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Vor rund 80 Jahren geschahen die größten Verbrechen der Menschheit: Holocaust und Zweiter Weltkrieg. Autor und Regisseur Joachim A. Lang beleuchtet auf bisher nicht gezeigte Weise die Zeit vom sogenannten „Anschluss“ Österreichs im März 1938 bis zum Untergang im Führerbunker im Mai 1945. Verhängnisvolle Jahre der Weltgeschichte, die ohne die mächtige Propagandamaschine unter Leitung von Joseph Goebbels nicht möglich gewesen wären. Der Minister hat das öffentliche Erscheinungsbild des Nationalsozialismus geprägt. Ein Bild, das auf fatale Weise bis heute nachwirkt. Auch heute, im Zeitalter von…mehr

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Produktbeschreibung
Vor rund 80 Jahren geschahen die größten Verbrechen der Menschheit: Holocaust und Zweiter Weltkrieg. Autor und Regisseur Joachim A. Lang beleuchtet auf bisher nicht gezeigte Weise die Zeit vom sogenannten „Anschluss“ Österreichs im März 1938 bis zum Untergang im Führerbunker im Mai 1945. Verhängnisvolle Jahre der Weltgeschichte, die ohne die mächtige Propagandamaschine unter Leitung von Joseph Goebbels nicht möglich gewesen wären. Der Minister hat das öffentliche Erscheinungsbild des Nationalsozialismus geprägt. Ein Bild, das auf fatale Weise bis heute nachwirkt. Auch heute, im Zeitalter von fake news und disinformation warfare, sind es wieder die gleichen Mechanismen der Propaganda, die moderne Hetzer anwenden, um Macht zu gewinnen und missbrauchen. Statt der üblichen, auf inszenierten Bildern basierenden Darstellung wählt der Film eine Fiktionalisierung, die auf historischen Quellen, bis hin zu verbrieften Dialogen, basiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.07.2024

Propaganda für das Opfervolk

Geschichte ist nicht das, was war, sondern das, was wir als Gesellschaft von dem, was war, wissen. Deshalb müssen wir Vergangenes immer wieder von Neuem erinnern, erzählen und wachrütteln, müssen darin wühlen und im Angesicht dessen, was heute ist, neu bewerten, was andere vor uns bereits sicher zu wissen glaubten. Geschichte ist kein toter Zustand, sondern lebendig, weil lebendige Menschen sie produzieren. "Führer und Verführer" des deutschen Regisseurs Joachim A. Lang ist einer dieser Filme, von dem man sagen könnte, "er kommt zur richtigen Zeit", weil er einen wunden Punkt, wenn nicht eine klaffende Wunde unseres Zusammenlebens adressiert. Es geht um die Mechanismen der ideologischen Machtausübung durch Propaganda unter NS-Minister Joseph Goebbels, die bis heute unser Bild von Hitler bestimmen.

Das Licht der Ereignisse, in dem wir als Zuschauer diesen Film freilich betrachten sollen, sind die in den letzten Jahren beängstigend anwachsenden Zustimmungswerte zu rechtsextremen Parteien, insbesondere der AfD, die bei Menschen im Osten, vor allem jüngeren, die ihre Nachrichten oft eher aus den pseudosozialen Netzwerken als aus der Zeitung beziehen, beliebt ist. Auch heute noch ist ihre Methode geschickte Verführung, die sich der Wahrheit längst nicht mehr verhaftet fühlt. Aber auch der neue alte Antisemitismus, der wieder offener denn je seit dem Zweiten Weltkrieg seine hässliche Fratze zeigt, muss Kontext eines jeden Betrachters von Langs Film sein. So lässt uns "Führer und Verführer" am Ende seines Blickes in den Maschinenraum des Faschismus mit dem Zitat des Auschwitz-Überleben Primo Levi zurück: "Es ist geschehen ... und folglich kann es wieder passieren." Worte, die ihre Wirkung bloß dann entfalten können, wenn die Darstellung dessen, wovor wir uns fürchten sollen, gelingt.

Seinen Anspruch formuliert der Film eingangs selbst: Er will die größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte aus der Nähe betrachten, um ihnen die Maske vom Gesicht zu reißen und die Mechanismen der Demagogie aufzudecken - und so "die Hetzer der Gegenwart entwaffnen". Und man kann Lang wahrlich nicht vorwerfen, er würde sich filmisch nichts trauen, um diesem Anspruch gerecht zu werden.

