Der junge Hercules lebt als Sterblicher auf der Erde. Doch eines Tages findet er heraus, daß er auf dem Olymp das Licht der Welt erblickt hat und sein Vater kein Geringerer als der mächtige Zeus ist. Um aber auf den Berg der Götter zurückkehren zu können, muß Hercules erst beweisen, daß er ein richtiger Held ist. Mit Hilfe seiner treuen Freunde - dem fliegenden Pferd Pegasus und seinem Trainer Phil - lernt er, daß dabei nicht pure Kraft, sondern die Größe seines Herzens zählt. Hades, der hitzköpfige Herrscher der Unterwelt, versucht inzwischen, unterstützt von seiner vorwitzigen Handlangern Pech und Schwefel, mit allen Mitteln die Macht über das ganze Universum zu erlangen. Hercules aber setzt seine Kraft gezielt gegen das Böse ein, um schließlich den ihm zusteheneden Platz bei den Göttern einzunehmen!
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Trailer von anderen Filmen - Kapitel- / Szenenanwahl - Making Of - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit Soundeffekten - Hercules' Interaktive Video-Galerie - Disney's Lexikon: Die griechische Mythologie - Sing mit uns: "In Sekunden auf Hundert" - Disney's Art Attack: Eine griechische UrneFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.1997Singe, o Muse, und sei schön sexy
Ein Genre wird erwachsen: Mit "Hercules" krönt Disney seine Trickfilmproduktion
Als Jessica Rabbit 1989 ihren ersten Auftritt hatte, stockte den Kinobesuchern der Atem. Da betrat keine niedliche Häsin die Bühne eines Nachtklubs, sondern eine gezeichnete Frau, die als Inkarnation altbekannter Männerträume gelten darf: langbeinig, breithüftig, großbusig, in ein hochgeschlitztes Kleid gezwängt. Unter halbgeschlossenen Lidern und durch eine wilde Haarpracht warf sie dem Publikum verführerische Blicke zu. Die berühmteste Dialogzeile aus "Falsches Spiel mit Roger Rabbit", dem ersten Zeichentrickfilm von Steven Spielbergs "Amblin Entertainment", kam natürlich aus ihrem Kirschmund: "Ich bin nicht wirklich schlecht, ich bin nur so gezeichnet."
Jessica Rabbits Erscheinung riß unausgesprochene Grenzen nieder: Sex hatte zuvor in den familientauglichen Trickfilmen, vor allem denen der Disney-Studios, nichts zu suchen. Der Erfolg war ein schneller Lehrmeister: Beauty aus "Die Schöne und das Biest" (1992) war bereits eine reife junge Frau, die Prinzessin aus "Aladdin" (1993) mit allen Attributen weiblicher Verführungskraft gesegnet, Esmeralda im letztjährigen "Glöckner von Notre-Dame" sogar nach den Zügen ihrer Sprecherin, der Schauspielerin Demi Moore, modelliert. Doch erst der jüngste Sproß der nie abreißenden Disneyproduktion warf alle Bedenken über Bord: Dessen Titelheld Hercules wird dank des erotischen Hüftschwungs der wohlgestalteten Megara schnell in die Arme dieser femme fatale gezogen. Die Handlung wird zudem eingerahmt durch fünf singende und tanzende Musen, von denen vier jeden Vergleich mit den körperlichen Vorzügen realer weiblicher Gesangsgruppen aushalten.
"Hercules" ist viel mehr als nur einer der regelmäßig zur Weihnachtszeit über uns hereinbrechenden Disneyfilme. Waren die letzten beiden, "Der Glöckner von Notre-Dame" und "Pocahontas", veritable Enttäuschungen, weil sie lediglich die Wege noch einmal beschritten, die Disney mit den kommerziellen Knüllern "Die Schöne und das Biest" und "Der König der Löwen" schon längst ausgetreten hatte, so knüpft "Hercules" an zwei andere Traditionen an: an den anarchischen Trickfilmhumor der fünfziger Jahre, der das Fehlen künstlerischer Ambitionen mit Gelächter überdecken wollte, und an die ersten fünf abendfüllenden Spielfilme von Walt Disney, die bis 1942 - als der Kriegseintritt der Vereinigten Staaten die Weiterführung von Disneys fanatischem Perfektionismus nicht mehr erlaubte - einen seitdem nie mehr erreichten Grad an zeichnerischer Brillanz erreichten. Das hat auch "Hercules" nicht geschafft. Aber er vermittelt als erster Zeichentrickfilm seit 1942 das Gefühl, auf der Höhe seiner Zeit zu sein: erzähltechnisch und künstlerisch.
