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Phillip lebt mit Mutter und Schwester in bürgerlichen Verhältnissen. Er war ein Woche spurlos verschwunden. Was er gesucht hat, ein Ausgeliefert sein an die Natur oder eine Annäherung an den Tod, ausgelöst durch den Tod seines Vaters, können die Mutter oder seine Lehrer nur vermuten. Erzählt werden die ersten Wochen nach seiner Wiederkehr, in der die Normalität des täglichen Lebens, das stolpernd wieder in Gang kommt, in hartem Gegensatz zur Nähe des Todes steht, in die sich Phillip begeben hat. Seine Mutter muss akzeptieren, dass ihr Sohn ein eigenes Leben führt, das sie nur begrenzt…mehr

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Produktbeschreibung
Phillip lebt mit Mutter und Schwester in bürgerlichen Verhältnissen. Er war ein Woche spurlos verschwunden. Was er gesucht hat, ein Ausgeliefert sein an die Natur oder eine Annäherung an den Tod, ausgelöst durch den Tod seines Vaters, können die Mutter oder seine Lehrer nur vermuten. Erzählt werden die ersten Wochen nach seiner Wiederkehr, in der die Normalität des täglichen Lebens, das stolpernd wieder in Gang kommt, in hartem Gegensatz zur Nähe des Todes steht, in die sich Phillip begeben hat. Seine Mutter muss akzeptieren, dass ihr Sohn ein eigenes Leben führt, das sie nur begrenzt beeinflussen kann. Nachdem sie glaubte, sich zumindest um seine körperliche Unversehrtheit nicht mehr sorgen zu müssen, kommt Phillip mit einer Blutvergiftung ins Krankenhaus. Aufgerieben zwischen erneuter Sorge um das Kind, Versagensängsten und Schuldgefühlen, verliert die Mutter die Nerven. Aber die Kinder wenden sich nicht ab. Das Gefüge der Familie zerfällt, um sich neu zu bilden.

Bonusmaterial

Kino-Trailer Booklet Berlinale Pressekonferenz
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.08.2019

Im Ausnahmezustand
Die vollendete Poesie von Angela Schanelecs neuem Film "Ich war zuhause, aber"

Es gibt Filme, an die man sich, obwohl es wie ein Paradox klingt, nur vage erinnert und zugleich sehr deutlich. Filme, deren Handlungsumrisse und -details nach einer Weile aus dem Gedächtnis verschwunden sind, deren Stimmung aber sofort präsent ist, sobald man an sie denkt. Man läuft hinaus aus dem Kino und nimmt sie mit ins eigene Leben, nicht als intellektuell abrufbares Wissen, sondern als Erfahrung, die draußen weitergeht in einer Art Fortsetzung des Films mit anderen Mitteln.

Angela Schanelecs "Ich war zuhause, aber" ist so ein Film, genauso wie jene, die sie davor gedreht hat: "Ich bin im Sommer in Berlin geblieben", "Mein langsames Leben", "Nachmittag" oder "Orly". So kann es passieren, dass man im echten Leben auf einem Flughafen steht, in einer Transitzone, es muss gar nicht die von Paris-Orly sein; dass man die Leute beobachtet und sich - mit dem "Orly"-Film im Kopf - die eigene Wahrnehmung in einen Schanelec-Film verwandelt: Man fokussiert die Menschen (leider kann das Auge sie nicht heranzoomen wie das Teleobjektiv einer Kamera) und spinnt ein Netz von möglichen Biographien und Geschichten, welches durch das Kommen und Gehen aber immer unvollständig bleibt. Oder man fühlt sich wie in "Nachmittag" in einem fast somnambulen Zustand des Wartens auf etwas, das womöglich nie eintritt. Angela Schanelec ist eine Spezialistin für Schwebezustände, und ihre Filme sind immer auch eine Schule der Wahrnehmung.

