Nach vier Jahren im Koma erwacht eine Blondine im Krankenhaus. Das Letzte, woran sie sich erinnern kann, ist ihre eigene Hochzeit. Am Tag, der der schönste in ihrem Leben werden sollte, jagt ihr ihr ehemaliger Liebhaber und Auftraggeber Bill eine Kugel in den Kopf. Besessen von Rachegelüsten beginnt die Braut einen blutigen Vergeltungszug über zwei Kontinente, um ihre Todesliste, an deren Ende Bill höchstpersönlich steht, abzuarbeiten.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit Soundeffekten - Making of Kill Bill - Volume 2 - Auftritt der Band CHINGON bei der Premiere von Kill Bill Volume 2 - Zusätzliche Szene: Damoe'Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2003Die blutige Geschichte von Q und U
Wo war Quentin Tarantino die letzten sechs Jahre? Und warum kommt er uns jetzt mit "Kill Bill"? / Von Peter Körte
Quentin Tarantino ist heiser. So heiser, daß ihm immer wieder die Stimme versagt oder kiekst wie im Stimmbruch. "Ich habe die letzten zwei Wochen nur geredet", krächzt er zur Begrüßung. Es gibt ja auch viele Fragen: Wo war der Mann, der 1994 mit "Pulp Fiction" zum Popstar wurde, was hat er seit 1997, seit seinem letzten Film "Jackie Brown" gemacht? War der Comeback-Druck so groß, daß er jetzt gleich mit zwei Filmen ins Kino drängt? Hat er eines der großen Samuraischwerter aus dem Film genommen und "Kill Bill" zweigeteilt, in 100 Minuten "Volume 1" und 100 Minuten "Volume 2", der im Februar ins Kino kommt?
Untätig war der Vierzigjährige mit dem vorspringenden Kinn und dem zurückweichenden Haaransatz nicht. Tarantino hat 1997 vor einem Restaurant in Los Angeles einen Produzenten verhauen und sich von den New Yorker Theaterkritikern in der Luft zerreißen lassen, als er 1998 in dem Stück "Wait Until Dark" auf einer Broadway-Bühne stand und gar keine gute Figur machte. Die Beziehung zu Mira Sorvino ist in die Brüche gegangen, er hat angeblich viel Marihuana geraucht, er hat sich ein Apartment in New York gekauft und dort auch einen koreanischen Restaurantbesitzer bei der Eröffnung einer Filiale finanziell unterstützt.
In Austin, Texas, hat er sich eine Weile herumgetrieben, mit Regisseurskollegen wie Robert Rodriguez und Richard Linklater, er hat dabei jede Menge Filme geguckt und Filme gezeigt, und er hat Freunde, die gegenüber "Vanity Fair" behaupteten, er habe sich vor allem darum gedrückt, ein neues Projekt anzufangen. "Freunde, die anonym bleiben", sagt er verächtlich zwischen zwei Schlucken Tee mit Zitrone, "sind ein Widerspruch in sich. Um es ein für allemal klarzustellen: Ich hatte keinen Schreibblock. Ich habe sechs Jahre lang geschrieben, mein Problem war nur, daß ich die Sachen nicht zu Ende bringen konnte. Jetzt habe ich wieder so viel Stoff wie zu der Zeit, als ich anfing, Filme zu machen. Mit ,Kill Bill' bin ich zurück im Geschäft."
Die Geschichte von "Kill Bill" beginnt an einem Abend im Jahr 2000, an dem Tarantino Uma Thurman traf und ihr zum Geburtstag ein Drehbuch versprach, dessen Grundidee bis in die gemeinsame Zeit von "Pulp Fiction" zurückging. Den Geburtstag hat er um mehr als ein Jahr verpaßt, und den Drehbeginn hat er verschoben, weil Uma Thurman, die Tarantino gerne als "meine Marlene Dietrich" bezeichnet, schwanger wurde. Dann hat er in Peking, Tokio, Mexiko und Texas 55 Millionen Dollar ausgegeben und fünf Monate länger gedreht als geplant. Sein Produzent Harvey Weinstein, dessen Firma Miramax mit "Pulp Fiction" groß wurde, hat wider seine Gewohnheit Engelsgeduld bewiesen. "Harvey mit den Scherenhänden", der mit Martin Scorsese noch erbitterte Kämpfe um "Gangs of New York" führte, war vom Resultat so begeistert, daß er selbst die Zweiteilung des Films vorschlug.
