Die packende Entstehungsgeschichte des Propagandafilms, den 20 Millionen Menschen sahen. Der Film erzählt die Geschichte des Jud Süß- Hauptdarstellers Ferdinand Marian, der im Dritten Reich in die Mühlen der Manipulation von Joseph Goebbels gerät. Goebbels will 1940 unter der Regie von Veit Harlan mit dem Film Jud Süß den Vernichtungsfeldzug gegen die Juden untermauern. Marian lässt sich auf ein Spiel ein, das viel zu groß für ihn ist.
Berlin 1939. Der mittelmäßig erfolgreiche, aus Österreich stammende Schauspieler Ferdinand Marian bekommt direkt von Joseph Goebbels die Rolle des "Jud Süss" in dem gleichnamigen NS-Propagandafilm angeboten. Die Regie soll Veit Harlan übernehmen. Eine einmalige Karrierechance für Marian. Hin- und hergerissen weigert er sich zunächst, vor allem wegen der Einwände seiner Frau Anna (Martina Gedeck) und seiner Befürchtung, danach auf jüdische Rollen festgelegt zu werden. Doch nachdem Minister Goebbels (Moritz Bleibtreu) immer stärkeren Druck auf ihn ausübt, willigt er ein. Marian versucht, sich und seiner Frau einzureden, er könne die Rolle so spielen, dass der Titel-Bösewicht zum Sympathieträger würde. Doch selbst diese fromme Absicht macht sich der Film geschickt zunutze - sie steigert am Ende sogar noch dessen Wirkung auf die Massen. Marians Verstrickung in die Folgen dieser genau geplanten filmischen Propagandawaffe ist nicht mehr aufzuhalten.
Schon während der Dreharbeiten spitzt sich die Situation in seinem privaten Umfeld zu. Durch seine zunehmende Veränderung abgestoßen, entfremdet sich seine Frau von ihm.
Im Gartenhaus der Familie hat zudem ein früherer Kollege von Marian, der jüdische Schauspieler Adolf Wilhelm Deutscher (Heribert Sasse) Unterschlupf gefunden. Das Dienstmädchen Britta (Anna Unterberger) verrät dies ihrem Freund, dem SA-Mann Lutz (Robert Stadlober), der Deutscher verhaftet und deportieren lässt.
Berlin 1939. Der mittelmäßig erfolgreiche, aus Österreich stammende Schauspieler Ferdinand Marian bekommt direkt von Joseph Goebbels die Rolle des "Jud Süss" in dem gleichnamigen NS-Propagandafilm angeboten. Die Regie soll Veit Harlan übernehmen. Eine einmalige Karrierechance für Marian. Hin- und hergerissen weigert er sich zunächst, vor allem wegen der Einwände seiner Frau Anna (Martina Gedeck) und seiner Befürchtung, danach auf jüdische Rollen festgelegt zu werden. Doch nachdem Minister Goebbels (Moritz Bleibtreu) immer stärkeren Druck auf ihn ausübt, willigt er ein. Marian versucht, sich und seiner Frau einzureden, er könne die Rolle so spielen, dass der Titel-Bösewicht zum Sympathieträger würde. Doch selbst diese fromme Absicht macht sich der Film geschickt zunutze - sie steigert am Ende sogar noch dessen Wirkung auf die Massen. Marians Verstrickung in die Folgen dieser genau geplanten filmischen Propagandawaffe ist nicht mehr aufzuhalten.
Schon während der Dreharbeiten spitzt sich die Situation in seinem privaten Umfeld zu. Durch seine zunehmende Veränderung abgestoßen, entfremdet sich seine Frau von ihm.
Im Gartenhaus der Familie hat zudem ein früherer Kollege von Marian, der jüdische Schauspieler Adolf Wilhelm Deutscher (Heribert Sasse) Unterschlupf gefunden. Das Dienstmädchen Britta (Anna Unterberger) verrät dies ihrem Freund, dem SA-Mann Lutz (Robert Stadlober), der Deutscher verhaftet und deportieren lässt.
Bonusmaterial
- Making-of - Interviews mit den Darstellern Tobias Moretti, Moritz Bleibtreu, Martina Gedeck und Regisseur Oskar Roehler - 30-minütige Dokumentation "Verführung und Verbrechen - Propagandafilme im Dritten Reich" - umfangfreiches Booklet mit HintergrundinformationenFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2015Wer kann dem eigenen Blick entgehen?