"Ich möchte es vermeiden, den Zuschauer zu manipulieren. Was mich an Blockbustern stört, ist die Tatsache, dass bestimmte Mittel eingesetzt werden, bei denen der Zuschauer lachen oder weinen soll. Diese Mittel sind durchsichtig, und trotzdem kann man sich ihnen oft nicht entziehen", hat die Regisseurin einmal in einem Interview gesagt und betont, dass es ihr um die subjektive Erfahrung geht. Darum, den Zuschauer zu individualisieren anstatt ihn zu kollektivieren - womit ganz gut beschrieben ist, wieso aus ihren Filmen jeder etwas ganz anderes mit hinausträgt. Eine Botschaft, die sich verallgemeinern ließe, scheint sie nicht zu interessieren. Jeder muss sich im Film schon seine eigene "subjektive Wahrheit" suchen, wie es in "Ich war zu Hause, aber" an einer Stelle heißt. Angela Schanelec liefert uns Teile eines unvollständigen Puzzles. Zusammensetzen kann es jeder selbst.

Das heißt nicht, dass es keinen Inhalt gäbe und keine Handlung, auch wenn beides, elliptisch erzählt, erst allmählich zu fassen ist. "Ich war zuhause, aber" beginnt allegorisch: Ein Hund jagt einen Hasen. Ein Esel steht in einem verlassenen Haus und guckt aus dem Fenster. In demselben Haus frisst der Hund den toten Hasen, legt sich neben den Esel und schläft. Ein zwölfjähriger Junge taucht nach einer Woche, in der er verschwunden war, wieder auf, ohne ein Wort darüber zu verlieren, wo er war. Seine Kleidung ist voller Erde, seine Schuhe voller Lehm, so als wäre er im Wald gewesen. Sein Fuß ist verletzt. Über die Gründe seines Verschwindens können seine Mutter und sein Lehrer nur mutmaßen. Die Kamera ist in langen Einstellungen auf sein Gesicht gerichtet, das halblange Haar, die aufgeworfenen Lippen, und wir sehen ihm beim Schweigen zu. Er verrät nichts.

Erst später lässt sich erahnen, dass sein Verschwinden mit dem Tod des Vaters zusammenhängen könnte, einem Theaterregisseur, der den Jungen, dessen Schwester und die Frau zurückgelassen hat. Angela Schanelecs Lebensgefährte, der Theaterregisseur Jürgen Gosch, starb vor zehn Jahren, mit ihm hat sie zwei Kinder. Das Paar übersetzte gemeinsam Shakespeare ins Deutsche. Um Shakespeare geht es auch in "Ich war zuhause, aber" die ganze Zeit. Der Junge probt mit seiner Klasse "Hamlet"; mit ernsten Gesichtern rezitieren die Kinder Textpassagen oder tragen auch jenseits des Klassenzimmers Pappkronen. Und natürlich hat man diesen autobiographischen Aspekt im Kopf, während man den Film sieht, begreift ihn als Geschichte einer Verlusterfahrung.

Der Verlust bewirkt, so erzählt es Angela Schanelec, dass die Angst, noch mehr zu verlieren, größer wird, manchmal panisch: "Mein ganzes Leben ist in seinen Händen", sagt die Mutter über den Sohn. Sie sagt es im Lehrerzimmer seiner Schule, wo sie das Verschwinden des Sohnes erklären will, es aber nicht kann: "Ich weiß, Sie müssen sich ein Urteil verschaffen, aber das scheint mir nicht möglich. Ich bin mit etwas konfrontiert, was ich nicht lösen kann", sagt sie. Es habe damit zu tun, dass der Junge "ein Mann ist oder wird. Es gibt kein Wort für diesen Zustand".

Und da wird einem klar, worum es im Film, auch dort, wo immerzu die wunderbar von Maren Eggert gespielte Mutter im Bild ist, geht: Es geht um den Sohn. Um die Schwelle zum Erwachsenwerden, diesen seltsamen Zustand, der "Pubertät" genannt wird, was als Begriff aber völlig unzureichend ist, weil das Wort von der Komplexität dessen, was es bezeichnet, nichts vermittelt. Schanelec weiß es zu vermitteln.

