Durch schmerzhafte Schicksalsschläge wird der knallharte Polizist Nishi aus der Bahn geworfen: Seine Frau Miyuki erkrankt unheilbar an Krebs und hat nur noch wenige Wochen zu leben. Sein jahrelanger Partner und bester Freund Horibe ist nach einer Schussverletzung querschnittsgelähmt und an den Rollstuhl gefesselt. Nishi hat nichts mehr zu verlieren. Er kehrt der Polizei den Rücken und plant einen Bankraub. Schuldbeladen will er Horibe wertvolle Malutensilien kaufen und ihm so Lebensfreude wiederbringen. Die letzten Lebenswochen seiner Frau will er mit ihr gemeinsam im Luxus verbringen, durch Japan reisen und zweite Flitterwochen am Fujiyama genießen. Doch die Vergangenheit lässt den nach Erlösung strebenden Nishi nicht los...
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit Soundeffekten - Interview mit Takeshi Kitano - Behind the Scenes - Hidden FeatureFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.01.1998Alles so schön bunt dort
Wo geschwiegen wird, da jubeln die Filmkritiker: "Hana-Bi"
Filmkritiker sind bemerkenswerte Menschen, auch wenn man es nicht immer gleich merkt. Ihrem Verhalten im Umfeld von Pressevorführungen nach zu urteilen, sind sie in der Mehrzahl durchaus gesprächig und kontaktfreudig. Nur wenige magische Momente eines Films bleiben unerwähnt, wenn zwei Filmkritiker - mit den obligatorischen Plastikbechern Kaffee in der Hand - nach der Vorstellung in einem Kinofoyer nebeneinander stehen.
"Ich fand seine Darstellung des Trappistenmönchs schlichtweg brillant", sagt Kritiker A dann etwa zu Kritiker B. "Ja", entgegnet dieser dann wohl, "aber der Bart hat irgendie unecht gewirkt. Wie fandest du den Bart?" Diese Frage gilt dem eben hinzutretenden Kritiker C. "Oh, der Bart war in Ordnung", sagt C und wedelt enthusiastisch mit seinem Kaffeebecher. "Mich hat eher gestört, daß sie nachher dauernd diese viel zu langen Ohrringe trug. Doch wie er den Trappistenmönch gespielt hat, das war schlichtweg genial."
Filmkritiker lieben Filme, in denen viel geschwiegen wird. Wo Stille herrscht, da ist Platz für das Wesentliche, denken sie. Tarkowskij! Godard! Kaurismäki! Die so sträflich vernachlässigte Tradition des Stummfilms nicht zu vergessen. Vor allem lieben Filmkritiker Charaktere, die nicht reden. Verstockte Schweiger, gebrochene Schweiger und - ganz wichtig - vielsagende Schweiger bevölkern die Filme ihrer Träume. Denn Film, nicht wahr, ist ein visuelles Medium. Und wo das Wort schwindet, da kann das Visuelle nur zunehmen, stimmt's?
Plappern ist etwas für Komödien. Komödien können wundervoll sein oder quecksilbrig oder auch mal von nachdenklichen Untertönen durchzogen. Ergreifend, erschütternd und wahrhaft groß aber sind die Filme, in denen mit nur ganz, ganz wenigen Worten eigentlich alles gesagt wird über Leben und Sterben, Liebe und Tod, Gott und die Welt. Filme, in denen das Tragische schließlich in eine fast heitere Melancholie umschlägt. Wo geschwiegen wird, da wächst das Wesentliche. Worin das dann besteht, ist eigentlich schon nicht mehr so wichtig.
Yoshitake Nishi heißt der schweigsame Held in "Hana-Bi", dem neuen Film des japanischen Regisseurs Takeshi Kitano. Er spielt ihn selbst. Nishi ist Polizist, ein älterer Mann, schlank und hochgewachsen. Oft trägt er eine Sonnenbrille und meistens einen dunkelblauen Nadelstreifenanzug. Wenn er in den Schrank greift, um ein neues Jackett hervorzuholen, sieht der Zuschauer dort eine größere Anzahl der gleichen Jacketts. Fast immer sind Nishis Lippen nach unten verzogen, aber wenn er lächelt, ist das ein Ereignis. Manchmal ist es auch nur ein nervöses Zucken der Gesichtsmuskeln. Viele Worte macht Nishi nicht.
