Lara Croft (Angelina Jolie) braucht alle Instinkte, Athletik, alles Tempo und jeden Trick, um eine drohende Gefahr abzuwenden, die nichts weniger als göttliche, übernatürliche Mächte in die Hände einer sinistren Gruppe zu legen droht: die Erleuchteten. Seit 5000 Jahren warten sie auf eine bestimmte Planeten-Konstellation und haben für ihre Ziele den ruchlosen und einst mit Laras Vater Lord Croft (Jon Voight) befreundeten Powell (Iain Glen) angeheuert. Die Suche nach den Schlüsseln zur Macht führt von Kambodscha bis nach Sibirien und zwingt Lara zu Auseinandersetzungen mit sehr realen Terror-Teams und geisterhaften Steingötzen. Als Hilfe steht ihr dabei der Computer-Experte Bryce zur Seite, während der konkurrierende Schatzjäger Alex Marrs (Daniel Craig) zwar Einlass in Laras Herz sucht, aber dummerweise mit ihren Feinden gemeinsame Sache macht. Doch diese Komplikationen sind nichts gegen Laras schwerwiegendstes Problem - die Sehnsucht nach ihrem verstorbenen Vater und die gefährliche Chance, ihn von den Toten auferstehen zu lassen...
Bonusmaterial
Beil.: PosterFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.06.2001Erfahrungspunkte einer Frau
Geh, nimm, benutze, greif an: "Tomb Raider" bringt die Computerspielästhetik ins Kino
Als "Tomb Raider" vor fünf Jahren auf den Markt kam, war es ein Computerspiel wie viele andere. Der Spieler bewegt sich durch eine dreidimensional gestaltete Landschaft, sammelt Objekte, löst Rätsel und bekämpft ab und an einen virtuellen Feind. Und doch gelang ihm, was seit dem punktefressenden "Pac Man" aus den ganz frühen Tagen keinem Programm mehr vergönnt war: Es verließ die eng umgrenzte Computerspiel-Szene und fand Eingang in die Popkultur. Und verantwortlich dafür war nichts so sehr wie das Geschlecht der Spielfigur.
Um die Bedeutung des kleinen Unterschieds zu verstehen, empfiehlt sich ein Blick auf die Sozialstruktur des Sujets. Computeractionspiele richteten sich an Jungen und junge Männer, die dazu eingeladen wurden, sich mit etwas älteren Männern zu identifizieren, seien es nun Glücksritter, Zauberer oder Krieger. Frauen blieb, jedenfalls bis vor kurzem, die Dornröschenrolle vorbehalten. Sie dämmerten in irgendeinem Verlies vor sich hin, bis der Held sie befreite, was freilich keinen Kuß, sondern das Abschlachten zahlloser Widersacher verlangte. Erotik kam, entgegen verbreiteten Befürchtungen, in solchen Programmen kaum vor.
Erst Lara Croft hat einen sublimen Sadomasochismus ins Spiel gebracht. Der Spieler gebietet über einen Frauenkörper, dem er nach Belieben Laute der Anstrengung oder des Schmerzes entlocken kann. Freilich wird er dafür durch Punktabzug bestraft. Belohnt wird er, wenn er durch die Hand der Heldin seine Platzhalter, andere feindselige Männer, niederstreckt. Daß Lara Croft dabei jeder weibliche Wesenszug fehlt, wird durch Oberweite ausgeglichen.
Und nun also der Film zum Spiel. Auch das ist nichts Neues. Doch Werke wie "Pokémon" oder "Mortal Kombat" dankten ihre Existenz allein dem Umstand, daß eine ausreichend große Klientel durch den Kauf von T-Shirts und Mouse-Pads ihr Interesse an weiteren Ausgaben bekundet hatte. "Tomb Raider" indes muß sich an höheren Maßstäben messen lassen. Der Film wurde aufwendig an Drehorten in Großbritannien, Island und Kambodscha produziert; der Regisseur Simon West kann mit "Con Air" Spektakelerfahrung vorweisen; die Hauptdarstellerin Angelina Jolie ist vielleicht nicht ganz so berühmt, wie es uns die Werbung jetzt weismachen will, aber doch in Charakterrollen erprobt. Das schadet nicht, wenn man aus der eindimensionalen Figur der adligen Schatzsucherin eine wenigstens zweidimensionale machen muß. Denn die Lara Croft, die man kannte, blieb mangels dauerhafter sozialer Kontakte charakterlich unbestimmt.
Angelina Jolie zeigt drei Mienen: eine wachsame, eine angestrengte und eine sarkastische. Wesentlich mehr hatte Harrison Ford als Indiana Jones auch nicht im Repertoire. Die Momente, in denen man auf derlei achtet, sind ohnedies gezählt. Denn im wesentlichen darf Lara Croft auch im neuen Medium das tun, was sie am besten kann: zerstören. Zerstört werden muß ein Artefakt, das "allsehende Auge", das dem Besitzer göttliche Kräfte verleiht, mit deren Hilfe er Zeitreisen und dergleichen durchführen kann. Man kann darin eine Allegorie sehen. Denn im Computerspiel verkörpert diesen Gott natürlich der Spieler. Er ist der Allseher, der das Leben der Heldin nach seiner Willkür lenkt, beendet und wieder von vorne beginnt. Ein passender Stoff also für einen Film, der sich anschickt, der Marionette Leben zu schenken.
