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Als Hitler im Januar 1933 die Macht ergreift, lehnt sich der Jurist und Wirtschaftsexperte Arvid Harnack dagegen auf. Er sammelt Menschen um sich, die zwar unterschied lichen sozialen Schichten und Weltanschauungen angehören, aber durch ihren Willen geeint werden, die Nazis zu bekämpfen. Neben Harnack gehören Harro Schulze-Boysen, ein hoher Offizier im Luftfahrtministerium, der Dichter Adam Kuckhoff und der kommunistische Redakteur John Sieg zu der Gruppe. Sie leiten wichtige Informationen ins Ausland, drucken Flugblätter, suchen nach Verbündeten. 1941, nach dem Überfall auf die Sowjetunion,…mehr

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Produktbeschreibung
Als Hitler im Januar 1933 die Macht ergreift, lehnt sich der Jurist und Wirtschaftsexperte Arvid Harnack dagegen auf. Er sammelt Menschen um sich, die zwar unterschied lichen sozialen Schichten und Weltanschauungen angehören, aber durch ihren Willen geeint werden, die Nazis zu bekämpfen. Neben Harnack gehören Harro Schulze-Boysen, ein hoher Offizier im Luftfahrtministerium, der Dichter Adam Kuckhoff und der kommunistische Redakteur John Sieg zu der Gruppe. Sie leiten wichtige Informationen ins Ausland, drucken Flugblätter, suchen nach Verbündeten. 1941, nach dem Überfall auf die Sowjetunion, wird ihr Kampf noch intensiver und gefährlicher. Bald kommt ihnen die Gestapo auf die Spur...

Bonusmaterial

40-stg. Booklet von Ralf Schenk (DEFA-Stiftung) Deutsche Hörfilmfassung (Audiodeskription) Schuber Wendecover
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.08.2021

Der Mut und die Qualen

Ein Spionagenetzwerk gegen die Nazis und seine Nachbilder im Kalten Krieg: Der Film "Die Rote Kapelle" erzählt eine Geschichte des Widerstands.

Im Frühjahr 1972 lief im ARD-Abendprogramm die deutsch-französische Spionageserie "Die rote Kapelle". Die Inszenierung des Siebenteilers, zu dem allein der Westdeutsche Rundfunk als Hauptproduzent drei Millionen D-Mark beigesteuert hatte, besorgte der Regieveteran Franz Peter Wirth ("Operation Walküre"), die Hauptrolle spielte der aufstrebende Fernsehdarsteller Werner Kreindl. Die Handlung konzentrierte sich auf die Aktivitäten des sowjetischen Spions Leopold Trepper (Kreindl), der von Brüssel und Paris aus ab 1938 ein antinationalsozialistisches Agentennetz leitete, bevor er im November 1942 der deutschen Abwehr in die Hände fiel. Die Serie war, wie man seinerzeit sagte, ein Straßenfeger, sie erzielte Spitzenquoten und wurde nach Italien, Spanien und England weiterverkauft. Dann geriet sie in Vergessenheit.

Carl-Ludwig Rettingers Dokumentarfilm "Die Rote Kapelle" hat Franz Peter Wirths Regiearbeit von 1972 wieder ausgegraben. Sie dient als Anschauungsmaterial für die westliche Hälfte jenes Netzwerks, das bis heute unter dem Namen bekannt ist, den ihm der deutsche Geheimdienst gab, weil es für sich selbst nie eine eigene Bezeichnung fand. Die östliche Hälfte der "Roten Kapelle" saß in Berlin; sie bestand aus mehreren lose organisierten Freundeskreisen um die Ehepaare Harnack, Schulze-Boysen, Kuckhoff und Coppi, deren Mitglieder nach der Enttarnung der Brüsseler Agentengruppe und ihres Funkcodes im Herbst 1942 verhaftet und zum größten Teil hingerichtet wurden.

Auch für sie gibt es in Rettingers Dokumentation ein visuelles Zeugnis, das die historische Wirklichkeit durch Fiktion beglaubigen soll: den Spielfilm "KLK an PTX - Die Rote Kapelle", den Horst E. Brandt im Jahr 1970 als Serie in der DDR gedreht hatte. Brandts Film, mit sechs Millionen Mark (Ost) Produktionskosten ein Großprojekt, das mit epischen 178 Minuten Spieldauer in die Kinos kam, war ein Hauptstück sozialistischer Geschichtspolitik. Mit ihm wollte die Defa beweisen, dass der deutsche Widerstand vor dem 20. Juli vom untergetauchten kommunistischen Parteiapparat gesteuert worden war. Deshalb wurde die Rolle des "Rote Fahne"-Redakteurs John Sieg systematisch übertrieben und die der bürgerlichen Intellektuellen Harnack und Schulze-Boysen heruntergespielt. Der marxistische Lehrbuch-Jargon der Dialoge tat ein Übriges.

