Gerichtsmedizinerin Dr. Samantha Ryan - Countdown zum Tod
In einer Zelle auf dem Polizeirevier kommt der Häftling Michael Pearce unter mysteriösen Umständen zu Tode. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als sei er zu Tode getrampelt worden. Der Verdacht fällt logischerweise sofort auf den einzigen Mithäftling, der ebenfalls in der Zelle war. Bei der Autopsie muss Sam jedoch feststellen, dass die Trampelspuren auf der Leiche dem Toten erst nach seinem Ableben zugefügt worden sind.
Gerichtsmedizinerin Dr. Samantha Ryan - Mädchentod
Dr. Samantha Ryan, eine attraktive Frau Mitte 40, ist als Dozentin für Gerichtsmedizin an die Universität Cambridge berufen worden. Zugleich tritt sie ihren Dienst als Gerichtspathologin in derselben Stadt an.
Kaum hat sie Zeit, sich mit ihrem neuen Umfeld vertraut zu machen, da wird sie schon mit ihrem ersten Fall konfrontiert: Ein kleines Mädchen, Sarah Crew, ist tot aus einem Fluss gezogen worden, vermeintlich ertrunken. Doch die Todesursache kann vom zuständigen Polizeiarzt nicht eindeutig bestätigt werden, und so wird Sam von der Kriminalpolizei hinzugezogen. Bei der anschließenden Untersuchung der Leiche des kleinen Mädchens stellt Sam Narben fest, die möglicherweise von Zigarettenverbrennungen stammen. Zudem hat Sarah Rippenfrakturen, die schon älteren Datums sind. Für Sam ergibt sich der Verdacht, dass der Tod des Mädchens nicht unbedingt ein Unfall gewesen sein muss ...
Gerichtsmedizinerin Dr. Samantha Ryan - Nacht ohne Ende
Eine stark verweste Leiche mit einem auf die Brust eingeritzten Kreuz wird gefunden - alles deutet auf einen Ritualmord hin. Als ein weiterer Mord unter ähnlichen Umständen geschieht, wird Sebastianne Bird verdächtigt, in dessen Kommune die beiden Toten Mitglied waren. Einzig Sam ist nicht von seiner Schuld überzeugt. Bei ihrer Recherche stößt sie auf den Polizeiarzt Owen, dessen Tochter vor einiger Zeit ebenfalls Mitglied der Kommune war und die durch eine Überdosis starb - während die anderen Mitglieder tatenlos dabei zusahen...
Gerichtsmedizinerin Dr. Samantha Ryan - Tödliche Traditionen
Nach dem Brand in einem vietnamesischen Lokal wird eine stark verkohlte männliche Leiche gefunden. Die Polizei geht davon aus, dass der Inhaber, der Vietnamese Binh, in dem Feuer zu Tode gekommen ist. Bei der Autopsie findet Sam die Spitze eines Messers in der Wirbelsäule des Toten, was auf einen Mord hindeutet ...
In einer Zelle auf dem Polizeirevier kommt der Häftling Michael Pearce unter mysteriösen Umständen zu Tode. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als sei er zu Tode getrampelt worden. Der Verdacht fällt logischerweise sofort auf den einzigen Mithäftling, der ebenfalls in der Zelle war. Bei der Autopsie muss Sam jedoch feststellen, dass die Trampelspuren auf der Leiche dem Toten erst nach seinem Ableben zugefügt worden sind.
Gerichtsmedizinerin Dr. Samantha Ryan - Mädchentod
Dr. Samantha Ryan, eine attraktive Frau Mitte 40, ist als Dozentin für Gerichtsmedizin an die Universität Cambridge berufen worden. Zugleich tritt sie ihren Dienst als Gerichtspathologin in derselben Stadt an.
Kaum hat sie Zeit, sich mit ihrem neuen Umfeld vertraut zu machen, da wird sie schon mit ihrem ersten Fall konfrontiert: Ein kleines Mädchen, Sarah Crew, ist tot aus einem Fluss gezogen worden, vermeintlich ertrunken. Doch die Todesursache kann vom zuständigen Polizeiarzt nicht eindeutig bestätigt werden, und so wird Sam von der Kriminalpolizei hinzugezogen. Bei der anschließenden Untersuchung der Leiche des kleinen Mädchens stellt Sam Narben fest, die möglicherweise von Zigarettenverbrennungen stammen. Zudem hat Sarah Rippenfrakturen, die schon älteren Datums sind. Für Sam ergibt sich der Verdacht, dass der Tod des Mädchens nicht unbedingt ein Unfall gewesen sein muss ...
