Schauen Sie sich die Verfilmung des Kultbuchs von John Irving an, das die Geschichte zweier Helden erzählt: Wilbur Larch, Amateurhistoriker, Arzt, pessimistischer Philanthrop, Abtreiber und Waisenhausvorsteher und seines Lehrlings und Ziehsohns Homer Wells, der letztendlich beschließt fortzugehen, umd die Bahnen seines Lebens selbst zu bestimmen...
Einem Impuls folgend steigt der sensible Homer Wells nach 17 Jahren ärmlicher, aber auch behütet-glücklicher Waisenhausidylle in den Wagen eines Ehepaares. Die Gattin Candy ließ dort gerade eine illegale Abtreibung von seinem Ziehvater und Leiter des Hauses, Dr. Larch, vornehmen. Homer, der lieber das Meer sehen möchte, als das Erbe des ätherabhängigen Doktors zu übernehmen, stürzt sich in eine Romanze mit der Frau. Er beginnt ein neues Leben als heimlicher Geliebter und weißer Apfelpflücker unter Schwarzen. Ruhige, melancholische Ballade um die Irren und Wirren des Erwachsenwerdens. John Irving, Roman- und Drehbuchautor, entwickelt zusammen mit Regisseur Lasse Hallström mehrere Handlungsstränge. Tabuthemen wie Krieg, Inzest, Abtreibung, Ehebruch, Drogenabhängigkeit und Tod werden sensibel und in stimmigen Bildern miteinander verknüpft. Die ästhetische und natürliche Kameraführung sowie die ausgezeichneten Schauspieler lassen ein emotionales und tiefgründiges, poetisches Gesellschaftsportrait entstehen, welches zu Recht zweifach Oscar-ausgezeichnet wurde. Eine Literaturverfilmung, die sicherlich auf breites Interesse stoßen wird.
Quelle/Copyright: Entertainment Media Verlag
Einem Impuls folgend steigt der sensible Homer Wells nach 17 Jahren ärmlicher, aber auch behütet-glücklicher Waisenhausidylle in den Wagen eines Ehepaares. Die Gattin Candy ließ dort gerade eine illegale Abtreibung von seinem Ziehvater und Leiter des Hauses, Dr. Larch, vornehmen. Homer, der lieber das Meer sehen möchte, als das Erbe des ätherabhängigen Doktors zu übernehmen, stürzt sich in eine Romanze mit der Frau. Er beginnt ein neues Leben als heimlicher Geliebter und weißer Apfelpflücker unter Schwarzen. Ruhige, melancholische Ballade um die Irren und Wirren des Erwachsenwerdens. John Irving, Roman- und Drehbuchautor, entwickelt zusammen mit Regisseur Lasse Hallström mehrere Handlungsstränge. Tabuthemen wie Krieg, Inzest, Abtreibung, Ehebruch, Drogenabhängigkeit und Tod werden sensibel und in stimmigen Bildern miteinander verknüpft. Die ästhetische und natürliche Kameraführung sowie die ausgezeichneten Schauspieler lassen ein emotionales und tiefgründiges, poetisches Gesellschaftsportrait entstehen, welches zu Recht zweifach Oscar-ausgezeichnet wurde. Eine Literaturverfilmung, die sicherlich auf breites Interesse stoßen wird.
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Bonusmaterial
- Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Making Of - Animiertes DVD-Menü - Interviews - Deleted Scenes - AudiokommentarFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.03.2000Von Waisen und Weisen
Im Kino: "Gottes Werk & Teufels Beitrag" nach John Irving
Gesichter machen Geschichten. Darauf setzt der in Amerika arbeitende schwedische Regisseur Lasse Hallström diesmal mehr denn je. In seinem neuen Film "Gottes Werk & Teufels Beitrag" (The Cider House Rules) nach John Irvings Roman lässt sich die Spannweite der Ereignisse oft am vielseitigen Lächeln Michael Caines ablesen, das der Rolle des Waisenhauschefs Dr. Larch gütige, hilflose und versponnene Züge gibt. Daneben beeindruckt die Ruhe, die der junge Tobey Maguire als Larchs Lieblingswaise Homer Wells ausstrahlt. Um diese beiden Hauptfiguren dreht sich die amerikanische Waisenhaussaga aus den dreißiger und vierziger Jahren. Wenn die Kamera Oliver Stapletons in ihren Gesichtern forscht, fördert sie mehr zutage als in Irvings Drehbuch steht: Individualität, Zwischentöne und Lebendigkeit.
Augenmerk fällt auch auf die Mini-Dramen am Rande zentraler Ereignisse: auf die plötzlich aufscheinende Munterkeit eines Waisenkindes, das adoptionswillige Besucher für sich zu gewinnen hofft, oder auf die verschlossenen Mienen beim enttäuschten Rückzug nach Fehlschlägen. Eine Familie finden, das ist hier das Synonym für Hoffnung. Wenn Dr. Larch oder eine der Schwestern beim Abendritual im Schlafsaal von St. Cloud's an abwesende Kinder erinnern, heißt das Ziel aller Wünsche stets: "Er hat eine Familie gefunden." Wie ein Refrain wiederholt, verklammert diese Formel Hallströms Stationendrama.
