Der brillante und ehrgeizige Wissenschaftler Sebastian Caine (Kevin Bacon) und sein Team haben im Auftrag des Pentagon eine Substanz entwickelt, die es vermag, Menschen unsichtbar zu machen. Caine, berauscht von seiner Entdeckung, ignoriert alle Risiken und startet einen gefährlichen Selbstversuch. Der wissenschaftliche Durchbruch gelingt! Caine wird vor den Augen seiner Kollegen unsichtbar. Doch das Experiment bleibt nicht ohne Nebenwirkungen: Die Droge macht extrem gewalttätig, der Wissenschaftler wird zu einer todbringenden Gefahr für seine Umgebung. Verzweifelt versuchen Caines Kollegen Linda (Elisabeth Shue) und Matthew (Josh Brolin) ein Gegenmittel zu entwickeln, das den Unsichtbaren in Schach hält. Caine jedoch findet Gefallen an seiner neuen Macht und beginnt, in seinen Kollegen eine unmittelbare Bedrohung für sein Leben zu sehen, die er bekämpfen muss...
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DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Trailer von anderen Filmen - Biographien Crew - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - 2 Filmdokumentationen; Storyboard Vergleich; Entfallene Szenen; Filmkommentare von Komponist u. RegisseurFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2000Platons lange Schatten
Wie verhielte sich ein Mensch, der sich unsichtbar machen könnte? Paul Verhoevens Film "Hollow Man" gibt nur vor, die Antwort zu kennen
Nervös schnuppernd läuft eine Ratte durch einen leeren Käfig. Die Kamera folgt ihr in Bodenhöhe. Plötzlich wird das Tier in die Höhe gerissen und von der Hand eines unsichtbaren Wesens zerquetscht. Die Knochen brechen, die Innereien quellen hervor, und wir hören Kaugeräusche. Mitten im Käfig zeichnet sich, durch das Blut sichtbar, das Gebiß eines Gorillas ab. In dieser kurzen Sequenz vor dem Vorspann zeigt Paul Verhoevens Film "Hollow Man" Zähne - das erste und leider fast das letzte Mal.
Seit er in Hollywood arbeitet, macht es sich der gebürtige Holländer zur Aufgabe, Inneres nach außen zu kehren. Kein anderer Regisseur hat so tief in das Fleisch der amerikanischen Gesellschaft geschnitten wie Verhoeven. In "Robocop" (1987) trieb er das Law-and-order-Prinzip auf die Spitze und malte in der Farbe des Blutes aus, wie man sich beim Versuch, Gewalt mit Gegenwalt zu bekämpfen, selbst liquidieren kann. "Starship Troopers" (1997), ebenfalls vom Drehbuchautor Ed Neumeyer geschrieben, ging noch einen Schritt weiter. Schon Kindern werden in diesem Film Maschinenpistolen in die Hände gedrückt, damit sie für den Kampf gegen das Böse gewappnet sind.
Verhoeven schießt gern aus allen Rohren und über das Ziel hinaus, um seine Gegner aus der Deckung zu locken und sie zu provozieren, das Feuer zu erwidern. Nur unter Beschuß fühlt sich dieser Regisseur richtig wohl. Schon bevor er seinen Film "Hollow Man" in Angriff nahm, fuhr er ein schweres Geschütz auf und zitierte den Amerikanern aus Platons Politeia. Im zweiten Buch dieser Schrift stellt sich der Philosoph die Frage: Wie würde sich ein Mensch verhalten, wenn er im Besitz eines Rings wäre, der ihm Unsichtbarkeit verliehe? Würde er nicht stehlen, einbrechen, Männer töten und Frauen verführen, weil man ihn für seine Taten nicht zur Rechenschaft ziehen könnte?
Während wir bei Platon die Antwort im Dialog zwischen Sokrates und Glaukon finden müssen, sagt Verhoeven klipp und klar: Gut und gerecht ist der Mensch nur, weil ihn die Sanktionen der Gesellschaft dazu nötigen - aus Feigheit. Könnte er durch die Unsichtbarkeit gottgleich werden, wie Glaukon es beschreibt, würde er nicht zögern, gegen Gesetz und Moral zu verstoßen, um seine basic instincts zu befriedigen.
Schaut man sich "Hollow Man" an, muß man jedoch eher an Platons Höhlengleichnis denken: Wir sitzen im Kino, starren auf die Leinwand und sehen nur einen Schatten dieser Idee. Verhoevens Höhle ist ein unterirdisches Labor, in das er seinen Helden Sebastian Caine (Kevin Bacon) einsperrt. Die Außenwelt, die Verhoeven in seinen bisherigen Filmen mindestens ebensosehr interessiert hat wie die Figuren, die sich durch sie bewegen, können wir nur erahnen.
Im Auftrag der Regierung soll Caine mit einem Team von Wissenschaftlern ein Mittel finden, um Lebewesen unsichtbar zu machen. Nachdem Experimente mit einem Gorilla erfolgreich waren, unternimmt Caine einen Selbstversuch. Die erste Phase glückt: Unter großen Schmerzen wird er unsichtbar. Doch leider gelingt es seinen Mitarbeitern nicht, ihn wieder zurückzuholen. Je länger er unsichtbar bleibt, desto mehr verändert sich sein Charakter. Caine wird bösartiger und fängt schließlich an, seine Mitarbeiter zu ermorden. Das Drehbuch von Andrew W. Marlowe nennt uns zahlreiche Gründe für diesen Prozeß: Das Mittel selbst macht aggressiv; Caine ist eifersüchtig, weil seine Exfreundin (Elisabeth Shue) nun ein Verhältnis mit seinem Konkurrenten im Team (Josh Brolin) hat; er will sich sein Scheitern nicht eingestehen und das Labor nicht in fremde Hände geben.
Doch das sind alles Placebos, mit denen uns der Film abspeisen muß, weil das Mittel, das er uns eigentlich verabreichen will, nicht wirkt: "Hollow Man" gelingt es nicht, uns Caines Lust an der Unsichtbarkeit zu vermitteln. Zu Beginn spielt Caine neckische Streiche. Als eine Assistentin von ihm auf die Toilette geht (die sich die Geschlechter teilen müssen wie die Umkleidekabinen in "Robocop" und die Duschen in "Starship Troopers"), hört sie ein Geräusch und setzt sich eine Thermobrille auf, mit der sie Caine sehen kann. Sie erblickt aber nur einen gelben Streifen im Urinal: Das Wärmebild hat exakt die gleiche Farbe wie die Flüssigkeit, die es hervorgerufen hat - die Grenze zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem verschwimmt wie die zwischen Witz und Gefahr.
Kurze Zeit später, bei einer seiner zwei Stippvisiten in der Außenwelt, dringt Caine in die Wohnung einer Nachbarin ein, die er schon lange begehrt, und vergewaltigt sie. Aus guten Gründen wird dies nur angedeutet. Daß der Film danach aber gar nicht mehr zu der Frau zurückkehrt, wirkt wie der Versuch, zu verdrängen, was passiert ist. Es scheint, als hätten die Filmemacher gemerkt, daß sich die moralische Erosion des Helden zu erdrutschartig vollzieht (wie im übrigen in einigen Horrorfilmen jüngeren Datums, so auch in "Schatten der Wahrheit"). Lust und Moral bekommen kaum Zeit, miteinander zu ringen. Der Held muß böse werden - so steht es im Buch.
Was könnte man alles machen, wenn man unsichtbar wäre? "Hollow Man" hetzt seinen Helden nur durch die Gänge und Flure des Labors und läßt ihn Mitarbeiter meucheln. Diese Dramaturgie hat vor allem ökonomische Gründe: Den Unsichtbaren durch die Straßen von Washington laufen zu lassen hätte das Budget des ohnehin schon 85 Millionen Dollar teuren Films rasant in die Höhe schnellen lassen. Doch Verhoeven ist zweifellos kein Regisseur der geschlossenen Räume. Er braucht den Kontakt mit der Wirklichkeit, auch wenn er sie im Gewand eines Science-fiction-Films verfremdet. Die Lebensader seiner Filme, die den Menschen mit der Gesellschaft verbindet, ist hier durchtrennt. "Hollow Man" ist bei allem Einfallsreichtum, der darauf verwendet wird, den Unsichtbaren sichtbar zu machen, nur ein Laborversuch. Er hat keine Protagonisten, sondern nur Probanden. Er hat eine Idee, doch statt sie mit Leben zu füllen, behandelt er sie wie ein totes Objekt.
LARS-OLAV BEIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie verhielte sich ein Mensch, der sich unsichtbar machen könnte? Paul Verhoevens Film "Hollow Man" gibt nur vor, die Antwort zu kennen
Nervös schnuppernd läuft eine Ratte durch einen leeren Käfig. Die Kamera folgt ihr in Bodenhöhe. Plötzlich wird das Tier in die Höhe gerissen und von der Hand eines unsichtbaren Wesens zerquetscht. Die Knochen brechen, die Innereien quellen hervor, und wir hören Kaugeräusche. Mitten im Käfig zeichnet sich, durch das Blut sichtbar, das Gebiß eines Gorillas ab. In dieser kurzen Sequenz vor dem Vorspann zeigt Paul Verhoevens Film "Hollow Man" Zähne - das erste und leider fast das letzte Mal.
Seit er in Hollywood arbeitet, macht es sich der gebürtige Holländer zur Aufgabe, Inneres nach außen zu kehren. Kein anderer Regisseur hat so tief in das Fleisch der amerikanischen Gesellschaft geschnitten wie Verhoeven. In "Robocop" (1987) trieb er das Law-and-order-Prinzip auf die Spitze und malte in der Farbe des Blutes aus, wie man sich beim Versuch, Gewalt mit Gegenwalt zu bekämpfen, selbst liquidieren kann. "Starship Troopers" (1997), ebenfalls vom Drehbuchautor Ed Neumeyer geschrieben, ging noch einen Schritt weiter. Schon Kindern werden in diesem Film Maschinenpistolen in die Hände gedrückt, damit sie für den Kampf gegen das Böse gewappnet sind.
Verhoeven schießt gern aus allen Rohren und über das Ziel hinaus, um seine Gegner aus der Deckung zu locken und sie zu provozieren, das Feuer zu erwidern. Nur unter Beschuß fühlt sich dieser Regisseur richtig wohl. Schon bevor er seinen Film "Hollow Man" in Angriff nahm, fuhr er ein schweres Geschütz auf und zitierte den Amerikanern aus Platons Politeia. Im zweiten Buch dieser Schrift stellt sich der Philosoph die Frage: Wie würde sich ein Mensch verhalten, wenn er im Besitz eines Rings wäre, der ihm Unsichtbarkeit verliehe? Würde er nicht stehlen, einbrechen, Männer töten und Frauen verführen, weil man ihn für seine Taten nicht zur Rechenschaft ziehen könnte?
Während wir bei Platon die Antwort im Dialog zwischen Sokrates und Glaukon finden müssen, sagt Verhoeven klipp und klar: Gut und gerecht ist der Mensch nur, weil ihn die Sanktionen der Gesellschaft dazu nötigen - aus Feigheit. Könnte er durch die Unsichtbarkeit gottgleich werden, wie Glaukon es beschreibt, würde er nicht zögern, gegen Gesetz und Moral zu verstoßen, um seine basic instincts zu befriedigen.
Schaut man sich "Hollow Man" an, muß man jedoch eher an Platons Höhlengleichnis denken: Wir sitzen im Kino, starren auf die Leinwand und sehen nur einen Schatten dieser Idee. Verhoevens Höhle ist ein unterirdisches Labor, in das er seinen Helden Sebastian Caine (Kevin Bacon) einsperrt. Die Außenwelt, die Verhoeven in seinen bisherigen Filmen mindestens ebensosehr interessiert hat wie die Figuren, die sich durch sie bewegen, können wir nur erahnen.
