22,99 €
inkl. MwSt.

Versandfertig in über 4 Wochen
Produktdetails
  • Anzahl: 1 DVD
  • Hersteller: Naxos / Seventh Art
  • Gesamtlaufzeit: 90 Min.
  • Erscheinungstermin: 13. Januar 2014
  • FSK: ohne Alterseinschränkung gemäß §14 JuSchG
  • Sprachen: Englisch
  • Untertitel: Deutsch, Französisch, Norwegisch, Englisch
  • EAN: 5060115340373
  • Artikelnr.: 43186380
Autorenporträt
Edvard Munch, geb. am 12. Dezember 1863 in Løten, Hedmark, Norwegen, gest. am 23. Januar 1944 auf Ekely in Oslo, war ein norwegischer Maler und Grafiker. Munch gilt als Bahnbrecher für die expressionistische Richtung in der Malerei der Moderne. In Deutschland und Mitteleuropa genoss er früh den Ruf eines Epoche machenden Neuschöpfers, und heute sind seine Eigenart und sein Status schon längst im übrigen Europa und in der Welt anerkannt. Am bekanntesten sind die Werke Munchs aus den 1890er Jahren.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.12.2023

Der Adler in seinem Kopf

Die vier Leben des Edvard Munch - ein Biopic über den Maler und eine Potsdamer Ausstellung

Das Überraschende zuerst: Dieser Film über Edvard Munch ist wirklich gut. Selbstverständlich ist das nicht. Wer das Leben von Künstlerinnen und Künstlern verfilmen will, scheitert fast zwangsläufig daran, dass alles Wesentliche unsichtbar bleiben muss. Von wo die Bilder kommen, die so viele bewegen, kann niemand genau sagen. "Versuchen will ich es", schrieb Franz Marc, Maler und Zeitgenosse von Munch, der viel zu früh starb, "Gedanken zu denken, die hinter einem schwarzen Vorhang tanzen." Der Film dazu wäre ein schwarzer Bildschirm. Auch Munch wäre sicher skeptisch gewesen, wenn er davon erfahren hätte, dass seine Biographie verfilmt werden soll. Die Möglichkeiten der Fotografie hielt er für beschränkt. "Der Fotoapparat kann nicht mit Pinsel und Palette konkurrieren", notierte er, "solange man diesen nicht in Hölle oder Himmel benutzen kann." Das Abbild, der Schein, die Wiedergabe waren ihm zu wenig. Deswegen wurde er zum Maler, der er war.

Was also können die Aufnahmen von Hüten, wehenden Haaren, Anzügen, Betten, Kissen, Spaziergängen und eingeschneiten Häusern beitragen? Oder Bärte, Spitzenkleider, Sommersprossen, Sonnenuntergänge und was sonst der Stoff von Biopics ist? Der 34-jährige Regisseur Henrik Martin Dahlsbakken gibt nicht eine Antwort, sondern vier. In seinem Film "Munch" verkörpern den Künstler vier Schauspieler, darunter die Schauspielerin Anne Krigsvoll, die ihn als 80-Jährigen spielt. "In Ihrem Kopf nistet ein Adler", sagt der dänische Psychiater Daniel Jacobson, wenn wir Munch im Alter von 45 Jahren treffen, als Patienten einer Klinik in Kopenhagen. Der Maler wird dort wegen seiner Alkoholsucht behandelt. Die Kamera wechselt ins 4:3-Format, der Film wird schwarz-weiß. "Meine Seele ist wie zwei wilde Vögel, die in unterschiedliche Richtungen ziehen", antwortet Munch (Ola G. Furuseth). Es ist ein Schlüsselsatz.

Denn egal, welcher Munch in den vier verschlungen Episoden auftritt, ob mit 21, 30, 45 oder 80 Jahren, ob verliebt, verzweifelt, in Hochstimmung oder am Boden zerstört: Er ist einer, der nicht gut zwischen äußeren und inneren Stimmen unterscheiden kann. Einer, der in Gesellschaft sein will, aber dem die Menschen zu nahe treten. Einer, der früh die Schwester und Mutter verloren hat und vor dem Vater sich nicht zu weinen traute, weil er ihn nicht trauriger machen wollte.

