Fanny Price weiß genau, was sie will: sie liebt ihren Cousin Edmund, mit dem sie in Mansfield Park, dem prächtigen Landsitz ihrer wohlhabenden Verwandten, aufgewachsen ist. Doch der hat sich ausgerechnet in die charmante, aber sehr ehrgeizige Lady Mary Crawford verliebt.
Als Marys Bruder Henry, ein reicher Dandy, Fanny einen Heiratsantrag macht, lehnt sie energisch ab. Ihr bleibt nun keine andere Wahl: sie Mansfield Park auf der Stelle verlassen, um wieder in die bedrückende Atmosphäre ihres ärmlichen Elternhauses zurückzukehren. Doch eines Tages steht Edmund überraschend vor ihrer Tür...
Als Marys Bruder Henry, ein reicher Dandy, Fanny einen Heiratsantrag macht, lehnt sie energisch ab. Ihr bleibt nun keine andere Wahl: sie Mansfield Park auf der Stelle verlassen, um wieder in die bedrückende Atmosphäre ihres ärmlichen Elternhauses zurückzukehren. Doch eines Tages steht Edmund überraschend vor ihrer Tür...
Bonusmaterial
- hinter den Kulissen (behind the scenes) - Drehbuch: Patrica Rozema DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - Interviews - Behind the ScenesFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.07.2000Whatever happened to Baby Jane?
Trotzköpfchens Triumph: Patricia Rozemas erstaunliche Austen-Verfilmung "Mansfield Park"
Alle verstehe sie, sagt Mary Crawford in Jane Austens Roman wie in Patricia Rozemas Film über die Bewohner von Mansfield Park, nur Fanny Price nicht. "Pray", fragt sie die Brüder Bertram, "is she out, or is she not?" Ist sie draußen, in der Welt, oder steht ihr das Debüt in der Gesellschaft noch bevor? Die Frage der scharfzüngigen Londonerin zielt auf den sozialen Status der Heldin von "Mansfield Park", der Fannys äußerliche Schwäche ausmacht. Aber die Frage berührt, ohne dass Mary Crawford es ahnen würde, auch das seelische Geheimnis, die unerschütterliche innere Stärke von Fanny Price. Mary hatte bemerkt, dass Fanny ihre Cousins zu einem Abendessen in der Nachbarschaft begleitete, als wäre sie schon in die Gesellschaft eingeführt worden. Andererseits sprach sie so wenig, als wüsste sie nichts von der Welt. Fanny ist eine arme Verwandte, eine der vielen Töchter der Schwester von Lady Bertram, die so töricht war, aus Liebe zu heiraten. Gnadenhalber hat Sir Thomas Bertram sie aufgenommen und mit seinen Kindern, aber nicht wie seine Kinder erziehen lassen. Sie gehört dazu und gehört nicht dazu. Ihre Existenz muss der Gesellschaft nicht verheimlicht werden, aber sie soll dort nie den Rang einnehmen, der ihren Cousinen gebührt. Dem sozialen Mangel, dass Fanny weder innen noch außen steht, entspricht die moralische Stärke, dass innere und äußere Existenz nicht auseinander fallen.
Eine Gesichtslesekunst, die aus unwillkürlichen Zuckungen der Mundwinkel auf unausgesprochene Wünsche schließt, wird an Fanny irre. Man hat ihr nicht beigebracht, eine Rolle zu spielen. Sie trägt keine Maske, auch nicht den Panzer der Verbitterung. Eine Szene von Patricia Rozemas Film zeigt die Damen bei der Abendtoilette. Die eine legt noch etwas Rouge auf, die andere experimentiert mit einer Rose. Fanny (Frances O'Connor) tut einen Blick in den Spiegel und bleibt ungeschminkt. Gleichwohl hat Patricia Rozema Fanny ein zweites Gesicht gegeben: die Züge von Jane Austen. Sobald sie die Tür zu ihrem Zimmer schließt, sobald sie allein ist mit ihrem Vetter Edmund, benimmt sich die Fanny des Films anders als im großen Kreis in der Halle. Sie ist nicht mehr das ordentliche Frauenzimmer, das Strümpfe strickt, wie es sich gehört, sondern fängt an zu spinnen: Geschichten denkt sie sich aus, die das genaue Gegenteil ihres Lebens in Mansfield sind, lustig, bunt und spannend. Auf Jane Austens Briefe und auf ihre Jugendarbeiten hat Patricia Rozema zurückgegriffen, die selbst das Drehbuch geschrieben hat. Als kühnes Experiment ist die Verwandlung von Fanny in eine Protofeministin gefeiert worden. Macht aber die Modernisierung den Stoff interessanter? Die unkonventionelle Frau ist eine konventionelle Figur. Wen wundert's, dass aus dem armen Mädchen, das böse Verwandte in ein ungeheiztes Dachzimmer stecken, ein Trotzköpfchen wird, das sich eine Traumwelt erschafft?
