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Lee Chandler (Casey Affleck) ist ein schweigsamer Einzelgänger, der als Handwerker eines Wohnblocks in Boston arbeitet. An einem feuchtkalten Wintertag erhält er einen Anruf, der sein Leben auf einen Schlag verändert. Das Herz seines Bruders Joe (Kyle Chandler) steht still. Nun soll Lee die Verantwortung für seinen 16-jährigen Neffen Patrick übernehmen. Äußerst widerwillig kehrt er in seine Heimat, die Hafenstadt Manchester-by-the-Sea, zurück. Doch ist Lee dieser Situation und der neuen Herausforderung gewachsen? Kann die Begegnung mit seiner (Ex-) Frau Randi (Michelle Williams), mit der er…mehr

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Produktbeschreibung
Lee Chandler (Casey Affleck) ist ein schweigsamer Einzelgänger, der als Handwerker eines Wohnblocks in Boston arbeitet. An einem feuchtkalten Wintertag erhält er einen Anruf, der sein Leben auf einen Schlag verändert. Das Herz seines Bruders Joe (Kyle Chandler) steht still. Nun soll Lee die Verantwortung für seinen 16-jährigen Neffen Patrick übernehmen. Äußerst widerwillig kehrt er in seine Heimat, die Hafenstadt Manchester-by-the-Sea, zurück. Doch ist Lee dieser Situation und der neuen Herausforderung gewachsen? Kann die Begegnung mit seiner (Ex-) Frau Randi (Michelle Williams), mit der er einst ein chaotisches, aber glückliches Leben führte, die alten Wunden der Vergangenheit heilen?

Bonusmaterial

- Unveröffentlichte Szenen - Das Making-of von "Manchester by the Sea" - Filmkommentar mit Regisseur/Autor Kenneth Lonergan
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.01.2017

Am Wendekreis des Schmerzes

Kenneth Lonergans Film "Manchester by the Sea" erzählt auf anrührende Weise davon, wie das Leben nach einer Familientragödie weitergeht.

Am Anfang fahren zwei Männer und ein Junge in einem Fischtrawler hinaus aufs Meer. Der jüngere Mann ist der Onkel, der ältere der Vater des Jungen; sie lachen, schauen aufs Wasser, reden über Haie, trinken Bier. Dann sieht man den jüngeren Mann vor einem Mietshaus Schnee schaufeln. Seine Miene ist versteinert, sein Blick bleibt leer, während er drinnen im Haus verstopfte Toiletten und ausgefallene Heizungen repariert und von Mieterinnen mit begehrlichen Blicken gestreift wird. Es sind offenbar zwei Zeiten, zwei Lebensphasen, die hier zusammentreffen, und eine Zeitlang stehen sie nebeneinander, ohne dass man die Bilder sortieren und in eine Reihenfolge bringen könnte. Dann bekommt Lee, der Mann im Schnee, einen Anruf: Sein Bruder Joe ist an einem Herzinfarkt gestorben. Die schlimme Zeit, die Winterzeit, begreift man, ist das Jetzt, die Gegenwart.

Kenneth Lonergans Film "Manchester by the Sea" erzählt von zwei Brüdern, ihren Familien und einem Städtchen am Atlantik, an der amerikanischen Ostküste. Vor allem aber erzählt er von der Zeit. Sie heile alle Wunden, heißt es, aber das ist nicht wahr: Sie deckt sie nur zu. Die Zeit, die vergangen ist, seit Lee Chandler aus Manchester-by-the-Sea nach Boston zog, um einen Job als Hausmeister anzunehmen, hat seine Wunde zugedeckt, aber der Anruf, der ihn beim Schneeschippen ereilt, reißt sie wieder auf. Er steigt ins Auto. Und er erinnert sich. An den Tag, an dem sein Bruder zum ersten Mal im Krankenhaus lag. Und an die Tage, an denen er selbst eine Familie hatte, eine Frau und drei kleine Kinder. Jetzt hat Lee nur noch einen Haufen Zeit.

Lonergans Film ist nicht sentimental. Er legt keine Geigen auf die Tonspur, um Lees Leid zu beschwören. Er zeigt nur, wie die Erinnerung in Schüben aus seinem Gedächtnis quillt, während er ins Krankenhaus fährt, um die Leiche seines Bruders zu sehen und das Begräbnis vorzubereiten, das wegen der kalten Jahreszeit verschoben werden muss. Da sind die Fahrten auf dem Boot, die Nachmittage zu Hause, die Partys mit Freunden. Da ist die Nacht, in der Lee, der getrunken hat, zu Fuß losgeht, um einzukaufen. Und dann, auf dem Heimweg, das Unfassbare, das ihn bis heute verfolgt.

