Es gibt für den menschlichen Geist kein Niemals, höchstens ein Noch nicht. Schon von den frühen Tagen an ist das Kino auf den Mond gefahren. Die erste richtig große und ernsthafte Mission aber fand 1929 von Deutschland aus statt: "Frau im Mond" von Fritz Lang ging drei Jahre nach der Vision von der Zukunftsstadt "Metropolis" mit naturwissenschaftlichem Ernst und dem Pathos der Ingenieure an die Sache heran, blieb im Kern aber trotzdem ein romantisches Unternehmen. Ein verrückter Professor (Klaus Pohl) hat eine "Mondgoldtheorie", für die wahren Helden geht es auf dem Erdtrabanten aber um den Triumph, der allein die Alternative zwischen den "Kaufleuten" und den "Phantasten und Idealisten" aufheben kann: um die wahre Liebe, die Währung des Kinos.
Bonusmaterial
Beil.: BookletFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.02.2010Aus der romantischen Frühzeit der Raketen
Der Film, der den Countdown erfand: Über Fritz Lang und "Die Frau im Mond"
Die Filmgeschichte ist kein Sonntagsausflug. Sie gleitet nicht sanft dahin, während an ihren Ufern Burgen, Städte und Dörfer vorbeiziehen - nein, sie vollzieht sich in Sprüngen und Beben, bei denen ganze Landschaften zusammenstürzen und neu entstehen, sie schüttelt das Kino durch, bis kein Bild mehr auf dem anderen steht. Ihr Bewegungsprinzip ist die permanente Revolution.
Die wichtigste aller Kinorevolutionen ereignete sich vor gut achtzig Jahren. Damals brach, von Amerika kommend, der Tonfilm über Europa herein. 1927 kam der erste "tönende Film", das Musical "The Jazz Singer" mit Al Jolson, in die Kinos, bereits zwei Jahre später entstanden fast nur noch Tonspielfilme. Nicht allen gefiel diese Entwicklung. Rudolf Arnheim, der große Kunsttheoretiker und Gestaltpsychologe, klagte in der "Weltbühne", das Kino habe die "breite Landstraße" der Filmkunst verlassen, um auf einem "holprigen Feldweg" weiterzufahren: "Kaum war der Tonfilm da, so siegte der Bluff über die Qualität." Der technische Fortschritt war dennoch nicht aufzuhalten. Ab 1930 wurden auch in Deutschland keine Stummfilme mehr produziert.
Ein Jahr zuvor aber hatte die Ufa noch einmal alles auf die Stummfilmkarte gesetzt. Begleitet von Anzeigenkampagnen und üppig bebilderten Vorberichten, entstand seit Anfang 1929 in den Babelsberger Studios das Science-Fiction-Märchen "Frau im Mond" unter der Leitung des bewährten Großregisseurs Fritz Lang. Zwar hatten die Ufa-Gewaltigen Lang nach dem kommerziellen Misserfolg seines Monumentalfilms "Metropolis" eine Weile ihre Gunst entzogen. Aber schon Langs nächster Film "Spione" brachte die Kassen wieder zum Klingeln und den Regisseur zurück ins große Spiel mit den großen Budgets. Bei "Frau im Mond" stand Lang ein weiteres Mal der gewaltige Apparat zur Verfügung, den er bei "Metropolis" und den "Nibelungen" eingesetzt hatte - Studiohallen, Kulissen, Statisten, die geballte Finanzkraft eines Filmkonzerns. Dazu kam die technische Elite der deutschen Kinobranche: die Bühnenbildner Otto Hunte und Karl Vollbrecht, der Kameramann Oskar Fischinger, der Komponist Willy Schmidt-Gentner. Als Berater verpflichtete Lang den Raumflugpionier Hermann Oberth, der seit 1917 an der Entwicklung einer mit Flüssiggas angetriebenen Rakete saß, und den Wissenschaftspublizisten Willy Ley. Für die Mondlandschaften seines Films ließ er eine Güterzugladung Sand von der Ostseeküste heranschaffen.
