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24 Stunden in L.A. Neun Menschen. Neun Schicksale. Wie ein Spinnennetz sind alle miteinander verwoben. Und ein gewaltiger Sturm an Gefühlen bricht über sie herein. Wie bei Frank T.J. Mackey (Tom Cruise). Ist es Zufall, dass der charismatische Sex-Prediger gerade heute, nach so vielen Jahren, seinen Vater (Jason Robards) wiedersieht? Seine verhasste Kindheit kommt wieder hoch, und dennoch wurde er genau wie sein Vater, der erfolgreiche TV-Produzent Earl Patridge, ein Star im Medienrummel. Und was ist mit der schönen, mondänen Linda (Julianne Moore), Earls Frau? Sie besitzt alles, was mit Geld…mehr

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Produktbeschreibung
24 Stunden in L.A. Neun Menschen. Neun Schicksale. Wie ein Spinnennetz sind alle miteinander verwoben. Und ein gewaltiger Sturm an Gefühlen bricht über sie herein. Wie bei Frank T.J. Mackey (Tom Cruise). Ist es Zufall, dass der charismatische Sex-Prediger gerade heute, nach so vielen Jahren, seinen Vater (Jason Robards) wiedersieht? Seine verhasste Kindheit kommt wieder hoch, und dennoch wurde er genau wie sein Vater, der erfolgreiche TV-Produzent Earl Patridge, ein Star im Medienrummel. Und was ist mit der schönen, mondänen Linda (Julianne Moore), Earls Frau? Sie besitzt alles, was mit Geld zu kaufen ist, ist aber grenzenlos einsam. Erst dann, als Earl im Sterben liegt, findet sie heraus, was Liebe heisst.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.02.2000

Zur gleichen Zeit, woanders
Zum ersten Mal das neue Jahrtausend im Wettbewerb: Paul Thomas Andersons "Magnolia" versteht von allem etwas

Die Bilder kommen uns bekannt vor. Ein junger Mann stürzt sich vom Dach eines Gebäudes in die Tiefe. So begann schon vor wenigen Tagen Wim Wenders' Film "The Million Dollar Hotel". Dort schauten wir aus der Sicht des Fallenden in die Zimmer, streiften mit dem letzten Blick der Hauptfigur die Schicksale von Menschen, die wir zum ersten Mal sahen und später kennen lernen würden. In "Magnolia" schneidet Autor und Regisseur Paul Thomas Anderson in eines dieser Zimmer hinein. Ein älteres Paar streitet sich heftig, der Mann hat ein Gewehr in der Hand. Plötzlich drückt er ab. Der Schuss verfehlt die Frau und trifft den Jungen, der in diesem Moment vor dem Fenster vorbeifliegt. Der Selbstmörder hätte den Sturz überlebt, denn er fiel in ein Netz, das für Fensterputzer aufgespannt worden war. Doch die Kugel, abgefeuert von seinem eigenen Vater, aus einem Gewehr, das er selbst geladen hatte, traf ihn tödlich. Wer kann sich so etwas ausdenken? Nur die Wirklichkeit.

Mit einem Prolog, der drei unglaubliche, aber wahre Geschichten in einem frenetischen Tempo Revue passieren lässt, beginnt "Magnolia". Es sind allesamt Fall-Studien: Drei Mörder, deren Namen zusammengenommen den Ort ihres Verbrechens ergeben, werden gehängt; ein Taucher, der von einem Löschflugzeug aus dem See gehoben wurde, landet im Baum; der Junge stürzt sich vom Dach. Der Film nimmt drei Anläufe, um kopfüber in das Leben mit seinen Absonderlichkeiten und bizarren Zufällen zu springen. Aus der luftigen Höhe der Tatsachen landet er auf dem Boden der Phantasie und wechselt aus der Vertikalen in die Horizontale: Eine Straße, auf der sich die Wege seiner vielen Figuren kreuzen, auf der sie ein Stück nebeneinander her- oder aneinander vorbeifahren, ohne voneinander zu ahnen, wird immer mehr zum Hauptschauplatz. Sie heißt: Magnolia.

Der Film ist gebaut wie ein kompliziertes Straßennetz. Achtspurig oder sechsspurig, wenn er sich verjüngt, verläuft er durch das San Fernando Valley. Es gibt Verkehrsknotenpunkte, an denen die Erzählstränge verknüpft werden, es gibt in der Mitte eine emotionale Rushhour, bei der viele Figuren so bewegt und in Aufruhr sind, dass der Stillstand folgen muss. Wenn es dann weitergeht, beginnen wir zu ahnen, wie die komplizierten, zwei- oder dreistöckigen und reichlich verschlungenen Brückenkonstruktionen die verschiedenen Schicksale verbinden. Schon im ersten Drittel des Films führt uns eine mehrere Minuten lange Einstellung vor Augen, dass alles mit allem zusammenhängt. Sie durchmisst ein Fernsehstudio: Stanley Spector (Jeremy Blackman), ein Whiz Quiz Kid, das auf jede Frage eine Antwort weiß, und Jimmy Gator (Philip Baker Hall), Moderator der Show "What Do Kids Know?", der soeben erfahren hat, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist, treffen hier aufeinander.

