Eine mysteriöse Nachricht aus der Vergangenheit schickt James Bond (Daniel Craig) ohne Befugnis auf eine Mission nach Mexico City und schließlich nach Rom, wo er Lucia Sciarra (Monica Bellucci) trifft. Sie ist die schöne und unantastbare Witwe eines berühmt-berüchtigten Kriminellen. Bond unterwandert ein geheimes Treffen und deckt die Existenz der zwielichtigen Organisation auf, die man unter dem Namen SPECTRE kennt. Derweil stellt der neue Chef des Centre for National Security Max Denbigh (Andrew Scott) in London Bonds Tätigkeit in Frage und ebenso die Relevanz des MI6 unter der Führung von M (Ralph Fiennes). Heimlich bittet Bond Moneypenny (Naomie Harris) und Q (Ben Whishaw), ihm dabei zu helfen, Madeleine Swann (Léa Seydoux) aufzuspüren. Sie ist die Tochter seiner alten Nemesis Mr. White (Jesper Christensen) und wahrscheinlich die einzige Person, die im Besitz eines Hinweises ist, mit dem sich das undurchdringbare Netz um SPECTRE entwirren lässt. Als Tochter eines Killers ist sie außerdem dazu in der Lage, Bond wirklich zu verstehen. Etwas, das die meisten anderen Menschen nicht können. Während Bond immer tiefer in das Herz von SPECTRE vordringt, findet er heraus, dass es eine überraschende Verbindung gibt, zwischen ihm selbst und dem Feind, den er sucht, gespielt von Christoph Waltz.
Bonusmaterial
KurzdokumentationenFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2015James VI.
Wenn alles bleiben soll, wie es ist im System Bond, muss sich alles ändern: Über "Spectre", den vierundzwanzigsten Film der Reihe
Nun ist es auch schon wieder Vergangenheit, dass James Bond eine Vergangenheit hat. Als vor drei Jahren in "Skyfall" sein Elternhaus zerstört wurde, wurde 007 zum zweiten Mal Waise. Denn nicht nur hatte er mit zwölf Jahren seine Eltern verloren; auch M starb, und seit Judi Dench die Rolle übernommen hatte, ließ M sich auch als Kürzel für "Mutter" lesen. Von den beiden Männern, die sich als ihre Söhne verstanden, blieb am Ende derjenige auf der Strecke, der sie als "Mami" tituliert hatte.
Ein ödipaler, familiärer Subtext zieht sich auch durch den neuen Bond-Film, den 24., der "Spectre" heißt und der mit Bonds Vergangenheit auch seine Zukunft fraglich werden lässt. War es in "Skyfall" ein schottischer Wildhüter, der Bond großgezogen hatte, soll es jetzt in "Spectre" ein Österreicher gewesen sein. Schlüssig ist das nicht, obwohl die Drehbücher zu beiden Filmen von denselben Autoren stammen, Neal Purvis und Robert Wade, die alle Bonds seit "Die Welt ist nicht genug" geschrieben und damit auch die Bond-Renaissance, welche durch das Casting von Daniel Craig möglich wurde, verantwortet haben. Wie der Fehler passieren konnte, ist ein Rätsel - und womöglich wird es sich nie lösen lassen, da fraglich ist, ob Craig weitermachen wird. In Interviews jedenfalls klang er ein wenig rollenmüde. Aber das war auch schon so im Umfeld von "Skyfall".
In einem geschlossenen System jedoch, zu dem das Bond-Franchise im Verlauf der Jahrzehnte geworden ist, sind das heikle und kategorial gleichartige Fragen, weil die Rolle und ihr Darsteller nun einmal enger miteinander zu verwachsen pflegen als anderswo. Nicht eine vermeintliche Wirklichkeit außerhalb des Bond-Kosmos ist das entscheidende Referenzsystem, sondern die Geschichte dieses Kosmos selbst. Dass auch hier die Gezeiten der Mode wirken, dass der Schnitt der Kleider und Anzüge, das Design der Fahrzeuge und Accessoires auf dem jeweils neuesten Stand sind, ist kein Einwand. All diese Außenreize werden ganz von selbst zur Innenausstattung der Bond-Welt.
