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Die Filme, die der kanadische Fotograf John Cook (1935-2001) zwischen 1972 und 1982 in seiner Wahlheimat Wien drehte sind Meilensteine des österreichischen Kinos. Inmitten einer vom Fernsehspiel dominierten Filmkultur spürte der Kino-Autodidakt dem Geschmack des Lebens nach und schuf mit mit Freunden und Laiendarstellern drei Spielfilme sowie einen Dokumentarfilm. Die Doppel-DVD präsentiert erstmals Cooks drei zentrale Werke in restaurierter Fassung, und enthält Kontextmaterialien zur Arbeitsweise des Filmemachers.
Bonusmaterial
Beil.: 16 S. Booklet

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Produktbeschreibung
Die Filme, die der kanadische Fotograf John Cook (1935-2001) zwischen 1972 und 1982 in seiner Wahlheimat Wien drehte sind Meilensteine des österreichischen Kinos. Inmitten einer vom Fernsehspiel dominierten Filmkultur spürte der Kino-Autodidakt dem Geschmack des Lebens nach und schuf mit mit Freunden und Laiendarstellern drei Spielfilme sowie einen Dokumentarfilm. Die Doppel-DVD präsentiert erstmals Cooks drei zentrale Werke in restaurierter Fassung, und enthält Kontextmaterialien zur Arbeitsweise des Filmemachers.

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.02.2009

Ohne Ilse wird der Ilse-Film ganz und gar unmöglich
Einer der großen Unbekannten des österreichischen Kinos: John Cook im Forum

Wer sich in Österreich anschickt, dem Volk "aufs Maul zu schauen", muss sich auf einiges gefasst machen. Ausdrücke wie "Nudelauge" oder "Vollkoffer" sind noch harmlos im Vergleich zu dem, was für das Fernsehen und selbst für das Kino schon zu weit geht, im öffentlichen Verkehr aber kaum einmal einer Selbstzensur unterliegt. Es ist wohl kein Zufall, dass der Filmemacher John Cook, der schon in den siebziger Jahren das Verhältnis zwischen literarischer und Umgangssprache, zwischen Volksmund und Drehbuch einer Untersuchung auf den jeweiligen Mehrwert unterzog, Englisch als Muttersprache hatte. Für Cook war das Wienerische eine dritte Sprache in der zweiten, dem Deutschen. Er war als Modefotograf nach Wien gekommen und wurde dort zum Filmemacher.

In seinem ersten abendfüllenden Spielfilm "Schwitzkasten" (1978) sitzen ein Intellektueller und ein Arbeiter an einem Küchentisch. In der Obstschüssel ist ein Mikrophon versteckt, denn der Intellektuelle hört dem Arbeiter nicht einfach zu, er zeichnet seine Rede auf wie die eines Eingeborenen. Das Wienerische wird lyrisches Material, der Arbeiter Hermann gibt die Stichworte, die der Dichter und Denker Ehrlich dann zu einem Werk veredelt. Das Ausbeutungsverhältnis, das hier ausgerechnet ein selbsterklärter Sozialdemokrat ins Werk setzt, wird manifest, als das Mikrophon entdeckt wird. Ein peinlicher Moment, der aber in jeder Hinsicht als Höhepunkt der österreichischen Filmgeschichte zu werten ist.

Dass Franz Schuh, der damals den Ehrlich gespielt hat, später als Intellektueller und Schriftsteller immer ein wenig mit sich selbst hinter dem Berg gehalten hat, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass er in "Schwitzkasten" alle peinlichen Möglichkeiten der Selbstkompromittierung schon vorweggenommen hat. Der Film erzählt von den Wegen Hermanns (Hermann Juranek) durch die Stadt. Er wohnt wie auch sein Bruder und seine Großmutter bei seinen Eltern in einer typischen Wiener Kleinbürgerwohnung, in der sein eigenes Zimmer als ein ungebührlicher Luxus erscheinen muss. Gelegentlich schläft er bei einer Freundin, deren "enges" Bett ihm aber keine Ruhe bringt. Schon hier ist er von einem unübersehbaren Fluchtinstinkt bestimmt, er macht sich aus dem Staub, ohne dass er wüsste, wohin er sich eigentlich wenden soll.

Hermann arbeitet zu Beginn noch beim Stadtgartenamt, legt sich dort aber mit seinem Vorarbeiter, dem "Ingenieur" an, als es zur Wahl eines Vertrauensmanns kommen soll. Die Kollegen wählen ohne viel Nachdenken einen opportunistischen Vertreter, der sich eher dem Dienstgeber anbiedert, als die Rechte der Arbeitnehmer zu verfechten. Mit den Worten "Es sad's alle Volltrottel" schert Hermann aus der Marschordnung aus (John Cook filmt das ganz buchstäblich so) und findet danach nicht mehr so richtig in die Spur zurück. Irgendwann steht er an einer Telefonzelle und formuliert einen Hilferuf, der kaum dringlicher vorstellbar ist: "Ich glaub', i drah durch."