Auch Quentin Tarantino ist zufrieden, wie er da in seiner Berliner Hotelsuite sitzt. Er trägt ein verwaschenes blaues T-Shirt mit dem Aufdruck eines Doughnut-Herstellers, dazu Smokinghosen, schwarze Turnschuhe und eine leichte Lederjacke, die zum Glück nicht zu den Merchandising-Artikeln des Films gehört. Der Schriftzug "Kill Bill" ist auf die Brust gestickt, auf dem Rücken finden sich blutrote Ornamente. Der "God among Directors", wie eine Website ihn genannt hat, ist freundlich und temperamentvoll. Er rudert mit den Armen, wenn die Stimme wieder nicht will und er demonstrieren möchte, wie kompliziert es war, die Kampfszenen in "Kill Bill" zu choreographieren. Und es waren nicht gerade wenige Szenen.
"Eine Schlachtplatte" sei der Film, sagte ein Kollege nach der Vorführung; "wahrscheinlich der gewalttätigste Film, den je ein amerikanisches Studio produziert hat", schrieb das Magazin "Village Voice". Das ist alles wahr und doch nur die halbe Wahrheit. "Kill Bill" ist eine Hommage auf mehr Filme, als die meisten Filmkritiker am Ende ihres Lebens gesehen haben werden. Er funktioniert wie ein Kompressor oder, so sagt Tarantino, "wie eine Entenpresse". Das ist ein Küchengerät, das heute meist als Dekor in französischen Luxusrestaurants steht, mit dem man die Knochen zerquetscht, um mit dem Mark und dem Saft den Geschmack des Gerichts anzureichern - "nur daß ich in meine Entenpresse Kung-Fu-Filme, japanische Gangsterfilme, billige italienische Thriller, Spaghettiwestern und auch noch ein paar Monsterfilme hineintue". Selbst die deutschen Edgar-Wallace-Filme passen offenbar noch hinein, so enthusiastisch jedenfalls rief Tarantino bei der Berliner Premiere den Namen des Regisseurs Alfred Vohrer ins Publikum.
Der Plot von "Kill Bill" verhält sich umgekehrt proportional zur Vielfalt der Zutaten: "Die Braut" (Uma Thurman) bekommt am Hochzeitstag von Bill (David Carradine) eine Kugel in den Kopf, die Hochzeitsgesellschaft wird niedergemäht. Nach fast fünf Jahren erwacht sie aus dem Koma und hat nur eine Mission: Rache an Bill und ihren vier ehemaligen Killer-Kollegen vom "Deadly Vipers Assassination Squad", was das hübsche Akronym "Divas" ergibt. Daß "die Braut" Beatrix heißt, verbirgt der Film durch ein kleines "Beep" auf der Tonspur, als sie die erste Ex-Kollegin heimsucht, wobei es sich genaugenommen um das zweite Opfer handelt - ein kleiner Sprung auf der Zeitachse, wie man ihn aus "Pulp Fiction" kennt.
Uma Thurman, die gegenüber "Time Magazine" erklärte, eigentlich müsse der Film "Kill Uma" heißen nach all dem, was sie während der Dreharbeiten durchgemacht habe, spielt diesen Racheengel nicht nur mit enormer physischer Wucht, sondern auch mit einem unfaßbaren Charme - unfaßbar, weil ihr Weg eine einzige Blutspur ist. Gliedmaßen werden abgeschlagen, Kunstblutfontänen schießen aus dem einen oder anderen Torso, Blut und Ideen sprühen gleichermaßen. Natürlich ist "Kill Bill" gewalttätig, und manchmal möchte man sich sogar die Ohren zuhalten, weil das Geräusch, das beim Eindringen von Metall in menschliches Fleisch entsteht, nicht gerade angenehm ist. Doch wie immer bei Tarantino hat die Gewalt einen spielerischen, ästhetischen Effekt, der das Geschehen in den Konjunktiv befördert. "Es gibt keinen Moment", sagt er, "in dem man sich nicht bewußt ist, daß man einen Film sieht."
"Kill Bill" wechselt zwischen körnigem Schwarzweiß und Farbe, wird zum Anime, zum japanischen Zeichentrickfilm, der von der blutigen Jugend der Killer-Kollegin O-Ren Ishii (Lucy Liu) erzählt, und perforiert so jeden Anschein eines realistischen Erzählflusses. Die Welt von "Kill Bill" ist eine künstliche Hyperwelt, ein virtueller Raum, der seine höchste Verdichtung im "House of Blue Leaves" erreicht, wo zum Showdown die "88 crazy Yakuzas" über Uma Thurman herfallen. Sie kämpft sich den Weg zu O-Ren Ishii frei. Dann öffnet sie eine jener typisch japanischen Schiebetüren, und auf einmal fällt der Blick in einen schneebedeckten japanischen Garten, der so albtraumhaft schön ist, weil das Weiß das Blut, das fließen wird, anzuziehen scheint.