Wenn man sich den neuen Film ansieht, ist das umso deutlicher, als die vier Filme mit Craig ein eigenes Subsystem bilden. Da ist ein erzählerischer Zusammenhang entstanden, wie es ihn bei keiner der früheren Bond-Verkörperungen gegeben hat. Die Jünger des sogenannten horizontalen Erzählens haben das gleich als Ausweis für die Modernität der Reihe genommen. Na ja. Dass Mister White (Jesper Christensen, hier deutlicher erkennbar als in "Ich und Kaminski") zum dritten Mal Bonds Weg kreuzt, nachdem er ihm in "Casino Royale" Potenz und Leben rettete und ihn in "Ein Quantum Trost" verhöhnte, ist nun narrativ nicht so aufregend - aufregend ist allein Mister Whites Tochter, die von Léa Seydoux gespielt wird, die hier den unverkennbar Proustschen Namen Madeleine Swann trägt und nicht zum Typus des willig dahinschmelzenden, sondern zu dem des widerspenstigen Bond-Girls gehört, das auch mit Lebenswandel und Berufsauffassung des Helden hadert.
James VI., wie man Craigs Bond dynastisch korrekt auch nennen könnte, James VI. muss in "Spectre" bei der Jagd nach dem Superschurken Franz Oberhauser jedenfalls erfahren, was er in den drei Filmen zuvor angeblich alles übersehen hat, obwohl es sich direkt vor seinen Augen abspielte. Das ist die bittere Botschaft, mit welcher ihn dieser Oberhauser (Christoph Waltz) konfrontiert. Oberhauser hat den alten Allmachtsphantasien durch ein weltweites, lückenloses Überwachungssystem eine moderne Gestalt gegeben. Für die Wucht der Auseinandersetzung, die exquisite Grausamkeit der Apparatur, mit der Oberhauser Bond traktiert, ist episodenübergreifendes Erzählen allerdings bedeutungslos. Hier reicht schon das kleine ironische Zitat, wenn Oberhauser sich Blofeld nennt, weil das der Familienname seiner Mutter sei, und eine weiße Perserkatze auf Bonds Schoß springt wie ein Liebesgruß aus Moskau.
Entscheidender ist in einem Bond-Film ohnehin, dass die Handlung linear verläuft, dass der Vektor der Erzählung der Flugbahn eines Geschosses oder der Ideallinie eines Fahrzeugs gleicht, für die, frei nach Isaac Newton, gilt, dass ein jeder Körper im Zustand der Höchstgeschwindigkeit bleibt, solange sich nicht Hindernisse vor ihm auftürmen. Für die Geltung dieses Gesetzes ist gesorgt. Von Anfang an. Die ersten zwei Minuten lang, mindestens, folgt die Kamera Bond ohne Schnitt durch Mexiko-Stadt am Tag der Toten, mitten durch den Umzug mit seinen Skeletten und Totenköpfen, in ein Hotelzimmer, über Dächer - und bevor das Ganze wie eine Angebernummer aussieht, kommt der erste Schnitt. Völlig angemessen, dass es sich dabei um eine Schuss-Gegenschuss-Montage handelt, weil Bond einen italienischen Killer ins Visier nimmt. Und sehr adäquat auch, wie sich der Schusswechsel zur Explosion mit beträchtlichem Sachschaden steigert, bevor die Ouvertüre in einem großen Hubschrauber-Stunt kulminiert.