Die Moral von Austens Geschichte liegt in dem verblüffenden Umstand, dass es Fanny gelingt, die rechte Ordnung in Mansfield Park wiederherzustellen, ohne aufzubegehren gegen den Patriarchen, der seine Pflichten vergessen hat. Reformation statt Revolution ist die Lehre dieses Romans aus der Zeit der napoleonischen Kriege. Fanny ist, wie der kürzlich verstorbene Tony Tanner in seiner klassischen Einleitung zur Penguin-Ausgabe dargelegt hat, die christlich-stoische Heldin. Ihre Kraft liegt im Leiden. Sie bekommt ihren Willen, weil sie keine Anstalten unternimmt, ihn in die Tat umzusetzen. Das Schicksal hat keine Chance, ihre Absichten zu durchkreuzen. Man kann Fannys Passivität auch zu stark betonen. Patricia Rozemas Erfindung der Dichterin darf sich durchaus auf Charakterzüge der Romanheldin berufen. Fanny hat eine lebhafte Phantasie, die sie durch Romanlektüre füttert. Sie weiß, wie sie sich eine Schlosskapelle vorzustellen hat, finster, melancholisch und großartig, voll gehängt mit Bannern, bedeckt mit Inschriften. Zum Schreiben eigener Ritterromane ist es nur noch ein Schritt. Als Fanny im Roman einmal mit Edmund nachts ans Fenster tritt, entwirft sie das Programm einer ästhetischen Erziehung des Menschen: Fände nur die Erhabenheit der Natur größere Aufmerksamkeit, gerieten die Leute bei Betrachtung einer solchen Szene öfter außer sich, gäbe es weniger Bosheit und weniger Trauer auf der Welt.
Jane Austen hat solcherlei romantischen Enthusiasmus ironisch betrachtet; Fanny ist ebendeshalb weder böse noch traurig, weil sie nie außer sich gerät, sondern immer bei sich bleibt. Es ist Fanny, die Ironikerin, die teilnehmende Beobachterin, die eine Fremde im eigenen Haus ist, die der Schriftstellerin am ähnlichsten sieht. Als Sir Thomas seine Familie verlässt, um sich um seine Interessen in Westindien zu kümmern, schlagen seine Söhne in seiner Bibliothek eine Bühne auf: "Lovers' Vows" studieren sie ein, eine Komödie nach einer Vorlage von Kotzebue, die alle Mitspieler in die verfänglichsten Situationen bringen musste. Nur Fanny wird nicht vom Theaterfimmel gepackt: Indem sie gegenüber der Verlockung standhaft bleibt, erweist sie sich als die wahre Erbin des abwesenden Herrn. Dass Fanny alles tat, um sich nicht im Rampenlicht zu bewähren, hielt sie freilich nicht davon ab, den Proben beizuwohnen. Sie "sah zu und hörte zu", schreibt Jane Austen, "und es amüsierte sie nicht wenig, den Egoismus zu beobachten, der, mehr oder weniger verkleidet, sie alle zu beherrschen schien".
