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Moskau 1953 - im Arbeiterparadies der Stalinzeit darf es offiziell keine Verbrechen geben und doch: Millionen leben in Angst ... und der willkürliche Tod scheint nie weit weg zu sein. Als gefeierter Kriegsheld, der fest an die kommunistischen Ideale und die Zukunft seines Landes glaubt, konnte sich Geheimdienstoffizier Leo Demidow (Tom Hardy) eine Karriere aufbauen und seiner Familie einen bescheidenen Wohlstand sichern. Doch als die grausam zugerichtete Leiche des kleinen Sohnes eines Mitoffiziers aufgefunden wird und der offensichtliche Mord von Generalmajor Kuzmin (Vincent Cassel) zum…mehr

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Produktbeschreibung
Moskau 1953 - im Arbeiterparadies der Stalinzeit darf es offiziell keine Verbrechen geben und doch: Millionen leben in Angst ... und der willkürliche Tod scheint nie weit weg zu sein. Als gefeierter Kriegsheld, der fest an die kommunistischen Ideale und die Zukunft seines Landes glaubt, konnte sich Geheimdienstoffizier Leo Demidow (Tom Hardy) eine Karriere aufbauen und seiner Familie einen bescheidenen Wohlstand sichern. Doch als die grausam zugerichtete Leiche des kleinen Sohnes eines Mitoffiziers aufgefunden wird und der offensichtliche Mord von Generalmajor Kuzmin (Vincent Cassel) zum Unfall erklärt wird, gerät Leos ganze Welt ins Wanken. Als ein weiterer Mord an einem Kind geschieht und Leo gegen den Befehl seiner Vorgesetzten eigene Nachforschungen aufnimmt, sieht er sich schnell ins provinzielle Exil degradiert und schwebt plötzlich mit seiner Familie in tödlicher Gefahr... Der ihm einzig verbleibende rettende Ausweg ist die Mordserie gegen alle Widerstände der Behörden und trotz des widerstrebenden Misstrauens von Milizanführer Nesterow (Gary Oldman) möglichst schnell aufzudecken. Doch schon bald findet sich Leo unerwartet während der Jagd nach dem Killer auf einer Reise in seine eigene dunkle Vergangenheit: Während sich die Intrigen seines ehrgeizigen Rivalen Wassili (JOEL KINNAMAN) wie eine Schlinge immer enger um seinen Hals legen, droht ihn ausgerechnet die Suche nach der Wahrheit immer weiter von seiner Frau und einzigen Verbündeten Raisa (Noomi Rapace) zu entfremden. Wem kann Leo nun noch vertrauen?

Bonusmaterial

Featurette, Trailer, Wendecover
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.06.2015

Eine Frau, die niemals lacht
Fremd in Stalins Reich: Noomi Rapace in Daniel Espinosas Filmthriller "Kind 44"

Der russische Kulturminister hat den Schöpfern von "Kind 44" den Gefallen getan, ihr Werk zu verdammen. Der Film zeige die Russen als physische und moralische Untermenschen und die Sowjetunion als realsozialistisches Äquivalent des Reiches Mordor aus Tolkiens "Herr der Ringe", erklärte Wladimir Medinski nach der Vorpremiere von "Kind 44" in Moskau. Prompt zog der russische Verleih den Film zurück, die Verleiher in Weißrussland, der Ukraine, Kasach- und Kirgistan zogen nach, in Georgien wurde der Kinostart auf Oktober verschoben.

Ridley Scott, der "Kind 44" produziert, und der Schwede Daniel Espinosa, der ihn gedreht hat, können sich also zugute halten, dass sie ein paar schlafende Hunde geweckt haben. Dabei tut der Film zunächst alles, um niemanden aus seinem Kinoschlummer aufzuwecken. Die Geschichte beginnt im Jahr 1933 während der Hungerkatastrophe in der Ukraine, dem Holodomor, dem Millionen Menschen zum Opfer fielen; aber man sieht nur einen Jungen, der im Waisenhaus in sein Kissen weint, und dann einen anderen Jungen mit russischen Soldaten am Lagerfeuer im Wald. Dass die beiden Brüder sind, ist der Witz von Tom Rob Smiths Bestsellerroman, der mit der Wiederbegegnung der beiden endet. Bei Daniel Espinosa ahnt man nichts davon.

