Alle zehn Folgen der "Lost World" Reihe - jetzt in einer Box Lost World: Das Abenteuer beginnt Lost World: Das Zepter des Pharaos Lost World: Vampire! Lost World: Das Erbe von Atlantis Lost World: Gladiatoren Lost World: Ein teuflisches Experiment Lost World: Höhle der Geister Lost World: Camelot Lost World: Der Schamane Lost World: Paradies und Hölle
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit Soundeffekten - siehe EinzeltitelFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.11.1997Denn den Sauriern ist nichts unmöglich
"The Lost World": Stummfilmentdeckungen beim Festival von Pordenone
PORDENONE, Anfang November
Wenn Steven Spielberg mit der Rückkehr seiner Riesenechsen unlängst selbst wohlgesinnte Kritiker enttäuschte, mag dies nicht zuletzt am klangvollen Titel gelegen haben, den er sich ausgesucht hatte: "The Lost World", so hieß nach Sir Arthur Conan Doyles phantastischem Roman schon dessen stumme Verfilmung aus dem Jahre 1925 - für die Geschichte der Tricktechnik kein geringerer Meilenstein als Spielbergs "Jurassic Park" siebzig Jahre später. Wer freilich einmal eine der fragmentarischen Kopien dieser frühen filmischen Saurierexpedition mit Willis O'Briens berühmten Stop-Motion-Animationen gesehen hat, wird sie im Vergleich mit dessen späterem "King Kong" eher als achtbare Fingerübung eingeschätzt haben.
Das alljährliche Stummfilmfestival im norditalienischen Pordenone revidierte mit der Premiere einer neuen Rekonstruktion das Bild dieses Filmklassikers von Grund auf: Wenn nun in verschwenderischen Totalen ein rundes Dutzend urzeitlicher Echsen zugleich seinem geruhsamen Tagewerk nachgeht, verliert sich der Blick für die leichten Unebenheiten des Puppentricks. Die Animationen nehmen jetzt so breiten Raum ein, daß aus dem "Kino der Attraktionen" eine lakonische Selbstverständlichkeit wird. Da läßt sich einer der gefürchteten Fleischfresser dabei beobachten, wie er mitten im Gefecht mit einem Brontosaurus noch Zeit findet, einen ahnungslosen Flugsaurier zu verspeisen. Unabhängig von allen Schauwerten gewinnt vor allem die Abenteuerdramaturgie in der neuen Fassung an Gewicht. Erst das hinzugewonnene Filmdrittel läßt das schillernde Typenensemble zu glaubhaften Charakteren werden, angeführt von Wallace Beery als kauzigem Professor mit der Marotte, zweifelnde Journalisten erst einmal zu verprügeln.
Noch ein weiteres Fabelwesen aus der Feder Conan Doyles durfte wiederauferstehen: "Der Hund von Baskerville" streift bereits in Maurice Elveys Verfilmung von 1921 über englische Hügel, das Fell gespenstisch schimmernd, wurden doch seine Konturen offensichtlich noch einmal von Hand in den Filmstreifen geritzt. Wie in "The Lost World" erweitert die Ironie des Autors die noch jungen Genrekonventionen. So darf Sherlock Holmes im letzten Zwischentitel das finale Eheglück seines Auftraggebers mit der trockenen Bemerkung konterkarieren, er selbst bevorzuge doch lieber einen Scotch mit Soda.
Auch wenn seine postume Wiederentdeckung Maurice Elvey, der zwischen 1913 und 1953 rund zweihundert Filme drehte, noch immer nicht in den Olymp der großen Kinoautoren erhebt, wurde ihm doch eine seltene Ehre zuteil: Ein Film, den er selbst nie auf der Leinwand hatte sehen können und doch für seinen bedeutendsten hielt, erlebte in Pordenone fast achtzig Jahre später seine internationale Premiere.
Wenn man bedenkt, daß verschollene Filme - wenn überhaupt - zumeist noch immer in jenen Archiven wiederentdeckt werden, wo sie einmal vergessen wurden, muten Ausnahmen um so spektakulärer an. Im Kriegsjahr 1918 wechselten 20000 Pfund ihren Besitzer und mit ihnen das gesamte Material eines Films, der seither als verloren galt. Wäre das zweieinhalbstündige Historienepos "The Story of David Lloyd George" damals in die Kinos gelangt, hätte sich wohl ein anderes Bild der frühen britischen Filmgeschichte etabliert als das sprichwörtliche Warten auf Hitchcock. Das Walisische Filmarchiv, eine der kleinsten Kinematheken der Welt, entdeckte ebenjenes Kameranegativ, das sein Regisseur zeitlebens für zerstört hielt, fast unversehrt in einer Kiste mit "Wochenschau"-Ausschnitten, die es vom Enkel Lloyd Georges erhalten hatte.
"The Man who Saved the British Empire" hatte das Projekt in den ersten Ankündigungen geheißen, und tatsächlich lassen Elvey und sein Autor, der berühmte zeitgenössische Historiker Sir Sidney Low, keinen Zweifel am historischen Rang des damaligen liberalen Premierministers. Auch wenn das Schreckensbild des deutschen Kaisers in blutroter Virage patriotische Gefühle schürt und der Brite in allegorischer Verklärung als David gegen einen teutonischen Goliath mit Pickelhaube antritt, liegt das Hauptaugenmerk auf den Sozialreformen, die dem Politiker zugeschrieben werden: der Einführung von Krankenversicherung und Renten sowie verbesserten Arbeitsbedingungen für Seeleute. Sollte der seinerzeit angesehenste Politiker des Landes gar gefürchtet haben, zu einer Zeit, da sich in Rußland der Bolschewismus etablierte, als Wegbereiter des Sozialismus hingestellt zu werden? Der Fundort des Materials legt jedenfalls nahe, daß nicht allein eine damals weithin publizierte antisemitische Intrige rechtsextremer Kreise gegenüber dem Produzenten für das Verschwinden des Films verantwortlich gemacht werden kann.
Auch wenn sich Elveys Filmsprache kaum anschickt, einem D. W. Griffith Konkurrenz zu machen, überrascht doch die Souveränität, mit der er das Sujet bewältigt - was könnte für einen Stummfilm undankbarer scheinen als die Biographie eines politischen Redners? In immer neuen Kulissen variiert Elvey die statische Vorgabe, wobei ihm die walisische Bevölkerung kostenlose Statistendienste leistet: Nichts sei ihm bei diesem Film unmöglich gewesen, erinnerte er sich später.
Auch Griffith, dem Wegbereiter des modernen Erzählkinos, galt eine Retrospektive, mit der das kleine, aber stets von hochkarätigen Wissenschaftlern und internationalen Cinephilen besuchte Festival weit ins nächste Jahrtausend ausholt: Jahr für Jahr will man sich durch das Gesamtwerk des Regisseurs arbeiten. Den Beginn machte das Jahr 1908, als er erstmals hinter die Kamera trat. Der jetzige Forschungsstand ist in der Tat bestürzend; die meisten der frühen Arbeiten sind nie restauriert worden und liegen nur in schlechten 16-Millimeter-Kopien ohne Zwischentitel vor. Um so glanzvoller gestaltete sich der Auftakt mit einer in Bild und Premierenmusik rekonstruierten Fassung jenes Films, mit dem Griffith 1915 Filmgeschichte schrieb. Mit der Galaaufführung von "The Birth of a Nation" nahmen die "Giornate del Cinema Muto" zugleich Abschied von David Gill, dessen letzte Restaurierungsarbeit dies ist. Als Filmhistoriker und Fernsehdokumentarist hat der Engländer in den vergangenen Jahrzehnten wie nur wenige dazu beigetragen, das, wie er es gerne ausdrückte, "fragile Erbe der jüngsten aller Künste" zu bewahren.
Ausgestattet mit einer Carte blanche, informierte das Münchner Filmmuseum über den Fortgang seiner Restaurierungsarbeit unter dem neuen Leiter Jan-Christopher Horak. Zu den herausragenden Projekten Horaks zählt die Wiederentdeckung des deutschen Regisseurs, Autors und Produzenten Robert Reinert (1872-1928). Hätte Siegfried Kracauer nicht erst in Dr. Caligari einen Vorboten Hitlers sehen wollen und seine Studie schon früher angesetzt, Reinert wäre sein Kronzeuge gewesen. Seine sogenannten "Monumentalfilmwerke" widersetzen sich in ihrer spätsymbolistischen Bildsprache gängigen Modernismus-Diskursen und überwältigen doch mitunter in der Maßlosigkeit und Verwegenheit ihres filmischen Vokabulars. Mit eigener Produktionsfirma drehte er in jahrelanger Arbeit abstrus-verworrene Abenteuerfilme, die den Untergang des Abendlandes in Zeiten republikanischer Wirren beschwören: "Nerven" von 1919 beleuchtet das Verhältnis eines konservativen und eines linksradikalen Politikers, die einander einen denkwürdigen Nervenkrieg liefern und mit den Erkenntnissen der jungen Psychoanalyse in den Wahnsinn treiben: Schon mit der irreführenden Eröffnungssequenz eines gespenstigen Bürgerkriegs, der sich erst sehr viel später als Wahnvision entpuppt, nimmt Reinert dabei auch den Zuschauer als Geisel. So bizarr wie seine als Ideal beschworene Naturverbundenheit ist dabei die Bildsprache - eine rasante Achterbahnfahrt zwischen "high" und "low". Spektakuläres mischt sich mit Spekulativem, Erhabenes mit unfreiwillig Erheiterndem. Salonmaler wie Böcklin, Feuerbach oder Segantini standen Pate bei den kameratechnisch meisterhaft arrangierten Tableaus, die sich nicht scheuen, selbst nackte Meermädchen als Dekor für ihre ausufernden Gedankenströme zu gewinnen.
Schon die zeitgenössische Kritik bedachte Reinerts Kunstwollen und sein oft verbissenes Philosophieren gern mit Spott, und nicht lange nachdem er sich mit seinem aufwendigsten Epos "Sterbende Völker" zu einer Art Oswald Spengler der Filmwelt verstiegen hatte, verschwand er auch aus der Erinnerung. Als Vertreter einer antimodernistischen Filmavantgarde verdient Reinert dabei durchaus Interesse - anzusiedeln irgendwo zwischen Harbou und Harlan. DANIEL KOTHENSCHULTE
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"The Lost World": Stummfilmentdeckungen beim Festival von Pordenone
PORDENONE, Anfang November
Wenn Steven Spielberg mit der Rückkehr seiner Riesenechsen unlängst selbst wohlgesinnte Kritiker enttäuschte, mag dies nicht zuletzt am klangvollen Titel gelegen haben, den er sich ausgesucht hatte: "The Lost World", so hieß nach Sir Arthur Conan Doyles phantastischem Roman schon dessen stumme Verfilmung aus dem Jahre 1925 - für die Geschichte der Tricktechnik kein geringerer Meilenstein als Spielbergs "Jurassic Park" siebzig Jahre später. Wer freilich einmal eine der fragmentarischen Kopien dieser frühen filmischen Saurierexpedition mit Willis O'Briens berühmten Stop-Motion-Animationen gesehen hat, wird sie im Vergleich mit dessen späterem "King Kong" eher als achtbare Fingerübung eingeschätzt haben.
Das alljährliche Stummfilmfestival im norditalienischen Pordenone revidierte mit der Premiere einer neuen Rekonstruktion das Bild dieses Filmklassikers von Grund auf: Wenn nun in verschwenderischen Totalen ein rundes Dutzend urzeitlicher Echsen zugleich seinem geruhsamen Tagewerk nachgeht, verliert sich der Blick für die leichten Unebenheiten des Puppentricks. Die Animationen nehmen jetzt so breiten Raum ein, daß aus dem "Kino der Attraktionen" eine lakonische Selbstverständlichkeit wird. Da läßt sich einer der gefürchteten Fleischfresser dabei beobachten, wie er mitten im Gefecht mit einem Brontosaurus noch Zeit findet, einen ahnungslosen Flugsaurier zu verspeisen. Unabhängig von allen Schauwerten gewinnt vor allem die Abenteuerdramaturgie in der neuen Fassung an Gewicht. Erst das hinzugewonnene Filmdrittel läßt das schillernde Typenensemble zu glaubhaften Charakteren werden, angeführt von Wallace Beery als kauzigem Professor mit der Marotte, zweifelnde Journalisten erst einmal zu verprügeln.
Noch ein weiteres Fabelwesen aus der Feder Conan Doyles durfte wiederauferstehen: "Der Hund von Baskerville" streift bereits in Maurice Elveys Verfilmung von 1921 über englische Hügel, das Fell gespenstisch schimmernd, wurden doch seine Konturen offensichtlich noch einmal von Hand in den Filmstreifen geritzt. Wie in "The Lost World" erweitert die Ironie des Autors die noch jungen Genrekonventionen. So darf Sherlock Holmes im letzten Zwischentitel das finale Eheglück seines Auftraggebers mit der trockenen Bemerkung konterkarieren, er selbst bevorzuge doch lieber einen Scotch mit Soda.
Auch wenn seine postume Wiederentdeckung Maurice Elvey, der zwischen 1913 und 1953 rund zweihundert Filme drehte, noch immer nicht in den Olymp der großen Kinoautoren erhebt, wurde ihm doch eine seltene Ehre zuteil: Ein Film, den er selbst nie auf der Leinwand hatte sehen können und doch für seinen bedeutendsten hielt, erlebte in Pordenone fast achtzig Jahre später seine internationale Premiere.
Wenn man bedenkt, daß verschollene Filme - wenn überhaupt - zumeist noch immer in jenen Archiven wiederentdeckt werden, wo sie einmal vergessen wurden, muten Ausnahmen um so spektakulärer an. Im Kriegsjahr 1918 wechselten 20000 Pfund ihren Besitzer und mit ihnen das gesamte Material eines Films, der seither als verloren galt. Wäre das zweieinhalbstündige Historienepos "The Story of David Lloyd George" damals in die Kinos gelangt, hätte sich wohl ein anderes Bild der frühen britischen Filmgeschichte etabliert als das sprichwörtliche Warten auf Hitchcock. Das Walisische Filmarchiv, eine der kleinsten Kinematheken der Welt, entdeckte ebenjenes Kameranegativ, das sein Regisseur zeitlebens für zerstört hielt, fast unversehrt in einer Kiste mit "Wochenschau"-Ausschnitten, die es vom Enkel Lloyd Georges erhalten hatte.
"The Man who Saved the British Empire" hatte das Projekt in den ersten Ankündigungen geheißen, und tatsächlich lassen Elvey und sein Autor, der berühmte zeitgenössische Historiker Sir Sidney Low, keinen Zweifel am historischen Rang des damaligen liberalen Premierministers. Auch wenn das Schreckensbild des deutschen Kaisers in blutroter Virage patriotische Gefühle schürt und der Brite in allegorischer Verklärung als David gegen einen teutonischen Goliath mit Pickelhaube antritt, liegt das Hauptaugenmerk auf den Sozialreformen, die dem Politiker zugeschrieben werden: der Einführung von Krankenversicherung und Renten sowie verbesserten Arbeitsbedingungen für Seeleute. Sollte der seinerzeit angesehenste Politiker des Landes gar gefürchtet haben, zu einer Zeit, da sich in Rußland der Bolschewismus etablierte, als Wegbereiter des Sozialismus hingestellt zu werden? Der Fundort des Materials legt jedenfalls nahe, daß nicht allein eine damals weithin publizierte antisemitische Intrige rechtsextremer Kreise gegenüber dem Produzenten für das Verschwinden des Films verantwortlich gemacht werden kann.
Auch wenn sich Elveys Filmsprache kaum anschickt, einem D. W. Griffith Konkurrenz zu machen, überrascht doch die Souveränität, mit der er das Sujet bewältigt - was könnte für einen Stummfilm undankbarer scheinen als die Biographie eines politischen Redners? In immer neuen Kulissen variiert Elvey die statische Vorgabe, wobei ihm die walisische Bevölkerung kostenlose Statistendienste leistet: Nichts sei ihm bei diesem Film unmöglich gewesen, erinnerte er sich später.
Auch Griffith, dem Wegbereiter des modernen Erzählkinos, galt eine Retrospektive, mit der das kleine, aber stets von hochkarätigen Wissenschaftlern und internationalen Cinephilen besuchte Festival weit ins nächste Jahrtausend ausholt: Jahr für Jahr will man sich durch das Gesamtwerk des Regisseurs arbeiten. Den Beginn machte das Jahr 1908, als er erstmals hinter die Kamera trat. Der jetzige Forschungsstand ist in der Tat bestürzend; die meisten der frühen Arbeiten sind nie restauriert worden und liegen nur in schlechten 16-Millimeter-Kopien ohne Zwischentitel vor. Um so glanzvoller gestaltete sich der Auftakt mit einer in Bild und Premierenmusik rekonstruierten Fassung jenes Films, mit dem Griffith 1915 Filmgeschichte schrieb. Mit der Galaaufführung von "The Birth of a Nation" nahmen die "Giornate del Cinema Muto" zugleich Abschied von David Gill, dessen letzte Restaurierungsarbeit dies ist. Als Filmhistoriker und Fernsehdokumentarist hat der Engländer in den vergangenen Jahrzehnten wie nur wenige dazu beigetragen, das, wie er es gerne ausdrückte, "fragile Erbe der jüngsten aller Künste" zu bewahren.
Ausgestattet mit einer Carte blanche, informierte das Münchner Filmmuseum über den Fortgang seiner Restaurierungsarbeit unter dem neuen Leiter Jan-Christopher Horak. Zu den herausragenden Projekten Horaks zählt die Wiederentdeckung des deutschen Regisseurs, Autors und Produzenten Robert Reinert (1872-1928). Hätte Siegfried Kracauer nicht erst in Dr. Caligari einen Vorboten Hitlers sehen wollen und seine Studie schon früher angesetzt, Reinert wäre sein Kronzeuge gewesen. Seine sogenannten "Monumentalfilmwerke" widersetzen sich in ihrer spätsymbolistischen Bildsprache gängigen Modernismus-Diskursen und überwältigen doch mitunter in der Maßlosigkeit und Verwegenheit ihres filmischen Vokabulars. Mit eigener Produktionsfirma drehte er in jahrelanger Arbeit abstrus-verworrene Abenteuerfilme, die den Untergang des Abendlandes in Zeiten republikanischer Wirren beschwören: "Nerven" von 1919 beleuchtet das Verhältnis eines konservativen und eines linksradikalen Politikers, die einander einen denkwürdigen Nervenkrieg liefern und mit den Erkenntnissen der jungen Psychoanalyse in den Wahnsinn treiben: Schon mit der irreführenden Eröffnungssequenz eines gespenstigen Bürgerkriegs, der sich erst sehr viel später als Wahnvision entpuppt, nimmt Reinert dabei auch den Zuschauer als Geisel. So bizarr wie seine als Ideal beschworene Naturverbundenheit ist dabei die Bildsprache - eine rasante Achterbahnfahrt zwischen "high" und "low". Spektakuläres mischt sich mit Spekulativem, Erhabenes mit unfreiwillig Erheiterndem. Salonmaler wie Böcklin, Feuerbach oder Segantini standen Pate bei den kameratechnisch meisterhaft arrangierten Tableaus, die sich nicht scheuen, selbst nackte Meermädchen als Dekor für ihre ausufernden Gedankenströme zu gewinnen.
Schon die zeitgenössische Kritik bedachte Reinerts Kunstwollen und sein oft verbissenes Philosophieren gern mit Spott, und nicht lange nachdem er sich mit seinem aufwendigsten Epos "Sterbende Völker" zu einer Art Oswald Spengler der Filmwelt verstiegen hatte, verschwand er auch aus der Erinnerung. Als Vertreter einer antimodernistischen Filmavantgarde verdient Reinert dabei durchaus Interesse - anzusiedeln irgendwo zwischen Harbou und Harlan. DANIEL KOTHENSCHULTE
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