Maria Schraders tiefsinnige und hinreißend romantische Komödie stellt mit charmanter Leichtigkeit die Fragen der Liebe, der Sehnsucht und was den Menschen zum Menschen macht.
Alma (Maren Eggert) ist Wissenschaftlerin am berühmten Pergamon-Museum in Berlin. Um an Forschungsgelder für ihre Arbeit zu kommen, lässt sie sich zur Teilnahme an einer außergewöhnlichen Studie überreden. Drei Wochen lang soll sie mit einem ganz auf ihren Charakter und ihre Bedürfnisse zugeschnittenen humanoiden Roboter zusammenleben, dessen künstliche Intelligenz darauf angelegt ist, der perfekte Lebenspartner für sie zu sein. Alma trifft auf Tom (Dan Stevens), eine hochentwickelte Maschine in Menschengestalt, einzig dafür geschaffen, sie glücklich zu machen...
Alma (Maren Eggert) ist Wissenschaftlerin am berühmten Pergamon-Museum in Berlin. Um an Forschungsgelder für ihre Arbeit zu kommen, lässt sie sich zur Teilnahme an einer außergewöhnlichen Studie überreden. Drei Wochen lang soll sie mit einem ganz auf ihren Charakter und ihre Bedürfnisse zugeschnittenen humanoiden Roboter zusammenleben, dessen künstliche Intelligenz darauf angelegt ist, der perfekte Lebenspartner für sie zu sein. Alma trifft auf Tom (Dan Stevens), eine hochentwickelte Maschine in Menschengestalt, einzig dafür geschaffen, sie glücklich zu machen...
Bonusmaterial
Interviews mit Regisseurin Maria Schrader, Hauptdarstellerin Maren Eggert und Dan Stevens,... Hinter den Kulissen Berlinale 2021Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.2021Das liebende Herz schlägt halbautomatisch
Maria Schraders Science-Fiction-Dramakomödie "Ich bin dein Mensch" macht mehr richtig als die beste Maschine
Die lustigsten Filme handeln von ernsten Sachen. Ihr bestmögliches Ende ist offen, und zwar so, dass der Kopf, der zuschaut, dieses offene Ende nicht gleich nach dem Abspann heimlich wieder schließt. "Ich bin dein Mensch" von Maria Schrader weiß beides. Der Film erzählt entsprechend mehrstimmig die Geschichte der Archäologin Alma, die ein paar Wochen mit dem Roboter Tom verbringen soll, damit dieser sich im Vollzug interaktiven Maschinenlernens mehr und mehr ihren Vorstellungen vom idealen Liebespartner anschmiegt. Es handelt sich allerdings um einen Testlauf; Alma ist Probandin, nicht Kundin, ihre Versuchsteilnahme will auf unromantische Vorteile hinaus, so mag sie den Ablauf nur halbwegs Würde wahrend irgendwie hinter sich bringen.
Maren Eggert spielt diese Alma folgerichtig mit angemessen irritabler Distanz zur anstrengenden Situation, während Dan Stevens als Tom jedes Tastfeld seines Rollenmenüs unterwegs zum raffinierten Finale mindestens einmal antippt: Künstliche Intelligenz, seelische Interferenz, wie's jeweils gebraucht wird.
Dass die Berliner Museumsinsel und ein Ferienort im nahen Ausland die Zentren der Handlungstopographie sind, verrät Maßarbeit: Stätten der Forschung, Lehre und Erholung liegen halt weit genug ab vom Alltag des Publikums, um für nichts Gegenwärtiges zu stehen, und dürften sich ihren Zwecken gemäß bis zu der nahen Zukunft, um die's geht, nicht allzu sehr verändern.
Auch sonst arbeitet der Film mit subtilen Vergleichseinladungen zwischen Stimmungsebenen, bis in die Soundtrackfeinheiten: Ein Szenario der Täuschung ist mit aufdringlichem Swing tapeziert, Momente der Wahrheit dagegen hören sich an, als wäre ihre Musik erst noch auf der Suche nach der passenden Melodie.
