Es ist das perfekte Verbrechen: In einer New Yorker Bank verschanzt sich Dalton Russell (Clive Owen) als Kopf eines Gangster-Kommandos mit Dutzenden Geiseln und wartet seelenruhig ab, bis die Scharfschützen der Polizei Position beziehen. Detective Keith Frazier (Denzel Washington) erkennt bald, dass für die Bankräuber alles nach Plan verläuft und ihm in diesem Spiel lediglich eine Statistenrolle zugedacht ist. Als sich die mysteriöse Madaline White (Jodie Foster) in die Verhandlungen einschaltet, beginnt ein gefährliches Katz- und Maus-Spiel, in dem es um weit mehr geht als um einen Bankraub ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2006Männer, die einbrechen, leben gefährlich
"Inside Man": Spike Lee hat nicht nur einen smarten Bankräuberfilm gedreht, er zeigt auch Jodie Foster so glamourös wie nie zuvor
Ach, die Oscars, sagt Spike Lee ein wenig gelangweilt, lehnt sich zurück, legt die Brille mit dem dicken gelben Gestell auf den Tisch und mustert einen lange. Wenn er aus Berlin und nicht aus Brooklyn käme, würde er jetzt sagen: "Hörn se bloß uff." Dann bequemt er sich doch zu ein paar Sätzen. "Zufall. Alles nur Zufall." Da sei kein Trend zum Politischen, alle Siegerfilme seien unabhängige Produktionen, in den Studios denke man auch nicht anders als gestern. Und "L. A. Crash" mit all den kleinen Geschichten vom alltäglichen Rassismus in Los Angeles? Da beugt sich Spike Lee vor, das wuchtige silberne Kreuz, das er über dem schwarzen Pullover trägt, gerät in Bewegung. "Sehr gute Schauspieler", sagt er nach einer kleinen Pause und schaut einen besonders stoisch an.
Früher war er weniger diplomatisch. Heute, da alle auf einmal politisch brisante Filme machen wollen, geht der Mann, der am Montag auch schon 49 Jahre alt wird, in die Gegenrichtung. Weil er mal wieder einen kommerziellen Erfolg braucht, sagen manche, habe er ein "Heist Movie" gedreht, einen Bankräuberfilm mit den Stars Denzel Washington, Clive Owen und Jodie Foster. Es ist womöglich der Reiz, in einem Genre Unruhe zu stiften, das nun nicht gerade neu erfunden werden muß, in dem alle erdenklichen Varianten längst durchgespielt sind. Es war eine Herausforderung, sagt Lee, "etwas zu machen, was ich noch nie gemacht habe, und es anders zu machen, als es bisher gemacht wurde."
Perfekter Bankraub
Das Drehbuch sei großartig gewesen, natürlich habe er die eine oder andere Kleinigkeit noch hinzugefügt, was auch nicht zu übersehen ist, und weil er den berühmten Satz von Bertolt Brecht kennt: "Was ist schon der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?", weiß Spike Lee auch, warum das Genre so populär ist: "Ich glaube, es würden noch mehr Leute eine Bank überfallen, wenn sie wüßten, daß sie nicht erwischt werden."
Das Drehbuch von Russell Gewirtz und Menno Meyjes ist in der Tat so smart und originell, daß man die Geschichte von "Inside Man" nur schwer erzählen kann, ohne allzuviel zu verraten. Es jongliert lässig mit den Bauteilen eines Genres, das Meilensteine wie "Hundstage" (1975) oder "Rififi" (1955) hervorgebracht hat und zuletzt beim Remake von "The Italian Job" (2003) ein wenig erschöpft wirkte, aber es will nicht oberschlau sein und mit den Genrekonventionen zugleich die Spannung dekonstruieren. Es konzipiert seine Züge so unauffällig und effizient wie ein guter Schachspieler, und es überläßt die Eröffnung der Partie dem Täter. Clive Owen schaut anfangs von der Leinwand ins Publikum und verkündet, er werde den perfekten Bankraub begehen. "Warum? Weil ich es kann." Und er kann es. Als Anstreicher verkleidet, dringt er mit seinem Team in eine Bank in Manhattan ein. Für die Geiseln, die sie nehmen werden, haben die Bankräuber Overalls mitgebracht, wie sie selbst sie tragen. So werden Täter und Opfer ununterscheidbar, auch wenn das Publikum in der Schalterhalle etwas zu statistisch korrekt die ethnische Vielfalt von New York repräsentieren muß. "Durch den Bankraub werden sie zu einer Art Vereinte Nationen", sagte Lee grinsend.
