Während die Schlachten des Bürgerkrieges immer mörderischer werden, verkündet Präsident Lincoln die Freilassung aller Sklaven. Diese Proklamation führt im Süden zu Repressalien gegen die Schwarzen. Es gibt aber auch Grundherren die ihre Sklaven freilassen. Als Orry, General im Süden, nach Mont Royal kommt, begegnet ihm ein Zug ehemaliger Sklaven die von seiner Schwester Brett freigelassen wurden. Orry muß erkennen, daß die Zeiten im Wandel begriffen sind. George Hazard, General im Norden, gerät in Kriegsgefangenschaft. Auch Orry, der für den Süden kämpft, wird gefangengenommen. Doch Virgilia, die Schwester von George, verhilft ihm zur Flucht, obwohl sie den Süden haßt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.09.2009Heiß und kalt
Hans-Christian Schmids Film "Sturm" nimmt die Wahrheit ernst und spart sich die Effekte
Man könnte sich Hannah Maynard gut als Kommissarin oder Detektivin in einer anderen Geschichte vorstellen, einem anderen Film. Da könnte sie mit Herz und Schnauze Verbrecher jagen, mit der Dienstwaffe oder trockenen Witzen die Zumutungen des Alltags parieren und ihrem Assistenten zeigen, wie man einen Mörder zur Strecke bringt. Aber hier ist nicht Chicago oder L.A., hier ist das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, und die Verbrecherjagd findet hinter Sicherheitsglasscheiben in schallgedämpften Gerichtssälen statt. Goran Duric, der Angeklagte, soll während des Bosnienkriegs ethnische Säuberungen befohlen haben, aber er hat clevere Anwälte, und die Beweisführung der Staatsanwaltschaft steht, wie sich zeigt, auf wackligen Füßen. In einem amerikanischen Gerichtsfilm wäre das der Augenblick, in dem die Heldin ihr Zwölf-Uhr-Mittags-Gesicht aufsetzt und loszieht, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen, aber die Anklägerin Hannah hat nur einen Leihwagen, mit dem sie zu einem Ferienhotel in der Republika Srpska fährt, um dem Manager ein paar Fragen zu stellen. Plötzlich jedoch zieht der Mann einen Umschlag mit Fotos aus seiner Schublade und schlägt einen drohenden Ton an, und draußen auf dem Parkplatz fliegt ein Stein durch die Scheibe des Leihwagens. Und abermals verpasst Hannah den Moment, zur Furie zu werden. Stattdessen sagt sie mit einer Stimme, die in Essig gebadet hat: "Ich komme wieder."
Kerry Fox spielt das großartig, diese Beherrschtheit einer Frau, die den Zenit ihrer Jahre beinahe überschritten hat, diese Ruhe, hinter der sich Zorn, Gekränktheit und Sehnsucht nach Berührung verbergen. Um ihren Liebesbedarf zu stillen, hat Hannah eine Affäre mit dem EU-Politiker Dahlberg (Rolf Lassgård, der Wallander aus den Mankell-Verfilmungen) angefangen, aber Dahlberg liebt seine Karriere mehr als sein Leben, und so sind die Dienste, die er ihr leistet, vor allem beruflicher Art, hier ein kleiner Fingerzeig, dort ein kurzes Auftrumpfen vor serbischen Politikern. Bei alledem hat Hannah allmählich das Gespür für die Welt da draußen verloren, so dass sie bei Terminen außerhalb des Gerichtssaals, etwa beim Begräbnis ihres Hauptzeugen in Sarajevo - der Mann hat sich aus Verzweiflung darüber erhängt, dass er Duric nicht ins Gefängnis bringen konnte -, wie ein Gespenst wirkt, kalt und abstrakt, ein schwarzer Engel aus dem Reich des Rechts. Aber hinter ihrer starren Miene brodelt es. Irgendwann muss es heraus.
Und so wie Hannah Maynard ist auch der Film: einerseits ruhige, wie mit der Rasierklinge geschnittene Bilder von Hotellobbys, Fluren, Besprechungszimmern, andererseits Handkamera, Unruhe, Gewühl; einerseits Kälte, andererseits Wut. Hans-Christian Schmid, der Regisseur, hat seit fünfzehn Jahren eine Kunst daraus gemacht, kühl kalkulierte Geschichten über Menschen in Panik zu erzählen, aber die Stimmungsgegensätze in "Sturm" sind selbst für Schmids Verhältnisse gewaltig: das Rauschen der Roben im Haager Gerichtssaal und die Schüsse, die Schreie, die Qualen, die dort verhandelt werden; das Familienleben der Zeugin Mira (Anamaria Marinca) in Kreuzberg und die Erinnerung an Mord und Massenvergewaltigung, die jederzeit aufbrechen kann.
In schlechten Filmen über den Bosnienkrieg sind es meistens die Rückblenden, die den Kredit der Geschichte beim Zuschauer verspielen. Die guten erkennt man daran, dass sie auf die Rekonstruktion des Grauens verzichten - wie Winterbottoms "Welcome to Sarajevo", wie "Esmas Geheimnis" und nun auch "Sturm". Ein Blick zurück in die Blutmühle hätte die heikle Balance zerstört zwischen dem, was man sieht, und dem, was man hört in diesem Film. Und ums Balancehalten geht es in "Sturm", nicht nur für die Staatsanwältin Hannah Maynard, die sich zwischen den Interessen ihrer Behörde und dem Wahrheitsanspruch der Opfer entscheiden muss.
Auf dem Begräbnis in Sarajevo lernt Hannah die Schwester ihres toten Zeugen kennen. Sie ist, wie sich herausstellt, die eigentliche Hauptfigur des Verfahrens, eine Überlebende jenes Ferienhotels, in dem Duric mit seinen Leuten im Krieg gehaust hat. Aber Mira will nicht reden. Erst unter dem doppelten Druck der Staatsanwältin und jener Leute, die die Verbrechen um jeden Preis vertuschen wollen, entschließt sie sich, vor dem Tribunal auszusagen. Man hätte die einzelnen Etappen dieser Entscheidung, etwa die Entführung von Miras Kind, auch stärker dramatisieren können, aber Schmid und sein Drehbuchautor Bernd Lange halten den Blick des Zuschauers auf Distanz. Diese erzählerische Ökonomie hat etwas Herzloses, aber sie dient den Absichten des Films.
Denn das, was Schmid und Lange uns zeigen wollen, ist etwas anderes. Wir sollen begreifen, wie eine Institution, die geschaffen wurde, um Menschenrechtsverletzungen zu bestrafen, ihrem eigenen Zweck zuwiderlaufen kann - und wie sich dieses Versagen für die Beteiligten anfühlt. Als Mira endlich in Den Haag angekommen ist, wo sie mit ihrem Kind wie eine Gefangene im Hotelzimmer lebt, wollen Hannahs Vorgesetzte ihre Aussage nicht zulassen. Eine neue Wendung des Prozesses, heißt es, würde den Zeitplan des Tribunals durcheinanderbringen und seine planmäßige Abwicklung im Jahr 2010 gefährden. Hinter den Kulissen werden jetzt die Deals geschlossen, zwischen dem Chefankläger (Stephen Dillane) und dem Verteidiger von Duric, zwischen der EU in Gestalt von Lassgård und den beitrittswilligen Serben. Nur die beiden Frauen sind nicht bereit, die Wahrheit für ein Stück Papier zu verraten. Und wieder vergibt Schmid scheinbar fahrlässig die Chance, uns mit bewährten Kinomitteln zu überwältigen. Hannah und Mira als Thelma und Louise gegen den Beamtenfilz in Den Haag - wie leicht hätte man das hindrehen können. Aber wir sollen ja nicht heulen, sondern verstehen. Und so bekommen die Anklägerin und ihre Zeugin nur einen kurzen Augenblick des gemeinsamen Triumphs, dann ist die Frauenfreundschaft vorbei. Die Anwältin Maynard, die die Spielregeln ihres Arbeitgebers gebrochen hat, wird ihre Karriere anderswo fortsetzen müssen. Und Mira wird in ihr posttraumatisches Leben im kriegsfernen Berlin zurückkehren.