Maria Schrader kann Filmphantastik (das heißt: kinematographische Darstellung von Welten, die sich mit keiner Erfahrungswirklichkeit decken) außer als Regisseurin auch als Schauspielerin denken (man darf sehr viel übers Genre lernen, wenn man ihr dabei zuschaut, wie sie in Tom Shanklands China-Miéville-Verfilmung "The City & The City" aus dem Jahr 2018 durchlässige Realitätsgrenzen kreuzt) und versteht schon von daher, was sie von ihrem Ensemble für "Ich bin dein Mensch" verlangen muss.
Die Leute liefern das glänzend: Maren Eggert mixt riskanteste Gefühlsmischungen zusammen, "skeptisches Überwältigtsein" zum Beispiel (schon beim ersten Tanz mit der Maschine); Dan Stevens veredelt die erstaunliche schauspielerische Bandbreite, die er für den Part des tief zerrissenen Übermenschen David Haller in der Serie "Legion" entwickelt hat, mit minimalistischen Tics, deren Artistik desto buntere Funken schlägt, je dezenter er sie einsetzt; und Sandra Hüller in einer entscheidenden Nebenrolle kann nicht nur, wie die Welt längst weiß, sowieso alles, sondern, wie man sieht, neuerdings auch noch lächeln wie vorgedruckt und fragen wie nicht ganz da - sie spielt hier eine Art Formular, und zwar überzeugender als Drucksachen und Dateien das tun, die reale Firmen und Ämter produzieren.
Bei all der Spitzenschauspielerei ist "Ich bin dein Mensch" aber weit mehr als ein abgefilmtes Theaterstück. Eine Einstellung, in der Tom, umringt von zutraulichen Rehen, am Waldrand steht, gehört zu den im europäischen Science-Fiction-Kino eher seltenen selbständig starken Bildern (selbst Godard hat "Alphaville" ja eher mit dem weltentwerfenden Hirn als mit welthungrigen Augen gedreht). Zu dieser visuellen Kraft passen wiederum die überdurchschnittlich sorgfältig gearbeiteten Dialoge des Films, in denen Sprache (als das Erzmenschliche schlechthin, nämlich zugleich algorithmisch regelhaft und emotional wirrnisnah) immer wieder selbst zum Thema wird. Die Abneigung der Heldin gegen neckische Witzchen wie "Alles klärchen" oder "Tschüssikowski" beispielsweise fasst ihr allgemeines Sichsträuben gegen läppische Lebensumstände zusammen. Die hohe Sprachsensibilität des Drehbuchs, das Schrader zusammen mit Jan Schomburg verfasst hat, lässt sich durchweg von nervös reflektierten Impulsen aus dem Text umtreiben, der diesen Film inspiriert hat, einer schlauen Geschichte von Emma Braslavsky. Das davon vorgegebene Niveau macht möglich, dass "Ich bin dein Mensch" sich sogar etwas erlauben kann, das Science-Fiction eigentlich immer leisten sollte, im Kino aber kaum je hinkriegt: philosophische Fragen über technisch-naturwissenschaftliches Erkennen und Können in historisch vergänglichen sozialen und psychologischen Konstellationen zu untersuchen. Die interessanteste von diesen, die der Stoff des Films aufwirft, ist dabei keineswegs die nach der Beschaffenheit von etwas, das zwar denkt, aber nicht menschlich ist, obwohl unser ganzer Begriff vom Denken anhand der einzigen Denkart, die wir kennen, gebildet ist, eben der menschlichen.
Denn wie auch immer sich Künstliche Intelligenz "von innen anfühlen" mag oder nicht, viel folgenreicher dürfte ihr Vorhandensein, so sie denn existiert, für die naturgeschichtliche Position ihrer Schöpferspezies sein: Wir werden uns in ihrem Spiegel verändern, Zeit, Lernen, Wissen nicht dieselben bleiben (dass es im KI-Komplex um weit mehr als die Gegenüberstellung Person/Apparat geht, nämlich deren wechselseitige Durchdringung, behauptet mit verstörenden Gründen Venkatesh Rao, https://studio.ribbonfarm.com/p/superhistory-not-superintelligence). Ist das Wichtigste an uns überhaupt das Bewusstsein? Wir atmen doch selten bewusst, das Herz schlägt unbeaufsichtigt, und unsere Kunst kann gerade in ihrer reichsten Blüte nicht immer klar sagen, was sie gerade warum veranstaltet.