Zugleich jedoch besteht Tarantino auf der Realität dessen, was vor der Kamera geschieht, wenn er auf den "ganzen Computer-Bullshit" schimpft: "Ich sehe dauernd Szenen, die im Computer gemacht werden und die man früher wirklich gedreht hat. Ich habe in den letzten Jahren auch jede Menge Schlachtszenen gesehen, in ,Star Wars', ,Herr der Ringe' oder ,Matrix Reloaded'. Sie kamen mir alle überraschend blutleer vor. Man hat das ganze Gemetzel, aber es ist ein Gemetzel für Jugendliche in Begleitung von Erziehungsberechtigten. Als ginge es um nichts! Ich glaube, daß selbst das prüdeste Publikum sieht, daß es bei mir um etwas geht, so verrückt es auch sein mag."
Dem latenten Widerspruch, der darin liegt, begegnet er mit seiner kleinen Privatkosmologie. "Kill Bill", erläutert Tarantino, spiele im "Movie-Movie-Universum", in dem allein die Gesetze des Kinos gelten. In friedlicher Koexistenz dazu stehe das sogenannte "Quentin-Universum", in dem die Realität und die Konventionen des Kinos kollidieren wie in "Reservoir Dogs" und "Pulp Fiction". Die einzige Verbindung zwischen den beiden Universen bestehe darin, daß die Bewohner aus dem "Quentin-Universum", wenn sie ins Kino gehen, sich einen Film aus dem "Movie-Movie-Universum" anschauen würden.
Fortsetzung auf Seite 33.
Und weil das so ist, versteht Tarantino auch nicht, daß man ihm vorwirft, sein Markenzeichen, den Stakkato-Dialog, in einem reinen Action-Film wie "Kill Bill" vernachlässigt zu haben. In "Volume 2", verspricht er, werde es wieder mehr Dialog geben; man werde auch erfahren, wer Bill sei und warum er die Braut ins Jenseits befördern wollte.
Der Mann, der Mitte der neunziger Jahre so etwas wie den Hypertext ins Kino brachte, der die Popkultur zum Gegenstand machte, dieser Quentin Tarantino ist noch immer ein ungeheuer virtuoser Regisseur. Er weiß, wo die Kamera stehen muß, er hat ein fabelhaftes Gespür für Räume und Effekte, und oft hat er auch mehr Ideen, als in eine Szene passen. Doch was andere nie zustande brächten, das kommt einem bei Quentin Tarantino zu wenig vor. Er zeigt, was er kann, und kann einem doch nicht zeigen, worum es eigentlich geht. Die intensivste emotionale Beziehung des Films, schrieb die "New York Times", sei die zwischen Q(uentin) und U(ma). Das liegt nicht nur an der Zweiteilung: "Kill Bill 1" funktioniert als solider Dreiakter mit spektakulärem Finale und Cliffhanger, da ja noch die Ex-Kollegen Michael Madsen, Darryl Hannah und David Carradine auf der Abschußliste stehen. Es liegt wohl eher daran, daß Tarantinos Kosmos ein riesiges Spiegelkabinett ist, wo einem aus jedem Spiegel doch immer nur ein Film anschaut.
Vielleicht ist diese gefräßige Liebe zum Kino ein selbstzerstörerischer amour fou, und vielleicht ist das die einzige Art und Weise, auf die Tarantino Filme machen will. Und womöglich ist deshalb die ganze Erwartungshaltung falsch, die von Tarantino den großen, den definitiven amerikanischen Film sehen will, wohingegen er der Fan bleiben möchte, der die Filme selbst dreht, die er gerne sehen möchte: "Es ist einfach das, was ich tue, worin ich lebe, was ich zu bieten habe." Und dann, beim Verlassen der Hotelsuite, dreht Quentin Tarantino sich auf einmal um, grinst und sagt: "Wenn Sie alle meine Filme gesehen und darüber geschrieben haben, dann sagen Sie mir doch mal, wo ich mit ,Kill Bill' angekommen bin." Gute Frage - und nur ein ziemlich kurzer Weg zur Tür. "Ich glaube, Sie sind einen Schritt über ,Pulp Fiction' hinaus und einen hinter ,Jackie Brown' zurückgegangen. Keine Ahnung, wohin dieser Weg führt."
