Nach dem Tod ihres Mannes stimmt die Hobbygärtnerin Grace einem ungewöhnlichen Plan zu: Zusammen mit ihrem Gärtner Matthew verwandelt sie ihr Gewächshaus in eine Marihuana-Plantage. Sie braucht das Geld dringend, denn ihr untreuer Gatte hat ihr einen riesigen Schuldenberg hinterlassen. Eben noch eine feine Lady, sieht sich Grace nun mit Gangstern, Dealern und einer allzu neugierigen Polizei konfrontiert
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.2000Eine Dame inhaliert: Nigel Coles Film "Grasgeflüster" über Hänflinge im Drogengeschäft
Grace Trevethan ist eine reizende Dame, wie eine Figur aus einem Kinderbuch. Ihr Pech, zu glauben, jedermann sei wie sie. Daß sie sich vor allem in ihrem Ehemann getäuscht hat, erfährt sie zu dessen retrospektivem Glück erst nach seinem Ableben. Peu à peu kommt ans Licht, daß ihr gut wattiertes Leben aus Teepartys und Orchideenzucht in Wirklichkeit auf Sand gebaut war. Der betrügerische Ehemann, nun in der Sicherheit des Grabes ruhend, hinterläßt Grace eine vormalige Geliebte, deren Existenz ihr unbekannt war und die nun auf den Plan tritt. Schlimmer noch und eine ebenso große Überraschung: ein entwaffnender Schuldenberg. Was also tun? Sie entdeckt die ökonomischen Möglichkeiten des kontrollierten Hanfanbaus und steigt mit ihrem Gärtner ins Drogengeschäft ein: Vorgänge, die nicht ohne eine gewisse vorhersehbare Komik sind.
Nigel Coles Film "Grasgeflüster" schickt sich an, den Sturz seiner in jeder Szene gehätschelten Hauptfigur Grace in die herbe Wirklichkeit zu beschreiben. Aber eine Emanzipationsgeschichte folgt dann doch nicht aufs böse Erwachen. Denn im Gegenteil verstrickt die Story (Drehbuch Craig Ferguson und Mark Crowdy) die Orchideenliebhaberin wieder in eine diesmal eben kriminelle Gegenrealität: die des Drogenhandels. Das alles wird mit heiterer Betulichkeit geschildert, nach Aussage des Regisseurs im Geiste der englischen "Ealing Comedies" aus den vierziger und fünfziger Jahren. Fraglos profitiert der Film vom Boom aktuellerer britischer Komödien wie "Brassed Off" und "Lang lebe Ned Devine", doch fehlt ihm deren in schöne und weniger anheimelnde Alltagsdetails und Beobachtungen verliebter Charme. Auch der Widerschein der Tragödie, ohne den keine gute Komödie existiert, flackert hier nur schwach. Daß die geradlinige, unspektakuläre Dramaturgie in ein semisurrealistisches Finale mündet, das ein ganzes Küstendorf in Cornwall bekifft auf Wolken schweben läßt, hilft zuletzt auch nicht mehr.
Wenn der Film sich aber doch gelegentlich über die Gefilde lieblicher Märchenhaftigkeit erhebt, ist das allein seiner Hauptdarstellerin zu danken: Brenda Blethyn. Die Rolle der tapferen Person, die Opfer ihrer Umgebung wird, sich aber in kleinen heroischen Akten daraus befreit, hat sie schon oft gespielt, etwa in "Lügen und Geheimnisse" und "Girls' Night". Auch dieses Mal darf Brenda Blethyn zeigen, daß unerfreuliche Verhältnisse dazu da sind, über sie hinauszuwachsen. Mit dem kleinen Unterschied, daß der für ihre Filme nahezu obligatorische Working-class-Hintergrund dieses Mal mit einem bourgeoisen Ambiente vertauscht wurde. Auch die Küstenlandschaft von Cornwall, in die ihr Haus gebaut ist, wirkt malerischer als die Industrie- und Stadtpanoramen, vor denen sie normalerweise agiert.
Brenda Blethyn füllt die Klischeegestalt der Dame im Scheinidyll bürgerlicher Behaglichkeit mit Leben, läßt ihre Beschränkungen, ihre Lebensuntüchtigkeit und verborgenen Enttäuschungen zutage treten, vor allem aber eine hinter Schlagfertigkeit und Witz versteckte Verletzlichkeit. Sie läßt die Fassade von Grace in allen detailliert nachvollziehbaren Einzelheiten bröckeln, nur um dann eine neue, bessere wieder zusammenzusetzen. Man freut sich von Herzen für ihre beherzte Heldin, nimmt ihr jeden Unfug des Drehbuchs ab und wünscht ihr alles Gute, weil sie so sympathisch ist und ein paar der besseren Gags auf ihrer Seite hat.
