Dziga Vertovs "Entuziazm", ein Klassiker des sowjetischen Revolutionskinos über den Fünfjahresplan der späten 1920er Jahre, gilt als Meisterwerk des Dokumentar- und des Avantgardefilms. Als Meilenstein unter anderem von Charlie Chaplin verehrt, geriet der Film in den 1930er Jahren in Vergessenheit, um von der Avantgarde der Sechziger Jahre wieder entdeckt zu werden. Die vorliegende - erstmalige - DVD-Edition von "Entuziazm" präsentiert den Film in zwei unterschiedlichen Fassungen: der im Gosfilmofond der Sowjetunion überlieferte Version sowie Peter Kubelkas Restaurierung, die mittels Re-Synchronisation Vertovs Idee einer überwältigenden, neuen Tonfilmsprache erfahrbar macht. In der Dokumentation "Restoring Entuziazm" demonstriert der Künstler und Filmmuseums-Mitbegründer Peter Kubelka anhand einiger Sequenzen aus dem Film die Prinzipien seiner Restaurationsarbeit und gibt Einblicke in Vertovs Verständnis des Kinos.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kapitel- / SzenenanwahlFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.01.2006Es lebe der Fünfjahresplan und alle seine Noten
Revision der Revolution: Dziga Vertovs "Entuziazm"
Dziga Vertov: Entuziazm (Simfonija Donbassa).
2 DVDs mit restaurierter und nicht restaurierter Filmfassung. Bonusmaterial: Peter Kubelka, "Restoring Entuziazm" (65 Minuten), und anderes. www.edition-filmmuseum.de
Über den Filmemacher Dziga Vertov war das Urteil schon gesprochen, als er 1930 "Entuziazm (Simfonia Donbassa)" drehte, eine Hymne auf den Fünfjahresplan, durch dessen Übererfüllung die Sowjetunion zur kapitalistischen Systemkonkurrenz aufschließen wollte. Für den Kollegen Sergej Eisenstein war Vertov ein Impressionist, der Kunst um der Kunst willen machte. Für den Formalisten Viktor Sklovskij war er ein Symbolist, der seine Einstellungen so aneinanderreihte, daß sie wie "rote Verse mit Filmreimen" wirkten. Und die Kritiker trugen ihm nach, daß Vertov sich von den Anforderungen der politischen Gegenwart um seine Ideen für einen absoluten Film geprellt fühlen mochte.
Als Vertov 1918 im neu gegründeten Komitee für Wochenschauen zu arbeiten begann, kam er nicht umhin, den Alltag im revolutionären Rußland abzubilden. Er mußte die werktätigen Massen und die Kader der Partei filmen - und sah dabei nicht selten noch den "trottenden Bürger", wo er doch lieber schon den "perfekten elektrischen Menschen" erblickt hätte. Auch sein Konzept der "Kino-Wahrheit" entstand aus dem Widerstand gegen die Kontingenz dessen, was ihm vor die Kamera kam: Das "überrumpelte Leben" erscheint in seiner Montage aufgehoben in einen höheren Zusammenhang, dessen Modernität gerade in der Gleichrichtung vieler durcheinanderlaufender Bewegung bestand. In "Der Mann mit der Kamera" (1929) brachte Vertov das menschliche Sehen an seine technischen Grenzen - auch wenn Mehrfachbelichtungen zuletzt doch immer nur ein Bild ergeben.
Die ideologische Uneindeutigkeit dieser Arbeit wird in "Entuziazm" scheinbar überkompensiert. Aber in der historischen Distanz erweist sich Vertovs erster Tonfilm als Versuch über die Planwirtschaft selbst. Die zentralistische Ordnung der Arbeit, der Produktionsprozeß als große Partitur (oder Montage), wird in den vier Kapiteln dieser "Symphonie aus dem Donbass", dem Zentrum der ukrainischen Schwerindustrie, bekräftigt und zugleich in den komplizierten Verknüpfungen zwischen Bild und Ton hinterfragt. Vertov hat kein Tonfilmmanifest geschrieben, wie Eisenstein im Verein mit Pudowkin und Grigori Aleksandrow es getan hat. "Entuziazm" ist vielmehr die praktische Form eines derartigen Manifests.
