Vor 22 Jahren schuf John Hammond einen Vergnügungspark, in dem echte Dinosaurier zu bestaunen waren. Heute, viele Tausende Besucher später, hat die Jurassic World nichts von ihrer Faszination verloren. Doch hinter Spiel und Spaß lauert der Tod. Als ein genetisch veränderter, böser und unberechenbarer Dinosaurier ausbricht, droht die Jurassic World im Chaos zu versinken. Für Owen (Chris Pratt) und Claire (Bryce Dallas Howard) beginnt ein Kampf um Leben und Tod.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.06.2015Nichts zu lachen für neffenfressende Wesen
Steven Spielbergs "Jurassic"-Filmreihe wird fortgesetzt, das Leitmotiv bleibt: Vorsicht, bissiger Dinosaurier!
Was treibt den Eigentümer des "Jurassic World"-Freizeitparks auf dem abgelegenen Eiland Isla Nublar an? Geld natürlich. Simon Masrani ist der achtreichste Mann der Welt. Nicht schön, weil man ja noch sieben vor sich hat. Da ist das Scheitern einer 26 Millionen Dollar teuren Investition nicht leicht zu verschmerzen. So viel hat die neue Attraktion im Park gekostet, ein durch Genkombination der unterschiedlichsten Arten ("Das erhöht den Wow-Faktor") erstellter Hybridsaurier namens Indominus Rex - ganz schön groß, ganz schön bissig, ganz schön schnell sowie dank zugesetzter Tintenfisch- und Laubfrosch-DNA auch tarnfähig und wechselwarm. Ach ja, nicht zu vergessen: ganz schön blutgierig.
Was treibt Masranis rechte Hand, die hübsche Claire, an? Die Familie. Ihre beiden minderjährigen Neffen sind für ein vorweihnachtliches Wochenende auf Besuch in "Jurassic World". Leider ist Tante Claire schwer beschäftigt, und das wird noch schlimmer, als Indominus Rex sich entschließt, nicht mehr hinter den Kulissen zu bleiben. Aber Blut ist dicker als Blutgier, also stellt sich Claire mutig dem neffenfressenden Wesen entgegen.
Was treibt Masranis leitenden Angestellten Vic Hoskins an? Sein Heimatland. Das soll endlich wieder erfolgreich Krieg führen. Die Aussicht auf den Einsatz von lebenden Killermaschinen, die einmal keine Menschen sind, hat für Hoskins deshalb etwas Bestechendes. Sein Chef stellt sie für "Jurassic World" in Privatinitiative her (siehe oben). Welche Freude für Hoskins und fürs Pentagon! Aber ganz nach Lust und Laune gewähren lassen kann man ihn dabei nicht, sonst diente das ganze martialische Potential ja reinem Touristenamüsement. Und wo könnte man die etwaigen Fähigkeiten der erhofften biologischen Waffengattung besser erproben als bei einer Panne im Freizeitpark?
Was treibt schließlich den Saurierflüsterer Owen Grady an? Keine Ahnung. Er ist einfach da und derart freundlich zu Mensch und Tier gleichermaßen, dass sogar die ihm anvertrauten Veloziraptoren namens Blue, Charly, Delta und Echo diesen Herrn als ihren Anführer anerkennen. Klar: Zu BCDE fehlt noch das A. A wie Alphatier.
Und A wie armselig. 1993 brachte Steven Spielberg seinen Dinosaurier-Schocker "Jurassic Park" nach dem Roman von Michael Crichton heraus, im selben Jahr übrigens wie "Schindlers Liste". Für Letzteren bekam Spielberg den langersehnten Oscar, mit Ersterem scheffelte er zum wiederholten Mal Millionen. Und wiederholte das gleich noch zweimal: 1997 wieder unter eigener Regie als "Vergessene Welt: Jurassic Park" mit der Rückkehr nach Isla Nublar und 2001 abermals, nunmehr aber nur noch als Produzent von "Jurassic Park III", den Joe Johnston inszenierte und auf einer weiteren obskuren Insel, Isla Sorna, ansiedelte. In den fast anderthalb Jahrzehnten seitdem aber ist ein neues Kinopublikum herangewachsen, für das man die alten Erfolge noch einmal neu verpacken will. Und 3D gibt's ja mittlerweile auch. Da staffeln sich die zahlreichen Zahnreihen in den Echsenmäulern noch eindrucksvoller. Mehr Neues gibt's allerdings nicht.
Spielberg ist beim neuesten Streich "Jurassic World" nur noch Executive Producer; mit Colin Trevorrow führt ein nahezu Unbekannter Regie, der auch das Drehbuch mitverfassen durfte. Man darf also vermuten, dass das, was man sieht, dem entspricht, was Trevorrow zeigen wollte. Das tröstet, denn man möchte nicht glauben, dass Steven Spielberg dermaßen von allen guten Geistern verlassen wäre.