Die im Rahmen der Computerisierung anstehende Verwandlung, Spaltung, Multiplikation des Denkens und Empfindens, gerade da, wo deren Gegenstände wiederum Denken und Empfinden sind, deutet "Ich bin dein Mensch" am offenen Ende an: Alma hält einen Schlussmonolog, erst als Gutachten, dann als Erinnerungstext, und ignoriert als Handelnde irgendwie beide, wenngleich nicht komplett. Auch der Film insgesamt teilt mehr mit als Thesen. Mit solchen Bedeutungsüberschüssen muss zwar kein Computer, wohl aber die Liebe rechnen - sie ist im Innersten gerade daraus gedichtet.
DIETMAR DATH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Maria Schraders Science-Fiction-Dramakomödie "Ich bin dein Mensch" macht mehr richtig als die beste Maschine
Die lustigsten Filme handeln von ernsten Sachen. Ihr bestmögliches Ende ist offen, und zwar so, dass der Kopf, der zuschaut, dieses offene Ende nicht gleich nach dem Abspann heimlich wieder schließt. "Ich bin dein Mensch" von Maria Schrader weiß beides. Der Film erzählt entsprechend mehrstimmig die Geschichte der Archäologin Alma, die ein paar Wochen mit dem Roboter Tom verbringen soll, damit dieser sich im Vollzug interaktiven Maschinenlernens mehr und mehr ihren Vorstellungen vom idealen Liebespartner anschmiegt. Es handelt sich allerdings um einen Testlauf; Alma ist Probandin, nicht Kundin, ihre Versuchsteilnahme will auf unromantische Vorteile hinaus, so mag sie den Ablauf nur halbwegs Würde wahrend irgendwie hinter sich bringen.
Maren Eggert spielt diese Alma folgerichtig mit angemessen irritabler Distanz zur anstrengenden Situation, während Dan Stevens als Tom jedes Tastfeld seines Rollenmenüs unterwegs zum raffinierten Finale mindestens einmal antippt: Künstliche Intelligenz, seelische Interferenz, wie's jeweils gebraucht wird.
Dass die Berliner Museumsinsel und ein Ferienort im nahen Ausland die Zentren der Handlungstopographie sind, verrät Maßarbeit: Stätten der Forschung, Lehre und Erholung liegen halt weit genug ab vom Alltag des Publikums, um für nichts Gegenwärtiges zu stehen, und dürften sich ihren Zwecken gemäß bis zu der nahen Zukunft, um die's geht, nicht allzu sehr verändern.
Auch sonst arbeitet der Film mit subtilen Vergleichseinladungen zwischen Stimmungsebenen, bis in die Soundtrackfeinheiten: Ein Szenario der Täuschung ist mit aufdringlichem Swing tapeziert, Momente der Wahrheit dagegen hören sich an, als wäre ihre Musik erst noch auf der Suche nach der passenden Melodie.
Maria Schrader kann Filmphantastik (das heißt: kinematographische Darstellung von Welten, die sich mit keiner Erfahrungswirklichkeit decken) außer als Regisseurin auch als Schauspielerin denken (man darf sehr viel übers Genre lernen, wenn man ihr dabei zuschaut, wie sie in Tom Shanklands China-Miéville-Verfilmung "The City & The City" aus dem Jahr 2018 durchlässige Realitätsgrenzen kreuzt) und versteht schon von daher, was sie von ihrem Ensemble für "Ich bin dein Mensch" verlangen muss.