Zur gleichen Zeit, an einer anderen Abzweigung: Jim Kurring (John C. Reilly) ist Polizist, aber felsenfest überzeugt, dass in jedem Menschen ein guter Kerl steckt, der nur darauf wartet, herausgelassen zu werden. Dabei möchte Jim nach Kräften helfen und packt mit seinen zwei linken Händen fest zu. Er ist umständlich, nervtötend, komisch - und genau das, wonach sich Claudia (Melora Walter) sehnt, für die sich noch nie in ihrem Leben jemand Zeit genommen hat. Zur gleichen Zeit, einige Blocks weiter: Eine Kamera wird für Frank T. J. Mackey (Tom Cruise) aufgebaut, der sich seinerseits vor der Kamera aufbaut. In Seminaren stählt er Männer für den Kampf der Geschlechter. Nun gibt er dem Fernsehen Auskunft. Die Bühne dieses Selbstdarstellers reicht bis den Zuschauerraum unseres Kinos: Wie bei der TV-Aufzeichnung, die hier vorbereitet wird, passt sich Robert Elswitt, der Kameramann von "Magnolia", dem ruhelosen, energiegeladenen Tom Cruise auf Schnitt und Tritt an, und Anderson fällt dem Schauspieler, der nie besser war, zu Recht mit keinem Schnitt in den Arm.

Ein menschlicher Dynamo, eine Lächelmaschine, ein Zwitterwesen, in dem Figur und Darsteller verschmelzen und von dem wir nicht wissen, ob es mitten aus der amerikanischen Realität oder aber aus der Berlinale-Retrospektive über künstliche Menschen in diesen Film geraten ist, schlägt uns in Bann - und dann schlägt der Blitz ein. Von der Reporterin mit seiner Vergangenheit und seiner erfundenen Vita konfrontiert, gefriert Franks Lächeln. Statt - wie bisher - hin und her zu eilen, um Frank zu folgen, fährt die Kamera langsam, insistierend auf sein Gesicht zu, das erstarrt und erst dadurch lebendig wird. Diese Fahrt führt ins Zentrum des Films. Ziemlich genau in der Mitte ist "Magnolia" - der drei Stunden dauert und keine Sekunde zu lang ist - so dicht bei seinen Figuren, dass wir ihren Atem spüren. Er schafft es, sich von einer Figur zu entfernen, und nach jedem Schnitt der nächsten noch näher zu sein.

Während der Film Frank zurücklässt, den fragenden Blick der Reporterin wie einen Pistolenlauf auf ihn gerichtet, steht Linda Partridge (Julianne Moore) in einer Apotheke, misstrauisch beäugt von den beiden Männern hinter dem Tresen. Sie hat ein Rezept für Morphium dabei, das der Arzt ihrem todkranken Mann (Jason Robards) verschrieben hat. Doch die beiden Männer verraten mit jedem Satz und jeder Geste, dass sie glauben, Linda selbst nehme das Mittel als Droge. Wir empfinden mit ihr den seelischen Schmerz, der wächst und wächst, der durch nichts betäubt werden kann und der sich plötzlich Luft macht in einem hysterischen, hilflosen Wutanfall. Ein Drama des Alltags, das sich genau so jederzeit und allerorten in irgendeiner Apotheke ereignen könnte, wird vor unseren Augen so groß, das es die Leinwand sprengt und uns mitreißt.

Der Film hat nicht durchgehend diese Stärke und Kraft. Manchmal entlässt er uns aus seinem Griff, und dafür sind wir dankbar. Paul Thomas Anderson, dem schon mit "Boogie Nights" ein Meisterwerk gelang, jongliert mit so vielen Bällen, dass es nicht verwundern kann, wenn er einen davon fallen lässt. Er entfaltet ein wundersames Wechselspiel zwischen seinen Figuren, die uns noch lange begleiten, nachdem wir das Kino verlassen haben. Sie heißen Parma, Gator, Spector oder Partridge. Das sind Namen aus den fünfziger, sechziger oder siebziger Jahren. "Magnolia" nimmt einen langen Anlauf, dann springt er ab und landet mitten in unserer Gegenwart: Er ist der erste Film des neuen Jahrtausends.

LARS-OLAV BEIER

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