Das wäre ein gefundenes Fressen für die Presse, wenn bekannt würde, dass Alexander Engelmann, Boss der Engelmann-Werke, Wirtschaftskapitän und Alleininhaber eines der größten Konzerne, dass dieser Engelmann im Krieg der Fahrer des Zahlmeisters Paul Korn war... ein schlechter Fahrer übrigens. Jedenfalls behauptet das Paul, der jetzt Fahrer von Engelmann ist. Paul kümmert sich so ziemlich um alles, was das Privatleben von Engelmann betrifft, besonders aber um Julia, die l6jährige Tochter Alexanders, die in dem mutterlosen Haushält wie eine zwar reizende, aber wilde Pflanze aufwächst hübsch anzuschauen, aber äußerst stachelig. Eine Mutter muss her! Aber wie findet Engelmann eine Frau, die nicht nur auf die Millionen spekuliert? Das bei der Suche so einiges schief geht, versteht sich von selbst. Aber dank dem umsichtigen und besonnenen Paul wird doch noch die richtige Frau für Engelmann und geeignete Mutter für Julchen gefunden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.06.1996Im dunklen Drang des Verzeihens
Apotheose der Hure mit Herz: Bertrand Bliers Film "Mein Mann"
Sein oder Design? Die überlange erste Einstellung, preziös gerahmt und gestaffelt, faßt eine glasgedeckte Ladengalerie aus dem vorigen Jahrhundert ins Auge. Am Ende der Galerie, in der Tiefe des Bildes, sitzt eine moderne Schöne in Minirock und Corsage und monologisiert über ihr Leben. Leidenschaftlich bekennt sie sich zu ihrem Beruf, dem sie sich mit Haut und Haaren, mit Leib und Seele hingibt: eine Wohltäterin. Die erste Großaufnahme richtet jäh das Augenmerk auf Bein und hochhackige Sandale der Sprecherin. Dann erst rückt sie von nahem ganz ins Blickfeld, zierlich, großäugig, schwarzhaarig, während ihre Bekenntnisse plötzlich konkret werden: Marie ist Prostituierte. An dieser menschenleere Stelle wartet sie auf Klienten. Sieht so die Männerphantasie lustwandelnder Güte aus?
Der französische Regisseur Bertrand Blier, seit mehr als zwei Jahrzehnten dabei, aus sexuellen Obsessionen Kino zu machen, fällt in "Mein Mann" auf die eigene sinnlich besinnliche Kopfgeburt herein. Seine Sexfee (Anouk Grinberg, Silberner Bär 1996) ist nicht von dieser Welt. Aber auch mit Halb- und Unterwelt hat sie nichts zu schaffen. Nicht nur in der glasgedeckten Galerie agiert sie wie unter einer Glasglocke, hermetisch realitätsentrückt.
Das Klischee der courtisane innocente, der edlen Dirne, das Blier hier wiederzubeleben sucht, feierte im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert triviale Triumphe. Heute wirkt es, derart krampfhaft zelebriert, nur noch peinlich. Auch Bliers Werbetext für den Film macht es nicht besser: "Eine Prostituierte, nimmt man gemeinhin an, wird geschlagen und ausgebeutet . . . Das ist falsch, ganz falsch. Ich kenne eine Frau, die dabei rundum glücklich ist. Sie ist eine Prostituierte, und um nichts auf der Welt würde sie den Beruf wechseln . . . Das ist Blödsinn, werden Sie mir sagen, so eine Frau gibt es nicht. Und doch ist es möglich, denn ich habe sie erfunden." Möglichkeit als bester Beweis für die Wirklichkeit?
Immerhin macht Blier einen Versuch, seine Stenogramme gekauften Kitzels in eine Story zu überführen. Als hätte Marie von Dostojewskis barmherziger Sonja gelernt, nimmt sie den Bettler Jeannot (Gérard Lanvin) aus der Gosse mit in ihren Überfluß, um ihm mit Speise, Trank und Designermode auf die Beine zu helfen. Mitleid wird zu Leidenschaft. Blier lädt Maries Nacht mit Jeannot, die zentrale Sexszene des Films, quasireligiös auf mit Oratorienzitaten im Soundtrack und mit hemmungslos verzückten Blicken Maries, in deren Zügen die Kamera andächtig versinkt.
Von solcher Ekstase stürzt die Szene ab in extreme Banalität. Auch ein Auftritt Jean-Pierre Léauds, eine ferne Reminiszenz an Truffauts "Gestohlene Küsse" von 1968, zeigt im Vergleich mit dem Schwung des Vorbilds nur Bliers Schwerfälligkeit. Was auch geschehen könnte, Blier bringt es auf den Punkt, daß Marie auf den Strich geht. Sie begehrt den Mann, der ihr ein und alles ist - auch als Zuhälter, natürlich mit Monopol. Doch Jeannot sieht sein Berufsbild anders. Sein Hang zur Zweit-und Drittnutte ist unaufhaltsam.
Bliers Film "Mon homme" zerfällt in zwei Teile. Denn prompt und problemlos wandelt sich Marie zur Ehefrau und Mutter, nachdem Jeannot wegen illegalen Gewerbes verhaftet worden ist. Einen jungen Mann im Bistro, der nicht weiß, wie ihm geschieht, schleppt sie aufs Standesamt. Aber wer nicht auf den Strich geht, hat nun mal kein Geld. Maries Familie darbt. Marie versucht die Rückkehr ins Metier. Doch jetzt geht sie allein gegen den Strom einer für ihre Reize unempfänglichen Menschenmenge an.
