Der arbeitslose Verkäufer Wolfgang (Ludger Pistor) übt sich in Zweckoptimismus, sein ebenfalls jobloser Kumpel Günther (Armin Rohde) ist Realist: Die Lage ist beschissen! Da findet Tierpfleger Günther bei seinem dementen Nachbarn einige Hunderttausend Euro, die der "nicht mehr auf dem Schirm hat". Die Kumpels übernehmen die Kohle - aus schlechtem Gewissen aber auch die Pflege des alten Herrn. Erst läuft alles wie am Schnürchen: Günther fährt im Neubaugebiet mit dem Ferrari vor, Wolfgang spendiert seiner Tochter den Führerschein und spielt seiner Frau den mutigen Bankräuber vor.
Aber dann fangen die Komplikationen an, denn es scheint doch jemand auf der Suche nach dem Geld zu sein...
Aber dann fangen die Komplikationen an, denn es scheint doch jemand auf der Suche nach dem Geld zu sein...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.2013Demokratie ist Freude
Pablo Larraíns Film "No!" erzählt, wie General Pinochet gestürzt wurde - von einem Werbefachmann
Die meisten von uns wissen, wie General Pinochet im Jahr 1973 in Chile an die Macht kam, per Putsch and with a little help from his friends. Aber wie und wann und warum endete eigentlich seine Diktatur? Das erzählt der Film "No!" von Pablo Larraín, und er erzählt dabei noch eine andere Geschichte: wie das Politische dem Marketing Platz machte.
Larraín entscheidet sich deshalb für zweierlei. Für die Besetzung seiner Hauptrolle, des Werbefachmanns René Saavedra, mit Gael García Bernal, dem mexikanischen Schauspiel-Star, der jeden Film zum Leuchten bringen kann. Hier ist das gar nicht so einfach mit dem Leuchten, denn Larraín hat, zweitens, mit der analogen Umatic-Videotechnik gedreht, was eine gleichsam natürliche Verbindung mit historischen Dokumentaraufnahmen und den originalen Werbeclips erlaubt. Das Bild ist fast quadratisch, Gegenlicht zerfrisst, was vor ihm liegt, die Kamera wackelt oft aus dem Schärfebereich heraus, so dass das Ganze sehr nach der Zeit aussieht, in der es spielt: 1988.
Die ästhetischen Entscheidungen korrespondieren mit der Geschichte, die erzählt wird. Denn gestürzt wurde Pinochet (und das ist einzigartig in der Geschichte lateinamerikanischer Diktatoren) durch ein Referendum, das ihm von der internationalen Gemeinschaft abgerungen worden war und das seine Diktatur einerseits festigen und gleichzeitig legitimieren sollte. Niemand rechnete damit, die Gegner Pinochets könnten etwa gewinnen, denn niemand rechnete damit, dass es mit rechten Dingen zugehen würde bei dieser Volksbefragung. Alles schien abgekartet, viele Chilenen, so wurde auf allen Seiten vermutet, würden gar nicht erst zur Stimmabgabe gehen.
Doch die Führung machte einen großen Fehler. Sie räumte, um zu zeigen, wie sie die Zensur lockere, den Gegnern Pinochets an 27 Tagen je fünfzehn Minuten Sendezeit im gleichgeschalteten Fernsehen ein. Mitten in der Nacht zwar, aber immerhin. Und die Koalition der Pinochet-Gegner kam auf die Idee, einen Werbefachmann damit zu beauftragen, diese Zeit zu füllen. René Saavedra eben, einen jungen Werber ohne entschiedene politische Überzeugungen, aber auch ohne jede Sympathie für das Regime und mit einigen persönlichen Verbindungen, etwa über seine ehemalige Frau, in die Protestbewegung hinein. Vor allem aber mit dem Instinkt eines Bluthunds, was den Geschmack des Publikums angeht. Um die Demokratie zu verkaufen, spricht er in der Sprache der Werbung (die damals wiederum mit Umatic-Clips zu uns sprach) und ungefähr mit denselben Bildern zu den Wählern, mit denen er zu Beginn des Films eine Kampagne für ein Kaltgetränk verkauft hatte. Es heißt "free", ist aber Coca-Cola, und die Kampagne passt, so René beim Gespräch mit seinen Auftraggebern, "in den aktuellen sozialen Kontext. Chile denkt in der Zukunft."
Und das sind dieselben Worte, mit denen er seine Demokratie-Kampagne bei den Protestparteien an den Mann bringt. "Demokratie ist Freude", sagt er außerdem, und ein Produkt der Freude müsse mit einem optimistischen Jingle und hellen, in eine fröhliche Zukunft weisenden Bildern unter die Leute gebracht werden. Die Oppositionellen in Chile aber haben andere Bilder im Kopf. Bilder von Folterungen, von Erschießungen, von Müttern, die nach ihren verschwundenen Kindern suchen, von Demonstranten, die zu Tode geprügelt werden. Sie haben den "ganzen Schmerz der letzten Jahre", wie es einmal heißt, in sich und wollen die Zeit im Fernsehen nutzen, endlich über all das Unrecht, die Toten, die Trauer zu sprechen. René aber sagt "lieber nicht" - und entwirft als Logo für den Werbefeldzug, der den Wählern ein "No!" zu acht weiteren Jahren unter Pinochet entlocken will, einen halben Regenbogen.