Die Möglichkeit, dass sich aus der Erfinderin der im Film zitierten Phantasiestücke durch Erfahrungen der Art, wie Fanny sie macht, die Analytikerin der Egoismen entwickelt hat, deutet Patricia Rozema nur indirekt an. Dass die Schriftstellerin am Ende des Films, als ihr Gatte ihr erstes Buch bei einem Verleger untergebracht hat, zur Realistin gereift ist, kann man sich höchstens denken. Denn Fanny hat sich nicht sichtlich entwickelt: Darin bleibt der Film dem Buch treu, welches der Anti-Entwicklungsroman schlechthin ist. Mary Crawford und ihr Bruder Henry, die Verführer aus der Hauptstadt, verkörpern den Zug der neuen Zeit, Abwechslung und Anpassung, und ziehen ganz Mansfield, die Zitadelle Alt-Englands, mit. Nur Fanny bleibt an ihrem Platz. Die Bildsprache des Films spielt allerdings nicht mit dieser Opposition von Bewegung und Unbeweglichkeit. Fanny rennt fast so schnell wie ihr Pferd und nennt sich selbst ein "wildes Biest". Der Roman untergräbt die tonangebende Moral durch den Anblick Fannys, die aus einem schmutzigen Loch in Portsmouth kommt, aber - entgegen allen Erwartungen ihrer Verwandten - der Läuterung nicht bedarf. Die reine Seele ist immer schon zivilisiert.
Patricia Rozema wendet diese Kritik der Konvention ins Sentimentale: Der gute Mensch ist das Kind der Wildnis. Weil Fanny den romantischen Glauben bestätigen soll, dass Wilde eben vernünftiger sind, ist eine großartige Szene des Romans weggefallen: der Spaziergang im Park von Sotherton, wo Fanny verzweifelt am Tor Wache hält, während die anderen sich paarweise in der "Wildnis" verlieren. Die Abwehr Fannys gegen den biegsamen und ruhelosen Geist der Moderne, gegen eine Moral des eleganten Arrangements mit dem scheinbar Unvermeidlichen, dieser Widerstand gegen die Zeit zeigt seine Kraft im Roman erst mit der Zeit, dank der unendlichen Geduld der Erzählerin. Ganz langsam spitzt sich das Drama um die Theateraufführung zu bis zur Katastrophe der unerwarteten Rückkehr des Vaters. Patricia Rozema hat nicht nach filmsprachlichen Äquivalenten für das Skandalon des Nichtstuns gesucht, für die unerhörte Meinung, die Dinge sollten lieber bleiben, wie sie sind. Dabei ließe sich auch die stoische Märtyrerin durchaus als feministische Ikone vorstellen. Könnte Fanny nicht in den Hungerstreik treten, um dagegen zu protestieren, dass der Reichtum von Mansfield Park auf der Sklavenwirtschaft beruht? Patricia Rozema lässt sie Sir Thomas die Anklage ins Gesicht sagen.
Die Frage nach dem Sklavenhandel stellt Fanny auch im Roman. Aber wo im Buch das Anstößige verstrickt bleibt in Routinen der Konversation, in Rituale der Höflichkeit, sprechen im Film alle gegenüber jedermann Klartext. Im Roman wird das meiste nur indirekt ausgedrückt, auch die Erwartung der Familie, Fanny möge den Heiratsantrag Henry Crawfords annehmen. Im Film befiehlt Sir Thomas Fanny, dass sie zu gehorchen hat. Harold Pinters Haustyrann ist furchtbar, weil ihm die Willkür ins Gesicht geschrieben steht. Zufällig ist eine Rangfolge, die von der Geburt bestimmt wird, zufällig ist auch das Glück, das in der patriarchalischen Ordnung möglich ist. Der glückliche Ausgang wird im Zeitraffer und im Vogelflug geschildert: Fanny hat die Freiheit, ihre eigene Geschichte zu erzählen, aber sie macht deutlich, dass sie einer narrativen Konvention folgt.
Im beschwingten Rhythmus der Handlung liegt vielleicht der größte Reiz des Films. Lesley Barbers nymaneske Musik imitiert die Korrektheit von Tanzsätzen, um doch unaufhaltsam vorwärtszudrängen. Aus dem Roman, der die Langsamkeit zelebriert, ist erstaunlicherweise ein fabelhaft schneller Film geworden. Patricia Rozemas Deutung von "Mansfield Park" ist eine Umdeutung und eben deshalb legitim: Die freie Hand wird nicht versteckt. Der Roman wäre falsch verstanden, läse man ihn nur als Affirmation einer Schöpfungsordnung, die brave Mädchen in den Himmel kommen lässt. Fanny Price hätte Henry Crawford irgendwann geheiratet, wenn er ihrer würdiger gewesen wäre: Diese Aussage ist fast eine Tautologie, weshalb man sie leicht überliest. Aber sie ist der Stein, über den die stoische Interpretation stolpern sollte. Patricia Rozema hebt die Kontingenz der Entscheidung ans Licht, die von der moralischen Notwendigkeit verdeckt wird, lässt Fanny Henry eines Tages annehmen und am nächsten Morgen wieder zurückweisen. Was berechtigt die Regisseurin zu diesem Eingriff in den Text? Dasselbe ist einer anderen jungen Dame auch passiert. Ihr Name war Jane Austen.
