Bildformat: 1.77:1 anamorph Sprachen / Tonformate: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0) Untertitel: Deutsch Ländercode: 2 Extras: Interviews u. a.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Trailer von anderen Filmen - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit Soundeffekten - Interviews - Einführung - Robert Altman's Kansas City - Dokumentation - Behind the ScenesFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.10.1996Fallendes Laub
Robert Altmans Hommage an seine Jazzstadt: "Kansas City" im Kino
Bennie Moten stammte aus Kansas City und spielte Ragtime. Seine Band betonte die erste und dritte Zählzeit in einem aufrechten Viervierteltakt. Europäische Marschkameraden hätten zur Not mithalten können. Im Jahr 1930 kam Hot Lips Page in die Stadt des amerikanischen Mittelwestens. Zu seinem Ensemble gehörte ein Pianist, der den Taktschwerpunkt lässig auf zwei und vier legte. Er hieß Bill Basie. Später nannte man ihn anerkennend Count.
Moten war ein kerzengerader Musiker und ein krummer Geschäftsmann. Er kannte Tom Pendergast, den politischen Oberboß und Mafia-Günstling der Region. Page und Moten trafen ein Abkommen. Der eine lieferte Musik, der andere Jobs. Und wenn es den Geschäftsmann Moten in den Fingern juckte, dann stieg er mit seinen Musikern bei Page ein. Was dabei herauskam, wurde Jazzgeschichte.
Das Hexengebräu mit der Betonung auf eins und drei durch ein paar Musiker sowie auf zwei und vier vom Rest der Band erhielt den Namen Swing. Jo Jones, der Schlagzeuger der Ära, erinnert sich: "Es war nicht so, daß sie den Rhythmus unterbrachen, um den Beat zu akzentuieren, es war eher so, als ob ein Ball auf- und niedersprang. Als diese beiden Rhythmen sich trafen, entstand ein gleichmäßig dahinfließender Strom - eins, zwei, drei, vier."
Im Jahr 1933 arbeitete Glendora Majors als Kindermädchen im Haus des Versicherungsagenten Altman in Kansas City. Das Radio war ihre Leidenschaft. Eines trägen Nachmittags nahm Glendora Robert, den achtjährigen Sohn des Hauses, an der Hand, ging zum Rundfunkgerät und sagte: "Hör dir das an, das ist Solitude von Duke Ellington. Es gibt nichts Besseres auf der Welt. Setz dich hin und hör zu." Robert Altman jr. hörte zu und speicherte.
Dämmerung. Die Wolken hängen tief. Dumpfes Grollen eines nahenden Gewitters. Ein Auto biegt in den Vorort ein und hält vor einer Villa. Hitchcock hätte die Szene in Schwarzweiß gedreht. Eine Frau steigt aus dem Wagen, zieht sich die Nylons zurecht. Ihr staksiger Gang auf hohen Hacken nährt den dumpfen Verdacht: Das ist nicht ihr gewöhnliches Outfit.
Im Haus hält sie der drogensüchtigen Lady eine Pistole vor die Nase und faselt etwas von einem Johnny, den sie wiederhaben möchte. Wer der Kerl ist, wüßten auch die Kinogänger gerne. Sie müssen etwa auf den siebenundzwanzigsten Schnitt warten, bis ihnen Johnny über den Weg läuft. Sein weißes Gesicht hat er mit Schuhcreme beschmiert, nicht, weil er in einer Minstrelshow die exzentrische Musik der Schwarzen vorführen möchte. Johnny stiehlt konkreter; das Dollarbündel eines schwarzen Spielers etwa, der in die Stadt kam, um im Hey-Hey-Club zu zocken und seine Verluste im Blues der Hausband zu ertränken.
Wahltag im "Paris of the Plains", dieser zentralen amerikanischen Oase, die von Prohibition, Börsenkrach und großer Depression so seltsam unberührt scheint. Der Politiker Henry Stilton ist auf dem Weg nach Washington, um sich Anweisungen von Roosevelt zu holen. Inzwischen werden in seiner Heimatstadt die Trunkenbolde eingesammelt und zu den Wahllokalen gekarrt, wo man ihnen im wahrsten Sinne des Wortes einbleut, Demokraten zu wählen. Wer ausschert, riskiert ein blutige Nase.
Die hat sich Johnny schon geholt. Sein Raubzug wurde aufgedeckt. Nun sitzt er im Hinterzimmer des Hey-Hey-Clubs und wird verhört von einem Mann, den sie - nomen est omen - Seldom Seen nennen. Seldom Seen könnte Bennie Moten sein, der um den Ruf seines illegalen Spielsalons besorgt ist. Wenn Weiße, als Schwarze verkleidet, nicht mehr Weiße, sondern schon Schwarze bestehlen, dann steht es schlecht um die amerikanische Gesellschaft. "Law and order" muß wiederhergestellt werden, und Johnny hat ganz schlechte Karten.
