Souchon). Der ahnt jedoch nicht, was Eliane wirklich bewegt ...
Sie wurde gezeugt, als drei Männer ihre Mutter brutal vergewaltigten. Nun will sie sich an den drei Dorfbewohnern rächen, die sie für die Schuldigen hält. Ihr Stiefvater sitzt gelähmt im Rollstuhl. Angeblich fiel er bei der Apfelernte von einem Baum. Da war sie fast noch ein Kind. Nur er und sie wissen, was wirklich geschah, bevor er schwer verletzt am Boden lag...
Sie wurde gezeugt, als drei Männer ihre Mutter brutal vergewaltigten. Nun will sie sich an den drei Dorfbewohnern rächen, die sie für die Schuldigen hält. Ihr Stiefvater sitzt gelähmt im Rollstuhl. Angeblich fiel er bei der Apfelernte von einem Baum. Da war sie fast noch ein Kind. Nur er und sie wissen, was wirklich geschah, bevor er schwer verletzt am Boden lag...
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kapitel- / SzenenanwahlFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.07.2007Zuckerkristalle am Glasrand des Drinks
Isabelle Adjani in Jean Beckers "Mörderischer Sommer"
Jean Becker: "Ein mörderischer Sommer".
Ufa. 125 Minuten. Französisch, Deutsch, Untertitel. Keine Extras.
Absolute weibliche Weltbestleistung der Schauspielerei in den achtziger Jahren: Isabelle Adjani in "Ein mörderischer Sommer" von Regisseur Jean Becker (Sohn von Jacques Becker: "Le Trou") und von Autor Sebastien Japrisot (Romanvorlage und Drehbuch). Keine Frau war in dieser Zeit besser, mutiger, unberechenbarer, besessener und verquer-lebendiger als sie: Adjani, die Diva spielt Adjani, die sexy Dorfgöre, die nahe an der Idiotie angesiedelt scheint. Und die in Wirklichkeit nur ein verstörter Racheengel ist, deren Rache ohne ihr Wissen jedoch schon lange getan ist und deren Irrweg am Schluss noch eine völlig unsinnige tragische Tat heraufbeschwört. Altgriechische Story, ganz toll, keine Frage.
Japrisots faszinierende Identitätswechsel-Geschichten ("Mathilde", "Dame mit Sonnenbrille und Gewehr") sind in diesem Fall mal ganz nah an Simenon angesiedelt. Anfangs erscheint einem der Film als Liebeskomödie in der Provence, im klassischen Schnitt-Gegenschnitt-Verfahren vollkommen den brillanten Szenen und lustigen Dialogen hingegeben. Unfassbar, heute noch mal zu sehen, was Adjani da spielte: die glubschäugige Comedy-Mimik über das Glas hinweg in der Tanzpause am Tresen zu Alain Souchon: "Was gibt's denn da zu glotzen?!" will sie sagen. Ihr permanentes absurdes Hinterngeschwenke in Hot Pants. Fünfzehn Minuten lang erzählt Souchon als Automechaniker mit dem Spitznamen "Pin-Pon" zu Beginn schläfrig und nett aus dem Off. Der Inszenierungsstil Beckers ist entwaffnend unprätentiös, klassisch, es gibt keine einzige gewollt wirkende Einstellung. Aus der Schlichtheit der Regie, aus Delerues wunderbarer Jahrmarktsorgelmusik, aus dem unangestrengten Spiel all der anderen Schauspieler ragen Adjanis Körpereinsatz und ihre Manierismen heraus wie Zuckerkristalle aus hochprozentigem Alkohol, die sich bei einem Drink am Glasrand festsetzen. Als sie einmal auf Souchon wartet auf einer Bank vor seiner Werkstatt und er sie heimlich dabei anschaut, kommentiert er aus dem Off: "Sie saß da wie eine Puppe, die man in die Ecke gestellt hatte." Brust raus, stocksteife Pose. Sexyness als satirische Komplettverkrampfung des Adjani-Körpers.
Manchmal, wenn Becker nicht weggeschnitten hat und lange auf ihr bleibt, dann sieht man für Sekunden den Apparat der großen Tragödin Adjani arbeiten. Man sieht sozusagen die einzelnen Schaltrelais für die Herstellung der nächsten Emotion bei ihr aufblinken. Aber solchen Einblick kriegt man nur ganz selten in diesem Höllentrip, den sie da hinlegt.