PATRICK BAHNERS
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Trotzköpfchens Triumph: Patricia Rozemas erstaunliche Austen-Verfilmung "Mansfield Park"
Alle verstehe sie, sagt Mary Crawford in Jane Austens Roman wie in Patricia Rozemas Film über die Bewohner von Mansfield Park, nur Fanny Price nicht. "Pray", fragt sie die Brüder Bertram, "is she out, or is she not?" Ist sie draußen, in der Welt, oder steht ihr das Debüt in der Gesellschaft noch bevor? Die Frage der scharfzüngigen Londonerin zielt auf den sozialen Status der Heldin von "Mansfield Park", der Fannys äußerliche Schwäche ausmacht. Aber die Frage berührt, ohne dass Mary Crawford es ahnen würde, auch das seelische Geheimnis, die unerschütterliche innere Stärke von Fanny Price. Mary hatte bemerkt, dass Fanny ihre Cousins zu einem Abendessen in der Nachbarschaft begleitete, als wäre sie schon in die Gesellschaft eingeführt worden. Andererseits sprach sie so wenig, als wüsste sie nichts von der Welt. Fanny ist eine arme Verwandte, eine der vielen Töchter der Schwester von Lady Bertram, die so töricht war, aus Liebe zu heiraten. Gnadenhalber hat Sir Thomas Bertram sie aufgenommen und mit seinen Kindern, aber nicht wie seine Kinder erziehen lassen. Sie gehört dazu und gehört nicht dazu. Ihre Existenz muss der Gesellschaft nicht verheimlicht werden, aber sie soll dort nie den Rang einnehmen, der ihren Cousinen gebührt. Dem sozialen Mangel, dass Fanny weder innen noch außen steht, entspricht die moralische Stärke, dass innere und äußere Existenz nicht auseinander fallen.
Eine Gesichtslesekunst, die aus unwillkürlichen Zuckungen der Mundwinkel auf unausgesprochene Wünsche schließt, wird an Fanny irre. Man hat ihr nicht beigebracht, eine Rolle zu spielen. Sie trägt keine Maske, auch nicht den Panzer der Verbitterung. Eine Szene von Patricia Rozemas Film zeigt die Damen bei der Abendtoilette. Die eine legt noch etwas Rouge auf, die andere experimentiert mit einer Rose. Fanny (Frances O'Connor) tut einen Blick in den Spiegel und bleibt ungeschminkt. Gleichwohl hat Patricia Rozema Fanny ein zweites Gesicht gegeben: die Züge von Jane Austen. Sobald sie die Tür zu ihrem Zimmer schließt, sobald sie allein ist mit ihrem Vetter Edmund, benimmt sich die Fanny des Films anders als im großen Kreis in der Halle. Sie ist nicht mehr das ordentliche Frauenzimmer, das Strümpfe strickt, wie es sich gehört, sondern fängt an zu spinnen: Geschichten denkt sie sich aus, die das genaue Gegenteil ihres Lebens in Mansfield sind, lustig, bunt und spannend. Auf Jane Austens Briefe und auf ihre Jugendarbeiten hat Patricia Rozema zurückgegriffen, die selbst das Drehbuch geschrieben hat. Als kühnes Experiment ist die Verwandlung von Fanny in eine Protofeministin gefeiert worden. Macht aber die Modernisierung den Stoff interessanter? Die unkonventionelle Frau ist eine konventionelle Figur. Wen wundert's, dass aus dem armen Mädchen, das böse Verwandte in ein ungeheiztes Dachzimmer stecken, ein Trotzköpfchen wird, das sich eine Traumwelt erschafft?
