Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 2,20 €
  • DVD

Technische Angaben: Bildformat: 1.33:1 (4:3) Sprachen (Tonformat): Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0) Ländercode: 2 Extras: Trailershow; Filmografien
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Trailer von anderen Filmen - Kapitel- / Szenenanwahl - Filmografien

Produktbeschreibung
Technische Angaben:
Bildformat: 1.33:1 (4:3)
Sprachen (Tonformat): Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0)
Ländercode: 2
Extras: Trailershow; Filmografien

Bonusmaterial

DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Trailer von anderen Filmen - Kapitel- / Szenenanwahl - Filmografien
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.1995

Geschnorrte Motive für die Phantasie
Der Regisseur am Pranger: Kino im Kino beim Filmfestival Mannheim-Heidelberg

Barney Barnaby ähnelt Humphrey Bogart. Der Kinoamateur ahmt in seinem Alltag Leinwandabenteuer des Stars nach. Zwischen Gangstern und möglichen Geliebten bedrückt Barnaby vor allem eines: daß er im Ernstfall nur stammelt, wo Bogart, aufs Drehbuch gestützt, zärtlich oder ruppig ein Machtwort spräche.

Genaugenommen freilich ist Barnaby selbst ein Leinwandheld, die Hauptfigur der gewitzten Camouflage "Finding Interest", die beim 44. Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg zu den interessantesten unter den siebenundzwanzig Wettbewerbsbeiträgen gehörte. Die beiden amerikanischen Nachwuchsregisseure Samer Daboul und Trevor Sands haben aus eigener Story und geschnorrten Motiven ein Spiel um Schein und Sein ausgeheckt, das in den besten Momenten Hollywoodstandards erreicht und karikiert, im Thriller Kinotheorie versteckt. "We are film lovers before we are film makers", bemerkte Sands dazu. Längst schon gibt es in der Filmproduktion nicht mehr den Geniestreich aus dem Nichts.

Extrem anderen Traditionen verpflichtet ist der russische Wettbewerbsbeitrag "Der Mörder", der ebenfalls das Kino im Kino reflektiert. Der junge Armenier Boris Airapetyan beginnt seinen Film um einen alternden Regisseur mit dessen schlimmstmöglichem Albtraum: Sein liebster Film wird verbrannt, er selbst steht einsam am Pranger, die Menge gafft stumm und stumpf in die um die Zelluloidrolle züngelnden Flammen. Im "Mörder" bebt noch einmal der Schock totalitärer Zensur nach. Eine zerstörerische Politik zerstückelt Lebens- wie Filmentwürfe der Hauptfigur. In Rückblenden und Überblendungen spaltet und verschachtelt Airapetyan drei Lebensphasen seines fiktiven Regisseurs, bis dieser endlich bei Dreharbeiten in einer Kirchenruine Filmemachen als Befreiungsakt erlebt. Metaphysik und intime Reminiszenzen wie bei Tarkowski und Ingmar Bergman? Airapetyan macht sich diese Verbindung originell zu eigen, wenn er sie in atemraubenden Montagen mit politischer und detektivischer Schärfe grundiert.

Es ist die gelegentliche Entdeckung solcher frischen Talente, die mit dem kunterbunten Angebot der Filmwoche Mannheim-Heidelberg versöhnt. Das Festival, das mehr als hundert Filme präsentierte, setzt auf Independents, im Wettbewerb speziell auf den Nachwuchs. Die Auswahl für diese Konkurrenz mehr oder minder Unbekannter bleibt immer auch Mutprobe und Glücksspiel. Nur Enthusiasten wie der Festivaldirektor Michael Kötz und seine Mitarbeiter können alle Jahre wieder versprechen, unter den Anfängern von heute die Meister von morgen zu treffen. Ihr Wagnis wird allerdings dadurch erleichtert, daß sich die Erfolgsquote so schnell nicht überprüfen läßt. Als lebhafter Beweis, wie das Qualitätskalkül des Festivals aufgehen kann, war diesmal Edgar Reitz eingeladen. Einerseits kommentierte er sein ebenso skeptisches wie beschwingtes Debüt "Mahlzeiten" von 1966, das seinerzeit in Mannheim preisgekrönt wurde, andererseits referierte er über die digitale Zukunft des Kinos, die in seinem jüngsten Film "Die Nacht der Regisseure" schon begonnen hat.

Überhaupt versammelte das Programm in Nebenreihen und Special Screenings diesmal mancherlei Prominenz. Mit internationalem Staraufgebot (Erland Josephson, Robert Mitchum, Cliff Robertson, Hanna Schygulla) lockte die im vorigen Herbst während des Festivals in Heidelberg gedrehte europäische Produkion "The Sunset Boys". Der norwegische Regisseur Leidulv Risan begleitet in einer teils trivialen, teils skurrilen Story vier alte Studienfreunde vorm Lebensende zurück an den Ort ihrer Jugendlieben und politischen Schrecken. Effektvoll kontrastiert er verklärende heutige Ansichten Heidelbergs mit der nationalsozialistisch verschandelten Stadt von 1937.

