Die von Goethe in seinem faszinierenden Drama „Faust, Erster Teil“ erzählte Geschichte ist bekannt: Der ob seines beschränkten Wissens über die Grundprinzipien des Seins verzweifelten Wissenschaftler Faust wird vom Teufel verführt. Dieser wiederum hat mit Gott eine Wette laufen: Er will Faust vom
rechten Weg abbringen. Gelingt ihm dies, darf er dessen Seele behalten. Und er tut mit seiner Magie…mehrDie von Goethe in seinem faszinierenden Drama „Faust, Erster Teil“ erzählte Geschichte ist bekannt: Der ob seines beschränkten Wissens über die Grundprinzipien des Seins verzweifelten Wissenschaftler Faust wird vom Teufel verführt. Dieser wiederum hat mit Gott eine Wette laufen: Er will Faust vom rechten Weg abbringen. Gelingt ihm dies, darf er dessen Seele behalten. Und er tut mit seiner Magie alles für sein Ziel. Faust folgt ihm bei seinen Verführungsversuchen bereitwillig, wird dabei aber schuldig: So kann er zwar mithilfe des Teufels das arme Gretchen verführen, das er schwängert. Aus Verzweiflung begeht sie Kindsmord und wird schließlich mit der Todesstrafe belegt. Damit endet „Faust I“, „Faust II“ entfaltet die Handlung auf einer weit komplexeren und viel allegorischeren Ebene weiter.
„Faust I“ ist ein Dauerbrenner auf deutschen Bühnen. Wohl jeder einigermaßen ambitionierte Theaterregisseur versucht sich daran mindestens einmal im Laufe seiner Bühnentätigkeit, und in praktisch jeder Spielsaison werden dem Klassikertext neue und originelle Aufführungsvarianten entlockt. Allerdings gibt es eine historische Inszenierung, vor der alle anderen bestehen müssen: Gustav Gründgens’ epochemachende Aufführung im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg (1956).
Davon wurde auch eine Fernsehfassung gedreht, mit der man heute noch dieser Sternstunde des deutschen Theaters nachspüren kann. Diese lebt vor allem, aber nicht nur vom Regietalent Gründgens sowie seiner schauspielerischen Ausnahmebegabung, die er in seiner Rolle des „Mephisto“ zeigt. Selten erlebt man ein derart perfektes Spiel, bei dem jede Geste, jedes Wort sitzt und das den Zuschauer von den ersten Szenen an in seinen Bann zieht. Aber auch die anderen Schauspieler dürfen nicht vergessen werden: Will Quadflieg ist ein kongenialer Faust, die heute weniger bekannte Ella Büchi trägt ein in seiner Schlichtheit voll glaubwürdiges Gretchen vor. Vom feinsten auch das Bühnenbild: Stark reduziert auf wenige Requisiten, wirken diese nur umso stärker, sie werden gleichsam stumme Mitspieler und Begleiter der menschlichen Akteure aus Fleisch und Blut, wobei man seit „Faust“ ja weiß, dass dies ein ganz besonderer Saft ist…
Die DVD ist bedienerfreundlich gehalten, jede Szene ist einzeln anwählbar. Als Bonusmaterial findet sich eine Dokumentation zum künstlerischen Schaffen Gründgens’. Eine besondere Note erhält die Aufführung übrigens durch die Lebensgeschichte Gründgens’, dessen Nähe zum NS-Regime ihn zu einer bis heute sehr umstrittenen Persönlichkeit macht. So zeichnete ihn Klaus Mann in seinem Roman „Mephisto“ bekanntlich als einen Künstler, der, durch die Nähe zur Macht verführt, einen Pakt mit dem Teufel, also mit Hitler, schließt. Die DVD ist also nicht nur als Theaterdokument interessant, sondern leitet fast zwangsläufig über zu einer Auseinandersetzung mit dem Thema „Gründgens und der Nationalsozialismus“. Damit erhält der Stoff des Dramas eine zeitnahe Aktualisierung – ein schlagender Beweis für die Zeitlosigkeit, die der Faust-Geschichte innewohnt! Auf jeden Fall ist die DVD für jeden Theater- und Literaturinteressierten ein absolutes Muss. Und: Man muss gar keinen Pakt mit dem Teufel schließen, um an sie zu kommen…