"Sturm" ist kein tearjerker, kein Genrefilm, der uns mit konstruierten Konflikten Gefühle abpresst. Es ist ein Film, der es sehr ernst nimmt mit der Wahrheit, jener des Gerichts und jener der Menschen, die vor ihm stehen. Schließlich ist das, was er erzählt, noch lange nicht Geschichte. Am Anfang sieht man Goran Duric seelenruhig mit seiner Familie in einem spanischen Supermarkt einkaufen. Die Mörder, heißt das, sind immer noch unter uns.
ANDREAS KILB
Ab Donnerstag im Kino.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hans-Christian Schmids Film "Sturm" nimmt die Wahrheit ernst und spart sich die Effekte
Man könnte sich Hannah Maynard gut als Kommissarin oder Detektivin in einer anderen Geschichte vorstellen, einem anderen Film. Da könnte sie mit Herz und Schnauze Verbrecher jagen, mit der Dienstwaffe oder trockenen Witzen die Zumutungen des Alltags parieren und ihrem Assistenten zeigen, wie man einen Mörder zur Strecke bringt. Aber hier ist nicht Chicago oder L.A., hier ist das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, und die Verbrecherjagd findet hinter Sicherheitsglasscheiben in schallgedämpften Gerichtssälen statt. Goran Duric, der Angeklagte, soll während des Bosnienkriegs ethnische Säuberungen befohlen haben, aber er hat clevere Anwälte, und die Beweisführung der Staatsanwaltschaft steht, wie sich zeigt, auf wackligen Füßen. In einem amerikanischen Gerichtsfilm wäre das der Augenblick, in dem die Heldin ihr Zwölf-Uhr-Mittags-Gesicht aufsetzt und loszieht, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen, aber die Anklägerin Hannah hat nur einen Leihwagen, mit dem sie zu einem Ferienhotel in der Republika Srpska fährt, um dem Manager ein paar Fragen zu stellen. Plötzlich jedoch zieht der Mann einen Umschlag mit Fotos aus seiner Schublade und schlägt einen drohenden Ton an, und draußen auf dem Parkplatz fliegt ein Stein durch die Scheibe des Leihwagens. Und abermals verpasst Hannah den Moment, zur Furie zu werden. Stattdessen sagt sie mit einer Stimme, die in Essig gebadet hat: "Ich komme wieder."
Kerry Fox spielt das großartig, diese Beherrschtheit einer Frau, die den Zenit ihrer Jahre beinahe überschritten hat, diese Ruhe, hinter der sich Zorn, Gekränktheit und Sehnsucht nach Berührung verbergen. Um ihren Liebesbedarf zu stillen, hat Hannah eine Affäre mit dem EU-Politiker Dahlberg (Rolf Lassgård, der Wallander aus den Mankell-Verfilmungen) angefangen, aber Dahlberg liebt seine Karriere mehr als sein Leben, und so sind die Dienste, die er ihr leistet, vor allem beruflicher Art, hier ein kleiner Fingerzeig, dort ein kurzes Auftrumpfen vor serbischen Politikern. Bei alledem hat Hannah allmählich das Gespür für die Welt da draußen verloren, so dass sie bei Terminen außerhalb des Gerichtssaals, etwa beim Begräbnis ihres Hauptzeugen in Sarajevo - der Mann hat sich aus Verzweiflung darüber erhängt, dass er Duric nicht ins Gefängnis bringen konnte -, wie ein Gespenst wirkt, kalt und abstrakt, ein schwarzer Engel aus dem Reich des Rechts. Aber hinter ihrer starren Miene brodelt es. Irgendwann muss es heraus.
Und so wie Hannah Maynard ist auch der Film: einerseits ruhige, wie mit der Rasierklinge geschnittene Bilder von Hotellobbys, Fluren, Besprechungszimmern, andererseits Handkamera, Unruhe, Gewühl; einerseits Kälte, andererseits Wut. Hans-Christian Schmid, der Regisseur, hat seit fünfzehn Jahren eine Kunst daraus gemacht, kühl kalkulierte Geschichten über Menschen in Panik zu erzählen, aber die Stimmungsgegensätze in "Sturm" sind selbst für Schmids Verhältnisse gewaltig: das Rauschen der Roben im Haager Gerichtssaal und die Schüsse, die Schreie, die Qualen, die dort verhandelt werden; das Familienleben der Zeugin Mira (Anamaria Marinca) in Kreuzberg und die Erinnerung an Mord und Massenvergewaltigung, die jederzeit aufbrechen kann.
