Eigentlich arbeitet Terry Doolittle (Whoopi Goldberg) als Computerspezialistin in einer Großbank, doch die meiste Zeit verbringt sie damit, ihren ausländischen Kollegen Kochrezepte oder Ratschläge in Liebesangelegenheiten zuzumailen. Ein wirklich ruhiger Job, bis plötzlich der codierte Hilferuf eines britischen Agenten auf ihrem Bildschirm landet. Ihr unbekannter Schützling sitzt irgendwo in Osteuropa fest und will ausgerechnet von ihr gerettet werden. Das Chaos ist bereits vorprogrammiert, denn auch CIA und KGB sind sehr an ihrer Rettungsmission interessiert...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.06.1997Nicht über den Haaransatz hinaus
Das Kind im Manne: Coppolas Film "Jack" und die Suche nach dem Erfolgsrezept
Eine Handvoll Kinder und ein Mann spielen auf der Straße und schlagen die Zeit tot. Nach einer Weile schwenkt die Kamera hinauf, bis die Wolken ins Bild kommen. Im Zeitraffer ziehen sie vorüber. In der nächsten Einstellung preßt sich der Mann flach auf den Boden und erstarrt, während die Sonnenstrahlen ihn kurz streifen und sich in Lichtgeschwindigkeit entfernen, als wollten sie dem Ende des Tages schnellstmöglich entgegeneilen. Der Himmel soll warten - so heißt ein Film über einen Mann, der stirbt und im Körper eines Jüngeren noch einmal auf die Welt kommt. In Francis Ford Coppolas Film "Jack" hingegen steckt der Geist eines Kindes im Körper eines erwachsenen Mannes. Jack Powell (Robin Williams) altert aufgrund eines genetischen Fehlers viermal schneller als normale Menschen. Wann immer er den Blick nach oben richtet, sieht er, wie ungeduldig der Himmel auf ihn wartet.
Zeit kann verstreichen oder verrinnen. In "Jack" tut sie beides, und zwar in ein und derselben Einstellung. Diese Gleichzeitigkeit verschiedener Tempi läßt uns das Drama des Helden spüren, der innerlich zerrissen ist, weil sich sein Leib und seine Seele zunehmend auseinanderentwickeln. Doch so flüchtig wie das Licht ist dieser Moment in Coppolas Inszenierung: ein Hoffnungsschimmer, der kaum aufleuchtet und schon wieder erlischt. Für wenige Sekunden wird das große visuelle Talent eines Regisseurs sichtbar, der sich dann im weiteren Verlauf des Films damit begnügt, eine äußerst formelhafte Geschichte adäquat zu bebildern. Doch arbeitet die Zeit für einen Regisseur, der sein Glück in einem Erfolgsrezept sucht, das vor knapp zehn Jahren populär war?
In der zweiten Hälfte der Achtziger wechselten die Figuren in Hollywood-Filmen ihre Körper häufiger als die Hemden. Wer sich in seiner Haut nicht mehr wohl fühlte, schlüpfte flugs in die eines anderen, in eine weiche, geschmeidige oder eine abgehärtete, behaarte. "Big", "Endlich wie 18!" - diese Titel sprachen Wunschträume aus, die für die Helden der Filme in Erfüllung gingen: schon erwachsen oder wieder jung sein. In "Like Father, Like Son" und "Vice Versa" verlief die Metamorphose sogar in beide Richtungen. Body switching war so populär wie heutzutage Inline skating. Doch dann kam 1992 "Prelude to a Kiss" (Regie Norman René), in dem sich Meg Ryan bei einer Seelenwanderung verirrte und im Leib eines todkranken, alten Mannes wiederfand. Mit ihr erfuhr der Zuschauer, was es wirklich bedeutet, ein Leben im Fremdkörper zu führen. Die materielle Existenz wird zu einem Kerker, in dem Triebe, Wünsche und Träume gefangen sind, ohne Hoffnung, jemals aus der Inwendigkeit zu entkommen.