Dann durchquert der Film in kurzer Zeit verschiedene Kulissenwelten: den deutschen Reichstag, in dem die Rote Armee Hitlers letztes Aufgebot niederringt; ein Restaurant in Moskau, in dem zwei Männer mit Blicken um eine Frau kämpfen; einen Bauernhof, in dessen Umgebung ein angeblicher Volksfeind von Beamten des Staatssicherheitsdienstes zur Strecke gebracht wird; ein leeres Bahngleis in Moskau, an dem ein Mann mit einem Koffer einen Jungen anspricht. Es geht um Rivalität und Mordlust, um Sadismus und Liebesverrat in "Kind 44". Der Roman strickt alle diese Fäden zusammen. Im Film fallen sie auseinander.

Irgendwann, nachdem die Geschichte eine gewisse Strecke zurückgelegt hat, bemerkt man, dass das Gesicht Raisa Demidowas, der blonden Frau des Helden, der Schauspielerin Noomi Rapace gehört. Es ist der Augenblick, in dem sich die Leinwand zu beleben beginnt. Nicht weil Rapace sich in ihrer Rolle so sehr verausgabt, sondern weil sie sich darin so sehr zurückhält. Sie spielt eine Lehrerin, die zum antistalinistischen Untergrund gehört, aber nicht ganz. Und eine Ehefrau, die ihren Mann liebt; aber nur vorläufig. Als Leo, ihr Mann, als Ermittler auf sie angesetzt wird, eröffnet sie ihm, dass sie schwanger ist. Später erfährt man, dass sie gelogen hat, um ihre Haut zu retten. Wie ein Tier im Käfig wartet sie auf den Tag, an dem die Gittertür offensteht. Dann wird sie ihre Pranken zeigen.

Aber der Tag kommt nicht, er wird ewig aufgeschoben, und aus diesem Aufschub bezieht Rapaces Spiel eine irrwitzige Kraft. Tom Hardy, der Darsteller des Leo, macht alles mit seinen Muskeln und seiner Mimik; Noomi Rapace spricht nur mit ihren Augen. Sie ist die Frau, die niemals lacht, außer zur Tarnung. Aber sie hat jeden Raum, den sie betritt, mit Blicken durchmessen, ehe sich die Tür hinter ihr schließt. Die Verbannung in die Industriestadt Wualsk, wo sie Toiletten putzen muss, wird sie überleben, wie sie ihre Ehe überlebt hat: hinter den geschlossenen Vorhängen ihres Ichs. Dabei wirkt sie wie die einzige Lebendige unter lauter Masken, weil sie durchschaut hat, was alle anderen erst noch begreifen müssen: dass ihre Welt auf einer Lüge fußt.

Hätte der Film, zu dem Richard Price, der Autor der Serie "The Wire", das Drehbuch geschrieben hat, den Stoff des Romans radikal entkernt und sich auf den Überlebenskampf von Leo und Raisa konzentriert, wäre "Kind 44" ein tristes, aber starkes Stück Kostümkino geworden. Aber Scott und Espinosa wollten viel höher springen und sind deshalb flach gelandet. Dass die Sowjetunion von der Tschechei gedoubelt wird, ist nicht das Problem des Films. Sein Scheitern berührt eine Schwäche des Epischen im Kino insgesamt. Schon Ridley Scotts eigene Filme, siehe "Exodus", waren zuletzt eher Parodien epischer Formen, und Steven Spielberg hat das Genre mit "Lincoln" für sich verabschiedet. Bei dem Alleskönner Espinosa wirkt die Stalin-Ära jetzt wie ein Laienspiel des Vereins der Freunde von "Doktor Schiwago". Das hat nicht nur mit inszenatorischer Sorgfalt, sondern auch mit erzählerischer Geduld zu tun, einer Geduld, die derzeit weder das Publikum noch die Filmemacher aufbringen. Die Zukunft des Kino-Epos ist ungewiss. Sie liegt hinter dem Horizont der digitalen Zauberei.

ANDREAS KILB

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