Die Leute liefern das glänzend: Maren Eggert mixt riskanteste Gefühlsmischungen zusammen, "skeptisches Überwältigtsein" zum Beispiel (schon beim ersten Tanz mit der Maschine); Dan Stevens veredelt die erstaunliche schauspielerische Bandbreite, die er für den Part des tief zerrissenen Übermenschen David Haller in der Serie "Legion" entwickelt hat, mit minimalistischen Tics, deren Artistik desto buntere Funken schlägt, je dezenter er sie einsetzt; und Sandra Hüller in einer entscheidenden Nebenrolle kann nicht nur, wie die Welt längst weiß, sowieso alles, sondern, wie man sieht, neuerdings auch noch lächeln wie vorgedruckt und fragen wie nicht ganz da - sie spielt hier eine Art Formular, und zwar überzeugender als Drucksachen und Dateien das tun, die reale Firmen und Ämter produzieren.
Bei all der Spitzenschauspielerei ist "Ich bin dein Mensch" aber weit mehr als ein abgefilmtes Theaterstück. Eine Einstellung, in der Tom, umringt von zutraulichen Rehen, am Waldrand steht, gehört zu den im europäischen Science-Fiction-Kino eher seltenen selbständig starken Bildern (selbst Godard hat "Alphaville" ja eher mit dem weltentwerfenden Hirn als mit welthungrigen Augen gedreht). Zu dieser visuellen Kraft passen wiederum die überdurchschnittlich sorgfältig gearbeiteten Dialoge des Films, in denen Sprache (als das Erzmenschliche schlechthin, nämlich zugleich algorithmisch regelhaft und emotional wirrnisnah) immer wieder selbst zum Thema wird. Die Abneigung der Heldin gegen neckische Witzchen wie "Alles klärchen" oder "Tschüssikowski" beispielsweise fasst ihr allgemeines Sichsträuben gegen läppische Lebensumstände zusammen. Die hohe Sprachsensibilität des Drehbuchs, das Schrader zusammen mit Jan Schomburg verfasst hat, lässt sich durchweg von nervös reflektierten Impulsen aus dem Text umtreiben, der diesen Film inspiriert hat, einer schlauen Geschichte von Emma Braslavsky. Das davon vorgegebene Niveau macht möglich, dass "Ich bin dein Mensch" sich sogar etwas erlauben kann, das Science-Fiction eigentlich immer leisten sollte, im Kino aber kaum je hinkriegt: philosophische Fragen über technisch-naturwissenschaftliches Erkennen und Können in historisch vergänglichen sozialen und psychologischen Konstellationen zu untersuchen. Die interessanteste von diesen, die der Stoff des Films aufwirft, ist dabei keineswegs die nach der Beschaffenheit von etwas, das zwar denkt, aber nicht menschlich ist, obwohl unser ganzer Begriff vom Denken anhand der einzigen Denkart, die wir kennen, gebildet ist, eben der menschlichen.
Denn wie auch immer sich Künstliche Intelligenz "von innen anfühlen" mag oder nicht, viel folgenreicher dürfte ihr Vorhandensein, so sie denn existiert, für die naturgeschichtliche Position ihrer Schöpferspezies sein: Wir werden uns in ihrem Spiegel verändern, Zeit, Lernen, Wissen nicht dieselben bleiben (dass es im KI-Komplex um weit mehr als die Gegenüberstellung Person/Apparat geht, nämlich deren wechselseitige Durchdringung, behauptet mit verstörenden Gründen Venkatesh Rao, https://studio.ribbonfarm.com/p/superhistory-not-superintelligence). Ist das Wichtigste an uns überhaupt das Bewusstsein? Wir atmen doch selten bewusst, das Herz schlägt unbeaufsichtigt, und unsere Kunst kann gerade in ihrer reichsten Blüte nicht immer klar sagen, was sie gerade warum veranstaltet.
Die im Rahmen der Computerisierung anstehende Verwandlung, Spaltung, Multiplikation des Denkens und Empfindens, gerade da, wo deren Gegenstände wiederum Denken und Empfinden sind, deutet "Ich bin dein Mensch" am offenen Ende an: Alma hält einen Schlussmonolog, erst als Gutachten, dann als Erinnerungstext, und ignoriert als Handelnde irgendwie beide, wenngleich nicht komplett. Auch der Film insgesamt teilt mehr mit als Thesen. Mit solchen Bedeutungsüberschüssen muss zwar kein Computer, wohl aber die Liebe rechnen - sie ist im Innersten gerade daraus gedichtet.
DIETMAR DATH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main