Trotz aller Klagen über political correctness in Hollywood kamen im fünfunddreißigsten langen Zeichentrickfilm der Disney-Studios nicht nur bildschöne Frauen, sondern auch schwarzer Humor in einem Ausmaß zum Einsatz, das sich kein Vorgänger erlaubt hat. Der Schauspieler James Woods spricht den obligatorischen Gegner des Helden, den Unterweltbeherrscher Hades, und wieder wandelten die Disneyzeichner die Figur dem Schauspieler an. Man muß "Hercules" im englischen Original sehen, damit man Woods' Leistung ermessen kann: Er brennt ein Sprachfeuerwerk ab, das zwischen Lakonie und Furor für tausend Nuancen Platz hat, und drückt sich dabei doch unbeirrt in Wortwahl und Ton eines selbstverliebten Dandys aus. Mit Danny DeVito als Satyr Philoktet und Charlton Heston als Erzähler hat man weitere Hollywood-Größen als Sprecher gewinnen können. Trotzdem blieben die meisterhaften Entwürfe des bekannten Karikaturisten Gerald Scarfe (siehe auch F.A.Z. vom 2. Oktober) bestimmend für die Ausführung: Die Figuren scheinen zu zerreißen unter ihrer Körperspannung, doch sie haben noch immer den klassischen Disney-Touch, indem sie Niedlichkeit (Hercules als Baby ist ein Zitat aus "Fantasia") und Archetypen kombinieren (Hercules als griechischer Superman, ausgerechnet von dem Deutschen Andreas Deja mit blitzenden Zähnen, markantem Kinn, Muskelpaketen und Haartolle entworfen). Doch über beides macht sich der Film lustig. Das ist die Überraschung.
Schon "Falsches Spiel mit Roger Rabbit" war eine wundervoll ironische Wiederbelebung eines uralten Genres gewesen: der Begegnung von realen Schauspielern mit gezeichneten Figuren. Bereits der erste erfolgreiche Zeichentrickfilm, Winsor McCays "Gertie the Dinosaur" von 1914, bezog den Vorführer (McCay selbst) in die Handlung mit ein. Walt Disney erregte lange vor der Erfindung von Micky Maus in Filmkreisen Aufmerksamkeit mit seiner Kurzfilmserie "Alice in Cartoonland", die ein junges Mädchen in gezeichnete Hintergründe versetzte und mit Trickfilmfiguren agieren ließ. Dieses Muster nahm "Roger Rabbit" auf, nur erzählte der Film eine Geschichte für Erwachsene, die auch Kindern gut gefallen mußte. Damit wurde der Kurzfilm zum Vorbild für die Neukonzeption der abendfüllenden Disney-Zeichentrickfilme, die in den neunziger Jahren Furore an der Kinokasse machten: "Arielle", "Die Schöne und das Biest", "Aladdin" und vor allem "Der König der Löwen".
Künstlerisch blieben diese Projekte alle unbefriedigend, zu sehr hatte die Computertechnik das Handwerk der Animatoren erleichtert. Die Vorzeichnungen werden längst nicht mehr von Hand auf die Folien übertragen, die dann vor den Hintergründen abfotografiert werden, sondern mit dem Rechner eingelesen und digital überarbeitet. Der Charme der alten Filme lag gerade in den organischen Bewegungen der Figuren, die mit der heute üblichen Perfektion nicht konkurrieren konnten, aber den Protagonisten Leben und eine individuelle Note verliehen. Man sah den Figuren an, wer sie gestaltet hatte. Eine Garde wie Disneys "neun alte Männer", die von den Vierzigern bis in die siebziger Jahre die Zeichentrickfilme des Studios geprägt haben, ist heute kaum noch denkbar. Zu schnell folgen die Projekte aufeinander, als daß dieselben Zeichner oder Regisseure an allen beteiligt sein könnten. Nur die regelmäßig oscargekrönten Liedbeiträge der Disneyfilme entstammen immer der Feder von Alan Menken - so auch bei "Hercules".