Auch Horibe (Ren Osugi), ein Kollege von Nishi, schweigt ausgiebig. Es ist allerdings auch niemand da, mit dem er reden könnte. Seit einer Schießerei mit sogenannten Yakuza-Gangstern ist Horibe gelähmt und von Frau und Kind verlassen. Wenn die Flut kommt, sitzt er in seinem Rollstuhl am Meer, als warte er darauf, von ihm verschluckt zu werden. Dann wieder malt er Bilder, auf denen seltsame, aus Pflanze und Tier gemischte Wesen zu sehen sind.
"Nishi und Horibe waren als Polizisten ein perfektes Team", sagt ein Polizist einmal zu einem jüngeren Kollegen. "Aber als Nishi durchdrehte, war Nishi noch grausamer als Horibe." Der Film ist darauf angelegt, diese Aussage zu illustrieren. Nishi nahm nach dem Anschlag auf seinen Partner grausame Rache an den Tätern und wurde aus dem Polizeidienst entlassen. Nun verfolgen ihn die Bilder der Gewalt, während er sich zugleich der Gangster entledigen muß, die ihm unablässig auf den Fersen sind. Nebenbei versucht Nishi mit stets regungsloser Miene, seiner todkranken Frau (Kayoko Kishimoto) eine Reise vor der letzten Reise zu ermöglichen. Horibe, wie er auf das sich nähernde Meer starrt, und Nishi, während er einen Banküberfall plant und ausführt - das sind Takeshi Kitanos Hauptmotive einer Ballade von den alternden Männern in diesen schwierigen Zeiten.
Es gibt also eine Menge Rückblenden und Parallelmontagen. Auch die Bildsprache des Films ist deutlich. Die Farbe Rot spielt dabei eine herausragende Rolle. Offenbar ist gerade eine Großpackung Blutkapseln im Studio eingetroffen. Deshalb und weil er bei aller äußeren Ruhe ein innerlich brodelnder Mensch ist, schlägt Nishi einen aus dem Erdboden wachsenden Gangster nach dem anderen nieder, den ganzen Film über - mit einer Wut, die scheinbar aus dem Nichts kommt, in Wahrheit aber, wie gesagt, von innen.
Dem einen Schurken drückt der Polizist flugs ein Eßstäbchen durchs Auge, dem anderen boxt er in einem Moment schwächerer Inspiration kurzerhand in die Magengrube, woraufhin ein gewaltiger Blutschwall zu Boden klatscht. Wieder eine Kapsel weg. Zu Füßen Nishis ist es übrigens meistens weiß: helles Pflaster in der Stadt, weißer Schnee im Gebirge, weißer Sand am Strand. Die Reise, die Nishi schließlich mit seiner Frau zum Fudschijama und ans Meer unternimmt, scheint vor allem von ästhetischen Rücksichten bestimmt zu sein. Daß Rot sich besonders gut auf weißem Grund ausnimmt, hat zuvor allerdings schon die Zigarettenwerbung entdeckt. Hier aber fügen sich die Farben gar zu einer Art Metapher: Der japanische Schriftzug "Selbstmord" ist in sattem Rot auf weißem Grund in eines der Bilder eingefügt, die Horibe malte.