Und das liegt nicht zuletzt daran, dass sie mit ihren Techniken der Darstellung und ihrer Sensibilität für Schwebezustände ohnehin auf Ausnahmezustände spezialisiert ist. Ihre langsamen Rythmen, das Schweigen, die sich scheinbar auflösende Zeit gehören bei ihr keiner Traumwelt an. Sie zeigen die Welt, in der wir leben, im Wahrnehmungsmodus desjenigen, der an der Schwelle zum Erwachsenenalter steht. Wo manchmal einfach nur Zeit vergehen muss mit nichts, weil der sich verändernde Körper Zeit braucht, ohne sie zu nutzen. Wo scheinbar nichts passiert und doch alles in Aufruhr ist.

"Ich war zuhause, aber", dessen Titel auf "Ich wurde geboren, aber" anspielt, den Film des japanischen Regisseurs Ozu Yasujiro, bringt diesen Zustand in poetischer Vollendung ins Bild, wenn das Auge der Kamera auf dem Gesicht des Jungen ruht. Wenn der Film ihn im Dunkeln auf dem Erdboden liegend zeigt. Wenn er ihm dabei zusieht, wie er, die Schwester zärtlich und schützend auf dem Rücken tragend, durch ein unebenes Flussbett watet. Oder wenn in einer langen Einstellung die Mutter auf einem Wurzelvorsprung im Wald inmitten eines reißenden Baches zu sehen ist, wo sie einfach nur daliegt, ganz so, als wolle sie den Zustand des Sohnes nachempfinden, um ihn zu verstehen. Es sind Bilder, zu denen man keine Musik hört. Nur das Rauschen oder leise Plätschern des Wassers und das Schweigen. Bilder, die man nicht mehr vergisst, weil ihre Stimmung beim Zusehen zur Erfahrung wird. Dabei weisen sie zurück auf den Anfang und später auch auf das Ende des Film, an dem der aus dem Fenster schauende Esel im verlassenen Haus zu sehen ist oder der neben dem Esel liegende Hund. Sie sind das Geheimnis von Angela Schanelecs Kunst.

Nur einen Ausbruch leistet sie sich, eine Unterbrechung ihres manchmal fast trancehaften Rhythmus: An einem Supermarkt trifft die Mutter, die Astrid heißt und als Dozentin an einer Berliner Hochschule arbeitet, einen Filmregisseur, der sich für eine Professur beworben hat. Sie war dabei, als sein Film an der Uni vorgeführt wurde, musste die Vorführung aber mittendrin verlassen, begegnet dem Kollegen freundlich und wünscht ihm viel Glück. Über die Szene, die sie gesehen hat, ist sie aber immer noch empört.

Der Regisseur schiebt sein Fahrrad neben ihr und begleitet sie ein Stück auf ihrem Weg nach Hause, während sie mit plötzlicher Vehemenz über seinen Film spricht: Wenn ein Schauspieler spiele, sagt sie, dann sei das immer Lüge, einfach aus dem Grund, weil er etwas tut, was er nicht wirklich tun muss, nicht aus sich selbst heraus. Es sei immer etwas, wozu er sich entschieden habe, weil der Regisseur es von ihm wollte, weil es so in der Szene stand oder weil er selbst die Idee hatte. Das gleiche gelte für die Tänzerin im Film des Regisseurs, die er einem Sterbenden gegenübergestellt habe. Der Tänzerin gehe es darum, ihren Körper zu beherrschen. Aber was sie behaupte, sei ein hohles Spiels angesichts des Kranken, der weiß, dass er sterben muss und der seinem Körper ausgeliefert ist.

"Die Wahrheit erscheint erst, wenn man die Beherrschung verliert", sagt sie und erzählt, dass vor zwei Jahren ihr Mann gestorben ist. Er verstehe, warum sie so reagiere, sagt der Regisseur. "Es ist Ihre persönliche Wahrheit." Sie stutzt kurz. Denn tatsächlich ist es ihre Wahrheit nach der Erfahrung des Verlusts. Und sie fordert uns gleichzeitig heraus, unsere "persönliche Wahrheit" zu finden, wenn wir "Ich war zuhause, aber" sehen.

JULIA ENCKE

Ab Donnerstag im Kino

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