Der allmächtige Kong und der furchteinflößende Godzilla treten gegen eine gewaltige, unbekannte Bedrohung an, die in unserer Welt verborgen liegt - und die ihre gesamte Existenz infrage stellt. "Godzilla x Kong: The New Empire" beschäftigt sich mit der Geschichte und den Ursprüngen der beiden Titanen sowie mit den Geheimnissen, die Skull Island birgt. Außerdem enthüllt das neue Kapitel mehr über den mythischen Kampf, der zur Entstehung dieser außergewöhnlichen Kreaturen beigetragen und sie für immer untrennbar mit der Menschheit verbunden hat.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.04.2024Hilf dir selbst, sonst helfen dir Monster
Unmöglich zu übersehende Zerstörungspotentiale: "Godzilla X Kong: The New Empire" im Kino
Die Albträume von gestern sind die Erlösungsphantasien von heute. Das gilt jedenfalls für die Popkultur, die ihre Figuren- und Themenbestände immer einmal wieder drastisch umwertet. So hat sich der Vampir vom blutsaugenden Herrenmenschen (Dracula) zum fürsorglichen Romantiker ("Twilight") gewandelt. Die böse Hexe (siehe Disney) wurde zur Feministin (von "Die Hexen von Eastwick" bis "Bewitched"), der Werwolf vom triebenthemmten Naturburschen zum moralisch hochmögenden Schutzpatron (ebenfalls "Twilight").
Und jetzt Godzilla, die übel kontaminierte Riesenechse. Bis vor Kurzem war sie noch aufgeladen mit Atomkriegsängsten. Das Trauma von Hiroshima und Nagasaki verlieh ihr eine düster-eskapistische Strahlkraft, weit über ihre japanische Herkunftssphäre hinaus. In "Godzilla X Kong: The New Empire" ist sie nun der titanische Weltpolizist, der immer dort für Ordnung sorgt, wo menschliche Vernichtungsexpertise nicht ausreicht. Als atomare Superwaffe durchkreuzt sie Ozeane und Kontinente und kann unabhängig von Genfer und sonstigen Konventionen den Schurken zur Strecke bringen. Die Schurken, das sind andere Monster, arktische Unterseedrachen, Riesenspinnen und so weiter. Das aktuelle Godzilla-Kino malt sich den Globus als quasi antiken Kosmos aus, mit einem Tartaros namens Hohlerde und den Oberflächenregionen, also unserer Welt mit WLAN, Drohnenüberwachung und Instagram. In der Hohlerde haust King Kong als allegorischer Statthalter rousseauscher Naturredlichkeit, nur dass er ein bisschen depressiv geworden ist über seinem Alleinsein. Und Zahnschmerzen hat er auch. King Kong unten, Godzilla oben: ein gut austariertes Gleichgewicht des Schreckens, was sich eine hier von Forschern verkörperte Wissensgesellschaft zunutze macht. Denn es tauchen immer wieder andere Monstrositäten auf, und dann muss eben Godzilla schnell mal nach Rom, einer Oktopusspinne in Hochhausgröße den Garaus machen. Danach gibt's ein Nickerchen im Kolosseum, eines der bizarrsten und vielsagendsten Bilder des Films, weil es gleich mehrere Imaginationsstufen der Kulturgeschichte überblendet: asiatische Drachenmythologie trifft auf antike Machttheatralik mit einem Saurier als postmodernem Erlöser im Zentrum.
In der Hohlerde betreibt ein rostroter Riesenaffe namens Scar King eine Art Bergwerk. Dort werden Artgenossen zum Steineschleppen verdonnert, übelster Industriekapitalismus also. Der Profitmaximierung halber muss der Narbenkönig nach oben, wo Ressourcen zu holen sind. Und weil er auch noch eine Eismonsterechse am Gängelband hat, kommt es zum Showdown.
Schade, dass dabei die Pyramide von Cheops unter die Pranken gerät, aber vielleicht ist das auch klandestine Herrschafts- und Architekturkritik. Außerdem gehört das Zerknüllen von Artefakten und Infrastrukturen zum King-Kong-Godzilla-Kino wie das Popcorn zum Blockbuster. Katastrophenfilme sind Lieferanten von Angstlust.