Die hellen, sonnengebleichten Farben Mexikos verschwinden im gräulichen London. Von M (Ralph Fiennes) wird Bond abgekanzelt wegen eigenmächtigen Handelns, und das Doppelnull-Programm wird bedroht von einem Ehrgeizling namens C, einem Strebertyp, dem leider auch anzusehen ist, dass seine Zukunft eher kurz ausfallen dürfte. Er bringt immerhin das Thema Big Data auf die Agenda, elektronische Überwachung statt Lizenz zum Töten, und weil wir im Bond-Universum sind, wirken die Ambitionen der NSA auf einmal fast regional und moderat, weil es hier unter britischer Federführung um die Überwachung der ganzen Welt geht. Was sehr schön illustriert, dass die Bond-Figur, wie es in der "tageszeitung" hieß, von einem "geopolitischen Minderwertigkeitskomplex Großbritanniens" zeuge.
Aus dieser Konstellation entfaltet sich dann die übliche Reisetätigkeit. Erst nach Rom, wo Monica Bellucci, wie schon überall zu lesen war, als bisher ältestes Bond-Girl auftritt, was ihrer atemberaubenden Schwarze-Witwen-Erscheinung überhaupt keinen Abbruch tut. Natürlich muss der Petersplatz zügig überquert und am schmalen Tiberufer das Aston-Martin-Sondermodell ausgefahren werden. Leider ist diese Verfolgungsjagd nicht ganz so fulminant wie gewohnt. "Spectre" konzentriert sich eindeutig auf die Eroberung der Lufthoheit. Auch in den Alpen muss Bond geländegängige Fahrzeuge bergab nicht auf Skiern oder im Aston Martin verfolgen, sondern mit einem Flugzeug, dem die Flügel abgebrochen sind.
Von Rom geht's nach Österreich, in ein Gipfelsanatorium mit eigener Landebahn, fast schon ein Zauberberg, wo Madeleine Swann als Ärztin praktiziert. Tanger ist auch sehr malerisch, aber noch besser ist der Zug, der von dort in die Wüste fährt: Salonwagencharme, koloniale Echos, ein Schaffner, dem man den weißen Smoking zum Aufbügeln überlässt, bevor er bei der Schlägerei im Speisewagen in Mitleidenschaft gezogen wird. Das Schurkenhauptquartier liegt dann in einem Wüstenkrater, den ein Meteorit hinterlassen hat; im Kontrast zur Überwachungs-Hightech sind die Gästezimmer im schlichten Stile der sechziger Jahre möbliert. Und schließlich wieder London, die Themse, noch einmal ein Helikopter, vielleicht dann doch einer zu viel. Dagegen ist insgesamt wenig zu sagen. Es ist die dauerhafte Präsenz der alten Bond-Welt, in der auch Menschen, die ohne Gepäck reisen oder ihres vor lauter Eile stehen lassen müssen, doch immer einen perfekt sitzenden Anzug oder ein faltenfreies Kleid zur Verfügung haben. Eine Welt, in der schwerste Schläge nicht zu Hämatomen, Knochenbrüchen oder Schlimmerem führen. Und in der, so viel Moderne darf hinein, Q (Ben Whishaw) zum Nerd mit Hackertalent geworden ist und Moneypenny einen Vornamen (Eve) und einen Aktionsradius jenseits des Vorzimmers hat. Aber das ist ja auch schon wieder längst etabliert.
Bond selbst, der mit Daniel Craig Gefühle, eine Geschichte und sogar Zweifel bekam, scheint diesmal wieder stärker am alten Macho-Rollenmodell orientiert; zu sozial kompatibel, zu anfällig oder gar traumatisiert darf eine Charakter-Reform ihn nicht erscheinen lassen. Das wäre fatal. Und womöglich ist diese kleine Verschiebung auch ein Zeichen dafür, dass das System Bond bald mal wieder einen Neustart vertragen könnte. Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern - das kennt man doch aus dem "Leoparden".