"Die großen Künstler waren Rembrandt, Rubens, Rodin", lässt Dahlsbakken einen betrunkenen Sammler zu Munch sagen, nachdem dessen Ausstellung im Berliner Kunstverein abgesagt worden ist. In dieser Episode verzichtet der Regisseur ganz auf historische Kostüme und Studiokulisse. Der junge Munch (Mattis Herman Nyquist) läuft durch das heutige Berlin, über die Oberbaumbrücke oder an der Alten Nationalgalerie vorbei. Sein Mobiltelefon klingelt, ein Taxi hält. Munchs Freund, der Schriftsteller August Strindberg, steigt aus. Dahlsbakken hat seine Rolle mit einer Frau besetzt, der Schwedin Lisa Carlehed. Geht das? Der echte Strindberg hätte entsetzt das Kino verlassen, wenn er sich als Frau auf der Leinwand begegnet wäre. Er hielt so wenig vom anderen Geschlecht, dass ihn sogar der Physik-Nobelpreis für Marie Curie im Jahr 1903 ärgerte. "Ausgerechnet ein Weib", gab ein Freund den Unmut des Autors wieder, "musste einem Strindberg und der Welt die Freude machen, das Radium zu entdecken."

Dem Film aber tut es gut, dass die Geschlechterverhältnisse weniger geordnet sind als zu Munchs Lebzeiten. Dahlsbakken interessiert sich nicht für den Maler als genialischen Revolutionär oder Tausendsassa, als den ihn das 20. Jahrhundert sehen wollte. Sein Munch ist ein Suchender und Zaudernder, einer, der sich häufig nicht sicher ist und dessen Kunst daraus ihre Kraft zieht. Einziger Makel: Dem Regisseur scheint es so schwerzufallen, von seinem scheuen Munch Abschied zu nehmen, dass er seinen originellen Film ein ganz unoriginelles Ende nehmen lässt - das hier trotzdem nicht verraten wird.

Während der Film einen sanfteren Munch auslotet, lädt auch das Museum Barberini dazu ein, in "Munch. Lebenslandschaft" eine andere Seite des Malers zu entdecken. Statt der aufgeladenen Gefühls- und Beziehungsbilder, für die Munch berühmt geworden ist, wird der Blick auf die Natur gelenkt. Der Künstler malte sie tausendfach. In Deutschland, in Norwegen, zu allen Tages- und Jahreszeiten. "Die Erde", zitiert der Katalog den Maler, "ist ein riesenhaftes, lebendes Atom. Sie hat Gedanken und einen Willen, die Wolken sind ihr Atem, die Stürme ihr schwerer Brodem und die glühende Lava ihr siedendes Blut. Warum sollte nicht auch die Sonne, die ihre Lichtfülle ins All aussendet, einen Willen haben? Alles lebt und hat einen Willen und regt sich, Felsen und Kristalle ebenso wie die Planeten." Wer die Ausstellung betritt, sieht als erstes Gemälde Munchs "Zauberwald", eine schwingende Landschaft aus den späten Zwanzigerjahren, in der sich die Baumkronen wie Telegrafenmasten berühren. Es folgen märchenhafte Tannenwälder, funkensprühende Ulmenhaine, grell leuchtende gefällte Baumstämme und Dutzende dunkler Küstenszenen. Alle Figuren, die Munch in diese Bilder schickt, lösen sich auf. Der Maler lässt Monde und Sonnen so lange ihr Licht auf das Meer werfen, bis es zurückschaut, aus einem gleißenden Gesicht auf einem blassen langgestreckten Körper.

Zu den absoluten Höhepunkten der Potsdamer Ausstellung gehört die sogenannte "Mini-Aula". Es ist die zweite Fassung, die Munch von seinem Zyklus für die Aula der Universität Oslo schuf und die nun vollständig im Museum Barberini gezeigt wird. Wer sich in dem eindrucksvollen Raum umsieht, schaut auf die Umkehrszene zur abgesagten Ausstellung im Kunstverein. 1892 war Munch in Berlin gescheitert. 1913 feierte er in Berlin seinen Durchbruch - mit dem monumentalen Gemälde "Die Sonne". Da ist er also. Der Munch des 21. Jahrhunderts. Ein Pantheist. Einer, in dessen Kopf ein Adler nistet. JULIA VOSS

Von Donnerstag an im Kino. Die Ausstellung "Munch. Lebenslandschaft" im Museum Barberini in Potsdam geht noch bis zum 1. April 2024.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr