Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an und Charlotte Field (Charlize Theron) und Fred Flarsky (Seth Rogen) könnten unterschiedlicher nicht sein: Sie, die Außenministerin der Vereinigten Staaten, intelligent, gebildet und versiert. Er, ein durchaus talentierter Journalist mit leichtem Hang zum Chaotischen. Nichts verbindet die beiden, außer dass sie vor Jahren sein Babysitter und er unsterblich in sie verliebt war. Als die beiden sich nun wiedertreffen, stellt Charlotte ihn spontan als Redenschreiber ein. Stellt sich nur die Frage: Wie schafft man es, als Nerd eine wahnsinnig elegante Frau zu beeindrucken? Und wie gut ist die Idee, ein Verhältnis mit seiner Chefin anzufangen?
Bonusmaterial
Zahlreiche Featurettes Geschnittene Szenen Trailer WendecoverFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.06.2019Wandel durch Annäherung
Geht das noch? Eine romantische Komödie? Aber ja, mit Charlize Theron und Seth Rogen in "Long Shot - Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich"
Die romantische Komödie, im Englischen gerne "Romcom" genannt, hat in Hollywood schon mal bessere Zeiten erlebt. Das liegt daran, dass Superhelden das meiste Geld an den Kinokassen versprechen, aber weder Zeit noch Talent für Romanzen haben; und es hat damit zu tun, dass die übliche Geschlechterrollenverteilung der klassischen Romcom vor allem beim weiblichen Publikum keine Gnade mehr findet. Wer möchte heute noch sehen, wie die schöne, starke, scheinbar unerreichbare Frau für den meist armen, tolpatschigen oder mittelmäßigen männlichen Helden erreichbar wird, schwächelt und schließlich froh ist, nicht mehr stark sein zu müssen?
Diese Gesetzmäßigkeiten kennt natürlich auch ein gelernter Stand-up-Comedian wie Seth Rogen, der es gerne mal krasser mag und das als Schauspieler in Filmen von Judd Apatow oder als Regisseur der Kim-Jong-un-Komödie "The Interview" überzeugend demonstriert hat. Rogen hat zwar nicht das Buch für "Long Shot - Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich" geschrieben, das stammt von Liz Hannah und Dan Sterling; er hat auch nicht Regie geführt, das war Jonathan Levine, aber als Koproduzent hat er genau gewusst, worauf er sich einlässt. Und es wird ihm klar gewesen sein, dass sich Konstruktionsprinzip und Funktionsweise der romantischen Komödie durch seine bloße Präsenz nicht einfach außer Kraft setzen lassen.
Womit nun endlich die Rede ist von der unvergleichlichen Charlize Theron, die nicht einfach nur die weibliche Hauptrolle spielt. Sie hat die Klasse, die Statur, die Ausstrahlung und alle Fähigkeiten, um das Genre zu erfüllen, ohne ins Mittelalter der Geschlechterverhältnisse zurückzufallen. Eine Frau, die in "Mad Max" als Imperator furiosa den Mann in die Nebenrolle drängte, die lieber 25 Kilo zulegte, statt einen Fatsuit zu tragen, um in "Tully" eine frustrierte Mutter zu spielen, die "Atomic Blonde" als Agentin ganz allein trug, eine solche Frau kann in "Long Shot" die Außenministerin der Vereinigten Staaten so verkörpern, dass Hillary Clinton nachträglich neidisch werden müsste.
Wie diese Charlotte Field und der gerade arbeitslos gewordene, tendenziell sehr anstrengende Investigativjournalist Fred Flarsky (Rogen), dessen Babysitterin Charlotte in ihren Highschool-Tagen war, zusammenfinden sollen, das ist eine maximale Herausforderung. Denn es ist schwer, sich eine unwahrscheinlichere Konstellation auszumalen, wenn man Rogen sieht, wie er in einer grünblauen, ultrahässlichen Windjacke, mit Basecap und viel Bart auftaucht, wenn man ihren ersten Blick sieht, der auf ihn fällt, sie im eleganten schwarzen Kleid, mit perfekter Frisur, kühler Schönheit und voller Souveränität. Kaum vorstellbar, dass da mehr ist als ein eher peinliches Wiedererkennen, das zur netten, nichtigen Versicherung führt, man wolle sich nicht wieder aus den Augen verlieren.
Dass sie ihn als Redenschreiber einstellt, der für mehr Witz und Pointierung sorgen soll, weil es das Einzige ist, worin sie laut Umfragen besser werden könnte, sorgt für ersten Wandel durch Annäherung. Sie reisen um die Welt, die Perfektionistin mit der ambitionierten Umweltagenda, und der undiplomatische Radikalliberale. Dass sie dann auch noch Präsidentin werden soll, weil der hohle Amtsinhaber, in Umkehrung von Ronald Reagan, lieber Karriere in Hollywood machen will, erschwert noch einmal alles.
Wer nun bei einer Romcom an den alltagsüblichen Maßstäben für Plausibilität festhalten möchte, ist im falschen Genre. Die Paarwerdung muss einen, während man im Kino sitzt, überzeugen, das ist das ganze Geheimnis, das war schon so bei Audrey Hepburn und Gregory Peck in "Ein Herz und eine Krone" . Make believe, glauben machen, das ist die große Kunst des Kinos - und daran gemessen, geht dieser "Long Shot", was auch ein Ausdruck ist für reine Spekulation, auf. Der Film kann es sich auch leisten, damit zu spielen, wenn Fred morgens am Strand steht nach gemeinsamer Nacht und den anwesenden Security-Mann bittet, niemandem etwas zu sagen, worauf der bloß entgegnet: "Würde sowieso keiner glauben." Und es gibt in den verschiedenen Phasen der Annäherung immer wieder amüsante Einfälle. Er wird nach einem Anschlagsversuch auf sie zum zitternden Nervenbündel, während sie cool bleibt. Sie tanzen völlig versunken zu Roxettes "It Must Have Been Love" im Nebenraum bei einem großem diplomatischen Empfang. Und wenn sie zugedröhnt, mit glasigem Blick und mit Konfetti im Haar, ein Kleinstaatsoberhaupt dazu bringt, eine Geiselnahme abzubrechen, versteht man sofort, dass Seth Rogens Fred gar keine andere Wahl hat, als sich in diese Frau zu verlieben.
"Long Shot" ist nun nicht die epochale Neuerfindung der romantischen Komödie, aber ein überzeugender Beweis, dass man mit hinreichender Intelligenz eine Haltung zu der Protagonistin entwickeln kann, die ihr nicht zumutet, sich nach der Feier ihrer Fähigkeiten selbst zu demontieren um des Mannes willen. Man könnte zwar bemängeln, dass sich Buch und Regie noch immer zu sehr für den Mann, dessen Nöte und Kumpels interessieren und die Frau jenseits ihrer Funktion in der Kindheitserinnerung keine Backstory hat. Aber man brächte sich damit um das große Vergnügen, den beiden (und vor allem Charlize Theron) zuzusehen.
PETER KÖRTE
Ab dem 20. Juni im Kino
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Geht das noch? Eine romantische Komödie? Aber ja, mit Charlize Theron und Seth Rogen in "Long Shot - Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich"
Die romantische Komödie, im Englischen gerne "Romcom" genannt, hat in Hollywood schon mal bessere Zeiten erlebt. Das liegt daran, dass Superhelden das meiste Geld an den Kinokassen versprechen, aber weder Zeit noch Talent für Romanzen haben; und es hat damit zu tun, dass die übliche Geschlechterrollenverteilung der klassischen Romcom vor allem beim weiblichen Publikum keine Gnade mehr findet. Wer möchte heute noch sehen, wie die schöne, starke, scheinbar unerreichbare Frau für den meist armen, tolpatschigen oder mittelmäßigen männlichen Helden erreichbar wird, schwächelt und schließlich froh ist, nicht mehr stark sein zu müssen?
Diese Gesetzmäßigkeiten kennt natürlich auch ein gelernter Stand-up-Comedian wie Seth Rogen, der es gerne mal krasser mag und das als Schauspieler in Filmen von Judd Apatow oder als Regisseur der Kim-Jong-un-Komödie "The Interview" überzeugend demonstriert hat. Rogen hat zwar nicht das Buch für "Long Shot - Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich" geschrieben, das stammt von Liz Hannah und Dan Sterling; er hat auch nicht Regie geführt, das war Jonathan Levine, aber als Koproduzent hat er genau gewusst, worauf er sich einlässt. Und es wird ihm klar gewesen sein, dass sich Konstruktionsprinzip und Funktionsweise der romantischen Komödie durch seine bloße Präsenz nicht einfach außer Kraft setzen lassen.