Gerichtsmedizinerin Dr. Samantha Ryan - Nacht ohne Ende
Eine stark verweste Leiche mit einem auf die Brust eingeritzten Kreuz wird gefunden - alles deutet auf einen Ritualmord hin. Als ein weiterer Mord unter ähnlichen Umständen geschieht, wird Sebastianne Bird verdächtigt, in dessen Kommune die beiden Toten Mitglied waren. Einzig Sam ist nicht von seiner Schuld überzeugt. Bei ihrer Recherche stößt sie auf den Polizeiarzt Owen, dessen Tochter vor einiger Zeit ebenfalls Mitglied der Kommune war und die durch eine Überdosis starb - während die anderen Mitglieder tatenlos dabei zusahen...
Gerichtsmedizinerin Dr. Samantha Ryan - Tödliche Traditionen
Nach dem Brand in einem vietnamesischen Lokal wird eine stark verkohlte männliche Leiche gefunden. Die Polizei geht davon aus, dass der Inhaber, der Vietnamese Binh, in dem Feuer zu Tode gekommen ist. Bei der Autopsie findet Sam die Spitze eines Messers in der Wirbelsäule des Toten, was auf einen Mord hindeutet ...
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kapitel- / SzenenanwahlFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.07.2009Ein Flugzeug wartet auf jeden von uns
Lauter Zufälle: Das Frühwerk von Krzysztof Kieslowski
Krzysztof Kieslowski: Frühe Spielfilme.
Absolut Medien. arte-Edition. 4 DVDs. Sprache: Polnisch, deutsche Untertitel.
Ein Junge, ein Student, rennt über den Bahnsteig, um seinen Zug nach Warschau zu kriegen. Holt er ihn ein? Oder rempelt er einen Polizisten an und kommt ins Gefängnis? Trifft er im Bahnhof das Mädchen, mit dem er in der Anatomievorlesung geredet hat? Oder lernt er im Zug einen Mann kennen, der ihm eine Parteikarriere in der Hauptstadt verspricht?
Krzysztof Kieslowski ist vierzig Jahre alt, als er im Jahr 1981 "Pryzypadek" dreht, den Film, der auf Deutsch "Der Zufall möglicherweise" heißt, was an Robert Bresson erinnern soll, aber in die Irre führt. Kieslowskis Zweifel haben mit Bressons Gewissheiten nichts zu tun. Bei Bresson würde Witek wegfahren oder dableiben, eins von beiden, dann seine Geschichte erleben und schließlich an den Bahnhof zurückkehren, um darüber nachzudenken, wie Gott in seinem Schicksal gewütet hat. Bei Kieslowski aber hat Witek nicht mehr nur eine Geschichte. Er hat drei.
Kieslowski ist einen weiten Weg gegangen zu diesem Film. Er hat Theaterwissenschaften studiert, als Kostümschneider gearbeitet, sich an der Filmhochschule Lodz beworben, wo er im dritten Versuch endlich angenommen wurde, und dann vierzehn Jahre lang Dokumentarfilme gedreht. Sein vorletzter, "Dworzec", zu Deutsch "Der Bahnhof", entstand im Jahr vor dem "Zufall". Später erzählte Kieslowski, einige Aufnahmen des "Bahnhofs" seien "beinahe" zu Beweismitteln in einem Kriminalfall geworden, weshalb er sich entschlossen habe, nur noch Spielfilme zu drehen, da sie die Wirklichkeit besser abbilden könnten als Dokumentationen. Falls das ein Märchen ist, ist es verdammt gut erfunden. Kieslowski liebte es, seine Arbeit zu mystifizieren. Wenn er die Wahrheit über sich selbst mitteilen wollte, dachte er sich Geschichten aus. Auch "Der Zufall" ist so eine Geschichte.
Seit 1975 drehte Kieslowski bereits Spielfilme, in denen er mit einer Mischung aus Fiktivem und Dokumentarischem experimentierte. Die DVD-Edition seines Frühwerks bei "absolut Medien" enthält davon zwei, "Die Narbe" und "Der Filmamateur". Der erste handelt von einem Fabrikdirektor, der ein neu errichtetes Chemiekombinat in der polnischen Provinz übernimmt, bis er erkennen muss, dass das monströse Werk eine Fehlplanung ist; der zweite erzählt von einem Arbeiter, der sich zur Geburt seines ersten Kindes eine Acht-Millimeter-Kamera kauft und als Dokumentarist Karriere macht, bis ihn sein Ehrgeiz mit den Machthabern seiner Firma in Konflikt bringt.