MARION LÖHNDORF
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Grace Trevethan ist eine reizende Dame, wie eine Figur aus einem Kinderbuch. Ihr Pech, zu glauben, jedermann sei wie sie. Daß sie sich vor allem in ihrem Ehemann getäuscht hat, erfährt sie zu dessen retrospektivem Glück erst nach seinem Ableben. Peu à peu kommt ans Licht, daß ihr gut wattiertes Leben aus Teepartys und Orchideenzucht in Wirklichkeit auf Sand gebaut war. Der betrügerische Ehemann, nun in der Sicherheit des Grabes ruhend, hinterläßt Grace eine vormalige Geliebte, deren Existenz ihr unbekannt war und die nun auf den Plan tritt. Schlimmer noch und eine ebenso große Überraschung: ein entwaffnender Schuldenberg. Was also tun? Sie entdeckt die ökonomischen Möglichkeiten des kontrollierten Hanfanbaus und steigt mit ihrem Gärtner ins Drogengeschäft ein: Vorgänge, die nicht ohne eine gewisse vorhersehbare Komik sind.
Nigel Coles Film "Grasgeflüster" schickt sich an, den Sturz seiner in jeder Szene gehätschelten Hauptfigur Grace in die herbe Wirklichkeit zu beschreiben. Aber eine Emanzipationsgeschichte folgt dann doch nicht aufs böse Erwachen. Denn im Gegenteil verstrickt die Story (Drehbuch Craig Ferguson und Mark Crowdy) die Orchideenliebhaberin wieder in eine diesmal eben kriminelle Gegenrealität: die des Drogenhandels. Das alles wird mit heiterer Betulichkeit geschildert, nach Aussage des Regisseurs im Geiste der englischen "Ealing Comedies" aus den vierziger und fünfziger Jahren. Fraglos profitiert der Film vom Boom aktuellerer britischer Komödien wie "Brassed Off" und "Lang lebe Ned Devine", doch fehlt ihm deren in schöne und weniger anheimelnde Alltagsdetails und Beobachtungen verliebter Charme. Auch der Widerschein der Tragödie, ohne den keine gute Komödie existiert, flackert hier nur schwach. Daß die geradlinige, unspektakuläre Dramaturgie in ein semisurrealistisches Finale mündet, das ein ganzes Küstendorf in Cornwall bekifft auf Wolken schweben läßt, hilft zuletzt auch nicht mehr.
Wenn der Film sich aber doch gelegentlich über die Gefilde lieblicher Märchenhaftigkeit erhebt, ist das allein seiner Hauptdarstellerin zu danken: Brenda Blethyn. Die Rolle der tapferen Person, die Opfer ihrer Umgebung wird, sich aber in kleinen heroischen Akten daraus befreit, hat sie schon oft gespielt, etwa in "Lügen und Geheimnisse" und "Girls' Night". Auch dieses Mal darf Brenda Blethyn zeigen, daß unerfreuliche Verhältnisse dazu da sind, über sie hinauszuwachsen. Mit dem kleinen Unterschied, daß der für ihre Filme nahezu obligatorische Working-class-Hintergrund dieses Mal mit einem bourgeoisen Ambiente vertauscht wurde. Auch die Küstenlandschaft von Cornwall, in die ihr Haus gebaut ist, wirkt malerischer als die Industrie- und Stadtpanoramen, vor denen sie normalerweise agiert.
Brenda Blethyn füllt die Klischeegestalt der Dame im Scheinidyll bürgerlicher Behaglichkeit mit Leben, läßt ihre Beschränkungen, ihre Lebensuntüchtigkeit und verborgenen Enttäuschungen zutage treten, vor allem aber eine hinter Schlagfertigkeit und Witz versteckte Verletzlichkeit. Sie läßt die Fassade von Grace in allen detailliert nachvollziehbaren Einzelheiten bröckeln, nur um dann eine neue, bessere wieder zusammenzusetzen. Man freut sich von Herzen für ihre beherzte Heldin, nimmt ihr jeden Unfug des Drehbuchs ab und wünscht ihr alles Gute, weil sie so sympathisch ist und ein paar der besseren Gags auf ihrer Seite hat.
MARION LÖHNDORF
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