Sein Boss in der Agentur, in der René arbeitet, Lucho Guzmán (Alfredo Castro), weiß, was er an seinem Mitarbeiter hat. Politisch ist er nicht einverstanden mit dem, was René tut, und auch, als dieser ihm den Regenbogen zeigt und sagt, "damit werden wir berühmt" - und so kam es ja -, lässt er sich von der "Si"-Kampagne anheuern, die er allerdings nicht retten kann. "Chile ist ein Gewinnerland", heißt der Slogan dort, und er zieht nicht.
In der "No!"-Fraktion ist nicht jeder einverstanden mit Renés Ansatz. "Wer sind diese fröhlichen Menschen", fragt ihn seine Exfrau, "was feiern sie?" Das heißt, gibt es ethische Grenzen in einer politischen Kampagne, ist es nicht eine Verhöhnung der Opfer, jener Menschen, die für die Demokratie gestorben sind, jetzt eine bunte Welt tanzender junger Leute zu malen, in der die Schrecken der Diktatur gar nicht mehr auffindbar sind? Am Ende sind es dann doch keine reinen Schönfärbereien, mit denen das Referendum für die Opposition gewonnen wird, sondern überaus geschickt verpackte Botschaften von Jugend, Freude, Einigkeit und Frieden, kombiniert mit Dokumentaraufnahmen prügelnder Polizisten und marschierender Militärs.
"No!" ist der dritte Film des chilenischen Regisseurs Pablo Larraín, der sich mit den Pinochet-Jahren beschäftigt, und vielleicht der schönste unter ihnen, zu denen noch "Tony Manero" (2008) und "Post Mortem" (2010) gehören. Dass die lose Trilogie mit dem Sturz Pinochets endet, ohne dies als glücklichen Endpunkt und Erfolg der Protestbewegung zu verkaufen, macht "No!" zu einem der interessantesten Filme zum Thema. Er war für den Auslands-Oscar in diesem Jahr nominiert, aber gegen Michael Hanekes "Liebe" hatte er kaum eine Außenseiterchance. Jetzt kommt er in die Kinos und gibt seine Antwort auf die Frage, was politisches Kino eigentlich sei: Mit der"No!"-Kampagne wurde Pinochet zwar abgesetzt. Aber mit ihr siegte ein ideologisches Prinzip, nicht die Freiheit. Es gibt Alternativen zur Diktatur, heißt das, aber keine Alternative zum Markt, auf dem der bessere Verkäufer gewinnt.
VERENA LUEKEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Pablo Larraíns Film "No!" erzählt, wie General Pinochet gestürzt wurde - von einem Werbefachmann
Die meisten von uns wissen, wie General Pinochet im Jahr 1973 in Chile an die Macht kam, per Putsch and with a little help from his friends. Aber wie und wann und warum endete eigentlich seine Diktatur? Das erzählt der Film "No!" von Pablo Larraín, und er erzählt dabei noch eine andere Geschichte: wie das Politische dem Marketing Platz machte.
Larraín entscheidet sich deshalb für zweierlei. Für die Besetzung seiner Hauptrolle, des Werbefachmanns René Saavedra, mit Gael García Bernal, dem mexikanischen Schauspiel-Star, der jeden Film zum Leuchten bringen kann. Hier ist das gar nicht so einfach mit dem Leuchten, denn Larraín hat, zweitens, mit der analogen Umatic-Videotechnik gedreht, was eine gleichsam natürliche Verbindung mit historischen Dokumentaraufnahmen und den originalen Werbeclips erlaubt. Das Bild ist fast quadratisch, Gegenlicht zerfrisst, was vor ihm liegt, die Kamera wackelt oft aus dem Schärfebereich heraus, so dass das Ganze sehr nach der Zeit aussieht, in der es spielt: 1988.
Die ästhetischen Entscheidungen korrespondieren mit der Geschichte, die erzählt wird. Denn gestürzt wurde Pinochet (und das ist einzigartig in der Geschichte lateinamerikanischer Diktatoren) durch ein Referendum, das ihm von der internationalen Gemeinschaft abgerungen worden war und das seine Diktatur einerseits festigen und gleichzeitig legitimieren sollte. Niemand rechnete damit, die Gegner Pinochets könnten etwa gewinnen, denn niemand rechnete damit, dass es mit rechten Dingen zugehen würde bei dieser Volksbefragung. Alles schien abgekartet, viele Chilenen, so wurde auf allen Seiten vermutet, würden gar nicht erst zur Stimmabgabe gehen.
