Der erfolgreiche Produzent Frank Farian (Matthias Schweighöfer) engagiert die unbekannten Tänzer Rob Pilatus (Tijan Njie) und Fab Morvan (Elan Ben Ali) für sein nächstes Musikprojekt. Es folgt ein kometenhafter Aufstieg, der alle Dimensionen sprengt. Unter dem Namen Milli Vanilli stürmen die beiden Freunde Rob und Fab die internationalen Charts, landen drei Nummer-1-Hits in den USA und genießen das exzessive Leben in Hollywood. Lediglich ein kleiner Kreis Eingeweihter kennt ihr Geheimnis: Das Duo singt gar nicht selbst, sondern bewegt lediglich die Lippen - zu den Stimmen der echten Sänger. Auf dem Höhepunkt ihres Ruhms, als Milli Vanilli den Grammy gewinnen und durch Amerika touren, kommt die Wahrheit schließlich ans Licht. Während die mächtige Maschinerie, die hinter dem Duo die Fäden gezogen hat, sich rasch aus der Affäre zieht, stehen Rob und Fab mitten im größten Skandal der Musikgeschichte...
Bonusmaterial
Deutsche Hörfilmfassung Interviews mit Cast & Crew MusikvideosFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.12.2023Samstagabendshowdämmerung
Das Pop-Duo Milli Vanilli war ein seltsames, fast tragisches Beispiel dafür, wie die Kulturindustrie lügt. Der Film "Girl You Know It's True" sucht die Wahrheit dahinter.
Sushi war irgendwann einmal etwas (in Deutschland) Neues, eine japanische Weise, Fisch zu essen, roh und in einer Art Reis-Bondage mit einem scharfen grünen Etwas als Beilage, das Kundige bald tropfmalerisch in Soja-Sauce (dem neuen Maggi!) auflösten. Das Musikduo Milli Vanilli wurde ungefähr zu der Zeit berühmt, als Sushi in die Fußgängerzonen (Fuzos!) vordrang. Und da mit dem Ruhm auch Geld kommt, aßen Robert Pilatus und Fabrice Morvan ihr Sushi dann bald meist in Fünf-Sterne-Suiten, wo sie Zugriff auf unbegrenzten Room Service hatten und auch auf den Schnee, von dem an einer Stelle in Simon Verhoevens "Girl You Know It's True" angedeutet wird, dass er von so legendärer Qualität wäre, dass man ihn sogar Mick Jagger vorsetzen könnte.
Das ist eine von vielen etwas rätselhaften Szenen in diesem Film, denn was ist damit genau gemeint? Dass der Frontmann der "Rolling Stones" der Inbegriff des Rock-'n'-Roll-Lebensstils war oder dass er Kokain penibel auf Reinheitsgrade überprüfte? Simon Verhoeven, der selbst das Drehbuch geschrieben hat, deutet mehrfach an, dass im Musikbusiness wild gelebt wird, belässt es dann aber meist beim Swimming Pool als Symbol all der Dinge, die man sich mit Krethi und Plethi teilen muss. Während Rob und Fab ihre formidablen, dunkelhäutigen Körper in das klarste Wasser zwischen Tegernsee und Chateau Marmont tauchen und ihr geflochtenes Haar der Sonne darbieten, die nur für Glückskinder scheint. Milli Vanilli hatten ihren Moment zwischen 1988 und 1990, ihr größter Hit "Girl You Know It's True" war eine Cover-Version eines Stücks der Band Numarx. 1990 erreichten sie den Zenit ihrer Karriere, zuerst bei den Grammy Awards in Amerika, dann bei "Wetten, dass . .?" im deutschen Fernsehen. Kurz danach blieb buchstäblich das Band stecken, auf dem sie zu surfen versuchten: Rob und Fab waren Playback-Künstler, ihre Stimmen kamen aus dem Studio und gehörten Sängern, die auf der Bühne nicht ganz so gut ausgesehen hätten. Nicht zu reden von den Verrenkungen, zu denen die beiden Performer in der Lage waren.