Einsam in der Masse: Plötzlich beschwört Blier in umflorten Totalen trivialexistentialistisches Pathos, wer weiß, warum. Der Regisseur hält keinerlei Begründungen für nötig, jeweils mitgerissen von den eigenen Rührmomenten. Ein dunkler Drang nach Verzeihung treibt Blier im Finale, wenn Jeannot, haftentlassen, an Maries Küchentisch sitzt, um sich zu entschuldigen. So leicht läßt sich ein solcher Film nicht verzeihen. EVA-MARIA LENZ
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Apotheose der Hure mit Herz: Bertrand Bliers Film "Mein Mann"
Sein oder Design? Die überlange erste Einstellung, preziös gerahmt und gestaffelt, faßt eine glasgedeckte Ladengalerie aus dem vorigen Jahrhundert ins Auge. Am Ende der Galerie, in der Tiefe des Bildes, sitzt eine moderne Schöne in Minirock und Corsage und monologisiert über ihr Leben. Leidenschaftlich bekennt sie sich zu ihrem Beruf, dem sie sich mit Haut und Haaren, mit Leib und Seele hingibt: eine Wohltäterin. Die erste Großaufnahme richtet jäh das Augenmerk auf Bein und hochhackige Sandale der Sprecherin. Dann erst rückt sie von nahem ganz ins Blickfeld, zierlich, großäugig, schwarzhaarig, während ihre Bekenntnisse plötzlich konkret werden: Marie ist Prostituierte. An dieser menschenleere Stelle wartet sie auf Klienten. Sieht so die Männerphantasie lustwandelnder Güte aus?
Der französische Regisseur Bertrand Blier, seit mehr als zwei Jahrzehnten dabei, aus sexuellen Obsessionen Kino zu machen, fällt in "Mein Mann" auf die eigene sinnlich besinnliche Kopfgeburt herein. Seine Sexfee (Anouk Grinberg, Silberner Bär 1996) ist nicht von dieser Welt. Aber auch mit Halb- und Unterwelt hat sie nichts zu schaffen. Nicht nur in der glasgedeckten Galerie agiert sie wie unter einer Glasglocke, hermetisch realitätsentrückt.
Das Klischee der courtisane innocente, der edlen Dirne, das Blier hier wiederzubeleben sucht, feierte im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert triviale Triumphe. Heute wirkt es, derart krampfhaft zelebriert, nur noch peinlich. Auch Bliers Werbetext für den Film macht es nicht besser: "Eine Prostituierte, nimmt man gemeinhin an, wird geschlagen und ausgebeutet . . . Das ist falsch, ganz falsch. Ich kenne eine Frau, die dabei rundum glücklich ist. Sie ist eine Prostituierte, und um nichts auf der Welt würde sie den Beruf wechseln . . . Das ist Blödsinn, werden Sie mir sagen, so eine Frau gibt es nicht. Und doch ist es möglich, denn ich habe sie erfunden." Möglichkeit als bester Beweis für die Wirklichkeit?
Immerhin macht Blier einen Versuch, seine Stenogramme gekauften Kitzels in eine Story zu überführen. Als hätte Marie von Dostojewskis barmherziger Sonja gelernt, nimmt sie den Bettler Jeannot (Gérard Lanvin) aus der Gosse mit in ihren Überfluß, um ihm mit Speise, Trank und Designermode auf die Beine zu helfen. Mitleid wird zu Leidenschaft. Blier lädt Maries Nacht mit Jeannot, die zentrale Sexszene des Films, quasireligiös auf mit Oratorienzitaten im Soundtrack und mit hemmungslos verzückten Blicken Maries, in deren Zügen die Kamera andächtig versinkt.
Von solcher Ekstase stürzt die Szene ab in extreme Banalität. Auch ein Auftritt Jean-Pierre Léauds, eine ferne Reminiszenz an Truffauts "Gestohlene Küsse" von 1968, zeigt im Vergleich mit dem Schwung des Vorbilds nur Bliers Schwerfälligkeit. Was auch geschehen könnte, Blier bringt es auf den Punkt, daß Marie auf den Strich geht. Sie begehrt den Mann, der ihr ein und alles ist - auch als Zuhälter, natürlich mit Monopol. Doch Jeannot sieht sein Berufsbild anders. Sein Hang zur Zweit-und Drittnutte ist unaufhaltsam.
Bliers Film "Mon homme" zerfällt in zwei Teile. Denn prompt und problemlos wandelt sich Marie zur Ehefrau und Mutter, nachdem Jeannot wegen illegalen Gewerbes verhaftet worden ist. Einen jungen Mann im Bistro, der nicht weiß, wie ihm geschieht, schleppt sie aufs Standesamt. Aber wer nicht auf den Strich geht, hat nun mal kein Geld. Maries Familie darbt. Marie versucht die Rückkehr ins Metier. Doch jetzt geht sie allein gegen den Strom einer für ihre Reize unempfänglichen Menschenmenge an.
Einsam in der Masse: Plötzlich beschwört Blier in umflorten Totalen trivialexistentialistisches Pathos, wer weiß, warum. Der Regisseur hält keinerlei Begründungen für nötig, jeweils mitgerissen von den eigenen Rührmomenten. Ein dunkler Drang nach Verzeihung treibt Blier im Finale, wenn Jeannot, haftentlassen, an Maries Küchentisch sitzt, um sich zu entschuldigen. So leicht läßt sich ein solcher Film nicht verzeihen. EVA-MARIA LENZ
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