Eigentlich sind es zwei Varianten derselben Geschichte, Tragödien lächerlicher Männer auf der Suche nach Wahrheit in einer Lügenwelt. Die Ehe des Fabrikdirektors zerbricht nebenbei ebenso wie die des Filmamateurs. Beide haben nicht begriffen, dass man nicht genau hinschauen darf, wenn man unter den Blinden vorankommen und zugleich sein privates Glück bewahren will. Aber nur Filip (Jerzy Stuhr), der Arbeiter mit der Kamera, darf vom Rausch der Bilder kosten, von der Deutungsmacht über die Wirklichkeit, die dem Manager verwehrt bleibt. Als Filip mit seinem Apparat vor dem Direktorenzimmer steht und wartet, fliegt eine Taube auf das Fensterbrett neben ihm; er füttert sie und nimmt sie auf. Später, beim Dokumentarfilmfestival in der Provinzhauptstadt, wo er den dritten Preis gewinnt, wird die Taube das Motiv sein, das seinen Beitrag von denen der anderen Bewerber unterscheidet.
Den dokumentarischen Stil, den er im "Filmamateur" zur Perfektion entwickelt hat, gibt Kieslowski im "Zufall" auf. Schon die Eröffnungssequenz, die Witeks Weg von seiner Geburt bis zur Ankunft auf dem Bahnhof in fünf kurzen Szenen zusammenfasst, ist ein Schlag ins Gesicht des sozialistischen Realismus. Aber dann geht der Film noch weiter, über alles bis dahin Bekannte hinaus, indem er sich der eingleisigen Weiterentwicklung der Story verweigert. Seit den Pioniertagen des Kinos wurde immer wieder über die Befreiung der Filmbilder vom Erzählzwang geredet. Hier ist sie - nicht als belangloses Formenspiel, sondern als Entgrenzung des Erzählens. Mit dem "Zufall" tritt der klassische Spielfilm in seine reflexive Phase. Das Erzählkino wird zum Medium der Philosophie, zur Bühne des Nachdenkens über den Sinn von Geschichten, den Sinn der Geschichte überhaupt.
Zahllose Filme haben von diesem einen gelernt, von Tykwers "Lola rennt" über Gaspar Noés "Irreversible" bis zu den seltsam zersplitterten Narrativen eines Alejandro González Iñárritu. Aber Kieslowski geht gleich einen Schritt weiter, indem er die drei Geschichten, die er erzählt, nicht nur von ihrem gemeinsamen Anfang, der Szene am Bahngleis, sondern zugleich vom Ende her betrachtet. In der ersten Episode fährt Witek nach Warschau und wird ein von Zweifeln zerrissener, von seiner Freundin verlassener Parteifunktionär. In der zweiten steigt er zum Aktivisten der antikommunistischen Oppositionsbewegung auf (was dazu führte, dass der Film von der Zensur verboten wurde und erst sechs Jahre später gezeigt werden konnte). In der dritten findet er seine große Liebe, schließt sein Studium ab und wird Arzt. Und jedes Mal wartet zum Schluss ein Flugzeug auf ihn, das ihn ins Ausland bringen soll. In den beiden ersten Geschichten verpasst er es, in der letzten steigt er ein und fliegt in den Tod. Ein solches Flugzeug, hat Kieslowski erklärt, warte auf jede seiner Figuren. Eigentlich warte es auf uns alle.
Zwischen dem "Zufall" und dem Großprojekt des "Dekalogs" hat Kieslowski nur noch einen Spielfilm gedreht, der ebenfalls zum Paket von "absolut Medien" gehört: "Ohne Ende". Es ist eine Schlüsselgeschichte der Jaruzelski-Jahre, der Epoche des polnischen Kriegszustands, gesehen mit den Augen eines Toten. Antek (Jerzy Radziwilowicz, bekannt aus den Filmen von Jacques Rivette) war ein Anwalt der Solidarnosc, seine Witwe (Grazyna Szapolowska) vermittelt seinen letzten Klienten an einen älteren Kollegen, um zugleich ihre eigene Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit zu stillen. Die Musik zu "Ohne Ende" hat Zbigniew Preisner geschrieben, der von da an alle Kieslowski-Scores komponieren wird, das Drehbuch stammt von Krzysztof Piesiewicz, mit dem der Regisseur bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1996 zusammengearbeitet hat, und wer will, kann in der Story eine Art Motivbaukasten für die spätere Farben-Trilogie entdecken: die trauernde Witwe ("Blau"), der Mann im Gefängnis ("Weiß"), der zynische alte Anwalt (in "Rot" spielte ihn Jean-Louis Trintignant). Und auch der Schicksalsblick ist da, mit dem Kieslowski nun alle seine Figuren und Stoffe betrachten wird, das Pathos des Marionettenspielers, der seine Figuren an engen Fäden durch ihr vorbestimmtes Dasein führt. Im "Zufall" hatte er sie noch an der langen Leine laufen lassen. Aber die Freiheit dauert auch in der Kunst eben immer nur einen Augenblick.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lauter Zufälle: Das Frühwerk von Krzysztof Kieslowski
Krzysztof Kieslowski: Frühe Spielfilme.