Das Schimpfwort war echt
Es beginnt mit einem Kuckucksruf, der jedoch nicht nur den Frühling der Natur ankündigt, sondern auch eine neue Zeit der medialen Wahrnehmung. Eine junge Frau setzt sich auf eine Bank unter einem blühenden Baum. Sie lauscht nun aber nicht den Vögeln, sondern setzt sich Kopfhörer auf und hört eine Sendung von Radio Leningrad. Die Gesellschaft ist bereits auf technische Weise integriert. Das ganze erste Kapitel von "Entuziazm", in dem Kirchen gestürmt und säkularisiert werden, ist schon nicht mehr eigentlich revolutionär, sondern eine Pflichtübung, um sich des Vergangenen zu entledigen. Der Fünfjahresplan beginnt mit verordneter "Gottlosigkeit", er verläuft über die Rohstoffgewinnung in den Schächten der ukrainischen Bergwerke zur Eisen- und Stahlherstellung in den Hochöfen und endet mit einer Erntesequenz wieder in der Natur.
Diesen vier Teilen entsprechen in Analogie zu einer musikalischen Komposition eine Ouvertüre, ein Moderato, ein Rondo (Allegro vivace) und eine Pastorale (Andante cantabile). Die Filmwissenschaftlerin Oksana Bulgakowa beschreibt in einem Aufsatz "Vertov als Futurist" (in der Zeitschrift "Maske und Kothurn"), wie der Primat des Tons die Montage von "Entuziazm" prägte. Sie zitiert dabei einen Augenzeugen aus dem Jahr 1930, der eine Tonvorführung im Leningrader Haus des Films erlebte: "In dem dunklen Zuschauerraum leuchtete das Rechteck der Leinwand jungfräulich weiß. Doch keiner interessierte sich für die Leinwand. Faul und melodisch dröhnten die Glocken, festlich sang der Kirchenchor, in der Kneipe polterte etwas, jemand wurde geschlagen, und als in der Symphonie dieses trunkenen Skandals deutlich ein traditionelles russisches Schimpfwort erklang, verschwanden alle Zweifel an dem dokumentarischen Charakter des gefilmten Materials. Wir sahen eine Originaltonaufnahme."
Die Debatten innerhalb des sowjetischen Kinos betrafen in erster Linie die Frage der Synchronität von Bild und Ton. Vertov nahm dabei eine offene Position ein. Er bestand nicht auf einer prinzipiellen Asynchronität, wie sie Eisenstein proklamiert hatte. Er ließ beide Möglichkeiten zu. Die Tonspur zu "Entuziazm" ist dabei keineswegs rein naturalistisch. Die Geräusche der Maschinen, das Stampfen der Lokomotive, die Glocken der Kirchen und die Marschmusik von den Feiern der revolutionären Arbeit bekommen eine zweite Ebene in einem abstrakten Sound, der an elektrische Interferenzen denken läßt (das "Radio-Ohr"!). Das Arbeiter-Ensemble, das Vertov dazu zeigt, hat deutlich die Anmutung einer Roboterbrigade. Es fällt nicht leicht, diese Männer mit den Arbeitern im Donbass zu identifizieren, und schon gar nicht scheint es plausibel, diese Automatenkörper für die "Ehrensache" eines übererfüllten Plansolls zu feiern.
Als "Entuziazm" 1931 in der UdSSR uraufgeführt wurde, stieß der Film auf wenig Verständnis. Man fand ihn betäubend, ohne politische Orientierung, "physisch vernichtend". Viktor Sklovski sprach erneut das Urteil: "Es gibt zwar Töne, aber keinen Film." Im Ausland waren die technischen Bedingungen für die Vorführung besser, aber auch das intellektuelle Publikum war offener. "Großartig ist die Art, wie bei ihm die Musik gegen das Bild stürmt", schrieb Hanns Eisler. Für Oksana Bulgakowa ist "Entuziazm" der "letzte futuristische Experimentalfilm von Vertov. Er vereint die Begeisterung für die Materialität des Filmbildes und des Originaltons mit der Transrationalität ihrer Verbindungen." Mit seinem Brückenschlag zwischen Anliegen der Avantgarde und sozialistischer Orthodoxie ist "Entuziazm" mindestens so interessant wie der kanonisch gewordene "Mann mit der Kamera".