Die Moral von Austens Geschichte liegt in dem verblüffenden Umstand, dass es Fanny gelingt, die rechte Ordnung in Mansfield Park wiederherzustellen, ohne aufzubegehren gegen den Patriarchen, der seine Pflichten vergessen hat. Reformation statt Revolution ist die Lehre dieses Romans aus der Zeit der napoleonischen Kriege. Fanny ist, wie der kürzlich verstorbene Tony Tanner in seiner klassischen Einleitung zur Penguin-Ausgabe dargelegt hat, die christlich-stoische Heldin. Ihre Kraft liegt im Leiden. Sie bekommt ihren Willen, weil sie keine Anstalten unternimmt, ihn in die Tat umzusetzen. Das Schicksal hat keine Chance, ihre Absichten zu durchkreuzen. Man kann Fannys Passivität auch zu stark betonen. Patricia Rozemas Erfindung der Dichterin darf sich durchaus auf Charakterzüge der Romanheldin berufen. Fanny hat eine lebhafte Phantasie, die sie durch Romanlektüre füttert. Sie weiß, wie sie sich eine Schlosskapelle vorzustellen hat, finster, melancholisch und großartig, voll gehängt mit Bannern, bedeckt mit Inschriften. Zum Schreiben eigener Ritterromane ist es nur noch ein Schritt. Als Fanny im Roman einmal mit Edmund nachts ans Fenster tritt, entwirft sie das Programm einer ästhetischen Erziehung des Menschen: Fände nur die Erhabenheit der Natur größere Aufmerksamkeit, gerieten die Leute bei Betrachtung einer solchen Szene öfter außer sich, gäbe es weniger Bosheit und weniger Trauer auf der Welt.
Jane Austen hat solcherlei romantischen Enthusiasmus ironisch betrachtet; Fanny ist ebendeshalb weder böse noch traurig, weil sie nie außer sich gerät, sondern immer bei sich bleibt. Es ist Fanny, die Ironikerin, die teilnehmende Beobachterin, die eine Fremde im eigenen Haus ist, die der Schriftstellerin am ähnlichsten sieht. Als Sir Thomas seine Familie verlässt, um sich um seine Interessen in Westindien zu kümmern, schlagen seine Söhne in seiner Bibliothek eine Bühne auf: "Lovers' Vows" studieren sie ein, eine Komödie nach einer Vorlage von Kotzebue, die alle Mitspieler in die verfänglichsten Situationen bringen musste. Nur Fanny wird nicht vom Theaterfimmel gepackt: Indem sie gegenüber der Verlockung standhaft bleibt, erweist sie sich als die wahre Erbin des abwesenden Herrn. Dass Fanny alles tat, um sich nicht im Rampenlicht zu bewähren, hielt sie freilich nicht davon ab, den Proben beizuwohnen. Sie "sah zu und hörte zu", schreibt Jane Austen, "und es amüsierte sie nicht wenig, den Egoismus zu beobachten, der, mehr oder weniger verkleidet, sie alle zu beherrschen schien".
Die Möglichkeit, dass sich aus der Erfinderin der im Film zitierten Phantasiestücke durch Erfahrungen der Art, wie Fanny sie macht, die Analytikerin der Egoismen entwickelt hat, deutet Patricia Rozema nur indirekt an. Dass die Schriftstellerin am Ende des Films, als ihr Gatte ihr erstes Buch bei einem Verleger untergebracht hat, zur Realistin gereift ist, kann man sich höchstens denken. Denn Fanny hat sich nicht sichtlich entwickelt: Darin bleibt der Film dem Buch treu, welches der Anti-Entwicklungsroman schlechthin ist. Mary Crawford und ihr Bruder Henry, die Verführer aus der Hauptstadt, verkörpern den Zug der neuen Zeit, Abwechslung und Anpassung, und ziehen ganz Mansfield, die Zitadelle Alt-Englands, mit. Nur Fanny bleibt an ihrem Platz. Die Bildsprache des Films spielt allerdings nicht mit dieser Opposition von Bewegung und Unbeweglichkeit. Fanny rennt fast so schnell wie ihr Pferd und nennt sich selbst ein "wildes Biest". Der Roman untergräbt die tonangebende Moral durch den Anblick Fannys, die aus einem schmutzigen Loch in Portsmouth kommt, aber - entgegen allen Erwartungen ihrer Verwandten - der Läuterung nicht bedarf. Die reine Seele ist immer schon zivilisiert.