Sein Gesicht ist traurig wie das Stück, das im Saloon zu hören ist: Solitude. Alle haben sie diese Ballade gespielt, die sich in so wundervoller Weise über einem Septimakkord auf As nach Des-Dur schleicht. Joshua Redman trägt den Hut von Lester Young, aber seine Saxophon-Phrasen, mit denen er die Szene in Robert Altmans Film "Kansas City" illustriert, stammen eher von seinem Vater Dewey Redman; irgendwo zwischen Bebop und Free Jazz.
In Kansas City, der Relaisstation zwischen Ost- und Westküste, gab es eine musikalische Spezialität: Cutting Contest,die Schlacht der Giganten, die sich mit Soli überboten. Acht Takte Lester, acht Takte Coleman - immer virtuoser, immer rabiater, bis das Stück in einer Orgie von Riffs endete. Robert Altman ist berühmt geworden mit seiner Schnittechnik, seinem nichtlinearen Erzählen und seinem Puzzle aus Rückblenden. "Kansas City", die Hommage an seine Vaterstadt, hat Inhalt und Form nun glanzvoll zur Deckung gebracht.
In Milos Formans "Ragtime" ist die synkopierte Musik der Jahrhundertwende das Parfum spécial der Handlung, in Altmans "Kansas City" wird der Swing der dreißiger Jahre, nicht nur der real erklingende, zur Essenz des ganzen Films. Ob der unnachahmliche Harry Belafonte als schwarze Eminenz des Redlight Districts Seldom Seen durch sein Etablissement schlurft, zynische Witze erzählt oder Geld zählt, ob Jennifer Jason Leigh als Johnnys Freundin mit der Pistole herumfuchtelt oder Miranda Richardson als Politikergattin immer leicht zu schweben scheint: es ist der Rhythmus des Jazz, der die Aktionen bestimmt. Jedes Fragment des krausen Plots um Entführung und Mord, Spielleidenschaft und amerikanischen Alltag wirkt wie ein Chorus, den ein schreibwütiger Jack Kerouac in seine klapprige Schreibmaschine getippt hat. Es gibt kein szenisches Happy-End in diesem romantisierenden und eher surrealen Film. Aber das Duett der beiden Bassisten Ron Carter und Christian McBride über Solitude gehört zu den schönsten musikalischen Epilogen der Filmgeschichte. So melancholisch wie fallendes Laub. WOLFGANG SANDNER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Robert Altmans Hommage an seine Jazzstadt: "Kansas City" im Kino
Bennie Moten stammte aus Kansas City und spielte Ragtime. Seine Band betonte die erste und dritte Zählzeit in einem aufrechten Viervierteltakt. Europäische Marschkameraden hätten zur Not mithalten können. Im Jahr 1930 kam Hot Lips Page in die Stadt des amerikanischen Mittelwestens. Zu seinem Ensemble gehörte ein Pianist, der den Taktschwerpunkt lässig auf zwei und vier legte. Er hieß Bill Basie. Später nannte man ihn anerkennend Count.
Moten war ein kerzengerader Musiker und ein krummer Geschäftsmann. Er kannte Tom Pendergast, den politischen Oberboß und Mafia-Günstling der Region. Page und Moten trafen ein Abkommen. Der eine lieferte Musik, der andere Jobs. Und wenn es den Geschäftsmann Moten in den Fingern juckte, dann stieg er mit seinen Musikern bei Page ein. Was dabei herauskam, wurde Jazzgeschichte.
Das Hexengebräu mit der Betonung auf eins und drei durch ein paar Musiker sowie auf zwei und vier vom Rest der Band erhielt den Namen Swing. Jo Jones, der Schlagzeuger der Ära, erinnert sich: "Es war nicht so, daß sie den Rhythmus unterbrachen, um den Beat zu akzentuieren, es war eher so, als ob ein Ball auf- und niedersprang. Als diese beiden Rhythmen sich trafen, entstand ein gleichmäßig dahinfließender Strom - eins, zwei, drei, vier."
Im Jahr 1933 arbeitete Glendora Majors als Kindermädchen im Haus des Versicherungsagenten Altman in Kansas City. Das Radio war ihre Leidenschaft. Eines trägen Nachmittags nahm Glendora Robert, den achtjährigen Sohn des Hauses, an der Hand, ging zum Rundfunkgerät und sagte: "Hör dir das an, das ist Solitude von Duke Ellington. Es gibt nichts Besseres auf der Welt. Setz dich hin und hör zu." Robert Altman jr. hörte zu und speicherte.
