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Bildformat: 1.66:1 Sprache / Tonformat: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0/5.1)) Ländercode: 2 Extras:Kinotrailer; Produktionsnotizen
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Trailer von anderen Filmen - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit Soundeffekten - Produktionsnotizen - Hintergrundinformationen

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Produktbeschreibung
Bildformat: 1.66:1 Sprache / Tonformat: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0/5.1)) Ländercode: 2 Extras:Kinotrailer; Produktionsnotizen

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.10.2002

Arbeit ist Luxus
Die Werkuntätigen: "Auszeit" und "The Navigators" im Kino

In Yorkshire ist ein Zug entgleist, in Südostfrankreich kommt ein Mann vom Weg ab - zwei Formen der Unterbrechung und zwei Strategien des Kinos, mit dem Verschwinden der Arbeit zurechtzukommen. Der Film "The Navigators" von Ken Loach spricht in der Mehrzahl der Mitglieder einer Arbeiterklasse, die bei der Liberalisierung des britischen Eisenbahnsystems zerschlagen wurde. "Auszeit" ("L'emploi du temps") von Laurent Cantet spricht in der Einzahl des Angestellten, dem sein Erwerbsleben abhanden kommt. Gemeinsam ist allen Beteiligten, daß sie improvisieren müssen, um nicht auch noch im Privatleben zu scheitern.

Vincent (Aurélien Recoing) ist Vermögensberater. Er schlägt Strategien vor, das Geld seiner Kunden zu vermehren. Mit dem Auto fährt er von einem Klienten zum nächsten, zwischendurch telefoniert er von einem Parkplatz aus mit seiner Frau. Als der Film beginnt, ist es mit der Arbeit schon vorbei. Aber Vincent fährt weiter, und er ruft daheim an, als wäre nichts geschehen. Die Tage verbringt er in den Lobbies von Vertreterhotels oder in der Natur. Der Familie erzählt er von einer neuen Arbeit bei der Uno in Genf. Dabei ist er schon längst auf dem Weg in die Schattenwirtschaft.

Die Eisenbahner in Yorkshire warten jeden Tag darauf, daß ihr Telefon läutet. Sie haben ihre Arbeit bei einer Instandhaltungsgruppe für das Schienennetz aufgegeben, weil eine Zeitarbeitsfirma bessere Stundenlöhne zahlt, allerdings nur für die Stunden, die auch gearbeitet werden. Auf den Gleisen treffen sie nun morgens die Kollegen, die nicht gekündigt haben, und streiten über die Sicherheitsbestimmungen: Zeit ist Geld. Wer Warnschilder aufstellt, verlegt weniger Schwellen.

Für Ken Loach sind die Werktätigen, auch wenn sie nur daheim herumwerkeln, immer noch die wichtigste Reservearmee des Kinos. Er filmt die Männer gern bei Versammlungen, wenn sie Witze reißen, während über sie verfügt wird. Sie sind ein wenig unbeholfen, treffen dumme Entscheidungen und fallen den Ehefrauen auf die Nerven - für ihre Vitalität und ihren Eigensinn aber liebt der Regisseur sie mit einer sentimentalen Innigkeit, die seine Filme manchmal beinahe wie daily soaps aussehen läßt.

Laurent Cantet hingegen erforscht das mittlere Management und sieht dabei zu, wie die Lebensreserven der Angestellten schwinden. Ihre Stellung raubt ihnen die Energie, sie werden langsam undeutlich. In seinem ersten Film "Ressources humaines" kam ein junger Mann als Praktikant der Personalberatung in die Firma zurück, in der sein Vater arbeitet. Indem der Sohn sich am Ende auf die Seite der Streikenden schlägt, trifft er eine Entscheidung gegen den eigenen Stand. Er enttäuscht damit aber auch die Aufstiegshoffnungen, die sein Vater auf ihn gerichtet hatte. In "L'emploi du temps" sieht Vincent seinem Sohn beim Judo zu und erkennt sich selbst als Garanten eines bürgerlichen Alltags, dessen Verlust ihm buchstäblich unvorstellbar wird. Also verwendet er alle seine Gedanken auf ein System, seine Fiktion von einer verantwortlichen Position in Genf aufrechtzuerhalten. Dazu braucht er Geld. Als der zwielichtige Geschäftsmann Jean-Michel (Serge Livrozet) an ihn herantritt, wird Vincent zum Komplizen im Handel mit gefälschten Markenartikeln. Viel wichtiger aber ist, daß Jean-Michel ihn unter seine Fittiche nimmt. Er deckt ihn, sogar bei einem Abendessen mit Vincents Frau Muriel (Karin Viard), das Laurent Cantet zur Szene der Entscheidung werden läßt. Das Gebäude der Unwahrheiten bricht zusammen, als es perfekt wird.

"The Navigators" und "L'emploi du temps" vertreten jeweils äußerst unterschiedliche Auffassungen von Gesellschaft. Ken Loach hält an einem traditionellen linken Optimismus fest, dessen Kehrseite das Mißtrauen gegen jene Institutionen ist, die den Arbeitern ihre Chancen beschneiden. Cantet hingegen sieht durchaus den Wohlstand, den die Mittelklasse in Mitteleuropa inzwischen erworben hat. Er diagnostiziert aber, ähnlich wie der Soziologe Richard Sennett, einen Verlust an individueller Geschichte. Vincent erfindet sich auch deswegen neu, weil er eigentlich Arbeit finden könnte, allerdings in dem Metier, aus dem er sich wegphantasiert bis nach Afrika.

Die Begegnung mit Jean-Michel wird zu einem Abenteuer und "Auszeit" zu einem Freiheitsexperiment, von dem Cantet allerdings nur die Basis zeigt, die finanziellen Schachzüge von Vincent. Der Überbau, die Träume und Ängste, bleiben hinter dem leeren Spiel von Aurélien Recoing verborgen. "L'emploi du temps" ist deswegen ein bedeutender Film, weil er von jener Arbeit berichtet, die der Produktion des Subjekts selbst dient. Damit ist Laurent Cantet wesentlich radikaler als Ken Loach, der die komischen Aspekte der Verteilungskämpfe betont, aber an einem Menschenbild festhält, dem schon die Fundamente wegbrechen.

BERT REBHANDL

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