Denzel Washington als Polizist, der zum Tatort muß, wirkt zunächst nicht so, als habe er dem selbstgewissen Täter allzuviel entgegenzusetzen. Er hat Probleme, er steht unter Verdacht, bei seinem letzten Fall Geld unterschlagen zu haben, und viel Lust hat er offenbar auch nicht. Ganz zu schweigen von einer Ahnung, was zu tun ist. "Es war wichtig, nicht nur dem Cop, sondern auch dem Publikum immer mindestens einen Schritt voraus zu sein", sagt Lee, der ein solches Katz-und-Maus-Spiel gerne auch mit Interviewern praktiziert, indem er eine Frage mit der Kritik der Frage beantwortet.
Falsche Spuren
All die Rätsel, die sich aus dem eigenwilligen Verhalten der Täter ergeben, werden zwar gelöst, aber diese Lösung sieht dann immer ein wenig anders aus, als zu erwarten war. Es werden auch nicht einfach falsche Spuren gelegt, sondern solche, die zugleich die Polizisten düpieren. Als die Ermittler eine Abhörvorrichtung in der Bank installiert haben, hören sie bloß eine unverständliche Sprache. Und als man endlich die Sprache identifiziert und mühsam eine Albanerin aufgetrieben hat, beginnt die junge Frau zu lachen, weil da nur eine Endlosrede des verblichenen Enver Hodscha abgespielt wird.
Aber es ist nicht nur ein Spiel, nicht nur eine Schachpartie zwischen zwei smarten Spielern. Es gibt auch ein Schließfach in der Bank, und die Verschlußsache liefert dem Film eine politische Agenda. Der Vorstandsvorsitzende der Bank (Christopher Plummer) will partout nicht, daß dieses Fach geöffnet wird - und dieser sehr reiche alte Herr mit der dunklen Vergangenheit, erinnert der nicht an Prescott Bush, den Großvater des amtierenden Präsidenten, der als Anteilseigner des Bankhauses Brown Brothers Harriman Geschäfte mit den Nazis machte? Da lacht Spike schallend und will gar nicht wieder aufhören. "Ich schwöre Ihnen, davon hatte ich noch nie gehört und die beiden Drehbuchautoren auch nicht. Ich habe erst letzte Woche von einem englischen Journalisten erfahren, was Bushs Großvater gemacht hat. Aber ist das nicht wahnsinnig? Da erfinden zwei Autoren etwas, sie glauben, ein Stück Fiction zu schreiben, und auf einmal landen sie haarscharf neben der Realität."Die Interessen des Bankers wiederum, die sich weder mit denen der Polizei noch der Räuber decken, bringen eine vierte Kraft ins Spiel. Eine undurchsichtige Mittlerin, die weiß, wer Leichen im Keller hat, die jeden kennt und der sich scheinbar jede Tür öffnet. So klar und kühl, so schneidend und latent gefährlich spielt Jodie Foster diesen Part, daß man merkt, wieviel Spaß es ihr gemacht hat, eine richtige Bitch zu sein. "So gut hat sie noch nie ausgesehen, nicht wahr?" sagt Lee, "aber das ist gar nicht mein Verdienst. Sie wollte glamourös aussehen, mit Chanel-Kostüm, mit High Heels von Manolo Blahnik, und als sie am ersten Drehtag damit auftauchte, habe ich nur gesagt: Donnerwetter!"
Verwüstetes Land
Aber ist sie nicht im Grunde auch die heimliche Hauptfigur, die Spielerin, die all die anderen ausspielt, weil sie mehr weiß? "Das überlasse ich Ihrer Interpretation", sagt Lee, "aber dieser Typus des ,Fixers', wie wir das nennen, das sind die Leute, die in Amerika die Strippen ziehen und den Politikern und den Bossen sagen, was sie tun sollen."
Und wenn er darüber spricht, wenn er ironisch sagt, das erinnere doch alles an den Mann hinterm Vorhang im "Zauberer von Oz", dann merkt man, daß Spike Lee, der Filme wie "Do the Right Thing" gedreht hat oder "Malcolm X", auch in Zukunft nicht nur noch Genrefilme mit Stars drehen wird. Für die Promotiontour zu "Inside Man" hat er die Dreharbeiten an einem Dokumentarfilm unterbrochen, mit denen er im vergangenen September begonnen hat. Der Film heißt "When the Levees Broke", als die Deiche brachen, und er erzählt von New Orleans nach dem Hurrikan "Katrina", von den Verwüstungen, vor allem aber von den sozialen Verwerfungen. "Man sieht die Konfliktlinien von Rasse und Klasse jetzt viel deutlicher als zuvor", sagt Spike Lee und guckt einen dabei wieder mit diesem musternden Blick an, als warte er bloß auf Widerspruch.