Die Fußspur des Kinos
Über die Dreharbeiten zu "Frau im Mond" gibt es eine Episode, die ein funkelndes Licht auf den experimentellen Grundzug der Geschichte wirft. Eines Tages legte sich Oberth in eine Ecke des Studios und ließ sich von Bühnenarbeitern schwere Eisenstücke auf die Brust laden. Als Lang hinzustürzte und ihn fragte, ob er sich etwa umbringen wollte, antwortete der halb erstickte Raumpionier: "Nein, Herr Lang, ich probiere nur die Anziehungskraft an mir aus."
Dieser spielerische und zugleich ganz ernsthafte Umgang mit den Naturgesetzen und den menschlichen Möglichkeiten prägt auch viele Szenen des Films. Das beginnt mit dem Start der Rakete, bei dem Willy Fritsch mit letzter Kraft einen Hebel umlegen muss, der den Schub des Raumschiffs bremst, bevor es unwiderruflich in die leeren Weiten des Alls davonrast, und endet mit der letzten Szene auf dem Mond, die ein romantisches Liebesidyll entwirft, von dem sich die raumfahrende Menschheit lange verabschiedet hat. Anders als Oberth und Lang wissen wir mittlerweile, dass es weder Sauerstoff noch Gold auf unserem Trabanten gibt, und haben uns auch deshalb innerlich ein Stück weit von ihm verabschiedet. In der kultischen Verehrung, die heute den Astronauten der Apollo-Mondmissionen zuteilwird, steckt aber immer noch ein Rest der langschen Raketenromantik von 1929, und nur vor dem Hintergrund dieses Erobererstolzes kann eine Szene wie die Eröffnungssequenz von Roland Emmerichs "Independence Day", in der die Fußspur des Menschen im Meer der Stille von fremden Angreifern ausgelöscht wird, ihre schockierende Wirkung entfalten.
Rudolf Arnheim, der wütende Verteidiger des Stummfilms, hat auch eine der ersten Kritiken zu "Frau im Mond" geschrieben. "Die Fritz-Lang-Filme", beginnt sie, "sind Parvenüs: zu Geld gekommene Hintertreppenromane." Das war abwertend gemeint, aber heute liest man es als Lob. Denn dass im Weltall keine Tolstoi-Stoffe, sondern eher Comic-Geschichten und Dreigroschenabenteuer blühen, haben wir inzwischen gelernt, und der kleine Junge mit seinen Nick-Carter-Heftchen, der als blinder Passagier mit den fünf Astronauten auf den Mond fliegt, ist unser eigentlicher Stellvertreter im Bild. In den Carter-Comics, die auch nicht sehr viel fiktionaler sind als die reale Weltraumforschung der zwanziger Jahre, hat er sich ein Fachwissen angelesen, das er bei der Monderkundung gut gebrauchen kann, und nicht zufällig tritt er am Ende als einer von bloß zwei Heimkehrern die Rückreise zur Erde an. Dieser Junge - er heißt Gustav - wird sieben Jahrzehnte später als Anakin Skywalker auf die Leinwand zurückkehren, um die Macht in der Galaxie an sich zu reißen. Hier, in Fritz Langs Mondphantasie von 1929, tritt er zum ersten Mal ins Bild.