Wer mit deutscher Samstagabend-Unterhaltung im Fernsehen aufwuchs, hatte wohl immer schon eine Ahnung, dass bei musikalischen Darbietungen nicht immer äußerste Authentizität angestrebt wird. Wer erinnert sich nicht an die gepflegte Langeweile, mit der Rhythmus-Gitarristen das Plektrum an der Gitarre vorbeiführten, während sich vor ihnen eine wichtige Persönlichkeit abstrampelte? Es gibt gerade aus dem Gottschalk-Universum ein unbegriffenes, kritisches Vorwissen zu Dosenmusik. Und einer der Ansätze bei Verhoeven zielt in die Richtung, Milli Vanilli als Phänomen deutscher Entäußerung in den jederzeit kontrollierten Exzess zu begreifen.
Zwei Szenen sind dafür relevant. Die erste betrifft den Produzenten Frank Farian. Er war die entscheidende Figur hinter Milli Vanilli und davor schon hinter Boney M. Er schuf sich ein schwarzes Body Double, dem er den Titel "Daddy Cool" unterschob: "he's crazy like a fool". In "Girl You Know It's True" sieht man den kleinen Frank kurz nach dem Krieg auf einem Acker bei der Kartoffelernte. Er sieht (und hört vor allem) einen Lastwagen mit amerikanischen Soldaten und Musik. Verhoeven macht nicht ganz klar, ob die Yankees dabei schon an Reedukation dachten oder eher noch an Strafe (Lärmfolter). Jedenfalls hat der kleine Frank ein Erweckungserlebnis, das ihn dazu brachte, künftig das biedere (Kartoffel-)Deutschland exotisierend auf Vorder- und Frontmann zu bringen.
In der zweiten wichtigen Szene sitzt Robert Pilatus mit seiner Familie zu Tisch in Süddeutschland. Er ist ein Adoptivkind, mit dem Hans und Antonie Pilatus sich als Menschenfreunde erweisen wollten, erhaben über rassistische Vorurteile. Nicht erhaben waren Hans und Antonie jedoch über deutsche Vorstellungen von einem Lebensweg. Einzelhandelskaufmann soll Robert werden, denn wer kann schon von dem leben, was der Junge neuerdings in der Fußgängerzone vorführt? "Es heißt Breakdance, Papa." "Schließ vorher eine Lehre ab", wendet die Mama ein. Bei Frank Farian könnte man sich Popmusik als Ausbildungsberuf vorstellen. Man müsste dann allerdings diese Passion mitbringen, mit der er auch noch den Geigen an einer nicht sofort als entscheidend einleuchtenden Stelle eines Boney-M.-Arrangements den allerletzten Schliff gibt. Matthias Schweighöfer spielt Farian bei Verhoeven in einer ständigen Unklarheit, ob er lieber in Richtung Klaus Kinski gehen soll (das wirre Haar und ein gelegentlich flackernder Blick) oder den Funktionär der Klänge heraushängen lassen soll. "Girl You Know It's True" räumt zu Beginn ein, dass es viele "Wahrheiten und Geschichten" über Milli Vanilli gibt. Von Farian kann man dieser Tage auf U-Bahn-Bildschirmen lesen, dass er den Wahrheitsgehalt von Verhoevens Version bei unter 80 Prozent einordnen würde - der liegt auch nicht viel höher, dazu gibt es aber mehrere Dokus, die mit Originalmaterial der Sache eher auf den Grund zu kommen versuchen.