"Notfilm": Ein Film über einen Film, der "Film" heißt und von Beckett stammt
Auf unserem Bild sieht es aus, als hätten sich die beiden etwas zu sagen gehabt. Aber alle verfügbaren Quellen behaupten, das sei ganz und gar nicht der Fall gewesen. Buster Keaton und Samuel Beckett wären einander bei den Dreharbeiten zu ihrem gemeinsamen Film "Film" vielmehr weitläufig aus dem Weg gegangen. Beckett, der das Drehbuch geschrieben hatte, hätte lieber mit Chaplin gearbeitet, der nicht zur Verfügung stand, oder mit Jack MAcGowran, der ebenfalls nicht konnte, sein Regisseur Alan Schneider hätte Zero Mostel vorgezogen. Buster Keaton war die dritte Wahl! Kein Wunder, dass er zu spät für die Teambesprechung anreiste und noch beim Filmfestival in Venedig, wo "Film" 1965 zur Welturaufführung kam und begeistert aufgenommen wurde, recht einsilbig bemerkte, er habe keine Ahnung, worum es in diesem Werk gehe. Wie der General in seinem Film "Der General" habe er sich gefühlt, der eine Armee führt, aber nicht weiß, wohin.
Dabei war der General bei "Film" ganz sicher Samuel Beckett. Er war der Einladung Barney Rossets, des Gründers der Grove Press, gefolgt, der einige seiner Autoren, darunter eben Beckett (und Pinter und Ionesco, Duras und Robbe-Grillet) um Drehbücher bat, von denen damals allerdings nur das von Beckett tatsächlich verfilmt wurde. Ionescos "Hard-Boiled Egg" brauchte für seine Verfilmung bis 2005.
Die Idee, die "Film" zugrunde liegt, ist grandios: einen Mann vor den Blicken fliehen zu lassen, die seine Gestalt erfassen. Auch und vor allem vor dem Kameraauge. Dieses heißt im Drehbuch "E" (für "eye"), während der Mann, den Keaton spielt, "O" heißt (wie "object"). Wir sehen dann auf einer Länge von etwa 22 Minuten einen Mann in langem Mantel und dem typischen flachen Keaton-Hut von hinten, der erst eine Mauer entlanghastet, einem Paar ausweicht, weiterstolpert, in ein Haus und schließlich in seine Wohnung eintritt, immer auf der Flucht davor, gesehen zu werden - er zieht den Vorhang vors Fenster, verhängt den Spiegel, jagt Hund und Katze fort, deckt das Fischglas ab und den Vogelkäfig, selbst die augenähnlichen Aussägungen der Sessellehne. Schließlich hat er alle Blicke von sich abgezogen außer einem - seinem eigenen.
"Film" war eine Sensation, aber er war nicht ganz so, wie Beckett, der vom Filmen und von Technik überhaupt gar nichts verstand, sich das vorgestellt hatte. Aus acht Minuten, die der Prolog dauern sollte, wurde eine. Der Rest war unbrauchbares Stroboskop-Gezapple. Jetzt sind Teile des vermeintlich unbrauchbaren Materials - wie das so ist: unter einem Spülstein von Barney Rosset, der den Film auch produzierte - wieder aufgetaucht. Der Filmarchivar und Restaurator Ross Lipman hat "Film" restauriert. Und er hat einen Weg gefunden, die ursprünglich geplante Fassung nun wieder ahnen zu lassen, und zwar in einer Dokumentation, einem "kino-essay". Es soll, so berichtet "movingimagearchivenews", die Geschichte von Becketts "Film" erzählen und den Satz des irischen Philosophen George Berkeley in den Mittelpunkt rücken: "To be is to be perceived", eine Erkenntnis, deren Tragweite im Zeitalter des Films, des Digitalen gar, im achtzehnten Jahrhundert nicht vorherzusehen war. "Film" sei Becketts Antwort auf diesen Satz. Und Buster Keaton? Ist er nicht der, der immer mit Beckett verglichen wird?