"Frau im Mond" ist nicht nur ein Film von Lang, sondern auch eine Story von Thea von Harbou, seiner Ehefrau und Drehbuchautorin. Deshalb handelt die Geschichte von finsteren Mächten, verrückten Wissenschaftlern, verliebten Forschern und sagenhaften Goldschätzen, ungefähr so, als hätten die Brüder Grimm einen Stanislaw-Lem-Stoff umgearbeitet. Eine gute Stunde vergeht damit, dass die Besatzung des Raumschiffs durch allerlei Intrigen, Maskeraden, Herzensverwicklungen und Handgreiflichkeiten zusammengeschüttelt wird, bevor endlich die Rakete zur Startrampe rollt. Dann aber ist Lang in seinem Element. Miniaturmodelle, Großbauten, Spiegel- und Bewegungstricks, Lichteffekte und Überblendungen - alles, was bei der Ufa gut und teuer war, wird für die Cape-Canaveral-Szene (die man sich auf dem Tempelhofer Flugfeld vorstellen soll) aufgeboten. Heute entsteht dergleichen am Computer, die Animationen sind glatter und gefälliger, und von wassergestützten Startbasen, wie "Frau im Mond" sie zeigt, hat man sich begreiflicherweise verabschiedet. Trotzdem ist im Grunde nichts wesentlich Neues dazugekommen seit Langs Zeiten. Vor zwölf Jahren ging Jodie Foster in "Contact" auf die Reise durch ein Wurmloch ins All, und bis auf ein paar digitale Schmankerl war die Dramaturgie ihres Abflugs noch immer dieselbe.
Die Formeln der Ästhetik
Als Lang überlegte, wie er den Start der Rakete filmisch akzentuieren könnte, entschloss er sich, auf Schrifttafeln den Zündungsvorgang von sechs bis null herunterzuzählen. Bei diesem Countdown ist es geblieben, auch wenn die NASA seit den fünfziger Jahren schon bei zehn zu zählen beginnt. Aber man darf nie vergessen, dass es der Film war, der die ästhetischen Formeln der bemannten Raumfahrt erfunden hat. Die Wissenschaft lieferte nur die Maschinen. Auch die Rakete, die Lang und Oberth zusammen entwickelten, war ihrer Zeit voraus. Als die Nationalsozialisten sie sich zehn Jahre später den Ufa-Fundus genauer anschauten, fanden sie, dass das alte Stummfilmrequisit ihrer nagelneuen Geheimwaffe V2 verräterisch ähnlich sah. Sie ließen es vernichten.
"Frau im Mond" war Fritz Langs letzter Stummfilm. Als die Ufa Lang zwingen wollte, einzelne Szenen nachzuvertonen, brach er mit dem Konzern. Sein nächster Film, eine Kindermörder- und Verbrechergeschichte, brachte die Leinwand auf nie dagewesene Weise zum Klingen: "M". Statt sich gegen die Tonfilmrevolution zu stemmen, setzte sich Lang an ihre Spitze. Die Bilderwelten seiner "Frau im Mond" ließ er wie ein abgelegtes Kleid hinter sich. Heute muss man sie neu entdecken, in einem Film, der sowohl zu früh als zu spät kam. Zu spät jedenfalls für die zwanziger Jahre. Aber früh genug für unsere Zeit.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Film, der den Countdown erfand: Über Fritz Lang und "Die Frau im Mond"
Die Filmgeschichte ist kein Sonntagsausflug. Sie gleitet nicht sanft dahin, während an ihren Ufern Burgen, Städte und Dörfer vorbeiziehen - nein, sie vollzieht sich in Sprüngen und Beben, bei denen ganze Landschaften zusammenstürzen und neu entstehen, sie schüttelt das Kino durch, bis kein Bild mehr auf dem anderen steht. Ihr Bewegungsprinzip ist die permanente Revolution.
Die wichtigste aller Kinorevolutionen ereignete sich vor gut achtzig Jahren. Damals brach, von Amerika kommend, der Tonfilm über Europa herein. 1927 kam der erste "tönende Film", das Musical "The Jazz Singer" mit Al Jolson, in die Kinos, bereits zwei Jahre später entstanden fast nur noch Tonspielfilme. Nicht allen gefiel diese Entwicklung. Rudolf Arnheim, der große Kunsttheoretiker und Gestaltpsychologe, klagte in der "Weltbühne", das Kino habe die "breite Landstraße" der Filmkunst verlassen, um auf einem "holprigen Feldweg" weiterzufahren: "Kaum war der Tonfilm da, so siegte der Bluff über die Qualität." Der technische Fortschritt war dennoch nicht aufzuhalten. Ab 1930 wurden auch in Deutschland keine Stummfilme mehr produziert.