Man könnte die Geschichte von Milli Vanilli auf die leichte Schulter nehmen, wäre nicht Robert Pilatus 1998 im Alter von nur 33 Jahren an einer Überdosis von Rauschmitteln gestorben. Damit wurde aus der Pop-Posse eine Pop-Tragödie. Aber für dieses Register fehlen Verhoeven vollends die Mittel. Er kommt aus dem leichten Fach. "Willkommen bei den Hartmanns" war 2016 die Komödie zu Angela Merkels "Wir schaffen das". In "Girl You Know It's True" geht es auch vor allem darum, wer was schafft. Schaffe, schaffe, Schneeberge baue. Im Pop-Business sind es die Produzenten und Manager, die anschaffen. Elvis konnte sich von Tom Parker nie emanzipieren, hatte aber wenigstens ein beeindruckendes Organ. Fab und Rob waren zwei junge Männer mit geringer Autorität. Sie hatten einfach ein paar Moves drauf. Das reichte für ihren Moment an der Sonne. Als Drama der deutschen Exportwirtschaft hätte der Stoff sicher eine Menge hergegeben. Dazu aber hätte es einer Regie bedurft, die nicht selbst tief in verblendeten Träumen von internationalem Format herumirrt. Simon Verhoeven erzählt "Girl You Know It's True" wie jemand, der einem Zimmerkellner beim Sushi-Service über die Schulter geschaut hat und daraus Schlüsse über die Popkultur zu ziehen versucht. BERT REBHANDL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Pop-Duo Milli Vanilli war ein seltsames, fast tragisches Beispiel dafür, wie die Kulturindustrie lügt. Der Film "Girl You Know It's True" sucht die Wahrheit dahinter.
Sushi war irgendwann einmal etwas (in Deutschland) Neues, eine japanische Weise, Fisch zu essen, roh und in einer Art Reis-Bondage mit einem scharfen grünen Etwas als Beilage, das Kundige bald tropfmalerisch in Soja-Sauce (dem neuen Maggi!) auflösten. Das Musikduo Milli Vanilli wurde ungefähr zu der Zeit berühmt, als Sushi in die Fußgängerzonen (Fuzos!) vordrang. Und da mit dem Ruhm auch Geld kommt, aßen Robert Pilatus und Fabrice Morvan ihr Sushi dann bald meist in Fünf-Sterne-Suiten, wo sie Zugriff auf unbegrenzten Room Service hatten und auch auf den Schnee, von dem an einer Stelle in Simon Verhoevens "Girl You Know It's True" angedeutet wird, dass er von so legendärer Qualität wäre, dass man ihn sogar Mick Jagger vorsetzen könnte.
Das ist eine von vielen etwas rätselhaften Szenen in diesem Film, denn was ist damit genau gemeint? Dass der Frontmann der "Rolling Stones" der Inbegriff des Rock-'n'-Roll-Lebensstils war oder dass er Kokain penibel auf Reinheitsgrade überprüfte? Simon Verhoeven, der selbst das Drehbuch geschrieben hat, deutet mehrfach an, dass im Musikbusiness wild gelebt wird, belässt es dann aber meist beim Swimming Pool als Symbol all der Dinge, die man sich mit Krethi und Plethi teilen muss. Während Rob und Fab ihre formidablen, dunkelhäutigen Körper in das klarste Wasser zwischen Tegernsee und Chateau Marmont tauchen und ihr geflochtenes Haar der Sonne darbieten, die nur für Glückskinder scheint. Milli Vanilli hatten ihren Moment zwischen 1988 und 1990, ihr größter Hit "Girl You Know It's True" war eine Cover-Version eines Stücks der Band Numarx. 1990 erreichten sie den Zenit ihrer Karriere, zuerst bei den Grammy Awards in Amerika, dann bei "Wetten, dass . .?" im deutschen Fernsehen. Kurz danach blieb buchstäblich das Band stecken, auf dem sie zu surfen versuchten: Rob und Fab waren Playback-Künstler, ihre Stimmen kamen aus dem Studio und gehörten Sängern, die auf der Bühne nicht ganz so gut ausgesehen hätten. Nicht zu reden von den Verrenkungen, zu denen die beiden Performer in der Lage waren.
Wer mit deutscher Samstagabend-Unterhaltung im Fernsehen aufwuchs, hatte wohl immer schon eine Ahnung, dass bei musikalischen Darbietungen nicht immer äußerste Authentizität angestrebt wird. Wer erinnert sich nicht an die gepflegte Langeweile, mit der Rhythmus-Gitarristen das Plektrum an der Gitarre vorbeiführten, während sich vor ihnen eine wichtige Persönlichkeit abstrampelte? Es gibt gerade aus dem Gottschalk-Universum ein unbegriffenes, kritisches Vorwissen zu Dosenmusik. Und einer der Ansätze bei Verhoeven zielt in die Richtung, Milli Vanilli als Phänomen deutscher Entäußerung in den jederzeit kontrollierten Exzess zu begreifen.