Der Verklärung des sowjetischen Einflusses in "KLK an PTX" entsprach in der westdeutschen Serie die Verharmlosung der Verbrechen von Gestapo und Abwehr. Die Gegenspieler Treppers wurden bei Wirth als patriotische Profis gezeichnet, nicht als Folterer und Mörder. Die Berliner Widerständler kamen nur als Amateure am Rande vor. Der Film von Rettinger kritisiert seine fiktiven Vorgänger deshalb fortlaufend durch eine Erzählerstimme, während er sie zugleich als Illustration benutzt. Um zu den geschichtspolitisch eingefärbten Bildern aus der Vergangenheit ein Gegengewicht zu schaffen, mischt er sie mit historischen Filmdokumenten, Interviews mit Nachkommen der Beteiligten und heutigen Aufnahmen der Schauplätze des Geschehens. Der Logik des filmischen Mediums entkommt er dennoch nicht. Ein Bild wird nur durch ein anderes Bild widerlegt, und solche Bilder fehlen bei Rettinger.

Den Luftwaffenoffizier Harro Schulze-Boysen beispielsweise verkörpert in der DDR-Verfilmung der junge Heinz Piontek, dessen antifaschistischer Schneid alle Einreden des Off-Kommentars beiseitefegt. Auch Kreindls Trepper wirkt durchweg suggestiver als der echte Agent auf den Fotos, die Rettinger zeigt. Dazu kommt, dass "Die Rote Kapelle" die Kluft zwischen der Dramaturgie ihrer Vorläufer und ihrer eigenen Narration nicht zu überbrücken vermag. Die Menschen, die bei Rettinger im Zentrum stehen, etwa der Berliner Funker Hans Coppi und der sowjetische Nachrichtenoffizier Anatoli Gurewitsch alias "Kent", sind bei Wirth und Brandt Nebenfiguren. Die Szenen, die ihr Handeln auf den Punkt brächten, kommen in den Spielfilmen nicht vor, sodass die Dokumentation immer wieder zu Verlegenheitslösungen greifen muss: Archivbilder, Interview-Clips, Erklärungen aus dem Off.

Für die Gelungenheit von Dokumentarfilmen gibt es kein klares Kriterium. Bei zeitgeschichtlichen Stoffen wie der "Roten Kapelle" könnte ein Prüfstein in der Frage bestehen, inwieweit ihre Darstellung die Spur des menschlichen Leidens bewahrt, die in den Geschichten steckt. Ein Beispielfall wäre hier das Schicksal der polnischen Agentin Zofia Poznanska, einer Freundin Treppers. Im Dezember 1941 in Brüssel verhaftet, beging sie neun Monate später im Gestapo-Gefängnis Saint-Gilles Selbstmord, ohne den Funkcode verraten zu haben. Rettingers Film lässt die israelische Autorin Yehudit Kafri von den Qualen berichten, die Poznanska erdulden musste, aber für den Mut und die Nervenstärke dieser Frau findet er keine visuelle Entsprechung. Seine Aufnahmen des Brüsseler Forts Breendonk, in dem Mitglieder der "Roten Kapelle" und andere Widerstandskämpfer wie Jean Améry interniert waren, wirken wie ein Ersatz für das Unsägliche, das er nicht zu fassen bekommt.

Nach 1945 wurden die Taten der "Roten Kapelle" im Osten verschwiegen und im Westen verzerrt. Trepper und Gurewitsch wanderten nach ihrer Rückkehr nach Moskau als Staatshäftlinge in die Lubjanka. Die Sowjetunion brauchte zwanzig Jahre, ehe sie die Widerstandsgruppen in Berlin und Brüssel offiziell anerkannte. In Westdeutschland setzte sich im Zeichen des Kalten Krieges das Geschichtsbild ehemaliger Mitglieder des Nazi-Machtapparats durch, in dem die Kreise um Harnack und Schulze-Boysen als Salonkommunisten und Handlanger Moskaus abgetan wurden.

Dies alles wäre ein Thema für einen weiteren Film, den Rettingers Dokumentation nur skizziert. In ihm müsste es darum gehen, wie die Erinnerung an die "Rote Kapelle" zum Spielball der Ideologien wurde - auch in den Filmen von Horst E. Brandt und Franz Peter Wirth. Bei Rettinger bekommt man immerhin eine Ahnung davon, unter wie viel Fiktion die Wahrheit damals begraben wurde. Leider bleibt es nur eine Ahnung. ANDREAS KILB

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