Und der allerschönste Moment des ganzen Films: Adjani führt Souchon am Fenster ihres Mädchenzimmers alle Kleider vor, die sie zum Ausgehen besitzt. Souchon soll von der Straße hinter ihrem Elternhaus aus wählen, in welchem Kleid er sie am liebsten ins Restaurant ausführen will. Sie macht das selbstironisch, sinnlich, posierend, sehnsüchtig in der Nachmittagssonne. Im Restaurant selbst klappt sie dann nach zwei Gläsern Wein zusammen, heult nur noch, demonstriert nebenbei ihr Können im turboschnellen Kopfrechnen und beschimpft zickig den Kellner. Hysterie? Ein Fall für den Irrenarzt? Völlig egal, mit solchen Auftritten werden Männer wie der liebenswert melancholische Alain Souchon seit jeher einfach aufgewischt - jedenfalls wenn die Frau Adjani heißt.
Am Morgen danach kommt dann plötzlich jener berühmte Auftritt nach der ersten gemeinsamen Nacht mit Souchon in der Scheune der Eltern: wie Adjani da morgens auf den sonnenüberstrahlten Hof tritt, nackt auf den Kies pinkelt, dabei den Blick hält zur misstrauisch starrenden Schwiegermutter in spe, die sie vom Haus aus beobachtet. Wie sie ihr drohend mit diesem Auftritt die Stirn bietet, da ahnt man schon, das kann alles nicht gutgehen: "Ich habe heute Nacht deinen Sohn erobert", scheint sie zu sagen, "und ich werde ihn vernichten und euch alle werde ich auch vernichten. Denn ihr habt meiner Familie etwas Entsetzliches angetan. Ihr werdet dafür bezahlen . . ." Ab dieser Minute ist es vorbei mit der Komödie, und der Film betritt einen langen dunklen Tunnel bis zum Ende, an dem selbst der nette Alain Souchon gar nicht mehr nett ist.
Dieser bemerkenswert ungestylte Film noir, dieser in sengender Sonne der Provence spielende "Mörderische Sommer" hat immerhin vom Drehbuch fünf verschiedene Erzählerstimmen verpasst bekommen und weist dadurch eine sehr komplexe Struktur und eine Länge von 125 Minuten auf. Und war dennoch der französische Hit des Jahres 1983.
Man muss sie sich wohl doch alle immer und immer wieder ansehen, diese französischen Thriller der Achtziger: "Das Verhör", "Am Rande der Nacht", "La Balance", den "Polizeikrieg", "Das Auge", "La crime", "Wahl der Waffen", "Police" und den "Mörderischen Sommer". All diese letzten großen Starkinoseufzer der Grande Nation des europäischen Films zeigen vor allem eins: dass es die Größe von Figuren ist, dass es ihre vitalen Dialoge, ihre starken Situationen und ihre unvergesslichen Momente sind, die alles andere im Kino überleben.
DOMINIK GRAF
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Isabelle Adjani in Jean Beckers "Mörderischer Sommer"
Jean Becker: "Ein mörderischer Sommer".
Ufa. 125 Minuten. Französisch, Deutsch, Untertitel. Keine Extras.
Absolute weibliche Weltbestleistung der Schauspielerei in den achtziger Jahren: Isabelle Adjani in "Ein mörderischer Sommer" von Regisseur Jean Becker (Sohn von Jacques Becker: "Le Trou") und von Autor Sebastien Japrisot (Romanvorlage und Drehbuch). Keine Frau war in dieser Zeit besser, mutiger, unberechenbarer, besessener und verquer-lebendiger als sie: Adjani, die Diva spielt Adjani, die sexy Dorfgöre, die nahe an der Idiotie angesiedelt scheint. Und die in Wirklichkeit nur ein verstörter Racheengel ist, deren Rache ohne ihr Wissen jedoch schon lange getan ist und deren Irrweg am Schluss noch eine völlig unsinnige tragische Tat heraufbeschwört. Altgriechische Story, ganz toll, keine Frage.