Wenn der Hammer fällt
Mit Vertovs Klassiker wird eine neue DVD-Reihe eröffnet, die unter dem Titel "Edition Filmmuseum" die Restaurierungsergebnisse wichtiger Kinematheken in Österreich, Deutschland und Luxemburg zugänglich machen will. Nach "Entuziazm" sollen Filme von Curt Goetz ("Friedrich Schiller - Eine Dichterjugend", 1923), Erich von Stroheim ("Blind Husbands", 1919), Richard Oswald ("Anders als die Anderen, 1919) und Veit Harlan ("Anders als du und ich", 1957) veröffentlicht werden. Die Cinémathèque Municipale de Luxembourg, das Deutsche Filminstitut (DIF) in Wiesbaden, das Deutsche Filmmuseum in Frankfurt/Main, die Filmmuseen Düsseldorf und München sowie das Goethe-Institut München sowie das Österreichische Filmmuseum in Wien tragen gemeinsam die Edition Filmmuseum. Letztere Institution verfügt über eine bedeutende Vertov-Sammlung, aus der eine kurze historische Privataufnahme des Regisseurs auch Eingang in das Bonusmaterial der DVD von "Entuziazm" gefunden hat.
Im Zentrum stehen aber zwei Fassungen des Films, die sich nur geringfügig unterscheiden. Und doch läßt sich an der Differenz zwischen der nichtrestaurierten Version aus den Beständen von Gosfilmfond und der neuen Fassung, die 1972 hergestellt wurde, noch einmal die Problemstellung der dreißiger Jahre nachvollziehen. Der "Filmmacher" und Filmhistoriker Peter Kubelka erörtert in seinem Beitrag "Restoring Entuziazm", warum er an markanten Stellen der überlieferten Kopie die Synchronität zwischen Bild und Ton ausdrücklich wiederhergestellt hat. Er mußte sich dazu mehrmals mit Schwarzfilm behelfen, dafür ist nun ein Hammerschlag auch genau in dem Moment zu hören, in dem er zu sehen ist.
Oksana Bulgakowa hegt ihre Zweifel an der Notwendigkeit solcher Eingriffe, weil ihrer Auffassung nach jedes synchrone Bild "wie eine Überraschung" wirken sollte und erst daraus der spezifische Charakter von Vertovs Werk entstehe, das häufig asemantisch sei (ein russischer Begriff dafür ist "zaumnye"). Die DVD enthält beide Versionen von "Entuziazm", bietet also für das interessierte Publikum die Möglichkeit, selbst in die Details der filmischen Edition zu gehen und die Urteile über Vertov, mit denen dessen Zeitgenossen so schnell bei der Hand waren, aus eigener Anschauung zu revidieren.
BERT REBHANDL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Revision der Revolution: Dziga Vertovs "Entuziazm"
Dziga Vertov: Entuziazm (Simfonija Donbassa).
2 DVDs mit restaurierter und nicht restaurierter Filmfassung. Bonusmaterial: Peter Kubelka, "Restoring Entuziazm" (65 Minuten), und anderes. www.edition-filmmuseum.de
Über den Filmemacher Dziga Vertov war das Urteil schon gesprochen, als er 1930 "Entuziazm (Simfonia Donbassa)" drehte, eine Hymne auf den Fünfjahresplan, durch dessen Übererfüllung die Sowjetunion zur kapitalistischen Systemkonkurrenz aufschließen wollte. Für den Kollegen Sergej Eisenstein war Vertov ein Impressionist, der Kunst um der Kunst willen machte. Für den Formalisten Viktor Sklovskij war er ein Symbolist, der seine Einstellungen so aneinanderreihte, daß sie wie "rote Verse mit Filmreimen" wirkten. Und die Kritiker trugen ihm nach, daß Vertov sich von den Anforderungen der politischen Gegenwart um seine Ideen für einen absoluten Film geprellt fühlen mochte.