PETER KÖRTE
"Inside Man" kommt am Donnerstag ins Kino.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Inside Man": Spike Lee hat nicht nur einen smarten Bankräuberfilm gedreht, er zeigt auch Jodie Foster so glamourös wie nie zuvor
Ach, die Oscars, sagt Spike Lee ein wenig gelangweilt, lehnt sich zurück, legt die Brille mit dem dicken gelben Gestell auf den Tisch und mustert einen lange. Wenn er aus Berlin und nicht aus Brooklyn käme, würde er jetzt sagen: "Hörn se bloß uff." Dann bequemt er sich doch zu ein paar Sätzen. "Zufall. Alles nur Zufall." Da sei kein Trend zum Politischen, alle Siegerfilme seien unabhängige Produktionen, in den Studios denke man auch nicht anders als gestern. Und "L. A. Crash" mit all den kleinen Geschichten vom alltäglichen Rassismus in Los Angeles? Da beugt sich Spike Lee vor, das wuchtige silberne Kreuz, das er über dem schwarzen Pullover trägt, gerät in Bewegung. "Sehr gute Schauspieler", sagt er nach einer kleinen Pause und schaut einen besonders stoisch an.
Früher war er weniger diplomatisch. Heute, da alle auf einmal politisch brisante Filme machen wollen, geht der Mann, der am Montag auch schon 49 Jahre alt wird, in die Gegenrichtung. Weil er mal wieder einen kommerziellen Erfolg braucht, sagen manche, habe er ein "Heist Movie" gedreht, einen Bankräuberfilm mit den Stars Denzel Washington, Clive Owen und Jodie Foster. Es ist womöglich der Reiz, in einem Genre Unruhe zu stiften, das nun nicht gerade neu erfunden werden muß, in dem alle erdenklichen Varianten längst durchgespielt sind. Es war eine Herausforderung, sagt Lee, "etwas zu machen, was ich noch nie gemacht habe, und es anders zu machen, als es bisher gemacht wurde."
Perfekter Bankraub
Das Drehbuch sei großartig gewesen, natürlich habe er die eine oder andere Kleinigkeit noch hinzugefügt, was auch nicht zu übersehen ist, und weil er den berühmten Satz von Bertolt Brecht kennt: "Was ist schon der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?", weiß Spike Lee auch, warum das Genre so populär ist: "Ich glaube, es würden noch mehr Leute eine Bank überfallen, wenn sie wüßten, daß sie nicht erwischt werden."
Das Drehbuch von Russell Gewirtz und Menno Meyjes ist in der Tat so smart und originell, daß man die Geschichte von "Inside Man" nur schwer erzählen kann, ohne allzuviel zu verraten. Es jongliert lässig mit den Bauteilen eines Genres, das Meilensteine wie "Hundstage" (1975) oder "Rififi" (1955) hervorgebracht hat und zuletzt beim Remake von "The Italian Job" (2003) ein wenig erschöpft wirkte, aber es will nicht oberschlau sein und mit den Genrekonventionen zugleich die Spannung dekonstruieren. Es konzipiert seine Züge so unauffällig und effizient wie ein guter Schachspieler, und es überläßt die Eröffnung der Partie dem Täter. Clive Owen schaut anfangs von der Leinwand ins Publikum und verkündet, er werde den perfekten Bankraub begehen. "Warum? Weil ich es kann." Und er kann es. Als Anstreicher verkleidet, dringt er mit seinem Team in eine Bank in Manhattan ein. Für die Geiseln, die sie nehmen werden, haben die Bankräuber Overalls mitgebracht, wie sie selbst sie tragen. So werden Täter und Opfer ununterscheidbar, auch wenn das Publikum in der Schalterhalle etwas zu statistisch korrekt die ethnische Vielfalt von New York repräsentieren muß. "Durch den Bankraub werden sie zu einer Art Vereinte Nationen", sagte Lee grinsend.
