Orson Welles zeitloses Meisterwerk - erstmals komplett und in ganzer Länge mit restauriertem Material zu sehen - ist ein außergewöhnlicher Film Noir über Korruption und Besessenheit.Welles selbst spielt den korrupten Polizeichef Hank Quinlan, der einem mexikanischen Jugendlichen ein Verbrechen anhängt, um seinen diabolischen Plan ungehindert durchführen zu können. Charlton Heston brilliert als ehrenhafter mexikanischer Drogenermittler, der mit Quinlan aneinander gerät, nachdem er dessen dunkle Vergangenheit ans Licht gebracht hat. Zur unvergesslichen Besetzung gehören Janet Leigh als Hestons neugierige Ehefrau, Akim Tamiroff als zwielichtiger Gangsterboss, Zsa Zsa Gabor sowie Marlene Dietrich als geheimnisvolle Zigeunerin in einem faszinierenden Drama mit innovativer Kameraführung und einem eindringlichen Soundtrack aus der Feder von Henry Mancini.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit SoundeffektenFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2000Über diese Grenze führt kein Weg nach Süden
"Touch of Evil" von Orson Welles besiegelte 1958 die Irritationen des "Film Noir"
Als "Touch of Evil" von Orson Welles 1958 in die Kinos kam, waren weder Publikum noch Kritik auf die Komplexität dieses letzten "Film Noirs" vorbereitet. Und auch das Universal-Studio sah keine andere Möglichkeit, als in den Irrgarten, den Welles an der Grenze der Vereinigten Staaten zu Mexiko angelegt hatte, eine breite Schneise zu schlagen: Der Film wurde umgeschnitten, und die Tragödie von Orson Welles, der nach "Citizen Kane" nie mehr in uneingeschränkter Souveränität arbeiten konnte, hatte ein weiteres Kapitel hinzugefügt bekommen. Seit wenigen Jahren ist nun eine Fassung zu sehen, die auf einer Eingabe beruht, die Welles an das Universal-Studio gemacht hatte. Diesem Text kann man weitgehend die ursprünglichen Intentionen entnehmen, und es ist nun noch deutlicher, daß "Touch of Evil" tatsächlich so etwas wie eine Symphonie sein wollte, in der Töne und Dialekte eine ebenso wichtige Rolle spielten wie die Schatten der Nacht und die Spiegelungen im ölverschmutzten Wasser.
Seinen Status als "letzter Film Noir" verdient "Touch of Evil" vor allem deswegen, weil darin auch noch die letzte rettende Idee im Rahmen der vielen "dark passages" dieses Genres zerstört wird: Der Süden als mögliche Zuflucht ist hier schon deswegen unerreichbar, weil der ganze Film an der Grenze spielt und von ihr nicht loskommt. Los Robles ist eine geteilte Stadt, und die berühmte lange Krankamerafahrt zu Beginn dient nicht zuletzt dazu, die vielen Geschichten im kleinen Grenzverkehr in einer bündigen Geste zu sammeln. Zugleich ist es bereits die letzte Szene, die einen topographischen Überblick gewährt.
Der mexikanische Polizist Mike Vargas (Charlton Heston) und seine amerikanische Frau Susan (Janet Leigh) werden zufällig Zeugen eines Sprengstoffanschlags auf einen Amerikaner. Der Fall gehört in die Zuständigkeit von Hank Quinlan, den Welles mit großem Mut zur Häßlichkeit selbst spielt. Die beiden Polizisten sind einander feindlich gesinnt, und aus diesem Antagonismus bezieht "Touch of Evil" die ganze Energie, denn Welles spielt die Figur des Quinlan wie einen Mann, in dem der ganze Wahnsinn dieses Ortes eine Gestalt bekommt. Es ist natürlich eine unförmige, während Mike Vargas vor allem aus einer Bewegung der Straffung besteht, aus dem Bemühen, sich nicht infizieren zu lassen von einer Atmosphäre, die Menschen und Loyalitäten zersetzt.
In die Fallen des Exotismus tappt Welles deswegen nicht, weil er alles fremdartig werden läßt. Zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko gibt es keine Instanz des Vergleichs mehr, von der aus man noch eine kulturelle Hierarchie feststellen könnte. Los Robles ist ein Ort des Dazwischen, und die einzige Person, die sich eine gewisse Souveränität bewahrt, behält ihren skeptischen Blick und schweigt: Es ist Tanya (Marlene Dietrich), in deren Bordell Quinlan den Moment seiner größten Erniedrigung erlebt. Weil Mike Vargas für Drogenangelegenheiten zuständig ist und sich deswegen mit dem mexikanischen Paten "Uncle Joe" Grandi (Akim Tamiroff) herumschlagen muß, wird der Kriminalfall in "Touch of Evil" zu einem doppelten Kursus, an dessen Ende der Showdown zwischen Vargas und Quinlan stehen muß. Die blonde Frau Janet ist der Einsatz in diesem Spiel, sie gerät dadurch in Gefahr, daß Vargas sie in Sicherheit bringt. Das Motel außerhalb der Stadt ist ein zwielichtiger Ort, an dem Halbstarke ihren launischen Terror verbreiten.
"Das Melodram kann es sich leisten, nichts zu erklären", schrieb Penelope Houston 1958 in der "Filmkritik", "und wenn man diesen schattenreichen, zwiespältigen Reißer betrachtet, mag man weniger auf die Idee kommen, daß hier das für ,Citizen Kane' verantwortliche Talent vergeudet wurde, als daß Welles auch niemals wirklich versucht hat, eine Erklärung für Kane zu finden." Das war das Pech von Orson Welles: daß die Menschen immer Erklärungen von ihm wollten, während sein Genie doch darin bestand, einen Riß in der Welt offenzuhalten.