Weil "Hana-Bi" sich so schön schweigsam gebärdet und so planvoll in seiner Farbwahl ist, wurde der Film letztes Jahr in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet und von deutschen Filmkritikern seitdem anhaltend bejubelt. Doch "Hana-Bi" ist nicht der lakonisch-vielsagende Film, für den viele ihn halten. Er ist im Gegenteil visuell geschwätzig und inhaltlich fragwürdig. Die Bösen zu vernichten und lieb zu seiner Frau zu sein - dieses Credo haben wir Arnold Schwarzenegger und Bruce Willis schon mit weniger Verlogenheit anstimmen hören. Was wohl eigentlich das Thema dieses Filmshätte sein sollen, die Charakterzeichnung zweier beschädigter Männer, wurde an kunsthandwerkliche Effekte verschenkt. "Hana-Bi" ist ein Film für Filmkritiker. STEFFEN JACOBS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wo geschwiegen wird, da jubeln die Filmkritiker: "Hana-Bi"
Filmkritiker sind bemerkenswerte Menschen, auch wenn man es nicht immer gleich merkt. Ihrem Verhalten im Umfeld von Pressevorführungen nach zu urteilen, sind sie in der Mehrzahl durchaus gesprächig und kontaktfreudig. Nur wenige magische Momente eines Films bleiben unerwähnt, wenn zwei Filmkritiker - mit den obligatorischen Plastikbechern Kaffee in der Hand - nach der Vorstellung in einem Kinofoyer nebeneinander stehen.
"Ich fand seine Darstellung des Trappistenmönchs schlichtweg brillant", sagt Kritiker A dann etwa zu Kritiker B. "Ja", entgegnet dieser dann wohl, "aber der Bart hat irgendie unecht gewirkt. Wie fandest du den Bart?" Diese Frage gilt dem eben hinzutretenden Kritiker C. "Oh, der Bart war in Ordnung", sagt C und wedelt enthusiastisch mit seinem Kaffeebecher. "Mich hat eher gestört, daß sie nachher dauernd diese viel zu langen Ohrringe trug. Doch wie er den Trappistenmönch gespielt hat, das war schlichtweg genial."
Filmkritiker lieben Filme, in denen viel geschwiegen wird. Wo Stille herrscht, da ist Platz für das Wesentliche, denken sie. Tarkowskij! Godard! Kaurismäki! Die so sträflich vernachlässigte Tradition des Stummfilms nicht zu vergessen. Vor allem lieben Filmkritiker Charaktere, die nicht reden. Verstockte Schweiger, gebrochene Schweiger und - ganz wichtig - vielsagende Schweiger bevölkern die Filme ihrer Träume. Denn Film, nicht wahr, ist ein visuelles Medium. Und wo das Wort schwindet, da kann das Visuelle nur zunehmen, stimmt's?
Plappern ist etwas für Komödien. Komödien können wundervoll sein oder quecksilbrig oder auch mal von nachdenklichen Untertönen durchzogen. Ergreifend, erschütternd und wahrhaft groß aber sind die Filme, in denen mit nur ganz, ganz wenigen Worten eigentlich alles gesagt wird über Leben und Sterben, Liebe und Tod, Gott und die Welt. Filme, in denen das Tragische schließlich in eine fast heitere Melancholie umschlägt. Wo geschwiegen wird, da wächst das Wesentliche. Worin das dann besteht, ist eigentlich schon nicht mehr so wichtig.
Yoshitake Nishi heißt der schweigsame Held in "Hana-Bi", dem neuen Film des japanischen Regisseurs Takeshi Kitano. Er spielt ihn selbst. Nishi ist Polizist, ein älterer Mann, schlank und hochgewachsen. Oft trägt er eine Sonnenbrille und meistens einen dunkelblauen Nadelstreifenanzug. Wenn er in den Schrank greift, um ein neues Jackett hervorzuholen, sieht der Zuschauer dort eine größere Anzahl der gleichen Jacketts. Fast immer sind Nishis Lippen nach unten verzogen, aber wenn er lächelt, ist das ein Ereignis. Manchmal ist es auch nur ein nervöses Zucken der Gesichtsmuskeln. Viele Worte macht Nishi nicht.