Doch dieser Film beschwört die goldenen Jahre des Trickfilms herauf, weil er mehr kann, als nur Bilder zur Schallplatte zu liefern. Der griechische Chor der fünf Musen singt zwar großartige Gospelparodien, doch er hat als Kommentator auch seine Rolle aus der Theatertradition behalten. Immer schon erweckten die Nebenfiguren in Disneyfilmen mehr Begeisterung als die Hauptrollen; hier konnten die Zeichner Experimente wagen, die bei den zielgruppengerechten Helden unmöglich schienen. Als traditionell lächerliche Komplizen des Bösen profilieren sich in "Hercules" Pech und Schwefel, zwei unbestimmbare Gestalten, die über ovidsche Verwandlungsfähigkeiten verfügen. Doch auch die dunkle Seite der Macht ist vertreten wie lange nicht mehr - die Hydra ist eines der erschreckendsten Filmmonster überhaupt; man mag kaum glauben, daß dieser Film ohne Altersbeschränkung freigegeben wurde. Doch es paßt alles: Wo der personifizierte Tod als Antagonist und eine Sterbeszene dem längst vergessenen Disneyfilm "Taran und der Zauberkessel" noch eine Morbidität verliehen hatten, die zu Recht für den Mißerfolg des 1985 produzierten Films verantwortlich gemacht werden kann, sind dieselben Elemente in "Hercules" Bravourstücke. Seit "Bambi" (1942) weiß man, daß im populären Zeichentrickfilm gestorben werden kann, ohne die Kinder zu verprellen. Seit damals hat es nie mehr funktioniert. Bis jetzt.
Besonders bemerkenswert aber ist, daß es keine tricktechnischen Kabinettstückchen in "Hercules" gibt. Einige Zeichentrickszenen bleiben in der Geschichte des Mediums unvergeßlich: die Eingangssequenz mit dem nächtlichen Flug über die Stadt aus "Pinocchio" (1940), der von Bill Tytla animierte Dämon des Episodenfilms "Fantasia" (1940), der im Rüssel der Mutter schaukelnde kleine Elefant in "Dumbo" (1941). Unter den neuen Filmen erreichte nur "Die Schöne und das Biest" diese legendären Szenen: in der Ballsaaleinstellung, in der die Kamera von der Decke über den Kronleuchter auf die beiden Helden zuschwebt. Eine derartige Tiefe hat es zuvor nie gegeben; man sieht und staunt. Solche Szenen hat "Hercules" nicht zu bieten. Aber er wird im Gedächtnis bleiben, weil er das Beste der Vergangenheit in neunzig Minuten bündelt, über die man dann im Rückblick staunen kann. Witzig, dreist und ironisch knüpft er an die 1942 abgerissene Entwicklungslinie an. Mehr kann man nicht verlangen. Mit "Hercules" ist der Zeichentrickfilm erwachsen geworden. ANDREAS PLATTHAUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Genre wird erwachsen: Mit "Hercules" krönt Disney seine Trickfilmproduktion
Als Jessica Rabbit 1989 ihren ersten Auftritt hatte, stockte den Kinobesuchern der Atem. Da betrat keine niedliche Häsin die Bühne eines Nachtklubs, sondern eine gezeichnete Frau, die als Inkarnation altbekannter Männerträume gelten darf: langbeinig, breithüftig, großbusig, in ein hochgeschlitztes Kleid gezwängt. Unter halbgeschlossenen Lidern und durch eine wilde Haarpracht warf sie dem Publikum verführerische Blicke zu. Die berühmteste Dialogzeile aus "Falsches Spiel mit Roger Rabbit", dem ersten Zeichentrickfilm von Steven Spielbergs "Amblin Entertainment", kam natürlich aus ihrem Kirschmund: "Ich bin nicht wirklich schlecht, ich bin nur so gezeichnet."
Jessica Rabbits Erscheinung riß unausgesprochene Grenzen nieder: Sex hatte zuvor in den familientauglichen Trickfilmen, vor allem denen der Disney-Studios, nichts zu suchen. Der Erfolg war ein schneller Lehrmeister: Beauty aus "Die Schöne und das Biest" (1992) war bereits eine reife junge Frau, die Prinzessin aus "Aladdin" (1993) mit allen Attributen weiblicher Verführungskraft gesegnet, Esmeralda im letztjährigen "Glöckner von Notre-Dame" sogar nach den Zügen ihrer Sprecherin, der Schauspielerin Demi Moore, modelliert. Doch erst der jüngste Sproß der nie abreißenden Disneyproduktion warf alle Bedenken über Bord: Dessen Titelheld Hercules wird dank des erotischen Hüftschwungs der wohlgestalteten Megara schnell in die Arme dieser femme fatale gezogen. Die Handlung wird zudem eingerahmt durch fünf singende und tanzende Musen, von denen vier jeden Vergleich mit den körperlichen Vorzügen realer weiblicher Gesangsgruppen aushalten.