Wie man das wirkliche Leben oder das, was wir dafür halten, auf die Leinwand bringt, darüber haben sich Generationen von Regisseuren die Köpfe zerbrochen. Im Grunde ist es die Frage des Kinos überhaupt. Die jungen Wilden der Dogma-Bewegung haben sie dadurch gelöst, dass sie alles Künstliche aus den Bildern verbannten, Lampenlicht, Studioton, Kulissen. Andere versuchen der Realität mit modernster Technik auf die Schliche zu kommen, mit Minikameras, Drohnen und Sensoren. Das Resultat ist meistens Krampf. Am Ende führt kein Weg an der Einsicht vorbei, dass man die Wirklichkeit konstruieren muss, um sie einzufangen; dass also der sogenannte Realismus eine Kunst ist wie andere auch, mit ähnlichen Kniffen und Tricks. Eben darum tut es so gut, "Manchester by the Sea" zu sehen. Denn der Film gibt sich erst gar keine Mühe, seine Kunstgriffe zu verbergen. Er konfrontiert die Bilder seiner fiktiven Gegenwart mit den Bildern in Lees Kopf, und manchmal weiß er selbst nicht, welche davon wirklicher sind. Und genau das ist die realistischste Art, von einem Mann zu erzählen, der das Glück seines Lebens unwiederbringlich verloren hat.

Das Testament, das der Bruder hinterlassen hat, ernennt Lee zum Vormund seines sechzehnjährigen Neffen. Aber Lee sträubt sich; er will nicht zurück nach Manchester-by-the-Sea, zu den Schatten der Vergangenheit. Und Patrick, der Neffe, will nicht mit Lee nach Boston ziehen und das Städtchen verlassen, in dem er zwei Freundinnen, eine Rockband und einen Stammplatz in der Eishockeymannschaft seiner Schule hat. Ein Gutteil des Films handelt davon, wie die beiden versuchen, ein tragbares Arrangement zu finden: der Junge, der sein Leben noch vor sich, und der Vierzigjährige, der es hinter sich hat. Wer das, was da verhandelt wird, aus eigener Erfahrung kennt, erkennt es umso erschütterter wieder. Manchmal ist das Kino ein Spiegel, in dem man keine Helden und Monster, sondern die Spuren des eigenen Lebens sieht.

Kenneth Lonergan, der Regisseur, hat in den letzten fünfzehn Jahren drei Filme gedreht und für zwei weitere (die Mafia-Komödie "Analyze This" und Scorseses "Gangs of New York") die Drehbücher geschrieben. Zu "Manchester by the Sea" kam er als Ersatzmann für Matt Damon, der den Film inszenieren und auch die Hauptrolle spielen sollte. Lonergan ersetzte Damon durch Casey Affleck, gab Michelle Williams die Rolle von Lees Exfrau und verlegte die Handlung aus der Großstadt nach Massachusetts. Durch diese drei Regieentscheidungen hat er aus einem guten Stoff einen großen Film gemacht, ein Stück Wirklichkeitskino, wie man es nur alle paar Jahre sieht - zuletzt, 2014, war es Richard Linklaters "Boyhood" -; also viel zu selten.

Denn ebenso wie von der sichtbaren Könnerschaft Casey Afflecks, der hier nach dem Outlaw Robert Ford in "Die Ermordung des Jesse James" den zweiten großen Verlierer seiner Karriere verkörpert, lebt "Manchester by the Sea" von der unsichtbaren Präsenz des Meeres. In dieser Geschichte, die durch Feuer zur Tragödie wird, ist die See die große Trösterin, der Horizont, auf den sich die Hoffnungen der Überlebenden richten, und sei es in Gestalt eines Bootes, das vor dem Verkauf gerettet werden muss. Man meint den Wellenschlag im Hintergrund der Szene zu hören, in der sich Lee und seine Exfrau Randi wiedertreffen. Sie hat ein Kind mit einem anderen. Sie ist bereit, Lee zu verzeihen. Er selbst verzeiht sich nicht. Wie Affleck und Michelle Williams das spielen, hat mehr mit Zauberei als mit Realismus zu tun, und doch ist es ein ganz beiläufiger Augenblick, eine Begegnung auf der Straße, die Tränen der Frau, das Schweigen des Mannes. Man muss es gesehen haben, um es zu glauben.

Dann, am Ende, wieder das Fischerboot. Jetzt steht der Junge am Steuer, und sein Onkel schau zu, aber sonst ist fast alles wie am Anfang, die Felsenküste, die Möwen, das Grau des Ozeans. Wie klein der Sprung ist von einem Bild zum nächsten. Und wie riesengroß. Davon erzählt dieser Film.

ANDREAS KILB

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