Was nun allerdings nicht so gut funktioniert in diesem 24. Bond, das ist nicht allein der weinerliche, lahme Song von Sam Smith, "Writing's on the Wall". Man muss Sam Mendes, der wieder Regie geführt hat und sonst sehr genau weiß, was zu tun ist, vorwerfen, dass er Christoph Waltz weit unter dessen Möglichkeiten agieren lässt. Es muss ja nicht immer gleich die Tarantino-Tonlage sein, aber Waltz hätte das Potential gehabt, auf Anhieb einen Spitzenplatz in der Galerie der Bond-Schurken zu erobern: sinister, grausam, mit tödlicher Intelligenz und perfekten Umgangsformen. Doch die Motivation, welche das Drehbuch ihm andichtet, ist dürftig, die Zeit, die es ihm gönnt, viel zu knapp, sein Spiel zu verhalten. Das grenzt an Verschwendung. Und verstößt gegen ein Naturgesetz im Bond-Kosmos: dass die Größe des jeweiligen James' am Ende immer von der Qualität seines größten Widersachers abhängt.
PETER KÖRTE
Von Donnerstag an im Kino
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn alles bleiben soll, wie es ist im System Bond, muss sich alles ändern: Über "Spectre", den vierundzwanzigsten Film der Reihe
Nun ist es auch schon wieder Vergangenheit, dass James Bond eine Vergangenheit hat. Als vor drei Jahren in "Skyfall" sein Elternhaus zerstört wurde, wurde 007 zum zweiten Mal Waise. Denn nicht nur hatte er mit zwölf Jahren seine Eltern verloren; auch M starb, und seit Judi Dench die Rolle übernommen hatte, ließ M sich auch als Kürzel für "Mutter" lesen. Von den beiden Männern, die sich als ihre Söhne verstanden, blieb am Ende derjenige auf der Strecke, der sie als "Mami" tituliert hatte.
Ein ödipaler, familiärer Subtext zieht sich auch durch den neuen Bond-Film, den 24., der "Spectre" heißt und der mit Bonds Vergangenheit auch seine Zukunft fraglich werden lässt. War es in "Skyfall" ein schottischer Wildhüter, der Bond großgezogen hatte, soll es jetzt in "Spectre" ein Österreicher gewesen sein. Schlüssig ist das nicht, obwohl die Drehbücher zu beiden Filmen von denselben Autoren stammen, Neal Purvis und Robert Wade, die alle Bonds seit "Die Welt ist nicht genug" geschrieben und damit auch die Bond-Renaissance, welche durch das Casting von Daniel Craig möglich wurde, verantwortet haben. Wie der Fehler passieren konnte, ist ein Rätsel - und womöglich wird es sich nie lösen lassen, da fraglich ist, ob Craig weitermachen wird. In Interviews jedenfalls klang er ein wenig rollenmüde. Aber das war auch schon so im Umfeld von "Skyfall".
In einem geschlossenen System jedoch, zu dem das Bond-Franchise im Verlauf der Jahrzehnte geworden ist, sind das heikle und kategorial gleichartige Fragen, weil die Rolle und ihr Darsteller nun einmal enger miteinander zu verwachsen pflegen als anderswo. Nicht eine vermeintliche Wirklichkeit außerhalb des Bond-Kosmos ist das entscheidende Referenzsystem, sondern die Geschichte dieses Kosmos selbst. Dass auch hier die Gezeiten der Mode wirken, dass der Schnitt der Kleider und Anzüge, das Design der Fahrzeuge und Accessoires auf dem jeweils neuesten Stand sind, ist kein Einwand. All diese Außenreize werden ganz von selbst zur Innenausstattung der Bond-Welt.
Wenn man sich den neuen Film ansieht, ist das umso deutlicher, als die vier Filme mit Craig ein eigenes Subsystem bilden. Da ist ein erzählerischer Zusammenhang entstanden, wie es ihn bei keiner der früheren Bond-Verkörperungen gegeben hat. Die Jünger des sogenannten horizontalen Erzählens haben das gleich als Ausweis für die Modernität der Reihe genommen. Na ja. Dass Mister White (Jesper Christensen, hier deutlicher erkennbar als in "Ich und Kaminski") zum dritten Mal Bonds Weg kreuzt, nachdem er ihm in "Casino Royale" Potenz und Leben rettete und ihn in "Ein Quantum Trost" verhöhnte, ist nun narrativ nicht so aufregend - aufregend ist allein Mister Whites Tochter, die von Léa Seydoux gespielt wird, die hier den unverkennbar Proustschen Namen Madeleine Swann trägt und nicht zum Typus des willig dahinschmelzenden, sondern zu dem des widerspenstigen Bond-Girls gehört, das auch mit Lebenswandel und Berufsauffassung des Helden hadert.