"Hercules" ist viel mehr als nur einer der regelmäßig zur Weihnachtszeit über uns hereinbrechenden Disneyfilme. Waren die letzten beiden, "Der Glöckner von Notre-Dame" und "Pocahontas", veritable Enttäuschungen, weil sie lediglich die Wege noch einmal beschritten, die Disney mit den kommerziellen Knüllern "Die Schöne und das Biest" und "Der König der Löwen" schon längst ausgetreten hatte, so knüpft "Hercules" an zwei andere Traditionen an: an den anarchischen Trickfilmhumor der fünfziger Jahre, der das Fehlen künstlerischer Ambitionen mit Gelächter überdecken wollte, und an die ersten fünf abendfüllenden Spielfilme von Walt Disney, die bis 1942 - als der Kriegseintritt der Vereinigten Staaten die Weiterführung von Disneys fanatischem Perfektionismus nicht mehr erlaubte - einen seitdem nie mehr erreichten Grad an zeichnerischer Brillanz erreichten. Das hat auch "Hercules" nicht geschafft. Aber er vermittelt als erster Zeichentrickfilm seit 1942 das Gefühl, auf der Höhe seiner Zeit zu sein: erzähltechnisch und künstlerisch.
Trotz aller Klagen über political correctness in Hollywood kamen im fünfunddreißigsten langen Zeichentrickfilm der Disney-Studios nicht nur bildschöne Frauen, sondern auch schwarzer Humor in einem Ausmaß zum Einsatz, das sich kein Vorgänger erlaubt hat. Der Schauspieler James Woods spricht den obligatorischen Gegner des Helden, den Unterweltbeherrscher Hades, und wieder wandelten die Disneyzeichner die Figur dem Schauspieler an. Man muß "Hercules" im englischen Original sehen, damit man Woods' Leistung ermessen kann: Er brennt ein Sprachfeuerwerk ab, das zwischen Lakonie und Furor für tausend Nuancen Platz hat, und drückt sich dabei doch unbeirrt in Wortwahl und Ton eines selbstverliebten Dandys aus. Mit Danny DeVito als Satyr Philoktet und Charlton Heston als Erzähler hat man weitere Hollywood-Größen als Sprecher gewinnen können. Trotzdem blieben die meisterhaften Entwürfe des bekannten Karikaturisten Gerald Scarfe (siehe auch F.A.Z. vom 2. Oktober) bestimmend für die Ausführung: Die Figuren scheinen zu zerreißen unter ihrer Körperspannung, doch sie haben noch immer den klassischen Disney-Touch, indem sie Niedlichkeit (Hercules als Baby ist ein Zitat aus "Fantasia") und Archetypen kombinieren (Hercules als griechischer Superman, ausgerechnet von dem Deutschen Andreas Deja mit blitzenden Zähnen, markantem Kinn, Muskelpaketen und Haartolle entworfen). Doch über beides macht sich der Film lustig. Das ist die Überraschung.
Schon "Falsches Spiel mit Roger Rabbit" war eine wundervoll ironische Wiederbelebung eines uralten Genres gewesen: der Begegnung von realen Schauspielern mit gezeichneten Figuren. Bereits der erste erfolgreiche Zeichentrickfilm, Winsor McCays "Gertie the Dinosaur" von 1914, bezog den Vorführer (McCay selbst) in die Handlung mit ein. Walt Disney erregte lange vor der Erfindung von Micky Maus in Filmkreisen Aufmerksamkeit mit seiner Kurzfilmserie "Alice in Cartoonland", die ein junges Mädchen in gezeichnete Hintergründe versetzte und mit Trickfilmfiguren agieren ließ. Dieses Muster nahm "Roger Rabbit" auf, nur erzählte der Film eine Geschichte für Erwachsene, die auch Kindern gut gefallen mußte. Damit wurde der Kurzfilm zum Vorbild für die Neukonzeption der abendfüllenden Disney-Zeichentrickfilme, die in den neunziger Jahren Furore an der Kinokasse machten: "Arielle", "Die Schöne und das Biest", "Aladdin" und vor allem "Der König der Löwen".