Das beginnt mit der Besetzung. Trevorrow hat diesbezüglich eine tiefe Kinoweisheit verkündet: "Wenn man es mit herumrennenden menschenfressenden Dinosauriern zu tun hat, ist es wichtig, dass man mit diesen Menschen fühlt." Dafür müssten Chris Pratt als Owen und Bryce Dallas Howard als Claire aber mehr bieten. Der eine ist ein Abziehbildheld aus Hollywood und hat nichts mehr von dem frechen Charme parat, den er als Hauptdarsteller in "Guardians of the Galaxy" versprühte, und die andere ist eine Nervensäge, der man nur deshalb nicht ein rasches Ende in den Rachen der frisch generierten neuen Spezies wünscht, weil man noch schneller ihren altklugen Neffen Grey gefressen sehen möchte. Dessen älteren Bruder Zach würde man zur Not bis zur Nachspeise aufgespart ertragen.
Selbstverständlich kommen sie alle aber davon, während es den Milliardär und den Militaristen erwischt. Das hätte wohl auch niemand anders erwartet. Die "Jurassic"-Filmreihe lebt ja nicht von Überraschungen, sondern vom wohligen Schauder, dem in "Jurassic World" mit gängigen Horroreffekten reichlich zugearbeitet wird. Und von der Vorfreude gerade auf eine aus dem Kino vertraute Welt, die aber mühselig als fremdartig inszeniert wird. Das hat zur Konsequenz, dass nur ein einziger menschlicher Akteur aus der früheren Trilogie auch im neuen Film zum Einsatz kommt: BD Wong als Dr. Wu, der geniale Genetiker.
Würde aber die Besetzungsliste die computergenerierten Rollen auflisten, wäre die Zahl altbekannter Figuren immens: Raptoren, Triceratopse, Pterosaurier und selbstverständlich auch wieder das eigentliche Wappentier der "Jurassic"-Serie, dem diesmal ein besonders wichtiger Auftritt zugedacht ist, auf dass wir unsere Sympathien einmal der Bestie zufliegen lassen können. Da in der Handlung von "Jurassic World" schon der Übergang zu einer weiteren Fortsetzung angelegt ist, kann man nur wünschen, dass die Gentechnik noch etwas zulegt und beim nächsten Mal kein Mensch mehr von dem ablenkt, was hier stattfindet: Dinokino. In der Tat uralt. Man trauert Opas Kino nach.
ANDREAS PLATTHAUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Steven Spielbergs "Jurassic"-Filmreihe wird fortgesetzt, das Leitmotiv bleibt: Vorsicht, bissiger Dinosaurier!
Was treibt den Eigentümer des "Jurassic World"-Freizeitparks auf dem abgelegenen Eiland Isla Nublar an? Geld natürlich. Simon Masrani ist der achtreichste Mann der Welt. Nicht schön, weil man ja noch sieben vor sich hat. Da ist das Scheitern einer 26 Millionen Dollar teuren Investition nicht leicht zu verschmerzen. So viel hat die neue Attraktion im Park gekostet, ein durch Genkombination der unterschiedlichsten Arten ("Das erhöht den Wow-Faktor") erstellter Hybridsaurier namens Indominus Rex - ganz schön groß, ganz schön bissig, ganz schön schnell sowie dank zugesetzter Tintenfisch- und Laubfrosch-DNA auch tarnfähig und wechselwarm. Ach ja, nicht zu vergessen: ganz schön blutgierig.
Was treibt Masranis rechte Hand, die hübsche Claire, an? Die Familie. Ihre beiden minderjährigen Neffen sind für ein vorweihnachtliches Wochenende auf Besuch in "Jurassic World". Leider ist Tante Claire schwer beschäftigt, und das wird noch schlimmer, als Indominus Rex sich entschließt, nicht mehr hinter den Kulissen zu bleiben. Aber Blut ist dicker als Blutgier, also stellt sich Claire mutig dem neffenfressenden Wesen entgegen.
Was treibt Masranis leitenden Angestellten Vic Hoskins an? Sein Heimatland. Das soll endlich wieder erfolgreich Krieg führen. Die Aussicht auf den Einsatz von lebenden Killermaschinen, die einmal keine Menschen sind, hat für Hoskins deshalb etwas Bestechendes. Sein Chef stellt sie für "Jurassic World" in Privatinitiative her (siehe oben). Welche Freude für Hoskins und fürs Pentagon! Aber ganz nach Lust und Laune gewähren lassen kann man ihn dabei nicht, sonst diente das ganze martialische Potential ja reinem Touristenamüsement. Und wo könnte man die etwaigen Fähigkeiten der erhofften biologischen Waffengattung besser erproben als bei einer Panne im Freizeitpark?