Im Auftrag der Regierung soll Caine mit einem Team von Wissenschaftlern ein Mittel finden, um Lebewesen unsichtbar zu machen. Nachdem Experimente mit einem Gorilla erfolgreich waren, unternimmt Caine einen Selbstversuch. Die erste Phase glückt: Unter großen Schmerzen wird er unsichtbar. Doch leider gelingt es seinen Mitarbeitern nicht, ihn wieder zurückzuholen. Je länger er unsichtbar bleibt, desto mehr verändert sich sein Charakter. Caine wird bösartiger und fängt schließlich an, seine Mitarbeiter zu ermorden. Das Drehbuch von Andrew W. Marlowe nennt uns zahlreiche Gründe für diesen Prozeß: Das Mittel selbst macht aggressiv; Caine ist eifersüchtig, weil seine Exfreundin (Elisabeth Shue) nun ein Verhältnis mit seinem Konkurrenten im Team (Josh Brolin) hat; er will sich sein Scheitern nicht eingestehen und das Labor nicht in fremde Hände geben.
Doch das sind alles Placebos, mit denen uns der Film abspeisen muß, weil das Mittel, das er uns eigentlich verabreichen will, nicht wirkt: "Hollow Man" gelingt es nicht, uns Caines Lust an der Unsichtbarkeit zu vermitteln. Zu Beginn spielt Caine neckische Streiche. Als eine Assistentin von ihm auf die Toilette geht (die sich die Geschlechter teilen müssen wie die Umkleidekabinen in "Robocop" und die Duschen in "Starship Troopers"), hört sie ein Geräusch und setzt sich eine Thermobrille auf, mit der sie Caine sehen kann. Sie erblickt aber nur einen gelben Streifen im Urinal: Das Wärmebild hat exakt die gleiche Farbe wie die Flüssigkeit, die es hervorgerufen hat - die Grenze zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem verschwimmt wie die zwischen Witz und Gefahr.
Kurze Zeit später, bei einer seiner zwei Stippvisiten in der Außenwelt, dringt Caine in die Wohnung einer Nachbarin ein, die er schon lange begehrt, und vergewaltigt sie. Aus guten Gründen wird dies nur angedeutet. Daß der Film danach aber gar nicht mehr zu der Frau zurückkehrt, wirkt wie der Versuch, zu verdrängen, was passiert ist. Es scheint, als hätten die Filmemacher gemerkt, daß sich die moralische Erosion des Helden zu erdrutschartig vollzieht (wie im übrigen in einigen Horrorfilmen jüngeren Datums, so auch in "Schatten der Wahrheit"). Lust und Moral bekommen kaum Zeit, miteinander zu ringen. Der Held muß böse werden - so steht es im Buch.
Was könnte man alles machen, wenn man unsichtbar wäre? "Hollow Man" hetzt seinen Helden nur durch die Gänge und Flure des Labors und läßt ihn Mitarbeiter meucheln. Diese Dramaturgie hat vor allem ökonomische Gründe: Den Unsichtbaren durch die Straßen von Washington laufen zu lassen hätte das Budget des ohnehin schon 85 Millionen Dollar teuren Films rasant in die Höhe schnellen lassen. Doch Verhoeven ist zweifellos kein Regisseur der geschlossenen Räume. Er braucht den Kontakt mit der Wirklichkeit, auch wenn er sie im Gewand eines Science-fiction-Films verfremdet. Die Lebensader seiner Filme, die den Menschen mit der Gesellschaft verbindet, ist hier durchtrennt. "Hollow Man" ist bei allem Einfallsreichtum, der darauf verwendet wird, den Unsichtbaren sichtbar zu machen, nur ein Laborversuch. Er hat keine Protagonisten, sondern nur Probanden. Er hat eine Idee, doch statt sie mit Leben zu füllen, behandelt er sie wie ein totes Objekt.
LARS-OLAV BEIER
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