Coppolas Film, zu dem James DeMonaco und Gary Nadeau das Drehbuch schrieben, fügt dem wenig Neues hinzu. Zwar widerstehen der Regisseur und ein disziplinierter Robin Williams den Versuchungen des Klamauks, doch wenn es gilt, sich mit den Widrigkeiten des Älterwerdens zu beschäftigen, wagen sie sich über den Haaransatz des Stars nicht hinaus. Wie bei "Peggy Sue hat geheiratet" (1986), bei dem Coppola das damals sehr gängige Zeitreise-Motiv aufnahm, benutzt er auch diesmal ein bewährtes narratives Muster. Doch während das romantisierende Licht des Kameramannes Jordan Cronenweth in "Peggy Sue hat geheiratet" einen Kontrapunkt zu dem funktionalistischen Kassenschlager "Zurück in die Zukunft" setzte, entbehrt "Jack" fast jeder Originalität. Wenn sich die von John Toll geführte Kamera immer wieder an die Turnschuhe des Helden heftet und mit ihnen über den Boden schlurft, spürt man, wie verkrampft sich der Film bemüht, auf der Höhe der Zeit zu sein.
Mit "Jack" begibt sich Coppola ein gutes Stück unter sein Niveau. Schon oft mußte er im Laufe seiner Karriere schwere Fehlschläge an der Kasse verkraften und anschließend Projekte übernehmen, die vor allem den Zweck erfüllen sollten, ihn kommerziell zu rehabilitieren. Nach "Einer mit Herz" (1982), der die von ihm gegründeten Zoetrope Studios an den Rand des Bankrotts gebracht hatte, verschaffte ihm "The Outsiders" (1983) Entlastung, auf "The Cotton Club" (1984), der die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllen konnte, folgte "Peggy Sue hat geheiratet", und nach "Tucker" (1988) drehte Coppola den ebenso uninspirierten wie erfolgreichen dritten Teil des "Paten". Seine bisher vorletzte Regiearbeit, "Bram Stoker's Dracula" (1992), war nun aber ein weltweiter Hit, der wahrlich keine Wiedergutmachung verlangte.
Doch nach diesem Film konzentrierte sich Coppola wie schon in früheren Jahren vorübergehend stärker auf die Produktion. Mit "Mary Shelley's Frankenstein" (1994), von dem er sich gewiß versprach, damit an den Erfolg seines eigenen Horrorfilms anknüpfen zu können, landete er dabei jedoch einen der größten Flops der letzten Jahre. Bewußt oder unbewußt stürzt sich Coppola, sobald er festen Boden unter den Füßen hat, kopfüber in den Sumpf, um sich dann am eigenen Schopf wieder herauszuziehen. Mittlerweile hat man den Eindruck, er brauche dies zur Selbstvergewisserung der eigenen Kraft. Vielleicht hat er "Jack" deshalb gedreht, weil ihn eine Seelenverwandtschaft mit seinem Helden verbindet: Er steuert aufs Rentenalter zu und findet sich doch, wenn er aufs neue bei Null anfangen muß, regelmäßig in den Kinderschuhen wieder. LARS-OLAV BEIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Kind im Manne: Coppolas Film "Jack" und die Suche nach dem Erfolgsrezept
Eine Handvoll Kinder und ein Mann spielen auf der Straße und schlagen die Zeit tot. Nach einer Weile schwenkt die Kamera hinauf, bis die Wolken ins Bild kommen. Im Zeitraffer ziehen sie vorüber. In der nächsten Einstellung preßt sich der Mann flach auf den Boden und erstarrt, während die Sonnenstrahlen ihn kurz streifen und sich in Lichtgeschwindigkeit entfernen, als wollten sie dem Ende des Tages schnellstmöglich entgegeneilen. Der Himmel soll warten - so heißt ein Film über einen Mann, der stirbt und im Körper eines Jüngeren noch einmal auf die Welt kommt. In Francis Ford Coppolas Film "Jack" hingegen steckt der Geist eines Kindes im Körper eines erwachsenen Mannes. Jack Powell (Robin Williams) altert aufgrund eines genetischen Fehlers viermal schneller als normale Menschen. Wann immer er den Blick nach oben richtet, sieht er, wie ungeduldig der Himmel auf ihn wartet.
Zeit kann verstreichen oder verrinnen. In "Jack" tut sie beides, und zwar in ein und derselben Einstellung. Diese Gleichzeitigkeit verschiedener Tempi läßt uns das Drama des Helden spüren, der innerlich zerrissen ist, weil sich sein Leib und seine Seele zunehmend auseinanderentwickeln. Doch so flüchtig wie das Licht ist dieser Moment in Coppolas Inszenierung: ein Hoffnungsschimmer, der kaum aufleuchtet und schon wieder erlischt. Für wenige Sekunden wird das große visuelle Talent eines Regisseurs sichtbar, der sich dann im weiteren Verlauf des Films damit begnügt, eine äußerst formelhafte Geschichte adäquat zu bebildern. Doch arbeitet die Zeit für einen Regisseur, der sein Glück in einem Erfolgsrezept sucht, das vor knapp zehn Jahren populär war?