Doch die Führung machte einen großen Fehler. Sie räumte, um zu zeigen, wie sie die Zensur lockere, den Gegnern Pinochets an 27 Tagen je fünfzehn Minuten Sendezeit im gleichgeschalteten Fernsehen ein. Mitten in der Nacht zwar, aber immerhin. Und die Koalition der Pinochet-Gegner kam auf die Idee, einen Werbefachmann damit zu beauftragen, diese Zeit zu füllen. René Saavedra eben, einen jungen Werber ohne entschiedene politische Überzeugungen, aber auch ohne jede Sympathie für das Regime und mit einigen persönlichen Verbindungen, etwa über seine ehemalige Frau, in die Protestbewegung hinein. Vor allem aber mit dem Instinkt eines Bluthunds, was den Geschmack des Publikums angeht. Um die Demokratie zu verkaufen, spricht er in der Sprache der Werbung (die damals wiederum mit Umatic-Clips zu uns sprach) und ungefähr mit denselben Bildern zu den Wählern, mit denen er zu Beginn des Films eine Kampagne für ein Kaltgetränk verkauft hatte. Es heißt "free", ist aber Coca-Cola, und die Kampagne passt, so René beim Gespräch mit seinen Auftraggebern, "in den aktuellen sozialen Kontext. Chile denkt in der Zukunft."
Und das sind dieselben Worte, mit denen er seine Demokratie-Kampagne bei den Protestparteien an den Mann bringt. "Demokratie ist Freude", sagt er außerdem, und ein Produkt der Freude müsse mit einem optimistischen Jingle und hellen, in eine fröhliche Zukunft weisenden Bildern unter die Leute gebracht werden. Die Oppositionellen in Chile aber haben andere Bilder im Kopf. Bilder von Folterungen, von Erschießungen, von Müttern, die nach ihren verschwundenen Kindern suchen, von Demonstranten, die zu Tode geprügelt werden. Sie haben den "ganzen Schmerz der letzten Jahre", wie es einmal heißt, in sich und wollen die Zeit im Fernsehen nutzen, endlich über all das Unrecht, die Toten, die Trauer zu sprechen. René aber sagt "lieber nicht" - und entwirft als Logo für den Werbefeldzug, der den Wählern ein "No!" zu acht weiteren Jahren unter Pinochet entlocken will, einen halben Regenbogen.
Sein Boss in der Agentur, in der René arbeitet, Lucho Guzmán (Alfredo Castro), weiß, was er an seinem Mitarbeiter hat. Politisch ist er nicht einverstanden mit dem, was René tut, und auch, als dieser ihm den Regenbogen zeigt und sagt, "damit werden wir berühmt" - und so kam es ja -, lässt er sich von der "Si"-Kampagne anheuern, die er allerdings nicht retten kann. "Chile ist ein Gewinnerland", heißt der Slogan dort, und er zieht nicht.
In der "No!"-Fraktion ist nicht jeder einverstanden mit Renés Ansatz. "Wer sind diese fröhlichen Menschen", fragt ihn seine Exfrau, "was feiern sie?" Das heißt, gibt es ethische Grenzen in einer politischen Kampagne, ist es nicht eine Verhöhnung der Opfer, jener Menschen, die für die Demokratie gestorben sind, jetzt eine bunte Welt tanzender junger Leute zu malen, in der die Schrecken der Diktatur gar nicht mehr auffindbar sind? Am Ende sind es dann doch keine reinen Schönfärbereien, mit denen das Referendum für die Opposition gewonnen wird, sondern überaus geschickt verpackte Botschaften von Jugend, Freude, Einigkeit und Frieden, kombiniert mit Dokumentaraufnahmen prügelnder Polizisten und marschierender Militärs.
"No!" ist der dritte Film des chilenischen Regisseurs Pablo Larraín, der sich mit den Pinochet-Jahren beschäftigt, und vielleicht der schönste unter ihnen, zu denen noch "Tony Manero" (2008) und "Post Mortem" (2010) gehören. Dass die lose Trilogie mit dem Sturz Pinochets endet, ohne dies als glücklichen Endpunkt und Erfolg der Protestbewegung zu verkaufen, macht "No!" zu einem der interessantesten Filme zum Thema. Er war für den Auslands-Oscar in diesem Jahr nominiert, aber gegen Michael Hanekes "Liebe" hatte er kaum eine Außenseiterchance. Jetzt kommt er in die Kinos und gibt seine Antwort auf die Frage, was politisches Kino eigentlich sei: Mit der"No!"-Kampagne wurde Pinochet zwar abgesetzt. Aber mit ihr siegte ein ideologisches Prinzip, nicht die Freiheit. Es gibt Alternativen zur Diktatur, heißt das, aber keine Alternative zum Markt, auf dem der bessere Verkäufer gewinnt.
VERENA LUEKEN
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