James VI., wie man Craigs Bond dynastisch korrekt auch nennen könnte, James VI. muss in "Spectre" bei der Jagd nach dem Superschurken Franz Oberhauser jedenfalls erfahren, was er in den drei Filmen zuvor angeblich alles übersehen hat, obwohl es sich direkt vor seinen Augen abspielte. Das ist die bittere Botschaft, mit welcher ihn dieser Oberhauser (Christoph Waltz) konfrontiert. Oberhauser hat den alten Allmachtsphantasien durch ein weltweites, lückenloses Überwachungssystem eine moderne Gestalt gegeben. Für die Wucht der Auseinandersetzung, die exquisite Grausamkeit der Apparatur, mit der Oberhauser Bond traktiert, ist episodenübergreifendes Erzählen allerdings bedeutungslos. Hier reicht schon das kleine ironische Zitat, wenn Oberhauser sich Blofeld nennt, weil das der Familienname seiner Mutter sei, und eine weiße Perserkatze auf Bonds Schoß springt wie ein Liebesgruß aus Moskau.
Entscheidender ist in einem Bond-Film ohnehin, dass die Handlung linear verläuft, dass der Vektor der Erzählung der Flugbahn eines Geschosses oder der Ideallinie eines Fahrzeugs gleicht, für die, frei nach Isaac Newton, gilt, dass ein jeder Körper im Zustand der Höchstgeschwindigkeit bleibt, solange sich nicht Hindernisse vor ihm auftürmen. Für die Geltung dieses Gesetzes ist gesorgt. Von Anfang an. Die ersten zwei Minuten lang, mindestens, folgt die Kamera Bond ohne Schnitt durch Mexiko-Stadt am Tag der Toten, mitten durch den Umzug mit seinen Skeletten und Totenköpfen, in ein Hotelzimmer, über Dächer - und bevor das Ganze wie eine Angebernummer aussieht, kommt der erste Schnitt. Völlig angemessen, dass es sich dabei um eine Schuss-Gegenschuss-Montage handelt, weil Bond einen italienischen Killer ins Visier nimmt. Und sehr adäquat auch, wie sich der Schusswechsel zur Explosion mit beträchtlichem Sachschaden steigert, bevor die Ouvertüre in einem großen Hubschrauber-Stunt kulminiert.
Die hellen, sonnengebleichten Farben Mexikos verschwinden im gräulichen London. Von M (Ralph Fiennes) wird Bond abgekanzelt wegen eigenmächtigen Handelns, und das Doppelnull-Programm wird bedroht von einem Ehrgeizling namens C, einem Strebertyp, dem leider auch anzusehen ist, dass seine Zukunft eher kurz ausfallen dürfte. Er bringt immerhin das Thema Big Data auf die Agenda, elektronische Überwachung statt Lizenz zum Töten, und weil wir im Bond-Universum sind, wirken die Ambitionen der NSA auf einmal fast regional und moderat, weil es hier unter britischer Federführung um die Überwachung der ganzen Welt geht. Was sehr schön illustriert, dass die Bond-Figur, wie es in der "tageszeitung" hieß, von einem "geopolitischen Minderwertigkeitskomplex Großbritanniens" zeuge.