Absolut Medien. arte-Edition. 4 DVDs. Sprache: Polnisch, deutsche Untertitel.
Ein Junge, ein Student, rennt über den Bahnsteig, um seinen Zug nach Warschau zu kriegen. Holt er ihn ein? Oder rempelt er einen Polizisten an und kommt ins Gefängnis? Trifft er im Bahnhof das Mädchen, mit dem er in der Anatomievorlesung geredet hat? Oder lernt er im Zug einen Mann kennen, der ihm eine Parteikarriere in der Hauptstadt verspricht?
Krzysztof Kieslowski ist vierzig Jahre alt, als er im Jahr 1981 "Pryzypadek" dreht, den Film, der auf Deutsch "Der Zufall möglicherweise" heißt, was an Robert Bresson erinnern soll, aber in die Irre führt. Kieslowskis Zweifel haben mit Bressons Gewissheiten nichts zu tun. Bei Bresson würde Witek wegfahren oder dableiben, eins von beiden, dann seine Geschichte erleben und schließlich an den Bahnhof zurückkehren, um darüber nachzudenken, wie Gott in seinem Schicksal gewütet hat. Bei Kieslowski aber hat Witek nicht mehr nur eine Geschichte. Er hat drei.
Kieslowski ist einen weiten Weg gegangen zu diesem Film. Er hat Theaterwissenschaften studiert, als Kostümschneider gearbeitet, sich an der Filmhochschule Lodz beworben, wo er im dritten Versuch endlich angenommen wurde, und dann vierzehn Jahre lang Dokumentarfilme gedreht. Sein vorletzter, "Dworzec", zu Deutsch "Der Bahnhof", entstand im Jahr vor dem "Zufall". Später erzählte Kieslowski, einige Aufnahmen des "Bahnhofs" seien "beinahe" zu Beweismitteln in einem Kriminalfall geworden, weshalb er sich entschlossen habe, nur noch Spielfilme zu drehen, da sie die Wirklichkeit besser abbilden könnten als Dokumentationen. Falls das ein Märchen ist, ist es verdammt gut erfunden. Kieslowski liebte es, seine Arbeit zu mystifizieren. Wenn er die Wahrheit über sich selbst mitteilen wollte, dachte er sich Geschichten aus. Auch "Der Zufall" ist so eine Geschichte.
Seit 1975 drehte Kieslowski bereits Spielfilme, in denen er mit einer Mischung aus Fiktivem und Dokumentarischem experimentierte. Die DVD-Edition seines Frühwerks bei "absolut Medien" enthält davon zwei, "Die Narbe" und "Der Filmamateur". Der erste handelt von einem Fabrikdirektor, der ein neu errichtetes Chemiekombinat in der polnischen Provinz übernimmt, bis er erkennen muss, dass das monströse Werk eine Fehlplanung ist; der zweite erzählt von einem Arbeiter, der sich zur Geburt seines ersten Kindes eine Acht-Millimeter-Kamera kauft und als Dokumentarist Karriere macht, bis ihn sein Ehrgeiz mit den Machthabern seiner Firma in Konflikt bringt.
Eigentlich sind es zwei Varianten derselben Geschichte, Tragödien lächerlicher Männer auf der Suche nach Wahrheit in einer Lügenwelt. Die Ehe des Fabrikdirektors zerbricht nebenbei ebenso wie die des Filmamateurs. Beide haben nicht begriffen, dass man nicht genau hinschauen darf, wenn man unter den Blinden vorankommen und zugleich sein privates Glück bewahren will. Aber nur Filip (Jerzy Stuhr), der Arbeiter mit der Kamera, darf vom Rausch der Bilder kosten, von der Deutungsmacht über die Wirklichkeit, die dem Manager verwehrt bleibt. Als Filip mit seinem Apparat vor dem Direktorenzimmer steht und wartet, fliegt eine Taube auf das Fensterbrett neben ihm; er füttert sie und nimmt sie auf. Später, beim Dokumentarfilmfestival in der Provinzhauptstadt, wo er den dritten Preis gewinnt, wird die Taube das Motiv sein, das seinen Beitrag von denen der anderen Bewerber unterscheidet.