Der Regisseur hält Waisenhauschronik und Homers Entwicklungsgeschichte bei wechselnden Schwerpunkten in Balance. Mit rascher Montage rafft er Schlüsselsituationen von Homers Kindheit, um dann bei seiner Jugend zu verweilen. Paradoxerweise findet Homer gerade im Waisenhaus sein prägendes Zuhause. Nach gescheiterten Adoptionsversuchen nimmt Dr. Larch den Kleinen persönlich in seine Obhut. Mehr noch, er bildet ihn als Halbwüchsigen zu einer Art Assistenten in seiner Praxis aus. So entwickelt sich zwischen Larch und Homer ein enges Vater-Sohn-Verhältnis. Die wechselseitige Zuneigung verhindert keineswegs Konflikte. Dass Larch, überfordert von der Fülle seiner Aufgaben wie von seiner Art, Schicksal zu spielen, allabendlich Äther schnüffelt und in Träume flüchtet, nimmt Homer noch hin. Doch er verabscheut, dass der philanthropische Geburtshelfer der Armen auch Abtreibungen macht. Gegen solche Eingriffe hat Homer ein starkes und schönes Argument: sich selbst. Schließlich ist er, ein unerwünschtes Baby, für Larch unersetzlich geworden.
Der Film macht sich das drollig polare Weltbild des Arztes und seiner Waisen zu Eigen. "Hier in St. Cloud's" und "In anderen Teilen der Welt" beginnen Larchs täglich notierte Reflexionen. Aus dieser Zweiteilung zieht Homer, anders als sein auf St. Cloud's fixierter Erzieher, eines Tages den Schluss, seinen eigenen Weg anderswo zu suchen. Hallström beobachtet, wie eine Symbiose zerbricht und frische Sympathien wachsen. Die Welt, in die Homer mit neuen Freunden aufbricht, leuchtet in herbstlichen Pastellfarben. Eine Autofahrt durch Maine führt ihn in die Heimat des jungen Paars Candy (Charlize Theron) und Wally (Paul Rudd). Mit großzügigen Kamerafahrten öffnet der Regisseur seinem Helden den Weg ins Freie, bis ans Meer.
Wie ein Glücksversprechen durchmisst die Kamera die Küstenregion, die sich zwischen üppigen Fruchtgärten und Fischereihafen erstreckt. Dort pflückt Homer fortan Äpfel und sammelt Erfahrungen. Ein Paradies? Auch Ocean View liegt jenseits von Eden. Die Wanderarbeiter, mit denen Homer den Gemeinschaftsschlafsaal der Obstplantage teilt, erinnern an beklemmende Romanmotive Steinbecks. Drastische Vergehen, Inzest, Vergewaltigung und Vatermord, spalten die Gruppe. Lakonisch vermeidet Hallström die hier nahe liegende Melodramatik, indem er Höhen und Tiefen verknappt.
Das gilt auch für die Liebesgeschichte zwischen Candy und Homer. Sie beginnt, nachdem Wally in den Krieg ziehen musste. Einerseits hat diese Liebe für Homer den Glanz erster Bezauberung, andererseits gehört auch sie zu den gemischten Verhältnissen, die ihn überall einholen. Wenn Candy sich mit Homer auf dem gleichen Dock im Hafen trifft, auf dem sie mit Wally zu sitzen pflegte, veranschaulicht Hallström das Problem: Auf schwankendem Grund ist diese Liebe ein Dreiecksverhältnis mit unsichtbarem Dritten. Hier bei den Szenen in Ocean View entfernt sich der Film am weitesten vom Roman. Nicht ohne Notbehelfe verkürzt er die erzählte Zeit von fünfzehn Jahren auf fünfzehn Monate. Dann, nach Wallys Überleben und Dr. Larchs Tod, steht Homer vor Entscheidungen. Am Ende schlägt die Stunde der Heimkehr. Homer hat seine Familie gefunden, Hallström sein Lieblingsthema variiert. Wieder, wie schon in seinem besten Film "Gilbert Grape", erkundet er Familienverhältnisse, indem er Extreme als Normalfall betrachtet.
len.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Im Kino: "Gottes Werk & Teufels Beitrag" nach John Irving
Gesichter machen Geschichten. Darauf setzt der in Amerika arbeitende schwedische Regisseur Lasse Hallström diesmal mehr denn je. In seinem neuen Film "Gottes Werk & Teufels Beitrag" (The Cider House Rules) nach John Irvings Roman lässt sich die Spannweite der Ereignisse oft am vielseitigen Lächeln Michael Caines ablesen, das der Rolle des Waisenhauschefs Dr. Larch gütige, hilflose und versponnene Züge gibt. Daneben beeindruckt die Ruhe, die der junge Tobey Maguire als Larchs Lieblingswaise Homer Wells ausstrahlt. Um diese beiden Hauptfiguren dreht sich die amerikanische Waisenhaussaga aus den dreißiger und vierziger Jahren. Wenn die Kamera Oliver Stapletons in ihren Gesichtern forscht, fördert sie mehr zutage als in Irvings Drehbuch steht: Individualität, Zwischentöne und Lebendigkeit.