"Kill Bill Volume 1" kommt am Donnerstag ins Kino. "Volume 2" folgt voraussichtlich im Februar 2004.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wo war Quentin Tarantino die letzten sechs Jahre? Und warum kommt er uns jetzt mit "Kill Bill"? / Von Peter Körte
Quentin Tarantino ist heiser. So heiser, daß ihm immer wieder die Stimme versagt oder kiekst wie im Stimmbruch. "Ich habe die letzten zwei Wochen nur geredet", krächzt er zur Begrüßung. Es gibt ja auch viele Fragen: Wo war der Mann, der 1994 mit "Pulp Fiction" zum Popstar wurde, was hat er seit 1997, seit seinem letzten Film "Jackie Brown" gemacht? War der Comeback-Druck so groß, daß er jetzt gleich mit zwei Filmen ins Kino drängt? Hat er eines der großen Samuraischwerter aus dem Film genommen und "Kill Bill" zweigeteilt, in 100 Minuten "Volume 1" und 100 Minuten "Volume 2", der im Februar ins Kino kommt?
Untätig war der Vierzigjährige mit dem vorspringenden Kinn und dem zurückweichenden Haaransatz nicht. Tarantino hat 1997 vor einem Restaurant in Los Angeles einen Produzenten verhauen und sich von den New Yorker Theaterkritikern in der Luft zerreißen lassen, als er 1998 in dem Stück "Wait Until Dark" auf einer Broadway-Bühne stand und gar keine gute Figur machte. Die Beziehung zu Mira Sorvino ist in die Brüche gegangen, er hat angeblich viel Marihuana geraucht, er hat sich ein Apartment in New York gekauft und dort auch einen koreanischen Restaurantbesitzer bei der Eröffnung einer Filiale finanziell unterstützt.
In Austin, Texas, hat er sich eine Weile herumgetrieben, mit Regisseurskollegen wie Robert Rodriguez und Richard Linklater, er hat dabei jede Menge Filme geguckt und Filme gezeigt, und er hat Freunde, die gegenüber "Vanity Fair" behaupteten, er habe sich vor allem darum gedrückt, ein neues Projekt anzufangen. "Freunde, die anonym bleiben", sagt er verächtlich zwischen zwei Schlucken Tee mit Zitrone, "sind ein Widerspruch in sich. Um es ein für allemal klarzustellen: Ich hatte keinen Schreibblock. Ich habe sechs Jahre lang geschrieben, mein Problem war nur, daß ich die Sachen nicht zu Ende bringen konnte. Jetzt habe ich wieder so viel Stoff wie zu der Zeit, als ich anfing, Filme zu machen. Mit ,Kill Bill' bin ich zurück im Geschäft."
Die Geschichte von "Kill Bill" beginnt an einem Abend im Jahr 2000, an dem Tarantino Uma Thurman traf und ihr zum Geburtstag ein Drehbuch versprach, dessen Grundidee bis in die gemeinsame Zeit von "Pulp Fiction" zurückging. Den Geburtstag hat er um mehr als ein Jahr verpaßt, und den Drehbeginn hat er verschoben, weil Uma Thurman, die Tarantino gerne als "meine Marlene Dietrich" bezeichnet, schwanger wurde. Dann hat er in Peking, Tokio, Mexiko und Texas 55 Millionen Dollar ausgegeben und fünf Monate länger gedreht als geplant. Sein Produzent Harvey Weinstein, dessen Firma Miramax mit "Pulp Fiction" groß wurde, hat wider seine Gewohnheit Engelsgeduld bewiesen. "Harvey mit den Scherenhänden", der mit Martin Scorsese noch erbitterte Kämpfe um "Gangs of New York" führte, war vom Resultat so begeistert, daß er selbst die Zweiteilung des Films vorschlug.