Ein Jahr zuvor aber hatte die Ufa noch einmal alles auf die Stummfilmkarte gesetzt. Begleitet von Anzeigenkampagnen und üppig bebilderten Vorberichten, entstand seit Anfang 1929 in den Babelsberger Studios das Science-Fiction-Märchen "Frau im Mond" unter der Leitung des bewährten Großregisseurs Fritz Lang. Zwar hatten die Ufa-Gewaltigen Lang nach dem kommerziellen Misserfolg seines Monumentalfilms "Metropolis" eine Weile ihre Gunst entzogen. Aber schon Langs nächster Film "Spione" brachte die Kassen wieder zum Klingeln und den Regisseur zurück ins große Spiel mit den großen Budgets. Bei "Frau im Mond" stand Lang ein weiteres Mal der gewaltige Apparat zur Verfügung, den er bei "Metropolis" und den "Nibelungen" eingesetzt hatte - Studiohallen, Kulissen, Statisten, die geballte Finanzkraft eines Filmkonzerns. Dazu kam die technische Elite der deutschen Kinobranche: die Bühnenbildner Otto Hunte und Karl Vollbrecht, der Kameramann Oskar Fischinger, der Komponist Willy Schmidt-Gentner. Als Berater verpflichtete Lang den Raumflugpionier Hermann Oberth, der seit 1917 an der Entwicklung einer mit Flüssiggas angetriebenen Rakete saß, und den Wissenschaftspublizisten Willy Ley. Für die Mondlandschaften seines Films ließ er eine Güterzugladung Sand von der Ostseeküste heranschaffen.
Die Fußspur des Kinos
Über die Dreharbeiten zu "Frau im Mond" gibt es eine Episode, die ein funkelndes Licht auf den experimentellen Grundzug der Geschichte wirft. Eines Tages legte sich Oberth in eine Ecke des Studios und ließ sich von Bühnenarbeitern schwere Eisenstücke auf die Brust laden. Als Lang hinzustürzte und ihn fragte, ob er sich etwa umbringen wollte, antwortete der halb erstickte Raumpionier: "Nein, Herr Lang, ich probiere nur die Anziehungskraft an mir aus."
Dieser spielerische und zugleich ganz ernsthafte Umgang mit den Naturgesetzen und den menschlichen Möglichkeiten prägt auch viele Szenen des Films. Das beginnt mit dem Start der Rakete, bei dem Willy Fritsch mit letzter Kraft einen Hebel umlegen muss, der den Schub des Raumschiffs bremst, bevor es unwiderruflich in die leeren Weiten des Alls davonrast, und endet mit der letzten Szene auf dem Mond, die ein romantisches Liebesidyll entwirft, von dem sich die raumfahrende Menschheit lange verabschiedet hat. Anders als Oberth und Lang wissen wir mittlerweile, dass es weder Sauerstoff noch Gold auf unserem Trabanten gibt, und haben uns auch deshalb innerlich ein Stück weit von ihm verabschiedet. In der kultischen Verehrung, die heute den Astronauten der Apollo-Mondmissionen zuteilwird, steckt aber immer noch ein Rest der langschen Raketenromantik von 1929, und nur vor dem Hintergrund dieses Erobererstolzes kann eine Szene wie die Eröffnungssequenz von Roland Emmerichs "Independence Day", in der die Fußspur des Menschen im Meer der Stille von fremden Angreifern ausgelöscht wird, ihre schockierende Wirkung entfalten.