Was treibt schließlich den Saurierflüsterer Owen Grady an? Keine Ahnung. Er ist einfach da und derart freundlich zu Mensch und Tier gleichermaßen, dass sogar die ihm anvertrauten Veloziraptoren namens Blue, Charly, Delta und Echo diesen Herrn als ihren Anführer anerkennen. Klar: Zu BCDE fehlt noch das A. A wie Alphatier.
Und A wie armselig. 1993 brachte Steven Spielberg seinen Dinosaurier-Schocker "Jurassic Park" nach dem Roman von Michael Crichton heraus, im selben Jahr übrigens wie "Schindlers Liste". Für Letzteren bekam Spielberg den langersehnten Oscar, mit Ersterem scheffelte er zum wiederholten Mal Millionen. Und wiederholte das gleich noch zweimal: 1997 wieder unter eigener Regie als "Vergessene Welt: Jurassic Park" mit der Rückkehr nach Isla Nublar und 2001 abermals, nunmehr aber nur noch als Produzent von "Jurassic Park III", den Joe Johnston inszenierte und auf einer weiteren obskuren Insel, Isla Sorna, ansiedelte. In den fast anderthalb Jahrzehnten seitdem aber ist ein neues Kinopublikum herangewachsen, für das man die alten Erfolge noch einmal neu verpacken will. Und 3D gibt's ja mittlerweile auch. Da staffeln sich die zahlreichen Zahnreihen in den Echsenmäulern noch eindrucksvoller. Mehr Neues gibt's allerdings nicht.
Spielberg ist beim neuesten Streich "Jurassic World" nur noch Executive Producer; mit Colin Trevorrow führt ein nahezu Unbekannter Regie, der auch das Drehbuch mitverfassen durfte. Man darf also vermuten, dass das, was man sieht, dem entspricht, was Trevorrow zeigen wollte. Das tröstet, denn man möchte nicht glauben, dass Steven Spielberg dermaßen von allen guten Geistern verlassen wäre.
Das beginnt mit der Besetzung. Trevorrow hat diesbezüglich eine tiefe Kinoweisheit verkündet: "Wenn man es mit herumrennenden menschenfressenden Dinosauriern zu tun hat, ist es wichtig, dass man mit diesen Menschen fühlt." Dafür müssten Chris Pratt als Owen und Bryce Dallas Howard als Claire aber mehr bieten. Der eine ist ein Abziehbildheld aus Hollywood und hat nichts mehr von dem frechen Charme parat, den er als Hauptdarsteller in "Guardians of the Galaxy" versprühte, und die andere ist eine Nervensäge, der man nur deshalb nicht ein rasches Ende in den Rachen der frisch generierten neuen Spezies wünscht, weil man noch schneller ihren altklugen Neffen Grey gefressen sehen möchte. Dessen älteren Bruder Zach würde man zur Not bis zur Nachspeise aufgespart ertragen.
Selbstverständlich kommen sie alle aber davon, während es den Milliardär und den Militaristen erwischt. Das hätte wohl auch niemand anders erwartet. Die "Jurassic"-Filmreihe lebt ja nicht von Überraschungen, sondern vom wohligen Schauder, dem in "Jurassic World" mit gängigen Horroreffekten reichlich zugearbeitet wird. Und von der Vorfreude gerade auf eine aus dem Kino vertraute Welt, die aber mühselig als fremdartig inszeniert wird. Das hat zur Konsequenz, dass nur ein einziger menschlicher Akteur aus der früheren Trilogie auch im neuen Film zum Einsatz kommt: BD Wong als Dr. Wu, der geniale Genetiker.
Würde aber die Besetzungsliste die computergenerierten Rollen auflisten, wäre die Zahl altbekannter Figuren immens: Raptoren, Triceratopse, Pterosaurier und selbstverständlich auch wieder das eigentliche Wappentier der "Jurassic"-Serie, dem diesmal ein besonders wichtiger Auftritt zugedacht ist, auf dass wir unsere Sympathien einmal der Bestie zufliegen lassen können. Da in der Handlung von "Jurassic World" schon der Übergang zu einer weiteren Fortsetzung angelegt ist, kann man nur wünschen, dass die Gentechnik noch etwas zulegt und beim nächsten Mal kein Mensch mehr von dem ablenkt, was hier stattfindet: Dinokino. In der Tat uralt. Man trauert Opas Kino nach.
ANDREAS PLATTHAUS
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