Auch Quentin Tarantino ist zufrieden, wie er da in seiner Berliner Hotelsuite sitzt. Er trägt ein verwaschenes blaues T-Shirt mit dem Aufdruck eines Doughnut-Herstellers, dazu Smokinghosen, schwarze Turnschuhe und eine leichte Lederjacke, die zum Glück nicht zu den Merchandising-Artikeln des Films gehört. Der Schriftzug "Kill Bill" ist auf die Brust gestickt, auf dem Rücken finden sich blutrote Ornamente. Der "God among Directors", wie eine Website ihn genannt hat, ist freundlich und temperamentvoll. Er rudert mit den Armen, wenn die Stimme wieder nicht will und er demonstrieren möchte, wie kompliziert es war, die Kampfszenen in "Kill Bill" zu choreographieren. Und es waren nicht gerade wenige Szenen.
"Eine Schlachtplatte" sei der Film, sagte ein Kollege nach der Vorführung; "wahrscheinlich der gewalttätigste Film, den je ein amerikanisches Studio produziert hat", schrieb das Magazin "Village Voice". Das ist alles wahr und doch nur die halbe Wahrheit. "Kill Bill" ist eine Hommage auf mehr Filme, als die meisten Filmkritiker am Ende ihres Lebens gesehen haben werden. Er funktioniert wie ein Kompressor oder, so sagt Tarantino, "wie eine Entenpresse". Das ist ein Küchengerät, das heute meist als Dekor in französischen Luxusrestaurants steht, mit dem man die Knochen zerquetscht, um mit dem Mark und dem Saft den Geschmack des Gerichts anzureichern - "nur daß ich in meine Entenpresse Kung-Fu-Filme, japanische Gangsterfilme, billige italienische Thriller, Spaghettiwestern und auch noch ein paar Monsterfilme hineintue". Selbst die deutschen Edgar-Wallace-Filme passen offenbar noch hinein, so enthusiastisch jedenfalls rief Tarantino bei der Berliner Premiere den Namen des Regisseurs Alfred Vohrer ins Publikum.
Der Plot von "Kill Bill" verhält sich umgekehrt proportional zur Vielfalt der Zutaten: "Die Braut" (Uma Thurman) bekommt am Hochzeitstag von Bill (David Carradine) eine Kugel in den Kopf, die Hochzeitsgesellschaft wird niedergemäht. Nach fast fünf Jahren erwacht sie aus dem Koma und hat nur eine Mission: Rache an Bill und ihren vier ehemaligen Killer-Kollegen vom "Deadly Vipers Assassination Squad", was das hübsche Akronym "Divas" ergibt. Daß "die Braut" Beatrix heißt, verbirgt der Film durch ein kleines "Beep" auf der Tonspur, als sie die erste Ex-Kollegin heimsucht, wobei es sich genaugenommen um das zweite Opfer handelt - ein kleiner Sprung auf der Zeitachse, wie man ihn aus "Pulp Fiction" kennt.
Uma Thurman, die gegenüber "Time Magazine" erklärte, eigentlich müsse der Film "Kill Uma" heißen nach all dem, was sie während der Dreharbeiten durchgemacht habe, spielt diesen Racheengel nicht nur mit enormer physischer Wucht, sondern auch mit einem unfaßbaren Charme - unfaßbar, weil ihr Weg eine einzige Blutspur ist. Gliedmaßen werden abgeschlagen, Kunstblutfontänen schießen aus dem einen oder anderen Torso, Blut und Ideen sprühen gleichermaßen. Natürlich ist "Kill Bill" gewalttätig, und manchmal möchte man sich sogar die Ohren zuhalten, weil das Geräusch, das beim Eindringen von Metall in menschliches Fleisch entsteht, nicht gerade angenehm ist. Doch wie immer bei Tarantino hat die Gewalt einen spielerischen, ästhetischen Effekt, der das Geschehen in den Konjunktiv befördert. "Es gibt keinen Moment", sagt er, "in dem man sich nicht bewußt ist, daß man einen Film sieht."
"Kill Bill" wechselt zwischen körnigem Schwarzweiß und Farbe, wird zum Anime, zum japanischen Zeichentrickfilm, der von der blutigen Jugend der Killer-Kollegin O-Ren Ishii (Lucy Liu) erzählt, und perforiert so jeden Anschein eines realistischen Erzählflusses. Die Welt von "Kill Bill" ist eine künstliche Hyperwelt, ein virtueller Raum, der seine höchste Verdichtung im "House of Blue Leaves" erreicht, wo zum Showdown die "88 crazy Yakuzas" über Uma Thurman herfallen. Sie kämpft sich den Weg zu O-Ren Ishii frei. Dann öffnet sie eine jener typisch japanischen Schiebetüren, und auf einmal fällt der Blick in einen schneebedeckten japanischen Garten, der so albtraumhaft schön ist, weil das Weiß das Blut, das fließen wird, anzuziehen scheint.