Rudolf Arnheim, der wütende Verteidiger des Stummfilms, hat auch eine der ersten Kritiken zu "Frau im Mond" geschrieben. "Die Fritz-Lang-Filme", beginnt sie, "sind Parvenüs: zu Geld gekommene Hintertreppenromane." Das war abwertend gemeint, aber heute liest man es als Lob. Denn dass im Weltall keine Tolstoi-Stoffe, sondern eher Comic-Geschichten und Dreigroschenabenteuer blühen, haben wir inzwischen gelernt, und der kleine Junge mit seinen Nick-Carter-Heftchen, der als blinder Passagier mit den fünf Astronauten auf den Mond fliegt, ist unser eigentlicher Stellvertreter im Bild. In den Carter-Comics, die auch nicht sehr viel fiktionaler sind als die reale Weltraumforschung der zwanziger Jahre, hat er sich ein Fachwissen angelesen, das er bei der Monderkundung gut gebrauchen kann, und nicht zufällig tritt er am Ende als einer von bloß zwei Heimkehrern die Rückreise zur Erde an. Dieser Junge - er heißt Gustav - wird sieben Jahrzehnte später als Anakin Skywalker auf die Leinwand zurückkehren, um die Macht in der Galaxie an sich zu reißen. Hier, in Fritz Langs Mondphantasie von 1929, tritt er zum ersten Mal ins Bild.
"Frau im Mond" ist nicht nur ein Film von Lang, sondern auch eine Story von Thea von Harbou, seiner Ehefrau und Drehbuchautorin. Deshalb handelt die Geschichte von finsteren Mächten, verrückten Wissenschaftlern, verliebten Forschern und sagenhaften Goldschätzen, ungefähr so, als hätten die Brüder Grimm einen Stanislaw-Lem-Stoff umgearbeitet. Eine gute Stunde vergeht damit, dass die Besatzung des Raumschiffs durch allerlei Intrigen, Maskeraden, Herzensverwicklungen und Handgreiflichkeiten zusammengeschüttelt wird, bevor endlich die Rakete zur Startrampe rollt. Dann aber ist Lang in seinem Element. Miniaturmodelle, Großbauten, Spiegel- und Bewegungstricks, Lichteffekte und Überblendungen - alles, was bei der Ufa gut und teuer war, wird für die Cape-Canaveral-Szene (die man sich auf dem Tempelhofer Flugfeld vorstellen soll) aufgeboten. Heute entsteht dergleichen am Computer, die Animationen sind glatter und gefälliger, und von wassergestützten Startbasen, wie "Frau im Mond" sie zeigt, hat man sich begreiflicherweise verabschiedet. Trotzdem ist im Grunde nichts wesentlich Neues dazugekommen seit Langs Zeiten. Vor zwölf Jahren ging Jodie Foster in "Contact" auf die Reise durch ein Wurmloch ins All, und bis auf ein paar digitale Schmankerl war die Dramaturgie ihres Abflugs noch immer dieselbe.
Die Formeln der Ästhetik
Als Lang überlegte, wie er den Start der Rakete filmisch akzentuieren könnte, entschloss er sich, auf Schrifttafeln den Zündungsvorgang von sechs bis null herunterzuzählen. Bei diesem Countdown ist es geblieben, auch wenn die NASA seit den fünfziger Jahren schon bei zehn zu zählen beginnt. Aber man darf nie vergessen, dass es der Film war, der die ästhetischen Formeln der bemannten Raumfahrt erfunden hat. Die Wissenschaft lieferte nur die Maschinen. Auch die Rakete, die Lang und Oberth zusammen entwickelten, war ihrer Zeit voraus. Als die Nationalsozialisten sie sich zehn Jahre später den Ufa-Fundus genauer anschauten, fanden sie, dass das alte Stummfilmrequisit ihrer nagelneuen Geheimwaffe V2 verräterisch ähnlich sah. Sie ließen es vernichten.
"Frau im Mond" war Fritz Langs letzter Stummfilm. Als die Ufa Lang zwingen wollte, einzelne Szenen nachzuvertonen, brach er mit dem Konzern. Sein nächster Film, eine Kindermörder- und Verbrechergeschichte, brachte die Leinwand auf nie dagewesene Weise zum Klingen: "M". Statt sich gegen die Tonfilmrevolution zu stemmen, setzte sich Lang an ihre Spitze. Die Bilderwelten seiner "Frau im Mond" ließ er wie ein abgelegtes Kleid hinter sich. Heute muss man sie neu entdecken, in einem Film, der sowohl zu früh als zu spät kam. Zu spät jedenfalls für die zwanziger Jahre. Aber früh genug für unsere Zeit.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main