Dämmerung. Die Wolken hängen tief. Dumpfes Grollen eines nahenden Gewitters. Ein Auto biegt in den Vorort ein und hält vor einer Villa. Hitchcock hätte die Szene in Schwarzweiß gedreht. Eine Frau steigt aus dem Wagen, zieht sich die Nylons zurecht. Ihr staksiger Gang auf hohen Hacken nährt den dumpfen Verdacht: Das ist nicht ihr gewöhnliches Outfit.
Im Haus hält sie der drogensüchtigen Lady eine Pistole vor die Nase und faselt etwas von einem Johnny, den sie wiederhaben möchte. Wer der Kerl ist, wüßten auch die Kinogänger gerne. Sie müssen etwa auf den siebenundzwanzigsten Schnitt warten, bis ihnen Johnny über den Weg läuft. Sein weißes Gesicht hat er mit Schuhcreme beschmiert, nicht, weil er in einer Minstrelshow die exzentrische Musik der Schwarzen vorführen möchte. Johnny stiehlt konkreter; das Dollarbündel eines schwarzen Spielers etwa, der in die Stadt kam, um im Hey-Hey-Club zu zocken und seine Verluste im Blues der Hausband zu ertränken.
Wahltag im "Paris of the Plains", dieser zentralen amerikanischen Oase, die von Prohibition, Börsenkrach und großer Depression so seltsam unberührt scheint. Der Politiker Henry Stilton ist auf dem Weg nach Washington, um sich Anweisungen von Roosevelt zu holen. Inzwischen werden in seiner Heimatstadt die Trunkenbolde eingesammelt und zu den Wahllokalen gekarrt, wo man ihnen im wahrsten Sinne des Wortes einbleut, Demokraten zu wählen. Wer ausschert, riskiert ein blutige Nase.
Die hat sich Johnny schon geholt. Sein Raubzug wurde aufgedeckt. Nun sitzt er im Hinterzimmer des Hey-Hey-Clubs und wird verhört von einem Mann, den sie - nomen est omen - Seldom Seen nennen. Seldom Seen könnte Bennie Moten sein, der um den Ruf seines illegalen Spielsalons besorgt ist. Wenn Weiße, als Schwarze verkleidet, nicht mehr Weiße, sondern schon Schwarze bestehlen, dann steht es schlecht um die amerikanische Gesellschaft. "Law and order" muß wiederhergestellt werden, und Johnny hat ganz schlechte Karten.
Sein Gesicht ist traurig wie das Stück, das im Saloon zu hören ist: Solitude. Alle haben sie diese Ballade gespielt, die sich in so wundervoller Weise über einem Septimakkord auf As nach Des-Dur schleicht. Joshua Redman trägt den Hut von Lester Young, aber seine Saxophon-Phrasen, mit denen er die Szene in Robert Altmans Film "Kansas City" illustriert, stammen eher von seinem Vater Dewey Redman; irgendwo zwischen Bebop und Free Jazz.
In Kansas City, der Relaisstation zwischen Ost- und Westküste, gab es eine musikalische Spezialität: Cutting Contest,die Schlacht der Giganten, die sich mit Soli überboten. Acht Takte Lester, acht Takte Coleman - immer virtuoser, immer rabiater, bis das Stück in einer Orgie von Riffs endete. Robert Altman ist berühmt geworden mit seiner Schnittechnik, seinem nichtlinearen Erzählen und seinem Puzzle aus Rückblenden. "Kansas City", die Hommage an seine Vaterstadt, hat Inhalt und Form nun glanzvoll zur Deckung gebracht.
In Milos Formans "Ragtime" ist die synkopierte Musik der Jahrhundertwende das Parfum spécial der Handlung, in Altmans "Kansas City" wird der Swing der dreißiger Jahre, nicht nur der real erklingende, zur Essenz des ganzen Films. Ob der unnachahmliche Harry Belafonte als schwarze Eminenz des Redlight Districts Seldom Seen durch sein Etablissement schlurft, zynische Witze erzählt oder Geld zählt, ob Jennifer Jason Leigh als Johnnys Freundin mit der Pistole herumfuchtelt oder Miranda Richardson als Politikergattin immer leicht zu schweben scheint: es ist der Rhythmus des Jazz, der die Aktionen bestimmt. Jedes Fragment des krausen Plots um Entführung und Mord, Spielleidenschaft und amerikanischen Alltag wirkt wie ein Chorus, den ein schreibwütiger Jack Kerouac in seine klapprige Schreibmaschine getippt hat. Es gibt kein szenisches Happy-End in diesem romantisierenden und eher surrealen Film. Aber das Duett der beiden Bassisten Ron Carter und Christian McBride über Solitude gehört zu den schönsten musikalischen Epilogen der Filmgeschichte. So melancholisch wie fallendes Laub. WOLFGANG SANDNER
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