Kammerspielartig wagt er die Momente, in denen Hitler (gespielt von Fritz Karl) und seine engsten Vertrauten hinter verschlossenen Türen miteinander sprechen und in denen damals weder Kamera noch Tonband liefen, fiktiv zu inszenieren. Immer wieder verquickt er sie mit echten Aufnahmen historischer Ereignisse. Auch wenn die Inszenierung teils eher steif daherkommt, hat der Film mit Robert Stadlober, der Goebbels verkörpert, ein gutes Händchen: durch häufige Nahaufnahmen seiner markanten Mimik schafft er es, Goebbels Identifikationspotential einzuhauchen, obgleich der gesunde Menschenverstand sich doch eigentlich dagegen sträubt. Als Störmoment vor allzu viel Identifikation dienen kurze Einblendungen von Interviews mit Überlebenden wie Margot Friedländer, Charlotte Knobloch und Elly Gotz. Sie brechen mit der Täterperspektive.

Auch auf ein Spiel mit der Banalität des Bösen lässt sich Lang ein. Auch das ist ein Wagnis. So entfaltet der Film nicht bloß die Strategie der Propaganda, die Goebbels höchst wirkungsvoll für Hitler entwickelt und mit der er bis ins letzte Detail kontrolliert, welches Bild das Volk von ihm hat, sondern zeigt auch die private Seite seiner Akteure, die dem Volk verborgen blieb. Goebbels etwa verliebt sich noch vor Kriegsbeginn in die tschechische Sängerin Lída Baarová (Katia Fellin) und beginnt ein Verhältnis mit ihr, von dem seine Frau Magda Goebbels (Franziska Weisz) schon bald mitbekommt - und davon sogleich Hitler petzt, der Goebbels daraufhin die Affäre unter Gewaltandrohung verbietet. Wenn das Volk vom Scheitern der Vorzeigeehe hören würde, wäre das schließlich fatal für das Bild, das man von ihm hatte. Selbst die bürgerliche Familie ist bloß Schein.

Genauso wie das Bild der starken Männer, die Hitler vermeintlich umgeben. Wir lernen Hermann Göring als übergewichtigen "Mops" kennen, der gerne "barocke Kleider trägt", Heinrich Himmler als "Münchner Spießer", der "germanischen Quatsch" verbreite, und "den Führer" selbst als zittrigen Vegetarier, der es mag, mit Hunden zu spielen. Wir haben es nicht mit den Dämonen zu tun, als die sie angesichts ihrer Taten auf uns wirken mögen, sondern mit Menschen, die alltägliche Probleme haben und trotzdem zu unvorstellbarer Grausamkeit fähig sind.

Diese Intimität mit den Tätern stellt das Gegenbild zu Goebbels' Propagandabild her. Die Kluft zwischen dem, was die Welt von Hitler denken sollte, und dem, was er war, zumindest wenn wir Lang folgen, könnte tiefer kaum sein. An einer Stelle hören wir eine Aufnahme von Hitlers Stimme. Er spricht zweifelnd darüber, dass man im Winter keinen Krieg führen könne. Es ist eine echte Aufnahme. Sie wurde 1942 heimlich erstellt. Seine Stimme ist nicht wiederzuerkennen: kein aggressiv gerolltes R, keine Spur von der prätentiösen Modulation zwischen tiefem Brummen und schrillem Gebrüll, wie man sie kennt. Ein Beweis dafür, dass unser Bild von Hitler bis heute der Manipulation unterliegt.

Doch hier fehlt etwas Entscheidendes. Das Problem liegt in der doppelten Bedeutung des Wortes Verführer. Denn zum einen ist offenkundig das Volk hier das verführte: Hitler wird durch Goebbels zum charismatischen Führer im Sinne Max Webers erhoben, während das Volk (dem wir im Film kaum begegnen) selbst in Passivität verfällt und allem folgt, was Goebbels plant. Lang stellt seinem Opfervolk damit geradezu einen Wir-wussten-von-nichts-Blankoscheck aus und übersieht, dass nicht nur der Führer sein Volk wählt, sondern im gleichen Maße das Volk seinen Führer - und dass Propaganda nicht nur Sender, sondern ebenso willige Empfänger braucht. Zum anderen fragt sich der Zuschauer bei aller Annäherung an die Täter, ob Goebbels nicht selbst ein von der Macht, die Hitler ihm in Aussicht stellte, Verführter ist, denn "Führer und Verführer" lässt sich nicht nur auf Hitler und Goebbels, sondern auch allein auf Hitler beziehen.

Ansonsten wirkt "Führer und Verführer" vor allem stark um Vollständigkeit bemüht, wenn er seine historischen Stationen nacheinander abklopft: vom "Anschluss" Österreichs und des Sudetenlandes über die Pogromnacht und den Überfall auf Polen bis hin zur Rede im Sportpalast. Bei so viel künstlerischer Freiheit in der Inszenierung hätte dem Film in dieser Hinsicht Mut zur Lücke gut angestanden. Wenn Goebbels und seine Frau nach langen 135 Minuten Spieldauer in das Dunkel des Bunkers abtreten, mit dem der Film schließt, ist man heilfroh - nicht bloß angesichts des Endes des Faschismus. KIRA KRAMER

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