In der zweiten Hälfte der Achtziger wechselten die Figuren in Hollywood-Filmen ihre Körper häufiger als die Hemden. Wer sich in seiner Haut nicht mehr wohl fühlte, schlüpfte flugs in die eines anderen, in eine weiche, geschmeidige oder eine abgehärtete, behaarte. "Big", "Endlich wie 18!" - diese Titel sprachen Wunschträume aus, die für die Helden der Filme in Erfüllung gingen: schon erwachsen oder wieder jung sein. In "Like Father, Like Son" und "Vice Versa" verlief die Metamorphose sogar in beide Richtungen. Body switching war so populär wie heutzutage Inline skating. Doch dann kam 1992 "Prelude to a Kiss" (Regie Norman René), in dem sich Meg Ryan bei einer Seelenwanderung verirrte und im Leib eines todkranken, alten Mannes wiederfand. Mit ihr erfuhr der Zuschauer, was es wirklich bedeutet, ein Leben im Fremdkörper zu führen. Die materielle Existenz wird zu einem Kerker, in dem Triebe, Wünsche und Träume gefangen sind, ohne Hoffnung, jemals aus der Inwendigkeit zu entkommen.
Coppolas Film, zu dem James DeMonaco und Gary Nadeau das Drehbuch schrieben, fügt dem wenig Neues hinzu. Zwar widerstehen der Regisseur und ein disziplinierter Robin Williams den Versuchungen des Klamauks, doch wenn es gilt, sich mit den Widrigkeiten des Älterwerdens zu beschäftigen, wagen sie sich über den Haaransatz des Stars nicht hinaus. Wie bei "Peggy Sue hat geheiratet" (1986), bei dem Coppola das damals sehr gängige Zeitreise-Motiv aufnahm, benutzt er auch diesmal ein bewährtes narratives Muster. Doch während das romantisierende Licht des Kameramannes Jordan Cronenweth in "Peggy Sue hat geheiratet" einen Kontrapunkt zu dem funktionalistischen Kassenschlager "Zurück in die Zukunft" setzte, entbehrt "Jack" fast jeder Originalität. Wenn sich die von John Toll geführte Kamera immer wieder an die Turnschuhe des Helden heftet und mit ihnen über den Boden schlurft, spürt man, wie verkrampft sich der Film bemüht, auf der Höhe der Zeit zu sein.
Mit "Jack" begibt sich Coppola ein gutes Stück unter sein Niveau. Schon oft mußte er im Laufe seiner Karriere schwere Fehlschläge an der Kasse verkraften und anschließend Projekte übernehmen, die vor allem den Zweck erfüllen sollten, ihn kommerziell zu rehabilitieren. Nach "Einer mit Herz" (1982), der die von ihm gegründeten Zoetrope Studios an den Rand des Bankrotts gebracht hatte, verschaffte ihm "The Outsiders" (1983) Entlastung, auf "The Cotton Club" (1984), der die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllen konnte, folgte "Peggy Sue hat geheiratet", und nach "Tucker" (1988) drehte Coppola den ebenso uninspirierten wie erfolgreichen dritten Teil des "Paten". Seine bisher vorletzte Regiearbeit, "Bram Stoker's Dracula" (1992), war nun aber ein weltweiter Hit, der wahrlich keine Wiedergutmachung verlangte.
Doch nach diesem Film konzentrierte sich Coppola wie schon in früheren Jahren vorübergehend stärker auf die Produktion. Mit "Mary Shelley's Frankenstein" (1994), von dem er sich gewiß versprach, damit an den Erfolg seines eigenen Horrorfilms anknüpfen zu können, landete er dabei jedoch einen der größten Flops der letzten Jahre. Bewußt oder unbewußt stürzt sich Coppola, sobald er festen Boden unter den Füßen hat, kopfüber in den Sumpf, um sich dann am eigenen Schopf wieder herauszuziehen. Mittlerweile hat man den Eindruck, er brauche dies zur Selbstvergewisserung der eigenen Kraft. Vielleicht hat er "Jack" deshalb gedreht, weil ihn eine Seelenverwandtschaft mit seinem Helden verbindet: Er steuert aufs Rentenalter zu und findet sich doch, wenn er aufs neue bei Null anfangen muß, regelmäßig in den Kinderschuhen wieder. LARS-OLAV BEIER
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