Denzel Washington als Polizist, der zum Tatort muß, wirkt zunächst nicht so, als habe er dem selbstgewissen Täter allzuviel entgegenzusetzen. Er hat Probleme, er steht unter Verdacht, bei seinem letzten Fall Geld unterschlagen zu haben, und viel Lust hat er offenbar auch nicht. Ganz zu schweigen von einer Ahnung, was zu tun ist. "Es war wichtig, nicht nur dem Cop, sondern auch dem Publikum immer mindestens einen Schritt voraus zu sein", sagt Lee, der ein solches Katz-und-Maus-Spiel gerne auch mit Interviewern praktiziert, indem er eine Frage mit der Kritik der Frage beantwortet.
Falsche Spuren
All die Rätsel, die sich aus dem eigenwilligen Verhalten der Täter ergeben, werden zwar gelöst, aber diese Lösung sieht dann immer ein wenig anders aus, als zu erwarten war. Es werden auch nicht einfach falsche Spuren gelegt, sondern solche, die zugleich die Polizisten düpieren. Als die Ermittler eine Abhörvorrichtung in der Bank installiert haben, hören sie bloß eine unverständliche Sprache. Und als man endlich die Sprache identifiziert und mühsam eine Albanerin aufgetrieben hat, beginnt die junge Frau zu lachen, weil da nur eine Endlosrede des verblichenen Enver Hodscha abgespielt wird.
Aber es ist nicht nur ein Spiel, nicht nur eine Schachpartie zwischen zwei smarten Spielern. Es gibt auch ein Schließfach in der Bank, und die Verschlußsache liefert dem Film eine politische Agenda. Der Vorstandsvorsitzende der Bank (Christopher Plummer) will partout nicht, daß dieses Fach geöffnet wird - und dieser sehr reiche alte Herr mit der dunklen Vergangenheit, erinnert der nicht an Prescott Bush, den Großvater des amtierenden Präsidenten, der als Anteilseigner des Bankhauses Brown Brothers Harriman Geschäfte mit den Nazis machte? Da lacht Spike schallend und will gar nicht wieder aufhören. "Ich schwöre Ihnen, davon hatte ich noch nie gehört und die beiden Drehbuchautoren auch nicht. Ich habe erst letzte Woche von einem englischen Journalisten erfahren, was Bushs Großvater gemacht hat. Aber ist das nicht wahnsinnig? Da erfinden zwei Autoren etwas, sie glauben, ein Stück Fiction zu schreiben, und auf einmal landen sie haarscharf neben der Realität."Die Interessen des Bankers wiederum, die sich weder mit denen der Polizei noch der Räuber decken, bringen eine vierte Kraft ins Spiel. Eine undurchsichtige Mittlerin, die weiß, wer Leichen im Keller hat, die jeden kennt und der sich scheinbar jede Tür öffnet. So klar und kühl, so schneidend und latent gefährlich spielt Jodie Foster diesen Part, daß man merkt, wieviel Spaß es ihr gemacht hat, eine richtige Bitch zu sein. "So gut hat sie noch nie ausgesehen, nicht wahr?" sagt Lee, "aber das ist gar nicht mein Verdienst. Sie wollte glamourös aussehen, mit Chanel-Kostüm, mit High Heels von Manolo Blahnik, und als sie am ersten Drehtag damit auftauchte, habe ich nur gesagt: Donnerwetter!"
Verwüstetes Land
Aber ist sie nicht im Grunde auch die heimliche Hauptfigur, die Spielerin, die all die anderen ausspielt, weil sie mehr weiß? "Das überlasse ich Ihrer Interpretation", sagt Lee, "aber dieser Typus des ,Fixers', wie wir das nennen, das sind die Leute, die in Amerika die Strippen ziehen und den Politikern und den Bossen sagen, was sie tun sollen."
Und wenn er darüber spricht, wenn er ironisch sagt, das erinnere doch alles an den Mann hinterm Vorhang im "Zauberer von Oz", dann merkt man, daß Spike Lee, der Filme wie "Do the Right Thing" gedreht hat oder "Malcolm X", auch in Zukunft nicht nur noch Genrefilme mit Stars drehen wird. Für die Promotiontour zu "Inside Man" hat er die Dreharbeiten an einem Dokumentarfilm unterbrochen, mit denen er im vergangenen September begonnen hat. Der Film heißt "When the Levees Broke", als die Deiche brachen, und er erzählt von New Orleans nach dem Hurrikan "Katrina", von den Verwüstungen, vor allem aber von den sozialen Verwerfungen. "Man sieht die Konfliktlinien von Rasse und Klasse jetzt viel deutlicher als zuvor", sagt Spike Lee und guckt einen dabei wieder mit diesem musternden Blick an, als warte er bloß auf Widerspruch.
PETER KÖRTE
"Inside Man" kommt am Donnerstag ins Kino.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main