Im österreichischen Filmschaffen der siebziger Jahre ist "Schwitzkasten" ein einsamer Höhepunkt auch deswegen, weil zur selben Zeit die erfolgreiche Fernsehserie "Ein echter Wiener geht nicht unter" aus dem gleichen Material, dem gleichen Milieu, eine perfekte Proletenshow machte, über die sich schon das kleinbürgerliche Publikum gerade noch ein wenig erhaben fühlen konnte. Die Figur des liebenswürdigen Cholerikers Edmund Sackbauer erlaubte es Österreich, sich mit seiner eigenen Sprache (genauer genommen der seiner Hauptstadt, des "Wasserkopfs" Wien) zu versöhnen und deren Verwendung zugleich zu einer Frage der Selbstbeherrschung zu machen. Nur ein "Zornbinkel" wie Edmund Sackbauer spricht tatsächlich immer so, wie es ihm gerade in den Sinn kommt. Seine Frau muss ihm häufig geradezu körperlich ins Wort fallen, um den schlimmsten Affront zu vermeiden.

Hermann Juranek hingegen ist die ganze Zeit fast am Verstummen. Er weiß nichts wirklich zu sagen, und in diesem Selbstgefühl von Uneigentlichkeit bildet er für Darsteller und Filmemacher eine viel anspruchsvollere Figur, zumal Hermann Juranek keineswegs ein professioneller Schauspieler war. Unübersehbar knüpfte der Autodidakt Cook, der seine Lehrzeit vor allem im Österreichischen Filmmuseum zugebracht hat und damit das klassische Ausbildungsmuster der französischen Nouvelle Vague rekapitulierte, bei den Fimen des italienischen Neorealismus an und hielt sich sowohl in Hinsicht auf die Dramaturgie als auch in Hinsicht auf die moralischen Entscheidungen, die zu treffen sind, an das, was bei Rossellini und de Sica erarbeitet worden war. In Österreich kam der Nullpunkt des Kinos, der allen neorealistischen Bemühungen vorausliegt, allerdings mit dreißigjähriger Verspätung. Ganz ähnlich wie in Deutschland überwogen nach dem Zweiten Weltkrieg zuerst einmal die Kontinuitäten, bevor im Abstand einer ganzen Generation dann doch so etwas wie eine Zäsur unumgänglich schien. Die Rezepte des Heimatfilms hatten sich um 1970 erschöpft, für viele Produzenten war der Sexfilm die letzte Chance auf kommerzielles Gedeihen. Das in Österreich traditionell starke öffentlich-rechtliche Fernsehen zog die wenigen Talente des Kinos an sich und vertrat dabei vor allem eine Ästhetik, die stark von der Literatur her gedacht war und den Begriff des Autorenfilms auf anachronistisch engführte.

In dieser Filmkultur, die zwischen 1970 und 1980 also mehr oder weniger an ein Ende gekommen war, markierte der Zuwanderer Cook einen neuen Anfang, zuerst mit dem mittellangen "Ich schaff's einfach nimmer", dann aber vor allem mit "Langsamer Sommer", einem Film, der aus dem Scheitern eines Films heraus entsteht. John Cook, der gerade Deutsch lernt, und sein Freund Helmut Boselmann setzen sich auf eine Couch und sehen sich Aufnahmen an, die sie in einem Sommer gedreht haben, in dem nicht viel los war. Sie treiben sich in Wien herum, fahren zu Freunden ins Weinviertel, hören sich in der Wohnung des Filmemachers Michael Pilz eine Platte von Lou Reed an und trinken die ganze Zeit Bier.

"Langsamer Sommer" ist um eine große Leerstelle herum konzipiert, denn John Cook verarbeitet darin die Trennung von seiner Freundin Ilse, einem Fotomodell, mit der ein halber Film gedreht wurde. Die andere Hälfte braucht es für die Einsicht, dass "die Ilse-Film" (John Cook bringt hartnäckig die bestimmten Artikel durcheinander) "ohne die Ilse illusorisch ist".

Zeilen wie diese, die von Ernst Jandl stammen könnten, machen einen guten Teil der Größe von "Langsamer Sommer" aus. Das Leben und das Kino sind einander hier so nahe, wie es nur in kostbaren Augenblicken gelingt, wie es dem Medium aber eigentlich prinzipiell eingeschrieben ist. Denn Film macht ja im Idealfall schon aus den banalsten Umständen etwas Besonderes. Davon ging John Cook in "Langsamer Sommer" aus. Anscheinend anstrengungslos und dabei doch in höchstem Maß bewusst verwandelte er dabei sein eigenes Leben in Material, ohne deswegen sich selbst oder seine Freunde zu künstlerischen Zwecken auszubeuten. Mit einer DVD-Edition in der edition Filmmuseum ist das Werk des 2001 verstorbenen und außerhalb seiner Wahlheimat weitgehend unbekannt gebliebenen John Cook nun der Filmgeschichte zurückerstattet worden. Das Forum der Berlinale schließt an seine besten Zeiten an, wenn es diese Tatsache im Rahmen seiner "Special Screenings" durch die Aufführung von "Langsamer Sommer" und "Schwitzkasten" würdigt und feiert.

BERT REBHANDL

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