Womit nun endlich die Rede ist von der unvergleichlichen Charlize Theron, die nicht einfach nur die weibliche Hauptrolle spielt. Sie hat die Klasse, die Statur, die Ausstrahlung und alle Fähigkeiten, um das Genre zu erfüllen, ohne ins Mittelalter der Geschlechterverhältnisse zurückzufallen. Eine Frau, die in "Mad Max" als Imperator furiosa den Mann in die Nebenrolle drängte, die lieber 25 Kilo zulegte, statt einen Fatsuit zu tragen, um in "Tully" eine frustrierte Mutter zu spielen, die "Atomic Blonde" als Agentin ganz allein trug, eine solche Frau kann in "Long Shot" die Außenministerin der Vereinigten Staaten so verkörpern, dass Hillary Clinton nachträglich neidisch werden müsste.
Wie diese Charlotte Field und der gerade arbeitslos gewordene, tendenziell sehr anstrengende Investigativjournalist Fred Flarsky (Rogen), dessen Babysitterin Charlotte in ihren Highschool-Tagen war, zusammenfinden sollen, das ist eine maximale Herausforderung. Denn es ist schwer, sich eine unwahrscheinlichere Konstellation auszumalen, wenn man Rogen sieht, wie er in einer grünblauen, ultrahässlichen Windjacke, mit Basecap und viel Bart auftaucht, wenn man ihren ersten Blick sieht, der auf ihn fällt, sie im eleganten schwarzen Kleid, mit perfekter Frisur, kühler Schönheit und voller Souveränität. Kaum vorstellbar, dass da mehr ist als ein eher peinliches Wiedererkennen, das zur netten, nichtigen Versicherung führt, man wolle sich nicht wieder aus den Augen verlieren.
Dass sie ihn als Redenschreiber einstellt, der für mehr Witz und Pointierung sorgen soll, weil es das Einzige ist, worin sie laut Umfragen besser werden könnte, sorgt für ersten Wandel durch Annäherung. Sie reisen um die Welt, die Perfektionistin mit der ambitionierten Umweltagenda, und der undiplomatische Radikalliberale. Dass sie dann auch noch Präsidentin werden soll, weil der hohle Amtsinhaber, in Umkehrung von Ronald Reagan, lieber Karriere in Hollywood machen will, erschwert noch einmal alles.
Wer nun bei einer Romcom an den alltagsüblichen Maßstäben für Plausibilität festhalten möchte, ist im falschen Genre. Die Paarwerdung muss einen, während man im Kino sitzt, überzeugen, das ist das ganze Geheimnis, das war schon so bei Audrey Hepburn und Gregory Peck in "Ein Herz und eine Krone" . Make believe, glauben machen, das ist die große Kunst des Kinos - und daran gemessen, geht dieser "Long Shot", was auch ein Ausdruck ist für reine Spekulation, auf. Der Film kann es sich auch leisten, damit zu spielen, wenn Fred morgens am Strand steht nach gemeinsamer Nacht und den anwesenden Security-Mann bittet, niemandem etwas zu sagen, worauf der bloß entgegnet: "Würde sowieso keiner glauben." Und es gibt in den verschiedenen Phasen der Annäherung immer wieder amüsante Einfälle. Er wird nach einem Anschlagsversuch auf sie zum zitternden Nervenbündel, während sie cool bleibt. Sie tanzen völlig versunken zu Roxettes "It Must Have Been Love" im Nebenraum bei einem großem diplomatischen Empfang. Und wenn sie zugedröhnt, mit glasigem Blick und mit Konfetti im Haar, ein Kleinstaatsoberhaupt dazu bringt, eine Geiselnahme abzubrechen, versteht man sofort, dass Seth Rogens Fred gar keine andere Wahl hat, als sich in diese Frau zu verlieben.
"Long Shot" ist nun nicht die epochale Neuerfindung der romantischen Komödie, aber ein überzeugender Beweis, dass man mit hinreichender Intelligenz eine Haltung zu der Protagonistin entwickeln kann, die ihr nicht zumutet, sich nach der Feier ihrer Fähigkeiten selbst zu demontieren um des Mannes willen. Man könnte zwar bemängeln, dass sich Buch und Regie noch immer zu sehr für den Mann, dessen Nöte und Kumpels interessieren und die Frau jenseits ihrer Funktion in der Kindheitserinnerung keine Backstory hat. Aber man brächte sich damit um das große Vergnügen, den beiden (und vor allem Charlize Theron) zuzusehen.
PETER KÖRTE
Ab dem 20. Juni im Kino
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main