Wahrheit, Lüge, Kunst und Fälschung - Orson Welles genialer Filmessay eröffnet dem erstaunten Betrachter völlig neue Blickwinkel auf scheinbar fest definierte Begriffe. Durch die geschickte Montage von Filmausschnitten und Scheindokumentationen beschreibt er die Methoden der Medien, Individuen und Massen zu manipulieren und die Unmöglichkeit, zwischen Realität und Illusion zu unterscheiden. Im Mittelpunkt der ironisch-witzigen Abhandlung stehen der berühmte Kunstfälscher Elmyr de Hory sowie der nicht weniger bekannte Tagebuchfälscher Clifford Irving...
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kapitel- / SzenenanwahlFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2010Lauter Fälschungen
Lasse Hallström: "Der große Bluff".
Ascot Elite. 116 Minuten. Englisch, Deutsch, Untertitel. Interviews, Kurzdoku.
Gerade auf DVD werden Filme manchmal nicht so sehr durch das interessant, was sie selbst zu bieten haben, sondern durch das Netz, das sich um sie herum knüpfen lässt, durch die Beziehungen, die sie - gewollt oder ungewollt - mit anderen Filmen eingehen.
So ist "Der große Bluff" von Lasse Hallström, der im Untertitel "Das Howard-Hughes-Komplott" und im Original "The Hoax" heißt, erst mal nur ein etwas betulicher, aber nicht uncharmanter Film mit Richard Gere über den Schriftsteller Clifford Irving, der Anfang der siebziger Jahre für Aufsehen sorgte, als er erst behauptete, der legendär öffentlichkeitsscheue Milliardär Howard Hughes habe ihn ausersehen, seine Autobiographie zu schreiben, und dann gestand, er habe alles erfunden, nachdem Hughes in einer Telefon-Pressekonferenz zu Protokoll gab, er habe Irving nie getroffen. Das ist schon deswegen ganz unterhaltsam, weil das Kino von jeher etwas für Hochstapler übrighat.
Es gibt jetzt mehrere Möglichkeiten, diesen Faden aufzunehmen und filmgeschichtlich weiterzuverfolgen. Einmal führt die Fährte natürlich über Martin Scorseses Bio-Pic "The Aviator", wo Leonardo DiCaprio den Tycoon spielte, zum realen Hughes, der Filme wie "Hell's Angels", "Scarface" und "The Outlaw" verantwortete, nach dem Krieg RKO übernahm und unzählige Affären mit Filmschauspielerinnen hatte. Oder zu Jonathan Demmes "Melvin and Howard", der von einer unbelegten Begegnung aus den späten Jahren von Hughes in Las Vegas erzählt, wo sich der von Jason Robards gespielte Eremit ins oberste Stockwerk des Desert Inn zurückgezogen hatte. Bei all den Verzweigungen muss man natürlich auch jene ins Imaginäre erwähnen. Es gab ein Projekt von Batman-Regisseur Christopher Nolan mit Jim Carrey in der Hauptrolle, für das neben "Aviator" kein Platz war, und naheliegenderweise hegte Warren Beatty lange den Traum, sich als unberührbarer Frauenheld in dieser Rolle zu inszenieren.
Aber schließlich ist "Der große Bluff" ein Film, der um Howard Hughes wie um ein schwarzes Loch kreist und dessen Held aber Clifford Irving ist, der sich in seine Lüge so hineinsteigert, dass er am Ende beinahe selbst an sie glaubt. Und über ihn landet man bei einem Film, den man unbedingt dazu sehen muss, weil er selbst ein einziges Gespinst aus Bezügen ist, aus wahren wie aus falschen: "F for Fake" von Orson Welles, den es bei uns bei Arthaus gibt und in England in einer der vorbildlichen Editionen von Masters of Cinema bei Eureka.
In "F for Fake" kommt der reale Clifford Irving vor, den man im Jet Set seiner Wahlheimat Ibiza sieht, wo er 1969 ein Buch namens "Fake!" über den Kunstfälscher Elmyr de Hory schrieb, der ihm quasi vorlebte, was er dann selbst mit Howard Hughes versuchte. Zu den Auffälligkeiten des Vergleiches zwischen dem echten Irving und dem von Richard Gere gespielten gehört, dass beide jene Art von ungerührtem Blick haben, der an den Dingen nie wirklich interessiert scheint, weswegen der Hollywood-Schauspieler sich auch so wohl in der Haut des Fälscher fühlt.
Orson Welles wiederum hat das Filmmaterial mit den beiden aus Ibiza dem französischen Filmemacher François Reichenbach abgekauft, um damit vergnügt am Schneidetisch herumspielen und es in Bezug setzen zu können zu Irving-Hughes-Fälschung. Diese Art von doppeltem Boden, die aus dem Film im Film entsteht, reichert er mit weiteren illusionistischen Erzähltricks an, über denen er als Magier im wehenden Umhang thront. Und die Kreise in diesem Essay über die Kunst der Fälschung schließen sich auf mannigfaltige Weise. Zum einen war Hughes ursprünglich das Vorbild für Citizen Kane, ehe sie die Figur des Magnaten an William Randolph Hearst anlehnten, zum anderen beruht Welles' früher Ruhm auf einer Art Fälschung, nämlich dem Hörspiel "Krieg der Welten", das sich als Radioreportage ausgab und Amerika in Schrecken versetzte.