Patricia Rozema wendet diese Kritik der Konvention ins Sentimentale: Der gute Mensch ist das Kind der Wildnis. Weil Fanny den romantischen Glauben bestätigen soll, dass Wilde eben vernünftiger sind, ist eine großartige Szene des Romans weggefallen: der Spaziergang im Park von Sotherton, wo Fanny verzweifelt am Tor Wache hält, während die anderen sich paarweise in der "Wildnis" verlieren. Die Abwehr Fannys gegen den biegsamen und ruhelosen Geist der Moderne, gegen eine Moral des eleganten Arrangements mit dem scheinbar Unvermeidlichen, dieser Widerstand gegen die Zeit zeigt seine Kraft im Roman erst mit der Zeit, dank der unendlichen Geduld der Erzählerin. Ganz langsam spitzt sich das Drama um die Theateraufführung zu bis zur Katastrophe der unerwarteten Rückkehr des Vaters. Patricia Rozema hat nicht nach filmsprachlichen Äquivalenten für das Skandalon des Nichtstuns gesucht, für die unerhörte Meinung, die Dinge sollten lieber bleiben, wie sie sind. Dabei ließe sich auch die stoische Märtyrerin durchaus als feministische Ikone vorstellen. Könnte Fanny nicht in den Hungerstreik treten, um dagegen zu protestieren, dass der Reichtum von Mansfield Park auf der Sklavenwirtschaft beruht? Patricia Rozema lässt sie Sir Thomas die Anklage ins Gesicht sagen.
Die Frage nach dem Sklavenhandel stellt Fanny auch im Roman. Aber wo im Buch das Anstößige verstrickt bleibt in Routinen der Konversation, in Rituale der Höflichkeit, sprechen im Film alle gegenüber jedermann Klartext. Im Roman wird das meiste nur indirekt ausgedrückt, auch die Erwartung der Familie, Fanny möge den Heiratsantrag Henry Crawfords annehmen. Im Film befiehlt Sir Thomas Fanny, dass sie zu gehorchen hat. Harold Pinters Haustyrann ist furchtbar, weil ihm die Willkür ins Gesicht geschrieben steht. Zufällig ist eine Rangfolge, die von der Geburt bestimmt wird, zufällig ist auch das Glück, das in der patriarchalischen Ordnung möglich ist. Der glückliche Ausgang wird im Zeitraffer und im Vogelflug geschildert: Fanny hat die Freiheit, ihre eigene Geschichte zu erzählen, aber sie macht deutlich, dass sie einer narrativen Konvention folgt.
Im beschwingten Rhythmus der Handlung liegt vielleicht der größte Reiz des Films. Lesley Barbers nymaneske Musik imitiert die Korrektheit von Tanzsätzen, um doch unaufhaltsam vorwärtszudrängen. Aus dem Roman, der die Langsamkeit zelebriert, ist erstaunlicherweise ein fabelhaft schneller Film geworden. Patricia Rozemas Deutung von "Mansfield Park" ist eine Umdeutung und eben deshalb legitim: Die freie Hand wird nicht versteckt. Der Roman wäre falsch verstanden, läse man ihn nur als Affirmation einer Schöpfungsordnung, die brave Mädchen in den Himmel kommen lässt. Fanny Price hätte Henry Crawford irgendwann geheiratet, wenn er ihrer würdiger gewesen wäre: Diese Aussage ist fast eine Tautologie, weshalb man sie leicht überliest. Aber sie ist der Stein, über den die stoische Interpretation stolpern sollte. Patricia Rozema hebt die Kontingenz der Entscheidung ans Licht, die von der moralischen Notwendigkeit verdeckt wird, lässt Fanny Henry eines Tages annehmen und am nächsten Morgen wieder zurückweisen. Was berechtigt die Regisseurin zu diesem Eingriff in den Text? Dasselbe ist einer anderen jungen Dame auch passiert. Ihr Name war Jane Austen.
PATRICK BAHNERS
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