Als Vertov 1918 im neu gegründeten Komitee für Wochenschauen zu arbeiten begann, kam er nicht umhin, den Alltag im revolutionären Rußland abzubilden. Er mußte die werktätigen Massen und die Kader der Partei filmen - und sah dabei nicht selten noch den "trottenden Bürger", wo er doch lieber schon den "perfekten elektrischen Menschen" erblickt hätte. Auch sein Konzept der "Kino-Wahrheit" entstand aus dem Widerstand gegen die Kontingenz dessen, was ihm vor die Kamera kam: Das "überrumpelte Leben" erscheint in seiner Montage aufgehoben in einen höheren Zusammenhang, dessen Modernität gerade in der Gleichrichtung vieler durcheinanderlaufender Bewegung bestand. In "Der Mann mit der Kamera" (1929) brachte Vertov das menschliche Sehen an seine technischen Grenzen - auch wenn Mehrfachbelichtungen zuletzt doch immer nur ein Bild ergeben.
Die ideologische Uneindeutigkeit dieser Arbeit wird in "Entuziazm" scheinbar überkompensiert. Aber in der historischen Distanz erweist sich Vertovs erster Tonfilm als Versuch über die Planwirtschaft selbst. Die zentralistische Ordnung der Arbeit, der Produktionsprozeß als große Partitur (oder Montage), wird in den vier Kapiteln dieser "Symphonie aus dem Donbass", dem Zentrum der ukrainischen Schwerindustrie, bekräftigt und zugleich in den komplizierten Verknüpfungen zwischen Bild und Ton hinterfragt. Vertov hat kein Tonfilmmanifest geschrieben, wie Eisenstein im Verein mit Pudowkin und Grigori Aleksandrow es getan hat. "Entuziazm" ist vielmehr die praktische Form eines derartigen Manifests.
Das Schimpfwort war echt
Es beginnt mit einem Kuckucksruf, der jedoch nicht nur den Frühling der Natur ankündigt, sondern auch eine neue Zeit der medialen Wahrnehmung. Eine junge Frau setzt sich auf eine Bank unter einem blühenden Baum. Sie lauscht nun aber nicht den Vögeln, sondern setzt sich Kopfhörer auf und hört eine Sendung von Radio Leningrad. Die Gesellschaft ist bereits auf technische Weise integriert. Das ganze erste Kapitel von "Entuziazm", in dem Kirchen gestürmt und säkularisiert werden, ist schon nicht mehr eigentlich revolutionär, sondern eine Pflichtübung, um sich des Vergangenen zu entledigen. Der Fünfjahresplan beginnt mit verordneter "Gottlosigkeit", er verläuft über die Rohstoffgewinnung in den Schächten der ukrainischen Bergwerke zur Eisen- und Stahlherstellung in den Hochöfen und endet mit einer Erntesequenz wieder in der Natur.
Diesen vier Teilen entsprechen in Analogie zu einer musikalischen Komposition eine Ouvertüre, ein Moderato, ein Rondo (Allegro vivace) und eine Pastorale (Andante cantabile). Die Filmwissenschaftlerin Oksana Bulgakowa beschreibt in einem Aufsatz "Vertov als Futurist" (in der Zeitschrift "Maske und Kothurn"), wie der Primat des Tons die Montage von "Entuziazm" prägte. Sie zitiert dabei einen Augenzeugen aus dem Jahr 1930, der eine Tonvorführung im Leningrader Haus des Films erlebte: "In dem dunklen Zuschauerraum leuchtete das Rechteck der Leinwand jungfräulich weiß. Doch keiner interessierte sich für die Leinwand. Faul und melodisch dröhnten die Glocken, festlich sang der Kirchenchor, in der Kneipe polterte etwas, jemand wurde geschlagen, und als in der Symphonie dieses trunkenen Skandals deutlich ein traditionelles russisches Schimpfwort erklang, verschwanden alle Zweifel an dem dokumentarischen Charakter des gefilmten Materials. Wir sahen eine Originaltonaufnahme."
Die Debatten innerhalb des sowjetischen Kinos betrafen in erster Linie die Frage der Synchronität von Bild und Ton. Vertov nahm dabei eine offene Position ein. Er bestand nicht auf einer prinzipiellen Asynchronität, wie sie Eisenstein proklamiert hatte. Er ließ beide Möglichkeiten zu. Die Tonspur zu "Entuziazm" ist dabei keineswegs rein naturalistisch. Die Geräusche der Maschinen, das Stampfen der Lokomotive, die Glocken der Kirchen und die Marschmusik von den Feiern der revolutionären Arbeit bekommen eine zweite Ebene in einem abstrakten Sound, der an elektrische Interferenzen denken läßt (das "Radio-Ohr"!). Das Arbeiter-Ensemble, das Vertov dazu zeigt, hat deutlich die Anmutung einer Roboterbrigade. Es fällt nicht leicht, diese Männer mit den Arbeitern im Donbass zu identifizieren, und schon gar nicht scheint es plausibel, diese Automatenkörper für die "Ehrensache" eines übererfüllten Plansolls zu feiern.