Warum sind Godzilla und King Kong wieder derart beliebt? Vielleicht liegt es am Verhältnis von Größe und Sichtbarkeit. Bedrohungsszenarien sind heute mit Unsichtbarkeit verknüpft, mit Virtualität und Flüchtigkeit. Wenn sich die Welt in Algorithmen, das heißt unfassbare Strukturen zerlegt, dann liegt in der Größenphantasie der eskapistische Ausweg aus der unkontrollierbaren Kleinteiligkeit. Vor einer Riesenechse, einem Monsteraffen kann man weglaufen. Dem digitalen Dunst, den uns die Serverfarmen weltweit zuatmen, entgeht niemand. DANIEL HAAS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Unmöglich zu übersehende Zerstörungspotentiale: "Godzilla X Kong: The New Empire" im Kino
Die Albträume von gestern sind die Erlösungsphantasien von heute. Das gilt jedenfalls für die Popkultur, die ihre Figuren- und Themenbestände immer einmal wieder drastisch umwertet. So hat sich der Vampir vom blutsaugenden Herrenmenschen (Dracula) zum fürsorglichen Romantiker ("Twilight") gewandelt. Die böse Hexe (siehe Disney) wurde zur Feministin (von "Die Hexen von Eastwick" bis "Bewitched"), der Werwolf vom triebenthemmten Naturburschen zum moralisch hochmögenden Schutzpatron (ebenfalls "Twilight").
Und jetzt Godzilla, die übel kontaminierte Riesenechse. Bis vor Kurzem war sie noch aufgeladen mit Atomkriegsängsten. Das Trauma von Hiroshima und Nagasaki verlieh ihr eine düster-eskapistische Strahlkraft, weit über ihre japanische Herkunftssphäre hinaus. In "Godzilla X Kong: The New Empire" ist sie nun der titanische Weltpolizist, der immer dort für Ordnung sorgt, wo menschliche Vernichtungsexpertise nicht ausreicht. Als atomare Superwaffe durchkreuzt sie Ozeane und Kontinente und kann unabhängig von Genfer und sonstigen Konventionen den Schurken zur Strecke bringen. Die Schurken, das sind andere Monster, arktische Unterseedrachen, Riesenspinnen und so weiter. Das aktuelle Godzilla-Kino malt sich den Globus als quasi antiken Kosmos aus, mit einem Tartaros namens Hohlerde und den Oberflächenregionen, also unserer Welt mit WLAN, Drohnenüberwachung und Instagram. In der Hohlerde haust King Kong als allegorischer Statthalter rousseauscher Naturredlichkeit, nur dass er ein bisschen depressiv geworden ist über seinem Alleinsein. Und Zahnschmerzen hat er auch. King Kong unten, Godzilla oben: ein gut austariertes Gleichgewicht des Schreckens, was sich eine hier von Forschern verkörperte Wissensgesellschaft zunutze macht. Denn es tauchen immer wieder andere Monstrositäten auf, und dann muss eben Godzilla schnell mal nach Rom, einer Oktopusspinne in Hochhausgröße den Garaus machen. Danach gibt's ein Nickerchen im Kolosseum, eines der bizarrsten und vielsagendsten Bilder des Films, weil es gleich mehrere Imaginationsstufen der Kulturgeschichte überblendet: asiatische Drachenmythologie trifft auf antike Machttheatralik mit einem Saurier als postmodernem Erlöser im Zentrum.
In der Hohlerde betreibt ein rostroter Riesenaffe namens Scar King eine Art Bergwerk. Dort werden Artgenossen zum Steineschleppen verdonnert, übelster Industriekapitalismus also. Der Profitmaximierung halber muss der Narbenkönig nach oben, wo Ressourcen zu holen sind. Und weil er auch noch eine Eismonsterechse am Gängelband hat, kommt es zum Showdown.
Schade, dass dabei die Pyramide von Cheops unter die Pranken gerät, aber vielleicht ist das auch klandestine Herrschafts- und Architekturkritik. Außerdem gehört das Zerknüllen von Artefakten und Infrastrukturen zum King-Kong-Godzilla-Kino wie das Popcorn zum Blockbuster. Katastrophenfilme sind Lieferanten von Angstlust.
Warum sind Godzilla und King Kong wieder derart beliebt? Vielleicht liegt es am Verhältnis von Größe und Sichtbarkeit. Bedrohungsszenarien sind heute mit Unsichtbarkeit verknüpft, mit Virtualität und Flüchtigkeit. Wenn sich die Welt in Algorithmen, das heißt unfassbare Strukturen zerlegt, dann liegt in der Größenphantasie der eskapistische Ausweg aus der unkontrollierbaren Kleinteiligkeit. Vor einer Riesenechse, einem Monsteraffen kann man weglaufen. Dem digitalen Dunst, den uns die Serverfarmen weltweit zuatmen, entgeht niemand. DANIEL HAAS
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