Zwei Szenen sind dafür relevant. Die erste betrifft den Produzenten Frank Farian. Er war die entscheidende Figur hinter Milli Vanilli und davor schon hinter Boney M. Er schuf sich ein schwarzes Body Double, dem er den Titel "Daddy Cool" unterschob: "he's crazy like a fool". In "Girl You Know It's True" sieht man den kleinen Frank kurz nach dem Krieg auf einem Acker bei der Kartoffelernte. Er sieht (und hört vor allem) einen Lastwagen mit amerikanischen Soldaten und Musik. Verhoeven macht nicht ganz klar, ob die Yankees dabei schon an Reedukation dachten oder eher noch an Strafe (Lärmfolter). Jedenfalls hat der kleine Frank ein Erweckungserlebnis, das ihn dazu brachte, künftig das biedere (Kartoffel-)Deutschland exotisierend auf Vorder- und Frontmann zu bringen.
In der zweiten wichtigen Szene sitzt Robert Pilatus mit seiner Familie zu Tisch in Süddeutschland. Er ist ein Adoptivkind, mit dem Hans und Antonie Pilatus sich als Menschenfreunde erweisen wollten, erhaben über rassistische Vorurteile. Nicht erhaben waren Hans und Antonie jedoch über deutsche Vorstellungen von einem Lebensweg. Einzelhandelskaufmann soll Robert werden, denn wer kann schon von dem leben, was der Junge neuerdings in der Fußgängerzone vorführt? "Es heißt Breakdance, Papa." "Schließ vorher eine Lehre ab", wendet die Mama ein. Bei Frank Farian könnte man sich Popmusik als Ausbildungsberuf vorstellen. Man müsste dann allerdings diese Passion mitbringen, mit der er auch noch den Geigen an einer nicht sofort als entscheidend einleuchtenden Stelle eines Boney-M.-Arrangements den allerletzten Schliff gibt. Matthias Schweighöfer spielt Farian bei Verhoeven in einer ständigen Unklarheit, ob er lieber in Richtung Klaus Kinski gehen soll (das wirre Haar und ein gelegentlich flackernder Blick) oder den Funktionär der Klänge heraushängen lassen soll. "Girl You Know It's True" räumt zu Beginn ein, dass es viele "Wahrheiten und Geschichten" über Milli Vanilli gibt. Von Farian kann man dieser Tage auf U-Bahn-Bildschirmen lesen, dass er den Wahrheitsgehalt von Verhoevens Version bei unter 80 Prozent einordnen würde - der liegt auch nicht viel höher, dazu gibt es aber mehrere Dokus, die mit Originalmaterial der Sache eher auf den Grund zu kommen versuchen.
Man könnte die Geschichte von Milli Vanilli auf die leichte Schulter nehmen, wäre nicht Robert Pilatus 1998 im Alter von nur 33 Jahren an einer Überdosis von Rauschmitteln gestorben. Damit wurde aus der Pop-Posse eine Pop-Tragödie. Aber für dieses Register fehlen Verhoeven vollends die Mittel. Er kommt aus dem leichten Fach. "Willkommen bei den Hartmanns" war 2016 die Komödie zu Angela Merkels "Wir schaffen das". In "Girl You Know It's True" geht es auch vor allem darum, wer was schafft. Schaffe, schaffe, Schneeberge baue. Im Pop-Business sind es die Produzenten und Manager, die anschaffen. Elvis konnte sich von Tom Parker nie emanzipieren, hatte aber wenigstens ein beeindruckendes Organ. Fab und Rob waren zwei junge Männer mit geringer Autorität. Sie hatten einfach ein paar Moves drauf. Das reichte für ihren Moment an der Sonne. Als Drama der deutschen Exportwirtschaft hätte der Stoff sicher eine Menge hergegeben. Dazu aber hätte es einer Regie bedurft, die nicht selbst tief in verblendeten Träumen von internationalem Format herumirrt. Simon Verhoeven erzählt "Girl You Know It's True" wie jemand, der einem Zimmerkellner beim Sushi-Service über die Schulter geschaut hat und daraus Schlüsse über die Popkultur zu ziehen versucht. BERT REBHANDL
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