In schlechten Filmen über den Bosnienkrieg sind es meistens die Rückblenden, die den Kredit der Geschichte beim Zuschauer verspielen. Die guten erkennt man daran, dass sie auf die Rekonstruktion des Grauens verzichten - wie Winterbottoms "Welcome to Sarajevo", wie "Esmas Geheimnis" und nun auch "Sturm". Ein Blick zurück in die Blutmühle hätte die heikle Balance zerstört zwischen dem, was man sieht, und dem, was man hört in diesem Film. Und ums Balancehalten geht es in "Sturm", nicht nur für die Staatsanwältin Hannah Maynard, die sich zwischen den Interessen ihrer Behörde und dem Wahrheitsanspruch der Opfer entscheiden muss.
Auf dem Begräbnis in Sarajevo lernt Hannah die Schwester ihres toten Zeugen kennen. Sie ist, wie sich herausstellt, die eigentliche Hauptfigur des Verfahrens, eine Überlebende jenes Ferienhotels, in dem Duric mit seinen Leuten im Krieg gehaust hat. Aber Mira will nicht reden. Erst unter dem doppelten Druck der Staatsanwältin und jener Leute, die die Verbrechen um jeden Preis vertuschen wollen, entschließt sie sich, vor dem Tribunal auszusagen. Man hätte die einzelnen Etappen dieser Entscheidung, etwa die Entführung von Miras Kind, auch stärker dramatisieren können, aber Schmid und sein Drehbuchautor Bernd Lange halten den Blick des Zuschauers auf Distanz. Diese erzählerische Ökonomie hat etwas Herzloses, aber sie dient den Absichten des Films.
Denn das, was Schmid und Lange uns zeigen wollen, ist etwas anderes. Wir sollen begreifen, wie eine Institution, die geschaffen wurde, um Menschenrechtsverletzungen zu bestrafen, ihrem eigenen Zweck zuwiderlaufen kann - und wie sich dieses Versagen für die Beteiligten anfühlt. Als Mira endlich in Den Haag angekommen ist, wo sie mit ihrem Kind wie eine Gefangene im Hotelzimmer lebt, wollen Hannahs Vorgesetzte ihre Aussage nicht zulassen. Eine neue Wendung des Prozesses, heißt es, würde den Zeitplan des Tribunals durcheinanderbringen und seine planmäßige Abwicklung im Jahr 2010 gefährden. Hinter den Kulissen werden jetzt die Deals geschlossen, zwischen dem Chefankläger (Stephen Dillane) und dem Verteidiger von Duric, zwischen der EU in Gestalt von Lassgård und den beitrittswilligen Serben. Nur die beiden Frauen sind nicht bereit, die Wahrheit für ein Stück Papier zu verraten. Und wieder vergibt Schmid scheinbar fahrlässig die Chance, uns mit bewährten Kinomitteln zu überwältigen. Hannah und Mira als Thelma und Louise gegen den Beamtenfilz in Den Haag - wie leicht hätte man das hindrehen können. Aber wir sollen ja nicht heulen, sondern verstehen. Und so bekommen die Anklägerin und ihre Zeugin nur einen kurzen Augenblick des gemeinsamen Triumphs, dann ist die Frauenfreundschaft vorbei. Die Anwältin Maynard, die die Spielregeln ihres Arbeitgebers gebrochen hat, wird ihre Karriere anderswo fortsetzen müssen. Und Mira wird in ihr posttraumatisches Leben im kriegsfernen Berlin zurückkehren.
"Sturm" ist kein tearjerker, kein Genrefilm, der uns mit konstruierten Konflikten Gefühle abpresst. Es ist ein Film, der es sehr ernst nimmt mit der Wahrheit, jener des Gerichts und jener der Menschen, die vor ihm stehen. Schließlich ist das, was er erzählt, noch lange nicht Geschichte. Am Anfang sieht man Goran Duric seelenruhig mit seiner Familie in einem spanischen Supermarkt einkaufen. Die Mörder, heißt das, sind immer noch unter uns.
ANDREAS KILB
Ab Donnerstag im Kino.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main