Auch Horibe (Ren Osugi), ein Kollege von Nishi, schweigt ausgiebig. Es ist allerdings auch niemand da, mit dem er reden könnte. Seit einer Schießerei mit sogenannten Yakuza-Gangstern ist Horibe gelähmt und von Frau und Kind verlassen. Wenn die Flut kommt, sitzt er in seinem Rollstuhl am Meer, als warte er darauf, von ihm verschluckt zu werden. Dann wieder malt er Bilder, auf denen seltsame, aus Pflanze und Tier gemischte Wesen zu sehen sind.
"Nishi und Horibe waren als Polizisten ein perfektes Team", sagt ein Polizist einmal zu einem jüngeren Kollegen. "Aber als Nishi durchdrehte, war Nishi noch grausamer als Horibe." Der Film ist darauf angelegt, diese Aussage zu illustrieren. Nishi nahm nach dem Anschlag auf seinen Partner grausame Rache an den Tätern und wurde aus dem Polizeidienst entlassen. Nun verfolgen ihn die Bilder der Gewalt, während er sich zugleich der Gangster entledigen muß, die ihm unablässig auf den Fersen sind. Nebenbei versucht Nishi mit stets regungsloser Miene, seiner todkranken Frau (Kayoko Kishimoto) eine Reise vor der letzten Reise zu ermöglichen. Horibe, wie er auf das sich nähernde Meer starrt, und Nishi, während er einen Banküberfall plant und ausführt - das sind Takeshi Kitanos Hauptmotive einer Ballade von den alternden Männern in diesen schwierigen Zeiten.
Es gibt also eine Menge Rückblenden und Parallelmontagen. Auch die Bildsprache des Films ist deutlich. Die Farbe Rot spielt dabei eine herausragende Rolle. Offenbar ist gerade eine Großpackung Blutkapseln im Studio eingetroffen. Deshalb und weil er bei aller äußeren Ruhe ein innerlich brodelnder Mensch ist, schlägt Nishi einen aus dem Erdboden wachsenden Gangster nach dem anderen nieder, den ganzen Film über - mit einer Wut, die scheinbar aus dem Nichts kommt, in Wahrheit aber, wie gesagt, von innen.
Dem einen Schurken drückt der Polizist flugs ein Eßstäbchen durchs Auge, dem anderen boxt er in einem Moment schwächerer Inspiration kurzerhand in die Magengrube, woraufhin ein gewaltiger Blutschwall zu Boden klatscht. Wieder eine Kapsel weg. Zu Füßen Nishis ist es übrigens meistens weiß: helles Pflaster in der Stadt, weißer Schnee im Gebirge, weißer Sand am Strand. Die Reise, die Nishi schließlich mit seiner Frau zum Fudschijama und ans Meer unternimmt, scheint vor allem von ästhetischen Rücksichten bestimmt zu sein. Daß Rot sich besonders gut auf weißem Grund ausnimmt, hat zuvor allerdings schon die Zigarettenwerbung entdeckt. Hier aber fügen sich die Farben gar zu einer Art Metapher: Der japanische Schriftzug "Selbstmord" ist in sattem Rot auf weißem Grund in eines der Bilder eingefügt, die Horibe malte.
Weil "Hana-Bi" sich so schön schweigsam gebärdet und so planvoll in seiner Farbwahl ist, wurde der Film letztes Jahr in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet und von deutschen Filmkritikern seitdem anhaltend bejubelt. Doch "Hana-Bi" ist nicht der lakonisch-vielsagende Film, für den viele ihn halten. Er ist im Gegenteil visuell geschwätzig und inhaltlich fragwürdig. Die Bösen zu vernichten und lieb zu seiner Frau zu sein - dieses Credo haben wir Arnold Schwarzenegger und Bruce Willis schon mit weniger Verlogenheit anstimmen hören. Was wohl eigentlich das Thema dieses Filmshätte sein sollen, die Charakterzeichnung zweier beschädigter Männer, wurde an kunsthandwerkliche Effekte verschenkt. "Hana-Bi" ist ein Film für Filmkritiker. STEFFEN JACOBS
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