Im Kinozelt auf dem Heidelberger Universitätsplatz erwies sich der Film als Publikumsmagnet. Das früher auf Mannheim begrenzte Festival hat durch die erst im vorigen Jahr besiegelte Partnerschaft mit der berühmten Nachbarstadt, in der das Gesamtprogramm parallel präsentiert wird, nicht nur an Finanzvolumen und Image, sondern auch an - stürmischer studentischer - Zuschauergunst gewonnen.

Neu war die Programmsparte "An Independent Life". Die Resonanz darauf testeten versprengte Kostproben aus dem Schaffen so verschiedener Regisseure wie John Cassavetes, Marguerite Duras, Alexander Kluge. Markanter wäre es gewesen, hier mit der geballten Präsentation eines Gesamtwerks endlich einmal einen Schwerpunkt zu setzen. Komplementär zu den begabten "US-Independents" inner-und außerhalb des Wettbewerbs hätten diesmal die Filme Cassavetes' aufschlußreiche Vergleiche erlaubt. Gerade Cassavetes' Talent, seinen Figuren über das Erzählmuster hinaus Geheimnis und Spielraum zu gönnen, hat offensichtlich junge amerikanische Regisseure beeinflußt. Der Debütant Peter Hall versucht Ähnliches in "Delinquent", einer Mischung aus Pubertätsstudie und Krimi, Steve Chbosky in "The Four Corners of Nowhere", der Reise eines modernen Tramps durch Beziehungskrisen und Denkmoden, Neil Abramson in "Without Air", einem "Inner City Blues" um Lieblosigkeit, Drogen und Tod, der beim Festival als "Most Promising Newcomer" ausgezeichnet wurde.

Der oft beliebig wirkenden Programmvielfalt entsprach die weite Streuung des Preissegens. Als "Bester Spielfilm" wurde der exotischste Beitrag gewählt, "Keita, l'héritage du griot", der auch der Ökumenischen Jury eine Auszeichnung wert war. Dani Kouyaté aus Burkina Faso versucht hier eine Neugeburt des Films aus dem Geist afrikanischer Oral Poetry, verbal reizvoll, visuell bloß konventionell. Als "Bester Dokumentarfilm" behauptete sich Hiroshi Shinomiyas "Scavengers", eine japanische Langzeitstudie über das Leben der Ärmsten Manilas auf und von einer Müllkippe. Übersehen wurde die sehenswerte schwedische Dokumentation "Verrat", in der Fredrik von Krusenstjerna und Björn Cederberg klug und lakonisch der schon vor dem Stasi-Sündenfall chamäleonhaften Biographie Sascha Andersons nachgehen: Ganz und gar kein Wunschkind, stilisierte Anderson sich gerne zur großen Wunscherfüllung für wechselnde Freunde und Partnerinnen.

Der besinnungslose Trip ins Übersinnliche charakterisierte diesmal die schwächsten Wettbewerbsbeiträge. Auffallend oft machten alte Geister und Götter die Runde und verführten gerade junge skandinavische Regisseurinnen zum Verzicht auf schlüssige Dramaturgie. Durch präzise Stilisierung und Komposition bestach hingegen der japanische Film "Alice Sanctuary" von Takaaki Watanabe, eine bittersüße moderne Liebestragödie. Akiko-Alice aus bestem Haus verliebt sich in einen vernachlässigten Mitschüler, der die Unbedingtheit ihrer Zuneigung nicht teilen kann. Ichschwach und zu exklusiven Emotionen unfähig, sympathisiert er ausgerechnet mit der Motorradfahrergang, die über seine Freundin spottet, sie mißbraucht und in den Tod treibt. In ritueller Choreographie geht Alice hier unter im Wundenland.

Zur neuen Kinowelle unspektakulärer italienischer Selbstreflexion gehört Stefano Incerti mit "Il verificatore" (Fassbinder-Spezialpreis). An Gianni Amelio erinnernd, macht Incerti mit der Kamera Kontrollgänge in intime Reservate italienischen Bewußtseins. Fern von touristischen Attraktionen, in anrüchigen Quartieren auf Schattenseiten Neapels liest der Einzelgänger Crescenzio nicht nur den Gasverbrauch ab, sondern sprachlos auch den Stand von Korruption und Promiskuität. Nur für Momente leuchtet in der allseitigen Misere eine Sehnsucht auf, wenn der massige Crescenzio die zarte Giuliana sieht. Doch befangen in Selbstzweifeln, gelähmt von zweideutigen Machenschaften um ihn herum, wagt der Ableser bis zur Katastrophe nicht, die Angestellte der Gewalt ihres Chefs zu entreißen. Den verhaltenen Grundton der Verunsicherung, der diesen Film durchzieht, steigert Incerti schließlich zum Alarmsignal. Den strengen Filmen Watanabes und Incertis fehlt nur noch eines: der Verleih, der sie ins Kino bringt. EVA-MARIA LENZ

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr