Dumm gelaufen: Putzmann Robert (Ewan McGregor) wird von seinem Boß (Ian Holm) durch einen Roboter ersetzt.
Kurzerhand kidnappt der naive Raumpfleger Celine (Cameron Diaz), Nevilles verzickte Tochter. Die läßt sich nur zu gerne entführen und nimmt dem schusseligen Robert die Organisation ihres Kidnappings flugs aus den Händen. Daddy ist derweil nicht untätig: Er hetzt den Flüchtigen die Kopfgeldjäger OReilly (Holly Hunter) und Jackson (Delroy Lindo) hinterher. Was er nicht ahnt: Die beiden sind Engel und von höchster Stelle beauftragt, Robert und Celine zu verkuppeln. Das Chaos scheint perfekt ...
Kurzerhand kidnappt der naive Raumpfleger Celine (Cameron Diaz), Nevilles verzickte Tochter. Die läßt sich nur zu gerne entführen und nimmt dem schusseligen Robert die Organisation ihres Kidnappings flugs aus den Händen. Daddy ist derweil nicht untätig: Er hetzt den Flüchtigen die Kopfgeldjäger OReilly (Holly Hunter) und Jackson (Delroy Lindo) hinterher. Was er nicht ahnt: Die beiden sind Engel und von höchster Stelle beauftragt, Robert und Celine zu verkuppeln. Das Chaos scheint perfekt ...
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit SoundeffektenFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.01.1998Vom Himmel hoch, da schieß' ich her
Der Apfel fällt nicht weit vom Kopf: Danny Boyles Film "Lebe lieber ungewöhnlich" mit Cameron Diaz und Ewan McGregor
Es beginnt mit einer Probe auf Freiheit und Schicksal. Celine plaziert einen roten Apfel auf der Glatze ihres Verlobten und zielt mit einem silbernen Revolver. Hat sie sein Leben in der Hand, oder liegt es an ihm, einen kühlen Kopf zu bewahren? Die Kulisse ihres Auftritts ist das Meer, der Boden der Freilichtbühne eine sonnenbeglänzte Terrasse, die spiegelglatt aussieht. Jeder Blick wird hier auf sich zurückgeworfen, keine Welt ist zu sehen, die Orientierung böte. Der Schwächling wagt kaum hinzugucken. Die starke Frau blinzelt nicht.
Der Regisseur Danny Boyle und sein Drehbuchautor John Hodge inszenieren moralische Experimente. Sie geben ihren Figuren die Freiheit, sich in die Folgen der eigenen Pläne zu verstricken. Der Erstling "Shallow Grave" (1994) handelt von einer perfekt organisierten Wohngemeinschaft. Der in schonungslosen Interviews ausgewählte ideale Mitbewohner ist eines Tages tot und hinterläßt einen Koffer von Geld. Die Zimmernachbarn treten das Erbe an. Nach kürzester Zeit finden die Freunde heraus, daß sie mit wildfremden Leuten zusammengelebt haben. Die Folgen lassen Schlimmes für Klausi, Philipp und Dany in der "Lindenstraße" befürchten, deren Autoren die Kofferidee geklaut haben.
"Trainspotting" (1996) nach dem Roman von Irvine Welsh ist eine Studie über die selbstgewählte Sklaverei der Drogensucht. Die verkommenen Verhältnisse, aus nächster Nähe gefilmt, sind die Hölle auf Erden. Nichts wird der Gesellschaft zugeschoben. Die Bewußtseinserweiterung, von deren Taumel der Held erzählt, ist das Erschrecken darüber, daß jede Steigerung des selbstzugefügten Schmerzes die Leidensfähigkeit erhöht. Führte die Sucht zum Tode, wäre die Welt in Ordnung. Verteufelt ist, daß sie das gefährliche Leben lehrt. Indem der Held alle Verantwortung auf sein Haupt lädt, entlastet er den Zuschauer.
Das Ergebnis ist eine Komik, die dem Betrachter nicht ganz geheuer sein kann. Wie man über einen Film von Danny Boyle lacht, so könnten die Engel über die Mißgeschicke spotten, in die Gott die Menschen stürzte, indem er ihnen die Wahl zwischen Gut und Böse ließ. Solche Engel jedenfalls wie Jackson und O'Reilly, denen in Boyles neuem Werk "A Life Less Ordinary" ("Lebe lieber ungewöhnlich") die Aufsicht über die Erdenbürger anvertraut ist. In den himmlischen Geheimagenten, die Schlingen auslegen, auf daß zwei Menschen sich darin verfangen, sich hin und her winden und sich schließlich küssen, haben die Filmemacher ihre eigenen Doppelgänger erschaffen. In ihrer ersten amerikanischen Arbeit nehmen Boyle und Hodge einen alten Hollywood-Trick auf. Die Himmelsboten haben auch den Zuschauern etwas zu überbringen, eine altmodische moralische und eine moderne ästhetische Nachricht: Es ist etwas Wunderbares, wenn alles gut ausgeht. Die Menschen können sich ihr Glück zurechnen, aber auf eigenes Risiko.
Auch die Handlung, die Jackson und O'Reilly auf den Weg bringen, melancholische Profis, die selber nie glücklich werden, weil mit ihnen niemand spielt (Delroy Lindo und Holly Hunter), variiert ein altes Muster. In "It Happened One Night" von Frank Capra (1934) sind Clark Gable und Claudette Colbert die ungleichen Partner, die unter den unwahrscheinlichsten Bedingungen erkennen, daß sie füreinander geschaffen sind. Bei Capra läuft die Millionärstochter davon, von einem Reporter verfolgt, bei Boyle wird sie von einem Raumpfleger entführt. Wo aber Capra die Rebellin mit einem unwiderstehlichen Beschützer belohnt und so nach dem Ausflug einer Nacht wieder in die patriarchalische Ordnung heimholt, da haben sich die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern umgekehrt. Der Kidnapper ist zu nichts fähig, schneidet stundenlang Zeitungsbuchstaben für den Erpresserbrief aus, nur um sich vom Opfer daran erinnern zu lassen, daß sein Name und Gesicht ihrem Vater bekannt sind.
Celine, die so gerne selber in Gefahr geriete, statt Verlobte mit dem Tod zu bedrohen, muß alles wieder selber machen, am Telefon den Schrecken simulieren, den ihr der Weichling nicht einjagt, der nicht einmal die Waffe gerade hält. 1934 schützte der Mann die Frau mit der Lüge von der Hochzeitsreise, als im Motel ihr Inkognito gelüftet zu werden drohte. Derselbe Trick fällt heute weiblicher List ein; der von Celine erfundene weltberühmte Popsänger Ritchie Vanderlow, der ihrem Sonderling von Nachbarn zum Glück wirklich unbekannt ist, muß sich beim Karaoke-Abend in der Dorfkneipe beweisen. Plötzlich kann Robert etwas. Der Zuschauer weiß, daß die Liebe dem Engelsliebling die Töne eingibt.
Es waren zwei Königskinder: Cameron Diaz gibt dem verwöhnten Biest Grazie, kultiviert die vom Reichtum verliehene amoralische Freiheit, wie andere Mädchen ihre Fingernägel lackieren. Aber auch Robert, der in seinem Job von einem Roboter verdrängt worden ist, hat ein behütetes Leben geführt. Ihn haben seine Träume davor bewahrt, die Bekanntschaft der Welt zu machen. Er will ein Künstler werden. Daß ihm nur ein Roman eingefallen ist, in dem John F. Kennedy ein Kind mit Marilyn Monroe zeugt, macht gar nichts; Jackson und O'Reilly sollen ihm ja nicht den Pulitzer-Preis verschaffen. Ewan McGregor spielt den Unschuldigen, der in ahnungslosem Widerstand gegen die gesamte abendländische Ästhetik blaue Hawaiihemden trägt. Ihm kann nichts etwas anhaben. Und da den Liebenden nichts passieren kann, bringen ihre Beschützer sie immer wieder in Todesgefahr, damit sie endlich selber merken, worauf der Himmel es abgesehen hat.
Der Geschlossenheit der umgreifenden Form kontrastiert in Boyles Filmen die Offenheit der einzelnen Bewegungen, eine das Hektische streifende Unvorhersehbarkeit. Sie versetzt den Betrachter in eine Unruhe, die ihn zweifeln lassen kann, ob alles glimpflich ausgehen wird. So nah wird die Gewalt herangeholt, daß momentweise der Gedanke nicht mehr tröstet, alles sei nur ein Spiel. Klaustrophobie weckten die Zimmerlöcher der britischen Filme, Platzangst jagt die amerikanische Weite ein. Danny Boyle zielt sehr genau. Dem Zuschauer kann es geschehen, daß ihm der Kopf zuckt. PATRICK BAHNERS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Apfel fällt nicht weit vom Kopf: Danny Boyles Film "Lebe lieber ungewöhnlich" mit Cameron Diaz und Ewan McGregor
Es beginnt mit einer Probe auf Freiheit und Schicksal. Celine plaziert einen roten Apfel auf der Glatze ihres Verlobten und zielt mit einem silbernen Revolver. Hat sie sein Leben in der Hand, oder liegt es an ihm, einen kühlen Kopf zu bewahren? Die Kulisse ihres Auftritts ist das Meer, der Boden der Freilichtbühne eine sonnenbeglänzte Terrasse, die spiegelglatt aussieht. Jeder Blick wird hier auf sich zurückgeworfen, keine Welt ist zu sehen, die Orientierung böte. Der Schwächling wagt kaum hinzugucken. Die starke Frau blinzelt nicht.
Der Regisseur Danny Boyle und sein Drehbuchautor John Hodge inszenieren moralische Experimente. Sie geben ihren Figuren die Freiheit, sich in die Folgen der eigenen Pläne zu verstricken. Der Erstling "Shallow Grave" (1994) handelt von einer perfekt organisierten Wohngemeinschaft. Der in schonungslosen Interviews ausgewählte ideale Mitbewohner ist eines Tages tot und hinterläßt einen Koffer von Geld. Die Zimmernachbarn treten das Erbe an. Nach kürzester Zeit finden die Freunde heraus, daß sie mit wildfremden Leuten zusammengelebt haben. Die Folgen lassen Schlimmes für Klausi, Philipp und Dany in der "Lindenstraße" befürchten, deren Autoren die Kofferidee geklaut haben.
"Trainspotting" (1996) nach dem Roman von Irvine Welsh ist eine Studie über die selbstgewählte Sklaverei der Drogensucht. Die verkommenen Verhältnisse, aus nächster Nähe gefilmt, sind die Hölle auf Erden. Nichts wird der Gesellschaft zugeschoben. Die Bewußtseinserweiterung, von deren Taumel der Held erzählt, ist das Erschrecken darüber, daß jede Steigerung des selbstzugefügten Schmerzes die Leidensfähigkeit erhöht. Führte die Sucht zum Tode, wäre die Welt in Ordnung. Verteufelt ist, daß sie das gefährliche Leben lehrt. Indem der Held alle Verantwortung auf sein Haupt lädt, entlastet er den Zuschauer.
Das Ergebnis ist eine Komik, die dem Betrachter nicht ganz geheuer sein kann. Wie man über einen Film von Danny Boyle lacht, so könnten die Engel über die Mißgeschicke spotten, in die Gott die Menschen stürzte, indem er ihnen die Wahl zwischen Gut und Böse ließ. Solche Engel jedenfalls wie Jackson und O'Reilly, denen in Boyles neuem Werk "A Life Less Ordinary" ("Lebe lieber ungewöhnlich") die Aufsicht über die Erdenbürger anvertraut ist. In den himmlischen Geheimagenten, die Schlingen auslegen, auf daß zwei Menschen sich darin verfangen, sich hin und her winden und sich schließlich küssen, haben die Filmemacher ihre eigenen Doppelgänger erschaffen. In ihrer ersten amerikanischen Arbeit nehmen Boyle und Hodge einen alten Hollywood-Trick auf. Die Himmelsboten haben auch den Zuschauern etwas zu überbringen, eine altmodische moralische und eine moderne ästhetische Nachricht: Es ist etwas Wunderbares, wenn alles gut ausgeht. Die Menschen können sich ihr Glück zurechnen, aber auf eigenes Risiko.
Auch die Handlung, die Jackson und O'Reilly auf den Weg bringen, melancholische Profis, die selber nie glücklich werden, weil mit ihnen niemand spielt (Delroy Lindo und Holly Hunter), variiert ein altes Muster. In "It Happened One Night" von Frank Capra (1934) sind Clark Gable und Claudette Colbert die ungleichen Partner, die unter den unwahrscheinlichsten Bedingungen erkennen, daß sie füreinander geschaffen sind. Bei Capra läuft die Millionärstochter davon, von einem Reporter verfolgt, bei Boyle wird sie von einem Raumpfleger entführt. Wo aber Capra die Rebellin mit einem unwiderstehlichen Beschützer belohnt und so nach dem Ausflug einer Nacht wieder in die patriarchalische Ordnung heimholt, da haben sich die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern umgekehrt. Der Kidnapper ist zu nichts fähig, schneidet stundenlang Zeitungsbuchstaben für den Erpresserbrief aus, nur um sich vom Opfer daran erinnern zu lassen, daß sein Name und Gesicht ihrem Vater bekannt sind.
Celine, die so gerne selber in Gefahr geriete, statt Verlobte mit dem Tod zu bedrohen, muß alles wieder selber machen, am Telefon den Schrecken simulieren, den ihr der Weichling nicht einjagt, der nicht einmal die Waffe gerade hält. 1934 schützte der Mann die Frau mit der Lüge von der Hochzeitsreise, als im Motel ihr Inkognito gelüftet zu werden drohte. Derselbe Trick fällt heute weiblicher List ein; der von Celine erfundene weltberühmte Popsänger Ritchie Vanderlow, der ihrem Sonderling von Nachbarn zum Glück wirklich unbekannt ist, muß sich beim Karaoke-Abend in der Dorfkneipe beweisen. Plötzlich kann Robert etwas. Der Zuschauer weiß, daß die Liebe dem Engelsliebling die Töne eingibt.
Es waren zwei Königskinder: Cameron Diaz gibt dem verwöhnten Biest Grazie, kultiviert die vom Reichtum verliehene amoralische Freiheit, wie andere Mädchen ihre Fingernägel lackieren. Aber auch Robert, der in seinem Job von einem Roboter verdrängt worden ist, hat ein behütetes Leben geführt. Ihn haben seine Träume davor bewahrt, die Bekanntschaft der Welt zu machen. Er will ein Künstler werden. Daß ihm nur ein Roman eingefallen ist, in dem John F. Kennedy ein Kind mit Marilyn Monroe zeugt, macht gar nichts; Jackson und O'Reilly sollen ihm ja nicht den Pulitzer-Preis verschaffen. Ewan McGregor spielt den Unschuldigen, der in ahnungslosem Widerstand gegen die gesamte abendländische Ästhetik blaue Hawaiihemden trägt. Ihm kann nichts etwas anhaben. Und da den Liebenden nichts passieren kann, bringen ihre Beschützer sie immer wieder in Todesgefahr, damit sie endlich selber merken, worauf der Himmel es abgesehen hat.
Der Geschlossenheit der umgreifenden Form kontrastiert in Boyles Filmen die Offenheit der einzelnen Bewegungen, eine das Hektische streifende Unvorhersehbarkeit. Sie versetzt den Betrachter in eine Unruhe, die ihn zweifeln lassen kann, ob alles glimpflich ausgehen wird. So nah wird die Gewalt herangeholt, daß momentweise der Gedanke nicht mehr tröstet, alles sei nur ein Spiel. Klaustrophobie weckten die Zimmerlöcher der britischen Filme, Platzangst jagt die amerikanische Weite ein. Danny Boyle zielt sehr genau. Dem Zuschauer kann es geschehen, daß ihm der Kopf zuckt. PATRICK BAHNERS
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