Den dokumentarischen Stil, den er im "Filmamateur" zur Perfektion entwickelt hat, gibt Kieslowski im "Zufall" auf. Schon die Eröffnungssequenz, die Witeks Weg von seiner Geburt bis zur Ankunft auf dem Bahnhof in fünf kurzen Szenen zusammenfasst, ist ein Schlag ins Gesicht des sozialistischen Realismus. Aber dann geht der Film noch weiter, über alles bis dahin Bekannte hinaus, indem er sich der eingleisigen Weiterentwicklung der Story verweigert. Seit den Pioniertagen des Kinos wurde immer wieder über die Befreiung der Filmbilder vom Erzählzwang geredet. Hier ist sie - nicht als belangloses Formenspiel, sondern als Entgrenzung des Erzählens. Mit dem "Zufall" tritt der klassische Spielfilm in seine reflexive Phase. Das Erzählkino wird zum Medium der Philosophie, zur Bühne des Nachdenkens über den Sinn von Geschichten, den Sinn der Geschichte überhaupt.
Zahllose Filme haben von diesem einen gelernt, von Tykwers "Lola rennt" über Gaspar Noés "Irreversible" bis zu den seltsam zersplitterten Narrativen eines Alejandro González Iñárritu. Aber Kieslowski geht gleich einen Schritt weiter, indem er die drei Geschichten, die er erzählt, nicht nur von ihrem gemeinsamen Anfang, der Szene am Bahngleis, sondern zugleich vom Ende her betrachtet. In der ersten Episode fährt Witek nach Warschau und wird ein von Zweifeln zerrissener, von seiner Freundin verlassener Parteifunktionär. In der zweiten steigt er zum Aktivisten der antikommunistischen Oppositionsbewegung auf (was dazu führte, dass der Film von der Zensur verboten wurde und erst sechs Jahre später gezeigt werden konnte). In der dritten findet er seine große Liebe, schließt sein Studium ab und wird Arzt. Und jedes Mal wartet zum Schluss ein Flugzeug auf ihn, das ihn ins Ausland bringen soll. In den beiden ersten Geschichten verpasst er es, in der letzten steigt er ein und fliegt in den Tod. Ein solches Flugzeug, hat Kieslowski erklärt, warte auf jede seiner Figuren. Eigentlich warte es auf uns alle.
Zwischen dem "Zufall" und dem Großprojekt des "Dekalogs" hat Kieslowski nur noch einen Spielfilm gedreht, der ebenfalls zum Paket von "absolut Medien" gehört: "Ohne Ende". Es ist eine Schlüsselgeschichte der Jaruzelski-Jahre, der Epoche des polnischen Kriegszustands, gesehen mit den Augen eines Toten. Antek (Jerzy Radziwilowicz, bekannt aus den Filmen von Jacques Rivette) war ein Anwalt der Solidarnosc, seine Witwe (Grazyna Szapolowska) vermittelt seinen letzten Klienten an einen älteren Kollegen, um zugleich ihre eigene Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit zu stillen. Die Musik zu "Ohne Ende" hat Zbigniew Preisner geschrieben, der von da an alle Kieslowski-Scores komponieren wird, das Drehbuch stammt von Krzysztof Piesiewicz, mit dem der Regisseur bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1996 zusammengearbeitet hat, und wer will, kann in der Story eine Art Motivbaukasten für die spätere Farben-Trilogie entdecken: die trauernde Witwe ("Blau"), der Mann im Gefängnis ("Weiß"), der zynische alte Anwalt (in "Rot" spielte ihn Jean-Louis Trintignant). Und auch der Schicksalsblick ist da, mit dem Kieslowski nun alle seine Figuren und Stoffe betrachten wird, das Pathos des Marionettenspielers, der seine Figuren an engen Fäden durch ihr vorbestimmtes Dasein führt. Im "Zufall" hatte er sie noch an der langen Leine laufen lassen. Aber die Freiheit dauert auch in der Kunst eben immer nur einen Augenblick.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main