Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.01.2009Die Verlorenen
Gus van Sants Debüt aus den Straßen von Portland
Gus van Sant: "Mala Noche".
Pierrot le Fou. 75 Minuten, englisch, deutsche UT, Trailer, Interview.
Walt, der im Pfandhaus an der Kasse steht, ist schwer verliebt in Johnny, kauft eine alte Filmkamera und zeichnet auf, was er erlebt, während er versucht, dem Angebeteten nahe zu kommen. Walt ist weiß, Johnny ein schöner Drifter aus Mexiko, der mit anderen gerade in Oregon gelandeten jungen Mexikanern durch Portland zieht. Die schlechte Nacht des Titels verbringt Walt mit einem dieser anderen Mexikaner, Roberto. Liebe ist keine Option, und nicht mal der Sex ist besonders anregend, wie Walt uns nach dieser Nacht mitteilt: "Macho motherfucker. They all had a good laugh about how they fucked the gringo."
"Mala Noche" gilt als Schlüsselwerk des New Queer Cinema, und es versammelt die wesentlichen Themen, die Gus van Sant in seinen späteren Filmen beschäftigen, die Sehnsucht zwischen Männern, das Hin- und Hertreiben Jugendlicher zwischen Orten und Menschen, und selbst die Wolken, die in "My Own Private Idaho" im Zeitraffer über den Himmel ziehen, wenn River Phoenix in den Tiefschlaf fällt, sehen wir schon hier. Die Geschichte, eine Adaption des gleichnamigen autobiographischen Buches von Walt Curtis, den Gus van Sant einen verspäteten Beat-Dichter nennt, bleibt rudimentär; es ist eher eine Stimmung, in die wir gezogen werden, erzeugt von schwarzweißen Bilder, die angeschnitten, schräg und verzerrt sind, wenn sie von Räumen erzählen, und weit und verloren wirken, wenn Landschaft dazukommt. Die Figuren bleiben einsam, auch wenn sie tanzen, sie finden keine Heimat in den Bildern, finden einander nicht, wissen nicht, wer sie sind.
Gus van Sant drehte diesen ersten Film 1985 mit einem Budget von 20 000 Dollar, einer Crew von Drei (er selbst, John Campbell an der Kamera und Pat Baum für den Ton) und einer Handvoll Darstellern, die zum großen Teil keine Schauspieler waren, in den Straßen von Portland in Oregon. Vom Dogma-Manifest war damals noch nicht die Rede, aber in dem Gespräch aus dem Jahr 2007, das als Extra dieser DVD beigefügt ist, erzählt er, dass es genau dessen Prinzipien waren, nach denen dieser Film entstand: ohne künstliches Licht, ohne Kulissen an Originalschauplätzen, ohne Stars natürlich, ohne die übliche Schnittmasse an gedrehtem Material, ohne Stative für die Handkamera. Erstaunlich, wie gut er sich gehalten hat.
lue.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gus van Sants Debüt aus den Straßen von Portland
Gus van Sant: "Mala Noche".
Pierrot le Fou. 75 Minuten, englisch, deutsche UT, Trailer, Interview.
Walt, der im Pfandhaus an der Kasse steht, ist schwer verliebt in Johnny, kauft eine alte Filmkamera und zeichnet auf, was er erlebt, während er versucht, dem Angebeteten nahe zu kommen. Walt ist weiß, Johnny ein schöner Drifter aus Mexiko, der mit anderen gerade in Oregon gelandeten jungen Mexikanern durch Portland zieht. Die schlechte Nacht des Titels verbringt Walt mit einem dieser anderen Mexikaner, Roberto. Liebe ist keine Option, und nicht mal der Sex ist besonders anregend, wie Walt uns nach dieser Nacht mitteilt: "Macho motherfucker. They all had a good laugh about how they fucked the gringo."
"Mala Noche" gilt als Schlüsselwerk des New Queer Cinema, und es versammelt die wesentlichen Themen, die Gus van Sant in seinen späteren Filmen beschäftigen, die Sehnsucht zwischen Männern, das Hin- und Hertreiben Jugendlicher zwischen Orten und Menschen, und selbst die Wolken, die in "My Own Private Idaho" im Zeitraffer über den Himmel ziehen, wenn River Phoenix in den Tiefschlaf fällt, sehen wir schon hier. Die Geschichte, eine Adaption des gleichnamigen autobiographischen Buches von Walt Curtis, den Gus van Sant einen verspäteten Beat-Dichter nennt, bleibt rudimentär; es ist eher eine Stimmung, in die wir gezogen werden, erzeugt von schwarzweißen Bilder, die angeschnitten, schräg und verzerrt sind, wenn sie von Räumen erzählen, und weit und verloren wirken, wenn Landschaft dazukommt. Die Figuren bleiben einsam, auch wenn sie tanzen, sie finden keine Heimat in den Bildern, finden einander nicht, wissen nicht, wer sie sind.
Gus van Sant drehte diesen ersten Film 1985 mit einem Budget von 20 000 Dollar, einer Crew von Drei (er selbst, John Campbell an der Kamera und Pat Baum für den Ton) und einer Handvoll Darstellern, die zum großen Teil keine Schauspieler waren, in den Straßen von Portland in Oregon. Vom Dogma-Manifest war damals noch nicht die Rede, aber in dem Gespräch aus dem Jahr 2007, das als Extra dieser DVD beigefügt ist, erzählt er, dass es genau dessen Prinzipien waren, nach denen dieser Film entstand: ohne künstliches Licht, ohne Kulissen an Originalschauplätzen, ohne Stars natürlich, ohne die übliche Schnittmasse an gedrehtem Material, ohne Stative für die Handkamera. Erstaunlich, wie gut er sich gehalten hat.
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