Man spürt, wie man beim Verfolgen solcher Ideen die verständnislosen Blicke eines ganzen Produktionsteams auf sich zieht. Trotzdem möchte man wenigstens eine Figur in diesem Licht betrachten. Es ist der Computertüftler Bryce (Noah Taylor), der zusammen mit einem Butler Lara Crofts Hilfstruppe stellt. Bryce lebt mit seinem Werkstattwohnwagen im Hof des Anwesens und bastelt Trainingskampfroboter für seine Chefin, die im entscheidenden Augenblick versagen. Er ist derjenige, in den sich der Computerspieler versetzen muß. Und doch erscheint er bloß als der nette, lebensuntüchtige Spinner, der rot anliefe, wenn Lara Croft ihn bei einem begehrlichen Blick ertappte. Er ist das, was der Spieler zu erblicken fürchtet, wenn das Licht auf seinem Monitor erlischt.
Wer diese Ironie hinnimmt, darf einem Spiel beiwohnen, das so ist, wie das Genre es will: schnell, dialogarm und hinlänglich brutal. Nur die im Spiel - zur Vermeidung von Nebenhandlungen - zweckmäßige Konvention, Kämpfe stets mit dem Tod eines Gegners enden zu lassen, bleibt dem Zuschauer meist erspart. In allen anderen Punkten jedoch wird die Dramaturgie des Geh / Nimm / Benutze / Greif an genau umgesetzt. Wenn Lara Croft eine Waffe findet, hält der Film, wie das Spiel, einen Moment ehrfürchtig inne, damit sich der Zuschauer der erhöhten Feuerkraft bewußt wird. Ein buddhistischer Tempel rückt nur deshalb ins Bild, weil die Heldin dort einen Tee trinken kann, der ihre Blessuren heilt.
Solche Einlagen machen den Film nicht glaubwürdiger und sind doch mehr als Zugeständnisse an die Kundschaft des Spiels. Denn sie öffnen den Blick auf die Ontologie der Computerspiele: eine Welt der positiven und negativen Energien und der berechenbaren Wunder. Auf den Glauben an den Lohn der Tapferkeit und den Wert einer guten Ausrüstung. Und auf die Conditio humana, daß man Erfahrungspunkte sammelt, indem man Gesundheitspunkte verliert. Es gibt gewiß tiefere Philosophien, und wer Computerspiele blöd findet, wird auch diesem Film nichts abgewinnen können. Aber "Tomb Raider" bringt deren Ästhetik ohne Verlust auf die Leinwand und weist nach, daß die beiden Gattungen einander so fremd schon lang nicht mehr sind. Die Multimedia-Museen, die sich anschicken, die Filmsammlungen abzulösen, werden Lara Croft eine Statuette errichten müssen.
MICHAEL ALLMAIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Geh, nimm, benutze, greif an: "Tomb Raider" bringt die Computerspielästhetik ins Kino
Als "Tomb Raider" vor fünf Jahren auf den Markt kam, war es ein Computerspiel wie viele andere. Der Spieler bewegt sich durch eine dreidimensional gestaltete Landschaft, sammelt Objekte, löst Rätsel und bekämpft ab und an einen virtuellen Feind. Und doch gelang ihm, was seit dem punktefressenden "Pac Man" aus den ganz frühen Tagen keinem Programm mehr vergönnt war: Es verließ die eng umgrenzte Computerspiel-Szene und fand Eingang in die Popkultur. Und verantwortlich dafür war nichts so sehr wie das Geschlecht der Spielfigur.
Um die Bedeutung des kleinen Unterschieds zu verstehen, empfiehlt sich ein Blick auf die Sozialstruktur des Sujets. Computeractionspiele richteten sich an Jungen und junge Männer, die dazu eingeladen wurden, sich mit etwas älteren Männern zu identifizieren, seien es nun Glücksritter, Zauberer oder Krieger. Frauen blieb, jedenfalls bis vor kurzem, die Dornröschenrolle vorbehalten. Sie dämmerten in irgendeinem Verlies vor sich hin, bis der Held sie befreite, was freilich keinen Kuß, sondern das Abschlachten zahlloser Widersacher verlangte. Erotik kam, entgegen verbreiteten Befürchtungen, in solchen Programmen kaum vor.
Erst Lara Croft hat einen sublimen Sadomasochismus ins Spiel gebracht. Der Spieler gebietet über einen Frauenkörper, dem er nach Belieben Laute der Anstrengung oder des Schmerzes entlocken kann. Freilich wird er dafür durch Punktabzug bestraft. Belohnt wird er, wenn er durch die Hand der Heldin seine Platzhalter, andere feindselige Männer, niederstreckt. Daß Lara Croft dabei jeder weibliche Wesenszug fehlt, wird durch Oberweite ausgeglichen.
Und nun also der Film zum Spiel. Auch das ist nichts Neues. Doch Werke wie "Pokémon" oder "Mortal Kombat" dankten ihre Existenz allein dem Umstand, daß eine ausreichend große Klientel durch den Kauf von T-Shirts und Mouse-Pads ihr Interesse an weiteren Ausgaben bekundet hatte. "Tomb Raider" indes muß sich an höheren Maßstäben messen lassen. Der Film wurde aufwendig an Drehorten in Großbritannien, Island und Kambodscha produziert; der Regisseur Simon West kann mit "Con Air" Spektakelerfahrung vorweisen; die Hauptdarstellerin Angelina Jolie ist vielleicht nicht ganz so berühmt, wie es uns die Werbung jetzt weismachen will, aber doch in Charakterrollen erprobt. Das schadet nicht, wenn man aus der eindimensionalen Figur der adligen Schatzsucherin eine wenigstens zweidimensionale machen muß. Denn die Lara Croft, die man kannte, blieb mangels dauerhafter sozialer Kontakte charakterlich unbestimmt.
Angelina Jolie zeigt drei Mienen: eine wachsame, eine angestrengte und eine sarkastische. Wesentlich mehr hatte Harrison Ford als Indiana Jones auch nicht im Repertoire. Die Momente, in denen man auf derlei achtet, sind ohnedies gezählt. Denn im wesentlichen darf Lara Croft auch im neuen Medium das tun, was sie am besten kann: zerstören. Zerstört werden muß ein Artefakt, das "allsehende Auge", das dem Besitzer göttliche Kräfte verleiht, mit deren Hilfe er Zeitreisen und dergleichen durchführen kann. Man kann darin eine Allegorie sehen. Denn im Computerspiel verkörpert diesen Gott natürlich der Spieler. Er ist der Allseher, der das Leben der Heldin nach seiner Willkür lenkt, beendet und wieder von vorne beginnt. Ein passender Stoff also für einen Film, der sich anschickt, der Marionette Leben zu schenken.
Man spürt, wie man beim Verfolgen solcher Ideen die verständnislosen Blicke eines ganzen Produktionsteams auf sich zieht. Trotzdem möchte man wenigstens eine Figur in diesem Licht betrachten. Es ist der Computertüftler Bryce (Noah Taylor), der zusammen mit einem Butler Lara Crofts Hilfstruppe stellt. Bryce lebt mit seinem Werkstattwohnwagen im Hof des Anwesens und bastelt Trainingskampfroboter für seine Chefin, die im entscheidenden Augenblick versagen. Er ist derjenige, in den sich der Computerspieler versetzen muß. Und doch erscheint er bloß als der nette, lebensuntüchtige Spinner, der rot anliefe, wenn Lara Croft ihn bei einem begehrlichen Blick ertappte. Er ist das, was der Spieler zu erblicken fürchtet, wenn das Licht auf seinem Monitor erlischt.
Wer diese Ironie hinnimmt, darf einem Spiel beiwohnen, das so ist, wie das Genre es will: schnell, dialogarm und hinlänglich brutal. Nur die im Spiel - zur Vermeidung von Nebenhandlungen - zweckmäßige Konvention, Kämpfe stets mit dem Tod eines Gegners enden zu lassen, bleibt dem Zuschauer meist erspart. In allen anderen Punkten jedoch wird die Dramaturgie des Geh / Nimm / Benutze / Greif an genau umgesetzt. Wenn Lara Croft eine Waffe findet, hält der Film, wie das Spiel, einen Moment ehrfürchtig inne, damit sich der Zuschauer der erhöhten Feuerkraft bewußt wird. Ein buddhistischer Tempel rückt nur deshalb ins Bild, weil die Heldin dort einen Tee trinken kann, der ihre Blessuren heilt.
Solche Einlagen machen den Film nicht glaubwürdiger und sind doch mehr als Zugeständnisse an die Kundschaft des Spiels. Denn sie öffnen den Blick auf die Ontologie der Computerspiele: eine Welt der positiven und negativen Energien und der berechenbaren Wunder. Auf den Glauben an den Lohn der Tapferkeit und den Wert einer guten Ausrüstung. Und auf die Conditio humana, daß man Erfahrungspunkte sammelt, indem man Gesundheitspunkte verliert. Es gibt gewiß tiefere Philosophien, und wer Computerspiele blöd findet, wird auch diesem Film nichts abgewinnen können. Aber "Tomb Raider" bringt deren Ästhetik ohne Verlust auf die Leinwand und weist nach, daß die beiden Gattungen einander so fremd schon lang nicht mehr sind. Die Multimedia-Museen, die sich anschicken, die Filmsammlungen abzulösen, werden Lara Croft eine Statuette errichten müssen.
MICHAEL ALLMAIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main