Als "Entuziazm" 1931 in der UdSSR uraufgeführt wurde, stieß der Film auf wenig Verständnis. Man fand ihn betäubend, ohne politische Orientierung, "physisch vernichtend". Viktor Sklovski sprach erneut das Urteil: "Es gibt zwar Töne, aber keinen Film." Im Ausland waren die technischen Bedingungen für die Vorführung besser, aber auch das intellektuelle Publikum war offener. "Großartig ist die Art, wie bei ihm die Musik gegen das Bild stürmt", schrieb Hanns Eisler. Für Oksana Bulgakowa ist "Entuziazm" der "letzte futuristische Experimentalfilm von Vertov. Er vereint die Begeisterung für die Materialität des Filmbildes und des Originaltons mit der Transrationalität ihrer Verbindungen." Mit seinem Brückenschlag zwischen Anliegen der Avantgarde und sozialistischer Orthodoxie ist "Entuziazm" mindestens so interessant wie der kanonisch gewordene "Mann mit der Kamera".
Wenn der Hammer fällt
Mit Vertovs Klassiker wird eine neue DVD-Reihe eröffnet, die unter dem Titel "Edition Filmmuseum" die Restaurierungsergebnisse wichtiger Kinematheken in Österreich, Deutschland und Luxemburg zugänglich machen will. Nach "Entuziazm" sollen Filme von Curt Goetz ("Friedrich Schiller - Eine Dichterjugend", 1923), Erich von Stroheim ("Blind Husbands", 1919), Richard Oswald ("Anders als die Anderen, 1919) und Veit Harlan ("Anders als du und ich", 1957) veröffentlicht werden. Die Cinémathèque Municipale de Luxembourg, das Deutsche Filminstitut (DIF) in Wiesbaden, das Deutsche Filmmuseum in Frankfurt/Main, die Filmmuseen Düsseldorf und München sowie das Goethe-Institut München sowie das Österreichische Filmmuseum in Wien tragen gemeinsam die Edition Filmmuseum. Letztere Institution verfügt über eine bedeutende Vertov-Sammlung, aus der eine kurze historische Privataufnahme des Regisseurs auch Eingang in das Bonusmaterial der DVD von "Entuziazm" gefunden hat.
Im Zentrum stehen aber zwei Fassungen des Films, die sich nur geringfügig unterscheiden. Und doch läßt sich an der Differenz zwischen der nichtrestaurierten Version aus den Beständen von Gosfilmfond und der neuen Fassung, die 1972 hergestellt wurde, noch einmal die Problemstellung der dreißiger Jahre nachvollziehen. Der "Filmmacher" und Filmhistoriker Peter Kubelka erörtert in seinem Beitrag "Restoring Entuziazm", warum er an markanten Stellen der überlieferten Kopie die Synchronität zwischen Bild und Ton ausdrücklich wiederhergestellt hat. Er mußte sich dazu mehrmals mit Schwarzfilm behelfen, dafür ist nun ein Hammerschlag auch genau in dem Moment zu hören, in dem er zu sehen ist.
Oksana Bulgakowa hegt ihre Zweifel an der Notwendigkeit solcher Eingriffe, weil ihrer Auffassung nach jedes synchrone Bild "wie eine Überraschung" wirken sollte und erst daraus der spezifische Charakter von Vertovs Werk entstehe, das häufig asemantisch sei (ein russischer Begriff dafür ist "zaumnye"). Die DVD enthält beide Versionen von "Entuziazm", bietet also für das interessierte Publikum die Möglichkeit, selbst in die Details der filmischen Edition zu gehen und die Urteile über Vertov, mit denen dessen Zeitgenossen so schnell bei der Hand waren, aus eigener Anschauung zu revidieren.
BERT REBHANDL
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