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Einst verhüllte das Fastentuch, auch Schmachtlappen oder Hungertuch genannt, während der Fastenzeit das Kruzifix in den Kirchen. Das Große Zittauer Fastentuch von 1472 ist als einziges bei uns erhaltenes Beispiel des Feldertyps das drittgrößte weltweit. 90 prächtige Einzelbilder nach biblischen Motiven wurden auf ein 9 mal 7 Meter großes Leinentuch gemalt. So wandelte sich ein verhüllendes Hilfsmittel zu einem Werk von ganz eigener Schönheit und Präsenz, das heute in Zittau wieder zu bestaunen ist. Der Film verfolgt die Geschichte und den Werdegang dieses mittelalterlichen Kunstwerks. Die…mehr

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Produktbeschreibung
Einst verhüllte das Fastentuch, auch Schmachtlappen oder Hungertuch genannt, während der Fastenzeit das Kruzifix in den Kirchen. Das Große Zittauer Fastentuch von 1472 ist als einziges bei uns erhaltenes Beispiel des Feldertyps das drittgrößte weltweit.
90 prächtige Einzelbilder nach biblischen Motiven wurden auf ein 9 mal 7 Meter großes Leinentuch gemalt. So wandelte sich ein verhüllendes Hilfsmittel zu einem Werk von ganz eigener Schönheit und Präsenz, das heute in Zittau wieder zu bestaunen ist. Der Film verfolgt die Geschichte und den Werdegang dieses mittelalterlichen Kunstwerks. Die einzelnen Bilder und ihre Machart werden nahezu forensisch untersucht. Die Kamera dringt in das grobe Leinen ein, scannt es in Parallelfahrten. In Interviewpassagen kommen Menschen zu Wort, die einen Bezug zum Fastentuch haben. Bernhard Sallmann webt einen Teppich aus Erzählungen über die Wiederbelebung von Objekten, den Zusammenhang von Kunst und Religion und Methoden der Restauration. Aus den biblischen Geschichten von der Entstehung der Welt, aber auch dem späteren calvinistischen Bilderverbot - das Tuch ist eigentlich ein Bilder-Verhüllungstuch, aus dem eine Bilderflut hervorbricht - erwächst die Geschichte des Kulturraums um Zittau im Dreiländereck Deutschland, Tschechien und Polen.
Autorenporträt
Bernhard Sallmann, geboren 1967 in Linz, ist ein in Berlin ansässiger freier Fimemacher. Besondere Beachtung erfuhren seine engagierten Arbeiten zur Lausitz und insbesondere der vierteilige Zyklus zu Fontanes Wanderungen.
Rezensionen
Fastentuch 1472
Sich mit einem fremden Objekt befassen - nicht aus dem Weltraum, sondern aus dem eigenen Kulturraum, dem europäisch-deutschen (Zittau im Dreiländereck Deutschland, Tschechien, Polen). Ein irdisches Objekt also, von dem wir uns geschichtlich so weit entfernt - uns ihm entfremdet - haben, dass es uns tatsächlich vorkommt wie von einem anderen Stern. Ein Objekt allerdings, das eine ganz vertraute Geschichte erzählt, in Bildern und Worten spricht, die an etwas rühren, das uns von altersher bekannt sein müsste.
Mehrfache Arbeit, die dieser Film leistet: Er bringt uns optisch/kinematographisch die Bilderzählung nahe, die auf dem Großen Zittauer Fastentuch in einer Folge von neunzig Bildern dargestellt ist - und findet eine Sprache für dieses (aus dem Alten und dem Neuen Testament) Dargestellte. Er begibt sich in die Bilder hinein, spricht aus ihnen heraus, transponiert den darin enthaltenen Ausdruck samt den Legenden in ein heute verständliches Deutsch. Dann bestimmt er - historisch, materiell, ideell - den Charakter dieses Objekts, situiert es durch Interviews mit Personen, die dazu maßgeblich etwas zu sagen haben, aus heutiger Perspektive neu.
Das macht, dass uns dieses fremde Objekt sehr nahe kommt - und doch der notwendige (weil gegebene) Abstand gewahrt bleibt. Ein mittelalterliches Weltbild eröffnet sich, das ganz im Glauben lebt, innig ist, von naiver Frömmigkeit. Den da dargestellten biblischen Figuren haftet überwiegend der Gesichtsausdruck eines kindlichen Staunens an, wie wenn der oder die (anonymen) Maler einfach die schöne Einfalt aufgegriffen hätten des gläubigen Volkes um sie herum.
Schon die Bezeichnungen, mit denen wir diese Welt charakterisieren, entfernt sie von uns, machen den Abstand und die 'Verlorenheit' klar. (Es sei denn, wir gucken ein bisschen unseren Kindern und vielleicht den Simpeln und Toren zu.) Aber lautet die Lektion nicht vielmehr: Verloren waren nicht die Menschen dieser vergangenen Welt, verloren sind vielmehr wir. Wir haben uns (mit unseren heutigen Fantasmen, im Bann der "Technosphäre", dem "Diktat des Augenblicks") gut erhoben über ein 'geschlossenes Weltbild' (das immerhin für eine gewisse Geborgenheit bürgte) - in ein paar Jahrzehnten schon wird man unser heutiges Weltbild als genauso antiquiert ansehen. 'Was haben die sich bloß eingebildet, damals!' (Vorausgesetzt, irgendeine Art Urteilsvermögen ist noch in Kraft in der künftigen Menschheitsgeschichte.) Und wenn man sich vor Augen hält, dass der Abstand zum Fastentuch-Weltbild (vor dem Hintergrund der 'Schöpfungsgeschichte', den ca. 4,6 Milliarden Jahren Evolution auf dem Planeten) eigentlich nicht mehr ist als ein Wimpernschlag, will einem scheinen, dass diese Art Überstürzung und Überhebung nur im Nichts (woher wir gekommen sind) enden kann.
Johannes Beringer, https://newfilmkritik.de/archiv/2015-10/fastentuch-1472
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