Künstlerisch blieben diese Projekte alle unbefriedigend, zu sehr hatte die Computertechnik das Handwerk der Animatoren erleichtert. Die Vorzeichnungen werden längst nicht mehr von Hand auf die Folien übertragen, die dann vor den Hintergründen abfotografiert werden, sondern mit dem Rechner eingelesen und digital überarbeitet. Der Charme der alten Filme lag gerade in den organischen Bewegungen der Figuren, die mit der heute üblichen Perfektion nicht konkurrieren konnten, aber den Protagonisten Leben und eine individuelle Note verliehen. Man sah den Figuren an, wer sie gestaltet hatte. Eine Garde wie Disneys "neun alte Männer", die von den Vierzigern bis in die siebziger Jahre die Zeichentrickfilme des Studios geprägt haben, ist heute kaum noch denkbar. Zu schnell folgen die Projekte aufeinander, als daß dieselben Zeichner oder Regisseure an allen beteiligt sein könnten. Nur die regelmäßig oscargekrönten Liedbeiträge der Disneyfilme entstammen immer der Feder von Alan Menken - so auch bei "Hercules".
Doch dieser Film beschwört die goldenen Jahre des Trickfilms herauf, weil er mehr kann, als nur Bilder zur Schallplatte zu liefern. Der griechische Chor der fünf Musen singt zwar großartige Gospelparodien, doch er hat als Kommentator auch seine Rolle aus der Theatertradition behalten. Immer schon erweckten die Nebenfiguren in Disneyfilmen mehr Begeisterung als die Hauptrollen; hier konnten die Zeichner Experimente wagen, die bei den zielgruppengerechten Helden unmöglich schienen. Als traditionell lächerliche Komplizen des Bösen profilieren sich in "Hercules" Pech und Schwefel, zwei unbestimmbare Gestalten, die über ovidsche Verwandlungsfähigkeiten verfügen. Doch auch die dunkle Seite der Macht ist vertreten wie lange nicht mehr - die Hydra ist eines der erschreckendsten Filmmonster überhaupt; man mag kaum glauben, daß dieser Film ohne Altersbeschränkung freigegeben wurde. Doch es paßt alles: Wo der personifizierte Tod als Antagonist und eine Sterbeszene dem längst vergessenen Disneyfilm "Taran und der Zauberkessel" noch eine Morbidität verliehen hatten, die zu Recht für den Mißerfolg des 1985 produzierten Films verantwortlich gemacht werden kann, sind dieselben Elemente in "Hercules" Bravourstücke. Seit "Bambi" (1942) weiß man, daß im populären Zeichentrickfilm gestorben werden kann, ohne die Kinder zu verprellen. Seit damals hat es nie mehr funktioniert. Bis jetzt.
Besonders bemerkenswert aber ist, daß es keine tricktechnischen Kabinettstückchen in "Hercules" gibt. Einige Zeichentrickszenen bleiben in der Geschichte des Mediums unvergeßlich: die Eingangssequenz mit dem nächtlichen Flug über die Stadt aus "Pinocchio" (1940), der von Bill Tytla animierte Dämon des Episodenfilms "Fantasia" (1940), der im Rüssel der Mutter schaukelnde kleine Elefant in "Dumbo" (1941). Unter den neuen Filmen erreichte nur "Die Schöne und das Biest" diese legendären Szenen: in der Ballsaaleinstellung, in der die Kamera von der Decke über den Kronleuchter auf die beiden Helden zuschwebt. Eine derartige Tiefe hat es zuvor nie gegeben; man sieht und staunt. Solche Szenen hat "Hercules" nicht zu bieten. Aber er wird im Gedächtnis bleiben, weil er das Beste der Vergangenheit in neunzig Minuten bündelt, über die man dann im Rückblick staunen kann. Witzig, dreist und ironisch knüpft er an die 1942 abgerissene Entwicklungslinie an. Mehr kann man nicht verlangen. Mit "Hercules" ist der Zeichentrickfilm erwachsen geworden. ANDREAS PLATTHAUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main