Japrisots faszinierende Identitätswechsel-Geschichten ("Mathilde", "Dame mit Sonnenbrille und Gewehr") sind in diesem Fall mal ganz nah an Simenon angesiedelt. Anfangs erscheint einem der Film als Liebeskomödie in der Provence, im klassischen Schnitt-Gegenschnitt-Verfahren vollkommen den brillanten Szenen und lustigen Dialogen hingegeben. Unfassbar, heute noch mal zu sehen, was Adjani da spielte: die glubschäugige Comedy-Mimik über das Glas hinweg in der Tanzpause am Tresen zu Alain Souchon: "Was gibt's denn da zu glotzen?!" will sie sagen. Ihr permanentes absurdes Hinterngeschwenke in Hot Pants. Fünfzehn Minuten lang erzählt Souchon als Automechaniker mit dem Spitznamen "Pin-Pon" zu Beginn schläfrig und nett aus dem Off. Der Inszenierungsstil Beckers ist entwaffnend unprätentiös, klassisch, es gibt keine einzige gewollt wirkende Einstellung. Aus der Schlichtheit der Regie, aus Delerues wunderbarer Jahrmarktsorgelmusik, aus dem unangestrengten Spiel all der anderen Schauspieler ragen Adjanis Körpereinsatz und ihre Manierismen heraus wie Zuckerkristalle aus hochprozentigem Alkohol, die sich bei einem Drink am Glasrand festsetzen. Als sie einmal auf Souchon wartet auf einer Bank vor seiner Werkstatt und er sie heimlich dabei anschaut, kommentiert er aus dem Off: "Sie saß da wie eine Puppe, die man in die Ecke gestellt hatte." Brust raus, stocksteife Pose. Sexyness als satirische Komplettverkrampfung des Adjani-Körpers.
Manchmal, wenn Becker nicht weggeschnitten hat und lange auf ihr bleibt, dann sieht man für Sekunden den Apparat der großen Tragödin Adjani arbeiten. Man sieht sozusagen die einzelnen Schaltrelais für die Herstellung der nächsten Emotion bei ihr aufblinken. Aber solchen Einblick kriegt man nur ganz selten in diesem Höllentrip, den sie da hinlegt.
Und der allerschönste Moment des ganzen Films: Adjani führt Souchon am Fenster ihres Mädchenzimmers alle Kleider vor, die sie zum Ausgehen besitzt. Souchon soll von der Straße hinter ihrem Elternhaus aus wählen, in welchem Kleid er sie am liebsten ins Restaurant ausführen will. Sie macht das selbstironisch, sinnlich, posierend, sehnsüchtig in der Nachmittagssonne. Im Restaurant selbst klappt sie dann nach zwei Gläsern Wein zusammen, heult nur noch, demonstriert nebenbei ihr Können im turboschnellen Kopfrechnen und beschimpft zickig den Kellner. Hysterie? Ein Fall für den Irrenarzt? Völlig egal, mit solchen Auftritten werden Männer wie der liebenswert melancholische Alain Souchon seit jeher einfach aufgewischt - jedenfalls wenn die Frau Adjani heißt.
Am Morgen danach kommt dann plötzlich jener berühmte Auftritt nach der ersten gemeinsamen Nacht mit Souchon in der Scheune der Eltern: wie Adjani da morgens auf den sonnenüberstrahlten Hof tritt, nackt auf den Kies pinkelt, dabei den Blick hält zur misstrauisch starrenden Schwiegermutter in spe, die sie vom Haus aus beobachtet. Wie sie ihr drohend mit diesem Auftritt die Stirn bietet, da ahnt man schon, das kann alles nicht gutgehen: "Ich habe heute Nacht deinen Sohn erobert", scheint sie zu sagen, "und ich werde ihn vernichten und euch alle werde ich auch vernichten. Denn ihr habt meiner Familie etwas Entsetzliches angetan. Ihr werdet dafür bezahlen . . ." Ab dieser Minute ist es vorbei mit der Komödie, und der Film betritt einen langen dunklen Tunnel bis zum Ende, an dem selbst der nette Alain Souchon gar nicht mehr nett ist.
Dieser bemerkenswert ungestylte Film noir, dieser in sengender Sonne der Provence spielende "Mörderische Sommer" hat immerhin vom Drehbuch fünf verschiedene Erzählerstimmen verpasst bekommen und weist dadurch eine sehr komplexe Struktur und eine Länge von 125 Minuten auf. Und war dennoch der französische Hit des Jahres 1983.
Man muss sie sich wohl doch alle immer und immer wieder ansehen, diese französischen Thriller der Achtziger: "Das Verhör", "Am Rande der Nacht", "La Balance", den "Polizeikrieg", "Das Auge", "La crime", "Wahl der Waffen", "Police" und den "Mörderischen Sommer". All diese letzten großen Starkinoseufzer der Grande Nation des europäischen Films zeigen vor allem eins: dass es die Größe von Figuren ist, dass es ihre vitalen Dialoge, ihre starken Situationen und ihre unvergesslichen Momente sind, die alles andere im Kino überleben.
DOMINIK GRAF
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main