BERT REBHANDL
Heute abend sowie bis 29. November jeweils um 22 Uhr, vom 30. November bis 6. Dezember jeweils um 19.30 Uhr in der Originalfassung mit Untertiteln, Kino Klick, Windscheidstraße 19, Charlottenburg.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Touch of Evil" von Orson Welles besiegelte 1958 die Irritationen des "Film Noir"
Als "Touch of Evil" von Orson Welles 1958 in die Kinos kam, waren weder Publikum noch Kritik auf die Komplexität dieses letzten "Film Noirs" vorbereitet. Und auch das Universal-Studio sah keine andere Möglichkeit, als in den Irrgarten, den Welles an der Grenze der Vereinigten Staaten zu Mexiko angelegt hatte, eine breite Schneise zu schlagen: Der Film wurde umgeschnitten, und die Tragödie von Orson Welles, der nach "Citizen Kane" nie mehr in uneingeschränkter Souveränität arbeiten konnte, hatte ein weiteres Kapitel hinzugefügt bekommen. Seit wenigen Jahren ist nun eine Fassung zu sehen, die auf einer Eingabe beruht, die Welles an das Universal-Studio gemacht hatte. Diesem Text kann man weitgehend die ursprünglichen Intentionen entnehmen, und es ist nun noch deutlicher, daß "Touch of Evil" tatsächlich so etwas wie eine Symphonie sein wollte, in der Töne und Dialekte eine ebenso wichtige Rolle spielten wie die Schatten der Nacht und die Spiegelungen im ölverschmutzten Wasser.
Seinen Status als "letzter Film Noir" verdient "Touch of Evil" vor allem deswegen, weil darin auch noch die letzte rettende Idee im Rahmen der vielen "dark passages" dieses Genres zerstört wird: Der Süden als mögliche Zuflucht ist hier schon deswegen unerreichbar, weil der ganze Film an der Grenze spielt und von ihr nicht loskommt. Los Robles ist eine geteilte Stadt, und die berühmte lange Krankamerafahrt zu Beginn dient nicht zuletzt dazu, die vielen Geschichten im kleinen Grenzverkehr in einer bündigen Geste zu sammeln. Zugleich ist es bereits die letzte Szene, die einen topographischen Überblick gewährt.
Der mexikanische Polizist Mike Vargas (Charlton Heston) und seine amerikanische Frau Susan (Janet Leigh) werden zufällig Zeugen eines Sprengstoffanschlags auf einen Amerikaner. Der Fall gehört in die Zuständigkeit von Hank Quinlan, den Welles mit großem Mut zur Häßlichkeit selbst spielt. Die beiden Polizisten sind einander feindlich gesinnt, und aus diesem Antagonismus bezieht "Touch of Evil" die ganze Energie, denn Welles spielt die Figur des Quinlan wie einen Mann, in dem der ganze Wahnsinn dieses Ortes eine Gestalt bekommt. Es ist natürlich eine unförmige, während Mike Vargas vor allem aus einer Bewegung der Straffung besteht, aus dem Bemühen, sich nicht infizieren zu lassen von einer Atmosphäre, die Menschen und Loyalitäten zersetzt.
In die Fallen des Exotismus tappt Welles deswegen nicht, weil er alles fremdartig werden läßt. Zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko gibt es keine Instanz des Vergleichs mehr, von der aus man noch eine kulturelle Hierarchie feststellen könnte. Los Robles ist ein Ort des Dazwischen, und die einzige Person, die sich eine gewisse Souveränität bewahrt, behält ihren skeptischen Blick und schweigt: Es ist Tanya (Marlene Dietrich), in deren Bordell Quinlan den Moment seiner größten Erniedrigung erlebt. Weil Mike Vargas für Drogenangelegenheiten zuständig ist und sich deswegen mit dem mexikanischen Paten "Uncle Joe" Grandi (Akim Tamiroff) herumschlagen muß, wird der Kriminalfall in "Touch of Evil" zu einem doppelten Kursus, an dessen Ende der Showdown zwischen Vargas und Quinlan stehen muß. Die blonde Frau Janet ist der Einsatz in diesem Spiel, sie gerät dadurch in Gefahr, daß Vargas sie in Sicherheit bringt. Das Motel außerhalb der Stadt ist ein zwielichtiger Ort, an dem Halbstarke ihren launischen Terror verbreiten.
"Das Melodram kann es sich leisten, nichts zu erklären", schrieb Penelope Houston 1958 in der "Filmkritik", "und wenn man diesen schattenreichen, zwiespältigen Reißer betrachtet, mag man weniger auf die Idee kommen, daß hier das für ,Citizen Kane' verantwortliche Talent vergeudet wurde, als daß Welles auch niemals wirklich versucht hat, eine Erklärung für Kane zu finden." Das war das Pech von Orson Welles: daß die Menschen immer Erklärungen von ihm wollten, während sein Genie doch darin bestand, einen Riß in der Welt offenzuhalten.
BERT REBHANDL
Heute abend sowie bis 29. November jeweils um 22 Uhr, vom 30. November bis 6. Dezember jeweils um 19.30 Uhr in der Originalfassung mit Untertiteln, Kino Klick, Windscheidstraße 19, Charlottenburg.
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