VERENA LUEKEN
Notfilm von Ross Lipman wird beim Filmfestival in London uraufgeführt. Eine DVD mit Film und Notfilm soll im Frühjahr 2016 herauskommen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Notfilm": Ein Film über einen Film, der "Film" heißt und von Beckett stammt
Auf unserem Bild sieht es aus, als hätten sich die beiden etwas zu sagen gehabt. Aber alle verfügbaren Quellen behaupten, das sei ganz und gar nicht der Fall gewesen. Buster Keaton und Samuel Beckett wären einander bei den Dreharbeiten zu ihrem gemeinsamen Film "Film" vielmehr weitläufig aus dem Weg gegangen. Beckett, der das Drehbuch geschrieben hatte, hätte lieber mit Chaplin gearbeitet, der nicht zur Verfügung stand, oder mit Jack MAcGowran, der ebenfalls nicht konnte, sein Regisseur Alan Schneider hätte Zero Mostel vorgezogen. Buster Keaton war die dritte Wahl! Kein Wunder, dass er zu spät für die Teambesprechung anreiste und noch beim Filmfestival in Venedig, wo "Film" 1965 zur Welturaufführung kam und begeistert aufgenommen wurde, recht einsilbig bemerkte, er habe keine Ahnung, worum es in diesem Werk gehe. Wie der General in seinem Film "Der General" habe er sich gefühlt, der eine Armee führt, aber nicht weiß, wohin.
Dabei war der General bei "Film" ganz sicher Samuel Beckett. Er war der Einladung Barney Rossets, des Gründers der Grove Press, gefolgt, der einige seiner Autoren, darunter eben Beckett (und Pinter und Ionesco, Duras und Robbe-Grillet) um Drehbücher bat, von denen damals allerdings nur das von Beckett tatsächlich verfilmt wurde. Ionescos "Hard-Boiled Egg" brauchte für seine Verfilmung bis 2005.
Die Idee, die "Film" zugrunde liegt, ist grandios: einen Mann vor den Blicken fliehen zu lassen, die seine Gestalt erfassen. Auch und vor allem vor dem Kameraauge. Dieses heißt im Drehbuch "E" (für "eye"), während der Mann, den Keaton spielt, "O" heißt (wie "object"). Wir sehen dann auf einer Länge von etwa 22 Minuten einen Mann in langem Mantel und dem typischen flachen Keaton-Hut von hinten, der erst eine Mauer entlanghastet, einem Paar ausweicht, weiterstolpert, in ein Haus und schließlich in seine Wohnung eintritt, immer auf der Flucht davor, gesehen zu werden - er zieht den Vorhang vors Fenster, verhängt den Spiegel, jagt Hund und Katze fort, deckt das Fischglas ab und den Vogelkäfig, selbst die augenähnlichen Aussägungen der Sessellehne. Schließlich hat er alle Blicke von sich abgezogen außer einem - seinem eigenen.
"Film" war eine Sensation, aber er war nicht ganz so, wie Beckett, der vom Filmen und von Technik überhaupt gar nichts verstand, sich das vorgestellt hatte. Aus acht Minuten, die der Prolog dauern sollte, wurde eine. Der Rest war unbrauchbares Stroboskop-Gezapple. Jetzt sind Teile des vermeintlich unbrauchbaren Materials - wie das so ist: unter einem Spülstein von Barney Rosset, der den Film auch produzierte - wieder aufgetaucht. Der Filmarchivar und Restaurator Ross Lipman hat "Film" restauriert. Und er hat einen Weg gefunden, die ursprünglich geplante Fassung nun wieder ahnen zu lassen, und zwar in einer Dokumentation, einem "kino-essay". Es soll, so berichtet "movingimagearchivenews", die Geschichte von Becketts "Film" erzählen und den Satz des irischen Philosophen George Berkeley in den Mittelpunkt rücken: "To be is to be perceived", eine Erkenntnis, deren Tragweite im Zeitalter des Films, des Digitalen gar, im achtzehnten Jahrhundert nicht vorherzusehen war. "Film" sei Becketts Antwort auf diesen Satz. Und Buster Keaton? Ist er nicht der, der immer mit Beckett verglichen wird?
VERENA LUEKEN
Notfilm von Ross Lipman wird beim Filmfestival in London uraufgeführt. Eine DVD mit Film und Notfilm soll im Frühjahr 2016 herauskommen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main