Aus dieser Konstellation entfaltet sich dann die übliche Reisetätigkeit. Erst nach Rom, wo Monica Bellucci, wie schon überall zu lesen war, als bisher ältestes Bond-Girl auftritt, was ihrer atemberaubenden Schwarze-Witwen-Erscheinung überhaupt keinen Abbruch tut. Natürlich muss der Petersplatz zügig überquert und am schmalen Tiberufer das Aston-Martin-Sondermodell ausgefahren werden. Leider ist diese Verfolgungsjagd nicht ganz so fulminant wie gewohnt. "Spectre" konzentriert sich eindeutig auf die Eroberung der Lufthoheit. Auch in den Alpen muss Bond geländegängige Fahrzeuge bergab nicht auf Skiern oder im Aston Martin verfolgen, sondern mit einem Flugzeug, dem die Flügel abgebrochen sind.
Von Rom geht's nach Österreich, in ein Gipfelsanatorium mit eigener Landebahn, fast schon ein Zauberberg, wo Madeleine Swann als Ärztin praktiziert. Tanger ist auch sehr malerisch, aber noch besser ist der Zug, der von dort in die Wüste fährt: Salonwagencharme, koloniale Echos, ein Schaffner, dem man den weißen Smoking zum Aufbügeln überlässt, bevor er bei der Schlägerei im Speisewagen in Mitleidenschaft gezogen wird. Das Schurkenhauptquartier liegt dann in einem Wüstenkrater, den ein Meteorit hinterlassen hat; im Kontrast zur Überwachungs-Hightech sind die Gästezimmer im schlichten Stile der sechziger Jahre möbliert. Und schließlich wieder London, die Themse, noch einmal ein Helikopter, vielleicht dann doch einer zu viel. Dagegen ist insgesamt wenig zu sagen. Es ist die dauerhafte Präsenz der alten Bond-Welt, in der auch Menschen, die ohne Gepäck reisen oder ihres vor lauter Eile stehen lassen müssen, doch immer einen perfekt sitzenden Anzug oder ein faltenfreies Kleid zur Verfügung haben. Eine Welt, in der schwerste Schläge nicht zu Hämatomen, Knochenbrüchen oder Schlimmerem führen. Und in der, so viel Moderne darf hinein, Q (Ben Whishaw) zum Nerd mit Hackertalent geworden ist und Moneypenny einen Vornamen (Eve) und einen Aktionsradius jenseits des Vorzimmers hat. Aber das ist ja auch schon wieder längst etabliert.
Bond selbst, der mit Daniel Craig Gefühle, eine Geschichte und sogar Zweifel bekam, scheint diesmal wieder stärker am alten Macho-Rollenmodell orientiert; zu sozial kompatibel, zu anfällig oder gar traumatisiert darf eine Charakter-Reform ihn nicht erscheinen lassen. Das wäre fatal. Und womöglich ist diese kleine Verschiebung auch ein Zeichen dafür, dass das System Bond bald mal wieder einen Neustart vertragen könnte. Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern - das kennt man doch aus dem "Leoparden".
Was nun allerdings nicht so gut funktioniert in diesem 24. Bond, das ist nicht allein der weinerliche, lahme Song von Sam Smith, "Writing's on the Wall". Man muss Sam Mendes, der wieder Regie geführt hat und sonst sehr genau weiß, was zu tun ist, vorwerfen, dass er Christoph Waltz weit unter dessen Möglichkeiten agieren lässt. Es muss ja nicht immer gleich die Tarantino-Tonlage sein, aber Waltz hätte das Potential gehabt, auf Anhieb einen Spitzenplatz in der Galerie der Bond-Schurken zu erobern: sinister, grausam, mit tödlicher Intelligenz und perfekten Umgangsformen. Doch die Motivation, welche das Drehbuch ihm andichtet, ist dürftig, die Zeit, die es ihm gönnt, viel zu knapp, sein Spiel zu verhalten. Das grenzt an Verschwendung. Und verstößt gegen ein Naturgesetz im Bond-Kosmos: dass die Größe des jeweiligen James' am Ende immer von der Qualität seines größten Widersachers abhängt.
PETER KÖRTE
Von Donnerstag an im Kino
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main