Augenmerk fällt auch auf die Mini-Dramen am Rande zentraler Ereignisse: auf die plötzlich aufscheinende Munterkeit eines Waisenkindes, das adoptionswillige Besucher für sich zu gewinnen hofft, oder auf die verschlossenen Mienen beim enttäuschten Rückzug nach Fehlschlägen. Eine Familie finden, das ist hier das Synonym für Hoffnung. Wenn Dr. Larch oder eine der Schwestern beim Abendritual im Schlafsaal von St. Cloud's an abwesende Kinder erinnern, heißt das Ziel aller Wünsche stets: "Er hat eine Familie gefunden." Wie ein Refrain wiederholt, verklammert diese Formel Hallströms Stationendrama.
Der Regisseur hält Waisenhauschronik und Homers Entwicklungsgeschichte bei wechselnden Schwerpunkten in Balance. Mit rascher Montage rafft er Schlüsselsituationen von Homers Kindheit, um dann bei seiner Jugend zu verweilen. Paradoxerweise findet Homer gerade im Waisenhaus sein prägendes Zuhause. Nach gescheiterten Adoptionsversuchen nimmt Dr. Larch den Kleinen persönlich in seine Obhut. Mehr noch, er bildet ihn als Halbwüchsigen zu einer Art Assistenten in seiner Praxis aus. So entwickelt sich zwischen Larch und Homer ein enges Vater-Sohn-Verhältnis. Die wechselseitige Zuneigung verhindert keineswegs Konflikte. Dass Larch, überfordert von der Fülle seiner Aufgaben wie von seiner Art, Schicksal zu spielen, allabendlich Äther schnüffelt und in Träume flüchtet, nimmt Homer noch hin. Doch er verabscheut, dass der philanthropische Geburtshelfer der Armen auch Abtreibungen macht. Gegen solche Eingriffe hat Homer ein starkes und schönes Argument: sich selbst. Schließlich ist er, ein unerwünschtes Baby, für Larch unersetzlich geworden.
Der Film macht sich das drollig polare Weltbild des Arztes und seiner Waisen zu Eigen. "Hier in St. Cloud's" und "In anderen Teilen der Welt" beginnen Larchs täglich notierte Reflexionen. Aus dieser Zweiteilung zieht Homer, anders als sein auf St. Cloud's fixierter Erzieher, eines Tages den Schluss, seinen eigenen Weg anderswo zu suchen. Hallström beobachtet, wie eine Symbiose zerbricht und frische Sympathien wachsen. Die Welt, in die Homer mit neuen Freunden aufbricht, leuchtet in herbstlichen Pastellfarben. Eine Autofahrt durch Maine führt ihn in die Heimat des jungen Paars Candy (Charlize Theron) und Wally (Paul Rudd). Mit großzügigen Kamerafahrten öffnet der Regisseur seinem Helden den Weg ins Freie, bis ans Meer.
Wie ein Glücksversprechen durchmisst die Kamera die Küstenregion, die sich zwischen üppigen Fruchtgärten und Fischereihafen erstreckt. Dort pflückt Homer fortan Äpfel und sammelt Erfahrungen. Ein Paradies? Auch Ocean View liegt jenseits von Eden. Die Wanderarbeiter, mit denen Homer den Gemeinschaftsschlafsaal der Obstplantage teilt, erinnern an beklemmende Romanmotive Steinbecks. Drastische Vergehen, Inzest, Vergewaltigung und Vatermord, spalten die Gruppe. Lakonisch vermeidet Hallström die hier nahe liegende Melodramatik, indem er Höhen und Tiefen verknappt.
Das gilt auch für die Liebesgeschichte zwischen Candy und Homer. Sie beginnt, nachdem Wally in den Krieg ziehen musste. Einerseits hat diese Liebe für Homer den Glanz erster Bezauberung, andererseits gehört auch sie zu den gemischten Verhältnissen, die ihn überall einholen. Wenn Candy sich mit Homer auf dem gleichen Dock im Hafen trifft, auf dem sie mit Wally zu sitzen pflegte, veranschaulicht Hallström das Problem: Auf schwankendem Grund ist diese Liebe ein Dreiecksverhältnis mit unsichtbarem Dritten. Hier bei den Szenen in Ocean View entfernt sich der Film am weitesten vom Roman. Nicht ohne Notbehelfe verkürzt er die erzählte Zeit von fünfzehn Jahren auf fünfzehn Monate. Dann, nach Wallys Überleben und Dr. Larchs Tod, steht Homer vor Entscheidungen. Am Ende schlägt die Stunde der Heimkehr. Homer hat seine Familie gefunden, Hallström sein Lieblingsthema variiert. Wieder, wie schon in seinem besten Film "Gilbert Grape", erkundet er Familienverhältnisse, indem er Extreme als Normalfall betrachtet.
len.
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