Einer der schönsten Kurzschlüsse zwischen all diesen Filmen ist allerdings jener, dass die Geliebte, die Clifford Irving im wirklichen Leben ans Messer lieferte, weil sie sein Alibi zerstörte, die Schauspielerin und Sängerin Nina van Pallandt war (hier von Julie Delpy gespielt), welche dann wiederum acht Jahre später in "American Gigolo" Richard Geres Zuhälterin spielte. Dort wird der Gigolo durch ein andere Frau gerettet, die ihm ein Alibi verschafft. Wie soll man da noch Fälschung und Wahrheit auseinanderhalten können.
malt
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lasse Hallström: "Der große Bluff".
Ascot Elite. 116 Minuten. Englisch, Deutsch, Untertitel. Interviews, Kurzdoku.
Gerade auf DVD werden Filme manchmal nicht so sehr durch das interessant, was sie selbst zu bieten haben, sondern durch das Netz, das sich um sie herum knüpfen lässt, durch die Beziehungen, die sie - gewollt oder ungewollt - mit anderen Filmen eingehen.
So ist "Der große Bluff" von Lasse Hallström, der im Untertitel "Das Howard-Hughes-Komplott" und im Original "The Hoax" heißt, erst mal nur ein etwas betulicher, aber nicht uncharmanter Film mit Richard Gere über den Schriftsteller Clifford Irving, der Anfang der siebziger Jahre für Aufsehen sorgte, als er erst behauptete, der legendär öffentlichkeitsscheue Milliardär Howard Hughes habe ihn ausersehen, seine Autobiographie zu schreiben, und dann gestand, er habe alles erfunden, nachdem Hughes in einer Telefon-Pressekonferenz zu Protokoll gab, er habe Irving nie getroffen. Das ist schon deswegen ganz unterhaltsam, weil das Kino von jeher etwas für Hochstapler übrighat.
Es gibt jetzt mehrere Möglichkeiten, diesen Faden aufzunehmen und filmgeschichtlich weiterzuverfolgen. Einmal führt die Fährte natürlich über Martin Scorseses Bio-Pic "The Aviator", wo Leonardo DiCaprio den Tycoon spielte, zum realen Hughes, der Filme wie "Hell's Angels", "Scarface" und "The Outlaw" verantwortete, nach dem Krieg RKO übernahm und unzählige Affären mit Filmschauspielerinnen hatte. Oder zu Jonathan Demmes "Melvin and Howard", der von einer unbelegten Begegnung aus den späten Jahren von Hughes in Las Vegas erzählt, wo sich der von Jason Robards gespielte Eremit ins oberste Stockwerk des Desert Inn zurückgezogen hatte. Bei all den Verzweigungen muss man natürlich auch jene ins Imaginäre erwähnen. Es gab ein Projekt von Batman-Regisseur Christopher Nolan mit Jim Carrey in der Hauptrolle, für das neben "Aviator" kein Platz war, und naheliegenderweise hegte Warren Beatty lange den Traum, sich als unberührbarer Frauenheld in dieser Rolle zu inszenieren.
Aber schließlich ist "Der große Bluff" ein Film, der um Howard Hughes wie um ein schwarzes Loch kreist und dessen Held aber Clifford Irving ist, der sich in seine Lüge so hineinsteigert, dass er am Ende beinahe selbst an sie glaubt. Und über ihn landet man bei einem Film, den man unbedingt dazu sehen muss, weil er selbst ein einziges Gespinst aus Bezügen ist, aus wahren wie aus falschen: "F for Fake" von Orson Welles, den es bei uns bei Arthaus gibt und in England in einer der vorbildlichen Editionen von Masters of Cinema bei Eureka.
In "F for Fake" kommt der reale Clifford Irving vor, den man im Jet Set seiner Wahlheimat Ibiza sieht, wo er 1969 ein Buch namens "Fake!" über den Kunstfälscher Elmyr de Hory schrieb, der ihm quasi vorlebte, was er dann selbst mit Howard Hughes versuchte. Zu den Auffälligkeiten des Vergleiches zwischen dem echten Irving und dem von Richard Gere gespielten gehört, dass beide jene Art von ungerührtem Blick haben, der an den Dingen nie wirklich interessiert scheint, weswegen der Hollywood-Schauspieler sich auch so wohl in der Haut des Fälscher fühlt.
Orson Welles wiederum hat das Filmmaterial mit den beiden aus Ibiza dem französischen Filmemacher François Reichenbach abgekauft, um damit vergnügt am Schneidetisch herumspielen und es in Bezug setzen zu können zu Irving-Hughes-Fälschung. Diese Art von doppeltem Boden, die aus dem Film im Film entsteht, reichert er mit weiteren illusionistischen Erzähltricks an, über denen er als Magier im wehenden Umhang thront. Und die Kreise in diesem Essay über die Kunst der Fälschung schließen sich auf mannigfaltige Weise. Zum einen war Hughes ursprünglich das Vorbild für Citizen Kane, ehe sie die Figur des Magnaten an William Randolph Hearst anlehnten, zum anderen beruht Welles' früher Ruhm auf einer Art Fälschung, nämlich dem Hörspiel "Krieg der Welten", das sich als Radioreportage ausgab und Amerika in Schrecken versetzte.
Einer der schönsten Kurzschlüsse zwischen all diesen Filmen ist allerdings jener, dass die Geliebte, die Clifford Irving im wirklichen Leben ans Messer lieferte, weil sie sein Alibi zerstörte, die Schauspielerin und Sängerin Nina van Pallandt war (hier von Julie Delpy gespielt), welche dann wiederum acht Jahre später in "American Gigolo" Richard Geres Zuhälterin spielte. Dort wird der Gigolo durch ein andere Frau gerettet, die ihm ein Alibi verschafft. Wie soll man da noch Fälschung und Wahrheit auseinanderhalten können.
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