Zugleich jedoch besteht Tarantino auf der Realität dessen, was vor der Kamera geschieht, wenn er auf den "ganzen Computer-Bullshit" schimpft: "Ich sehe dauernd Szenen, die im Computer gemacht werden und die man früher wirklich gedreht hat. Ich habe in den letzten Jahren auch jede Menge Schlachtszenen gesehen, in ,Star Wars', ,Herr der Ringe' oder ,Matrix Reloaded'. Sie kamen mir alle überraschend blutleer vor. Man hat das ganze Gemetzel, aber es ist ein Gemetzel für Jugendliche in Begleitung von Erziehungsberechtigten. Als ginge es um nichts! Ich glaube, daß selbst das prüdeste Publikum sieht, daß es bei mir um etwas geht, so verrückt es auch sein mag."
Dem latenten Widerspruch, der darin liegt, begegnet er mit seiner kleinen Privatkosmologie. "Kill Bill", erläutert Tarantino, spiele im "Movie-Movie-Universum", in dem allein die Gesetze des Kinos gelten. In friedlicher Koexistenz dazu stehe das sogenannte "Quentin-Universum", in dem die Realität und die Konventionen des Kinos kollidieren wie in "Reservoir Dogs" und "Pulp Fiction". Die einzige Verbindung zwischen den beiden Universen bestehe darin, daß die Bewohner aus dem "Quentin-Universum", wenn sie ins Kino gehen, sich einen Film aus dem "Movie-Movie-Universum" anschauen würden.
Fortsetzung auf Seite 33.
Und weil das so ist, versteht Tarantino auch nicht, daß man ihm vorwirft, sein Markenzeichen, den Stakkato-Dialog, in einem reinen Action-Film wie "Kill Bill" vernachlässigt zu haben. In "Volume 2", verspricht er, werde es wieder mehr Dialog geben; man werde auch erfahren, wer Bill sei und warum er die Braut ins Jenseits befördern wollte.
Der Mann, der Mitte der neunziger Jahre so etwas wie den Hypertext ins Kino brachte, der die Popkultur zum Gegenstand machte, dieser Quentin Tarantino ist noch immer ein ungeheuer virtuoser Regisseur. Er weiß, wo die Kamera stehen muß, er hat ein fabelhaftes Gespür für Räume und Effekte, und oft hat er auch mehr Ideen, als in eine Szene passen. Doch was andere nie zustande brächten, das kommt einem bei Quentin Tarantino zu wenig vor. Er zeigt, was er kann, und kann einem doch nicht zeigen, worum es eigentlich geht. Die intensivste emotionale Beziehung des Films, schrieb die "New York Times", sei die zwischen Q(uentin) und U(ma). Das liegt nicht nur an der Zweiteilung: "Kill Bill 1" funktioniert als solider Dreiakter mit spektakulärem Finale und Cliffhanger, da ja noch die Ex-Kollegen Michael Madsen, Darryl Hannah und David Carradine auf der Abschußliste stehen. Es liegt wohl eher daran, daß Tarantinos Kosmos ein riesiges Spiegelkabinett ist, wo einem aus jedem Spiegel doch immer nur ein Film anschaut.
Vielleicht ist diese gefräßige Liebe zum Kino ein selbstzerstörerischer amour fou, und vielleicht ist das die einzige Art und Weise, auf die Tarantino Filme machen will. Und womöglich ist deshalb die ganze Erwartungshaltung falsch, die von Tarantino den großen, den definitiven amerikanischen Film sehen will, wohingegen er der Fan bleiben möchte, der die Filme selbst dreht, die er gerne sehen möchte: "Es ist einfach das, was ich tue, worin ich lebe, was ich zu bieten habe." Und dann, beim Verlassen der Hotelsuite, dreht Quentin Tarantino sich auf einmal um, grinst und sagt: "Wenn Sie alle meine Filme gesehen und darüber geschrieben haben, dann sagen Sie mir doch mal, wo ich mit ,Kill Bill' angekommen bin." Gute Frage - und nur ein ziemlich kurzer Weg zur Tür. "Ich glaube, Sie sind einen Schritt über ,Pulp Fiction' hinaus und einen hinter ,Jackie Brown' zurückgegangen. Keine Ahnung, wohin dieser Weg führt."
"Kill Bill Volume 1" kommt am Donnerstag ins Kino. "Volume 2" folgt voraussichtlich im Februar 2004.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main